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Rehabilitation bei Morbus Parkinson

<p class="article-intro">Im Verlauf der Parkinsonerkrankung treten zunehmend Symptome auf, die medikamentös nur schwer beeinflussbar sind. Hierbei handelt es sich vor allem um Störungen der Sprech- und Schluckfunktion, der Körperhaltung, des Gehens und des Gleichgewichtes. Mit aktivierenden Therapien im Sinne von Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Neuropsychologie und anderen Therapieverfahren kann eine Milderung dieser Sympotme erzielt werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Ergebnisse aus der Grundlagenforschung legen nahe, dass k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t auch positive Auswirkungen auf neurodegenerative Prozesse haben k&ouml;nnte. Neben den klassischen Verfahren wie Physiotherapie, Ergotherapie und Logop&auml;die kommt auch ein breites Spektrum von Interventionen zum Einsatz, zu denen psychologische und neuropsychologische Therapieverfahren sowie Tanzen, Musiktherapie, Tai-Chi und Qigong sowie Laufbandtraining geh&ouml;ren.<sup>1</sup><br /> Mit der modernen Dopaminersatztherapie und der tiefen Hirnstimulation sowie durch Pumpen steht eine effektive Behandlung f&uuml;r Morbus Parkinson zur Verf&uuml;gung. Ein Gro&szlig;teil der Patienten entwickelt jedoch im Krankheitsverlauf schwerwiegende Beeintr&auml;chtigungen, die mit Einschr&auml;nkungen von Mobilit&auml;t, Kommunikationsf&auml;higkeit und Selbstst&auml;ndigkeit sowie Lebensqualit&auml;t einhergehen. Bereits in den ersten f&uuml;nf Jahren der Erkrankung kommt es bei vielen Patienten trotz optimalen Ansprechens auf die Pharmakotherapie zu alltagsrelevanten St&ouml;rungen von Gleichgewicht, Gehen und Kognition. Nach circa zehn bis f&uuml;nfzehn Jahren sind dann die meisten Parkinsonpatienten im Alltag auf Hilfe angewiesen.<br /> Zahlreiche tierexperimentelle Studien haben gezeigt, dass k&ouml;rperliches Training die Produktion von Wachstumsfaktoren f&ouml;rdert und synaptische &Uuml;bertragung verbessern kann. Weiters kommen Ph&auml;nomene der Neuroplastizit&auml;t vor, die als &bdquo;activity-dependent neuroplasticity&ldquo; beschrieben werden.<sup>2</sup> Mittlerweile wird die Annahme neuroprotektiver und neuroplastischer Wirkungen von aktivierenden Therapien durch Untersuchungen an Parkinsonpatienten gest&uuml;tzt. Der Zeitpunkt, an dem das Training im Krankheitsverlauf beginnen sollte, spielt m&ouml;glicherweise eine wichtige Rolle f&uuml;r die Effektivit&auml;t der oben genannten Ver&auml;nderungen. Ohne entsprechendes Training wird das besonders in den fr&uuml;hen Krankheitsstadien vorhandene Bewegungspotenzial aufgrund von &bdquo;Nichtgebrauch&ldquo; weniger ausgen&uuml;tzt. Letztlich stellt der Bewegungsmangel einen Teufelskreis dar: sowohl als eine Folge wie auch als ein verst&auml;rkender Faktor der Neurodegeneration.<br /> Leider erhalten Patienten mit Morbus Parkinson erst dann entsprechende Therapiema&szlig;nahmen, wenn Behinderungen oder Funktionsverlust bereits vorhanden sind. Hier handelt es sich insbesondere um Gleichgewichtsst&ouml;rungen, Fehlhaltungen und Gangblockaden. Diese Probleme werden durch k&ouml;rperliche Inaktivit&auml;t zunehmend verst&auml;rkt. Aktuelle Studien zeigen,<sup>3</sup> dass k&ouml;rperliches Training und Aktivit&auml;t als Pr&auml;diktor f&uuml;r den Krankheitsverlauf eine gro&szlig;e Rolle spielen. Patienten mit hoher Trainingsintensit&auml;t zeigen letztlich eine bessere Lebensqualit&auml;t, weniger St&uuml;rze und geringeren kognitiven Abbau als Patienten ohne Training. Die Rehabilitation von Parkinsonpatienten unterscheidet sich grundlegend von Rehama&szlig;nahmen z.B. nach Schlaganfall. Weiters ist zu erw&auml;hnen, dass es spezielle Lehrg&auml;nge f&uuml;r parkinsonspezifische Therapien f&uuml;r Logop&auml;den, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten gibt: LSVT (Lee Silverman Voice)-LOUD, LSVT-BIG.<br /> Besondere Situationen, wie z.B. Freezing beim Gehen, sind f&uuml;r Patienten mit Parkinsonerkrankung oft schwer beeintr&auml;chtigend. Ein besonderes Spezifikum in der motorischen Rehabilitation bei Parkinsonerkrankung stellt die reduzierte Wahrnehmung der unzureichenden Bewegungsamplitude dar. In diesem Zusammenhang sind auch die Kamptokormie sowie das Pisa-Syndrom zu verstehen. Letztlich geht man von einem &bdquo;postural neglect&ldquo; aus. Verschiedene Therapieformen wie LSVT oder Tai-Chi legen einen Schwerpunkt auf die Verbesserung von K&ouml;rperund Bewegungswahrnehmung. Eine wichtige Rolle in der Behandlung spielen auch nicht motorische St&ouml;rungen wie z.B. kognitive Defizite, Depression, Antriebsmangel sowie autonome St&ouml;rungen der Parkinsonpatienten. Prinzipiell kommt therapeutischen Ma&szlig;nahmen beim Parkinsonpatienten ein hoher Stellenwert zu. Die Behandlung erfolgt normalerweise individuell bzw. auf ein Therapieziel, z.B. nach ICF, bezogen. Prinzipiell lassen sich zwei grunds&auml;tzliche Behandlungsprinzipien unterscheiden: kompensatorische Behandlungen sowie restaurative Therapien.</p> <ul> <li>Kompensatorisch: &bdquo;cueing&ldquo;, &bdquo;pacing&ldquo;</li> <li>Restaurativ: z.B. LSVT sowie Krafttraining und Laufbandtraining</li> <li>Physiotherapie: In den Fr&uuml;hstadien der Parkinsonerkrankung liegt der Schwerpunkt der Physiotherapie auf dem Training von Kraft, Koordination, Rhythmus und K&ouml;rperwahrnehmung.</li> <li>Logop&auml;die: Im Rahmen der Logop&auml;die wird an einer Verbesserung der Sprechlautst&auml;rke gearbeitet.</li> <li>Ergotherapie: Hier k&ouml;nnen Verbesserungen im ADL-Bereich erzielt werden.<sup>4</sup></li> </ul> <h2>Fazit f&uuml;r die Praxis</h2> <p>Studien geben Hinweise darauf, dass ein spezialisiertes, interdisziplin&auml;res Team die besten Ergebnisse f&uuml;r Parkinsonpatienten im Rahmen einer Rehabilitation erzielen kann. Niederschwelliges Training ist aus heutiger Sicht nur wenig bis kaum wirksam. Insgesamt k&ouml;nnen aktivierende Therapien insbesondere nicht-Dopa-responsive Syndrome positiv beeinflussen. Sowohl aus Tiermodellen als auch aus klinischen Studien gibt es mittlerweile Evidenz, dass k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t positive Auswirkungen auf die neuronale Plastizit&auml;t und auf die Krankheitsprogression haben kann.<sup>5</sup> Bisher ist jedoch der Nachweis f&uuml;r eine verlaufsmodifizierende Wirkung leider ausgeblieben. Insgesamt gibt es jedoch Hinweise darauf, dass Therapien bei Parkinsonerkrankung bereits fr&uuml;h im Krankheitsverlauf beginnen sollten und nicht erst, wenn funktionell relevante Behinderungen vorhanden sind. So ist es auch nicht &uuml;berraschend, dass die S3- Leitlinien der DGN Physiotherapie unabh&auml;ngig vom Krankheitsstadium empfehlen. Entscheidend f&uuml;r einen Erfolg d&uuml;rfte sein, dass Patienten motiviert werden, intensiver und l&auml;nger zu trainieren, als dies in der ambulanten Versorgungspraxis vorgesehen ist. Letztlich scheint die interdisziplin&auml;re Versorgung in spezialisierten station&auml;ren Rehabilitationseinrichtungen effizienter als ambulant durchgef&uuml;hrte Therapiema&szlig;nahmen zu sein.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Neuro_1706_Weblinks_jatros_neuro_1706_s14_bild.jpg" alt="" width="1051" height="1315" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Ebersbach G: Grundlagen der Aktivierenden Therapie bei Morbus Parkinson. Neurol Rehabil 2017; 23(2): 123-30 <strong>2</strong> Petzinger GM et al.: The effects of exercise on dopamine neurotransmission in parkinsons disease. Brain Plast 2015; 1(1): 29-39 <strong>3</strong> Oguh O et al.: Back to the basics: regular exercise matters in Parkinson&rsquo;s disease: results from the National Parkinson Foundation QII registry study. Parkinsonism Relat Disord 2014; 20(11): 1221-5 <strong>4</strong> Sturkenboomet et al.: Efficacy of occupational therapy for patients with Parkinon&rsquo;s disease: a randomised controlled trial. Lancet Neurol 2014; 13(6): 557-66 <strong>5</strong> Petzinger et al.: Exercise-enhanced neuroplasticity targeting motor and cognitive circuitry in Parkinson&rsquo;s disease. Lancet Neurol 2013; 12(7): 716-26</p> </div> </p>
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