© byryo iStockphoto

Tumoren der Harnblase und des Hodens

Männersachen

<p class="article-intro">Neben dem Prostatakarzinom spielten auch die Tumoren des Hodens und der Harnblase eine grosse Rolle in den Studien der Schweizer Urologen, die in Lugano präsentiert wurden. Untersucht wurden Marker, diagnostische Verfahren, Therapiestrategien sowie neue Therapieansätze.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Die SAG TCCS zu</h2> <h2>Hodenkarzinomen</h2> <p>Um erste Daten der Swiss Austrian German Testicular Cancer Cohort Study (SAG TCCS) ging es bei Dr. med. Christian Fankhauser, Z&uuml;rich. Die Studie soll Behandlungsstrategien und Follow-up bei Hodenkarzinomen untersuchen. Zwar k&ouml;nnen die meisten Patienten durch das Entfernen des Prim&auml;rtumors und anschliessende lokale und/oder systemische Therapien geheilt werden; die Therapiestrategien variieren jedoch und die Nachsorge ist nicht definiert. Fankhauser belegte das unterschiedliche Management anhand der Daten der ersten 201 Patienten. 127 Patienten hatten ein Seminom (SEM), 73 Nichtseminome (NONSEM). Die meisten Seminome (81,9 % ) befanden sich im Stadium 1, 12,6 % in Stadium 2 und 5,5 % in Stadium 3. In der NONSEM-Gruppe hatten 50,7 % der Patienten Tumoren im Stadium 1, 32,9 % Stadium 2 und 16,4 % Stadium 3.<br />60 % der SEM-Patienten mit Stadium-1-Tumoren und alle 21 Patienten mit Niedrigrisiko-NONSEM-Tumoren im Stadium 1 (keine Infiltration in Lymphgef&auml;sse) entschieden sich f&uuml;r die &bdquo;active surveillance&ldquo; (AS). 40 % der Patienten mit SEM im Stadium 1 erhielten eine adjuvante Chemotherapie mit Carboplatin. Jeweils die H&auml;lfte der Patienten mit SEM im Stadium 2 erhielten eine platinbasierte Chemo- oder eine Strahlentherapie.<br />Von den 15 Patienten mit Hochrisiko-NONSEM im Stadium 1 (Infiltration in Lymphgef&auml;sse) erhielten 13 einen adjuvanten Chemotherapiezyklus mit Bleomycin, Etoposid und Cisplatin (BEP), zwei w&auml;hlten AS. Alle Patienten mit SEM (Stadium 3) und NONSEM (Stadium 2 und 3) wurden mit drei bis vier Zyklen BEP behandelt. Fankhauser betonte, wie wichtig es ist, Patienten mit Hodentumoren in entsprechende Studien einzuschreiben (http://sag-tccs.com). Nur so k&ouml;nnen Nachsorgemassnahmen, Therapieergebnisse und Langzeittoxizit&auml;t untersucht sowie die Nachsorgestrategien validiert werden.</p> <h2>Marker bei</h2> <h2>Hodentumoren</h2> <p>Die Tumormarker Alpha-1-Fetoprotein (AFP), humanes Choriongonadotropin (hCG) und Laktatdehydrogenase (LDH) sind wichtig f&uuml;r Staging, Prognose, Therapie und Nachsorge von Hodentumoren. Die Marker k&ouml;nnen jedoch auch aufgrund anderer Ursachen erh&ouml;ht sein, AFP zum Beispiel bei Dysfunktionen der Leber, chronischen Lungenkrankheiten und weiteren Tumorarten wie Leber-, Lungen- oder Pankreaskarzinomen. hCG steigt unter anderem bei Hypogonadismus an, LDH bei Krankheiten der Leber und der Bauchspeicheldr&uuml;se, bei h&auml;molytischer An&auml;mie oder bei Alkohol- und Bet&auml;ubungsmittelmissbrauch. Eine Arbeitsgruppe des Universit&auml;tsspitals Z&uuml;rich untersuchte in einer retrospektiven Studie, ob leicht erh&ouml;hte Werte dieser Tumormarker auf ein Tumorrezidiv hindeuten oder nicht. Dr. med. Nico Grossmann stellte die Arbeit vor. An der Studie nahmen 368 Patienten mit Hodentumoren im Stadium 1 nach Orchiektomie teil. Ausgewertet wurden jene, deren Tumormarker um das bis zu 1,5-Fache des Normwertes erh&ouml;ht waren (AFP: 10 &micro;G/l, b-hCG 2 U/l, LDH 480 U/l), ohne dass klinisch oder radiologisch Resttumoren nachgewiesen werden konnten. Bei sieben Patienten wurden erh&ouml;hte Werte gemessen. Vier von ihnen hatten ein SEM und drei ein NONSEM. Von diesen erlitt nur ein Patient ein Rezidiv seines Seminoms. Er wies konstant erh&ouml;hte AFP-Spiegel zwischen 13,5 und 14,3&micro;G/l auf. Dies zeige, dass leicht erh&ouml;hte Tumormarkerwerte ohne radiologischen Tumornachweis eines Hodentumors kein geeigneter Indikator f&uuml;r ein Rezidiv sind, so Grossmann. Man solle immer Differenzialdiagnosen ber&uuml;cksichtigen.<br />Dr. Christian Fankhauser stellte eine weitere Untersuchung zum prognostischen Wert von systemischen Entz&uuml;ndungsmarkern vor. Die Studienkohorte umfasste 146 Patienten mit metastasierten Hodentumoren, die als Erstlinienbehandlung eine Chemotherapie erhalten hatten. Das mittlere Follow-up betrug 53 Monate. Es zeigte sich, dass abnehmende H&auml;moglobinwerte, steigende Leukozyten- und Neutrophilenzahlen sowie erh&ouml;hte CRP-Werte mit einer h&ouml;heren Gesamtsterblichkeit einhergingen (jeweils p&lt;0,001). Das Gleiche galt f&uuml;r sinkende Albuminspiegel (p=0,010) und eine hohe Neutrophilen-zu-Lymphozyten-Ratio (p=0,005). Fankhausers Fazit: Sys&shy;temische Entz&uuml;ndungsmarker haben einen hohen prognostischen Wert und sind mit einfachen Mitteln zu bestimmen.</p> <h2>Diagnose und &Uuml;berwachung von Blasenkarzinomen</h2> <p>Die Blasensp&uuml;lzytologie wird h&auml;ufig erg&auml;nzend zu anderen Methoden bei der &Uuml;berwachung von nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinomen (NMIBC) eingesetzt. Uwe Bieri, Baden, pr&auml;sentierte eine Untersuchung der Klinik f&uuml;r Urologie am Universit&auml;tsspital Z&uuml;rich, die den Wert des Verfahrens zumindest bei niedriggradigen NMIBC infrage stellt. Hintergrund seien neuere Studien gewesen, nach denen die Blasensp&uuml;lzytologie bei diesen Tumoren eine geringere Spezifit&auml;t aufweise, erkl&auml;rte Bieri. In ihre retrospektive Auswertung bezogen die Wissenschaftler 2064 Blasensp&uuml;lzytologien von 314 Patienten ein, die zwischen 2002 und 2013 aufgrund von NMIBC nachbeobachtet wurden. Neben den Zytologien nahmen sie auch Zystoskopien vor. Bei Patienten mit positiver Zystoskopie und/oder Blasensp&uuml;lzytologie erfolgte eine Blasenbiopsie oder eine transurethrale Resektion (TURB). Patienten mit negativer Zystoskopie und Zytologie wurden weiter be&shy;obachtet. Die Blasensp&uuml;lzytologie werteten die Wissenschaftler als strikt positiv, wenn in ihr maligne Zellen vorhanden waren. Sensitivit&auml;t (SE) und Spezifit&auml;t (SP) wurden f&uuml;r die gesamte Kohorte und jeweils f&uuml;r niedriggradige (LG) und hochgradige (HG) Tumoren errechnet. Der gleichen Auswertung wurde auch eine erweiterte positive Blasensp&uuml;lzytologie unterzogen. Diese konnte verd&auml;chtige, atypische oder maligne Zellen enthalten. F&uuml;r strikt positive Blasensp&uuml;lzytologien ergab sich insgesamt eine SE von 16,8 % und eine SP von 99,7 % . Unterschieden nach LG- und HG-Tumoren zeigte sich, dass die Sensitivit&auml;t bei den LG-Tumoren noch geringer war (13,3 % ), w&auml;hrend sie bei HG-Tumoren bei 20 % lag. Die Spezifit&auml;t blieb dagegen gleich. Etwas besser war die SE f&uuml;r die erweiterte Blasensp&uuml;lzytologie: insgesamt 54,7 % , LG 35,6 % , HG 72 % (SP: 94,2 % , 95,3 % , 93,3 % ). Bieri betonte, dass die Untersuchung abh&auml;ngig von den Kriterien f&uuml;r eine &bdquo;positive Blasensp&uuml;lzytologie&ldquo; grosse Unterschiede in der SE gezeigt habe. Die erweiterten Kriterien h&auml;tten die SE verbessert, wobei der Nutzen des Verfahrens weiterhin fraglich sei, besonders bei LG-NMIBC.<br />Ob die Blasensp&uuml;lzytologie hilfreich bei der Diagnose von Blasenkarzinomen bei Patienten mit neurogenen Blasenfunktionsst&ouml;rungen ist, versuchte eine Arbeitsgruppe vom Schweizer Paraplegiker-Zentrum, Nottwil, herauszufinden. Die Antwort gab Dr. med. Jens W&ouml;llner. Er wies darauf hin, dass bei Patienten mit R&uuml;ckenmarksverletzungen, die einen Dauerkatheter tragen, das Risiko f&uuml;r ein Harnblasenkarzinom erh&ouml;ht ist. Ursache sind chronische Entz&uuml;ndungen und lokale Irritationen durch den Katheter. Wegen dieser entz&uuml;ndlichen Ver&auml;nderungen ist jedoch auch die Aussagekraft einer Zystoskopie eingeschr&auml;nkt. Daher sollte der Nutzen einer erg&auml;nzenden Blasensp&uuml;lzytologie erforscht werden. Insgesamt wurden 79 Patienten mit neurogenen Blasenfunktionsst&ouml;rungen in die Studie aufgenommen, 44 von ihnen trugen einen Dauerkatheter. Bei 75 Patienten erfolgten eine Zystoskopie und eine Zytologie. Die Zystoskopie ergab bei 23 Patienten verd&auml;chtige Befunde, die Zytologie bei 17. Bei 21 Patienten wurde daraufhin eine Resektionsbiopsie vorgenommen. Sechs von ihnen hatten einen Blasentumor (pTaG1 bis pT3G3). Die Sensitivit&auml;t der kombinierten Verfahren lag bei 83,3 % , die Spezifit&auml;t bei 40 % . Kein Patient mit einem Blasenkarzinom hatte eine normale Zytologie. Beim ausschliesslichen Einsatz der Zystoskopie w&auml;ren drei Tumoren &uuml;bersehen worden. W&auml;ren nur bei denjenigen Patienten mit verd&auml;chtigen Befunden in Zystoskopie und Zytologie Biopsien entnommen worden, h&auml;tte man vier Patienten den Eingriff ersparen k&ouml;nnen, h&auml;tte aber einen Tumor &uuml;bersehen. Daraus schloss W&ouml;llner, dass ein generelles Screening auf Harnblasenkarzinome bei Patienten mit neurogenen Blasenfunktionsst&ouml;rungen nicht gerechtfertigt ist. Eine regelm&auml;ssige Kontrolle bei Risikopatienten sei jedoch m&ouml;glich, sagte er. Dabei k&ouml;nne die Kombination der Zystoskopie mit der Blasensp&uuml;lzytologie die Diagnoserate verbessern und zugleich die Zahl unn&ouml;tiger Biopsien senken.</p> <p>&nbsp;<img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Uro_1703_Weblinks_s13.jpg" alt="" width="1420" height="1192" /></p> <h2>Therapie des Harnblasenkarzinoms</h2> <p>Die TURB mit Blaulichtzystoskopie und Instillation von Hexaminolevulinat (Hexvix&reg;) hat die Diagnostik und Therapie des NMIBC, vor allem des Carcinoma in situ (CIS), verbessert. Dr. med. Arnas Rakauskas, Lausanne, stellte ein Studie vor, in der das rezidivfreie &Uuml;berleben (RFS) unter der Standardtherapie (Weisslichtzystoskopie-TURB) mit jener unter Hexvix&reg;-TURB verglichen wurde. In die retrospektive Auswertung flossen die Daten von 270 Patienten ein, von denen 204 mittels Hexvix&reg;-TURB behandelt worden waren. Die durchschnittliche Nachbe&shy;obachtungszeit betrug 32,5 Monate. Die Hexvix&reg;-TURB ging mit einem signifikant l&auml;ngeren RFS einher &ndash; und zwar sowohl in der univariaten (HR 0,53, p=0,004) wie auch der multivariaten Analyse (HR 0,4, p=0,001). Besonders bei den Tumoren mit intermedi&auml;rem und hohem Risiko wurde dies beobachtet. Obwohl die Hexvix&reg;-TURB haupts&auml;chlich f&uuml;r Hochrisiko-Blasenkarzinome empfohlen wird, sollte man das Verfahren auch bei Tumoren mit intermedi&auml;rem Risiko erw&auml;gen, sagte Rakauskas. Allerdings m&uuml;sse man die Limitationen der Studie &ndash; retrospektives Design, kleine Patientenzahl und kurze Nachbeobachtungszeit &ndash; ber&uuml;cksichtigen.<br />PD Dr. med. Cyrill Rentsch, Basel, pr&auml;&shy;sentierte die Resultate der klinischen Phase-I-Open-Label-Studie SAKK 06/14. Sie untersuchte die Sicherheit der intravesikalen Instillation des rekombinanten Bacillus-Calmette-Gu&eacute;rin(BCG)-Stamms VPM1002BC bei Patienten mit NMIBC, die auf eine konventionelle BCG-Behandlung nicht angesprochen hatten. Die genetischen Modifikationen von VPM1002BC beinhalten das Inaktivieren des Urease-C-Gens und die Integration des Listeriolysin-Gens von Lis&shy;teria monocytogenes. Man verspricht sich davon eine bessere Immunogenit&auml;t und weniger Nebenwirkungen als bei der herk&ouml;mmlichen BCG-Therapie. Einschlusskriterium f&uuml;r die Studie (NCT02371447) war ein BCG-Versagen, definiert als Rezidiv eines NMIBC mit intermedi&auml;rem bis hohem Progressionsrisiko. Sechs Patienten nahmen an der Studie teil. Sie erhielten sechs w&ouml;chentliche Instillationen mit VPM1002BC. Daran schloss sich eine einj&auml;hrige Erhaltungstherapie an, bei der drei w&ouml;chentliche Instillationen in den Monaten 3, 6 und 12 nach Behandlungsbeginn erfolgten. Die Behandlung wurde gut vertragen und es traten keine Nebenwirkungen der Grade 3 und 4 auf. Grad-2-Nebenwirkungen waren vor allem Harnwegsinfektionen. VPM1002BC wurde innerhalb von 24 Stunden aus dem Urin eliminiert und es kam nicht zu einer sys&shy;temischen Ausbreitung. Wegen der kleinen Patientenzahl konnten keine Aussagen zur Immunologie gemacht werden. Eine internationale Phase-II-Studie mit VPM1002BC rekrutiert derzeit Pa&shy;tienten.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 73. Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Urologie, 6.–8. September 2017, Lugano </p>
Back to top