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Klassische sexuell übertragbare Krankheiten

<p class="article-intro">Der Begriff «sexually transmitted diseases» (STD) bezieht sich im engeren Sinn auf die sechs klassischen Krankheiten Chlamydieninfektion, Gonorrhö, Lues, Lymphogranuloma venerum, Ulcus molle und das Granuloma inguinale. Diese Infektionskrankheiten sollte jeder Facharzt kennen, obwohl deren Bedeutung im europäischen Praxisalltag bis auf die Chlamydieninfektion, die Gonorrhö und die Lues eher untergeordneter Natur ist.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>F&uuml;r die Gesundheit weltweit sind diese Erkrankungen nach wie vor von grosser Bedeutung, nicht wenige Menschen leben ohne Zugang zu Medizin und Medikamenten. Der vorliegende Artikel ist diesen Erkrankungen gewidmet. Die wichtigsten Aspekte werden zusammengefasst, um dazu beizutragen, dass diese Krankheiten in einer Zeit des Reisens nicht in Vergessenheit geraten und Diagnosen fr&uuml;h gestellt werden k&ouml;nnen.<br /> Geschlechtskrankheiten im weiteren Sinn sind im Alltag viel h&auml;ufiger. Das sind der vaginale Soor, die bakterielle Vaginose, HPV-Infekte, Herpes genitalis, Trichomonaden sowie Molluscum contagiosum und vielleicht noch die Scabies. Dazu kommen weitere bakterielle Infekte, z.B. mit Strepto- oder Staphylokokken. Eine weitere Gruppe von Wichtigkeit stellen Infekte durch HIV, Hepatitis B und C dar, die auch genital &uuml;bertragen werden k&ouml;nnen. Diese Infekte werden im vorliegenden Artikel nicht besprochen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Gyn_1703_Weblinks_s25_abb1.jpg" alt="" width="1455" height="945" /></p> <h2>Chlamydien</h2> <p>Zwischen 3 und 10 % der sexuell aktiven Bev&ouml;lkerung kommen in ihrem Leben durch Geschlechtsverkehr (GV) mit Chlamydien in Kontakt. Etwa 70 % sind zwischen 15 und 25 Jahre alt. 2014 wurden in der Schweiz knapp 10 000 Neuerkrankungen registriert, Tendenz steigend. Frauen sind dreimal h&auml;ufiger betroffen als M&auml;nner. Die Chlamydien sind obligat intrazellul&auml;re, gramnegative Bakterien vom Serotyp D&ndash;L. Die H&auml;lfte der Erkrankungen verl&auml;uft asymptomatisch. Asymptomatisch heisst nicht, dass es nicht zu bleibenden Sch&auml;den kommen kann. Es sind aber auch hochakute Verl&auml;ufe mit akutem Abdomen bis hin zum septischtoxischen Schock bekannt. CRP und Klinik korrelieren schlecht mit dem Ausmass der Infektion. Nicht selten persistiert eine Besiedelung oder Infektion mit Chlamydien &uuml;ber Monate bis Jahre im Bereich der Zervix, bis die Erreger pl&ouml;tzlich w&auml;hrend oder nach einer Mens hochsteigen. An eine Infektion zu denken, ist bei den Chlamydien besonders wichtig. Die mukopurulente Zervizitis, Kontaktblutungen und Metrorrhagien sind Hinweise auf eine latente oder asymptomatische Infektion. Sp&auml;tfolgen sind Sterilit&auml;t, Adh&auml;sionen und chronische Unterbauchschmerzen. Bei der Laparoskopie sieht man nicht selten perihepatische Verwachsungen (&laquo;violin strings&raquo;) als Folge einer Perihepatitis. In der Schwangerschaft k&ouml;nnen Chlamydien eine Fr&uuml;hgeburt ausl&ouml;sen. Die Diagnose wird mittels Vaginalabstrich und Polymerase- Kettenreaktion (PCR) oder durch Untersuchung der ersten Urinportion gestellt. Unkomplizierte Infekte werden meist mit einer Einmaldosis von 1g Azithromycin behandelt. L&auml;ngere Therapien f&uuml;hren mit Doxycyclin 2x 100mg oder mit Erythromycin 3x 500mg jeweils &uuml;ber 7 Tage zum Ziel. Wichtig sind Kontrollabstriche nach fr&uuml;hestens 6 Wochen sowie eine Partnerbehandlung mit den gleichen Medikamenten. Kondome sind ein guter, aber nicht vollst&auml;ndiger Schutz.</p> <h2>Gonorrh&ouml; (GO)</h2> <p>Die gramnegativen Diplokokken Neisseria gonorrhoeae werden ebenfalls obligat durch GV/Schleimhautkontakt &uuml;bertragen und verursachen in der Schweiz ca. 1500 Neuerkrankungen mit steigender Tendenz. Das Erkrankungsalter liegt in 70 % der F&auml;lle bei 20&ndash;40 Jahren und damit etwas h&ouml;her als bei den Chlamydien. Nach einem GV mit einem Infizierten erkranken Frauen viel h&auml;ufiger (60&ndash;90 % ) als M&auml;nner (20&ndash;50 % ). Die registrierten Erkrankungen betreffen in einem Drittel homosexuelle M&auml;nner (MSM). Die Inkubationszeit ist mit 3&ndash;8 Tagen sehr kurz. Nach unspezifischer Urethritis, Dysurie und Fluor kommt es in 1&ndash;3 % der F&auml;lle zu disseminierten Symptomen wie Arthritis, Dermatitis und m&ouml;glicher Sepsis, auch Hirnhaut, Herz und Knochen k&ouml;nnen betroffen sein. M&auml;nner zeigen meist einen starken putriden Ausfluss, im franz&ouml;sischen Volksmund mit &laquo;pisse blanc&raquo; bezeichnet. Analinfekte bleiben vor allem bei Frauen (bis 90 % ) asymptomatisch, k&ouml;nnen aber auch zu Proktitis, schmerzhaftem Stuhlgang und analem Ausfluss f&uuml;hren. Zu analen Infekten kommt es durch Analverkehr oder durch vaginal infizierten Ausfluss. Auch die Pharyngitis verl&auml;uft bis auf Ulzera h&auml;ufig asymptomatisch. Sie ist Folge von Oralverkehr.<br /> Bei unkomplizierter GO mit ad&auml;quater Behandlung bleiben keine Sp&auml;tsch&auml;den. Ohne Behandlung kommt es zu Prostatitis oder Epididymitis mit m&ouml;glichen Sterilit&auml;tsfolgen. Bei Frauen sind Infekte der Bartholinidr&uuml;se h&auml;ufig sowie Zervizitis, Endomyometritis und Adnexitis. Frauen k&ouml;nnen dadurch ebenfalls eine Sterilit&auml;t erleiden.<br /> Die Diagnose wird mit Abstrichen (PCR oder Bakteriologie) aus Urin, Zervix, Vagina, Urethra, Anus oder Pharynx gestellt. Bei Verdacht auf GO sollten Proben von mehreren Stellen genommen werden. Bei positivem Resultat m&uuml;ssen auch andere STD gesucht werden (in 30 % positiv), insbesondere Chlamydien sowie Lues und HIV. Bei zunehmender Antibiotikaresistenz sollten unbedingt Kulturen und Antibiogramme angelegt werden. Die fr&uuml;heren Standardmedikamente wie Penicilline, Ciprofloxacin und Cefixim sind heute meist unwirksam. Die aktuelle Empfehlung des Bundesamtes BAG ist eine i.m. Einmaldosis von Ceftriaxon 500mg sowie gleichzeitig 1g Azithromycin. Auch hier sind Kontrollabstriche (bereits 1 Woche nach Therapie) und die Partnerbehandlung wichtig. Alle Sexualpartner der letzten 60 Tage sollten mit Abstrichen kontrolliert und noch vor Erhalt der Resultate bereits behandelt werden. Kondome sch&uuml;tzen wie gegen Chlamydien gut, aber nicht vollst&auml;ndig.</p> <h2>Syphilis (Lues, harter Schanker, &laquo;Franz&ouml;sische Krankheit&raquo;)</h2> <p>Syphilis ist der Name eines Schafhirten, der 1530 in einem Gedicht des Arztes Fracastoro erw&auml;hnt wird und der wegen Gottesl&auml;sterung mit einer neuen Krankheit bestraft wurde. &laquo;Lues&raquo; ist lateinisch und bedeutet Unheil oder Seuche. Im Gegensatz zu Chlamydien und GO weist die Lues einige heimt&uuml;ckische Eigenheiten auf. Die Inkubationszeit ist mit 3 Monaten lang, die Prim&auml;rsymptome sind schmerzlos. Das Prim&auml;rstadium ist auf 6&ndash;20 Wochen beschr&auml;nkt und heilt ohne Therapie vollst&auml;ndig ab. Das kommt allen Anstrengungen entgegen, etwas zu verdr&auml;ngen, das nicht sein darf. Acht bis neun Wochen sp&auml;ter tritt die Krankheit ins Sekund&auml;rstadium nach erfolgter h&auml;matogener Disseminierung und zeigt sich grippe&auml;hnlich unspezifisch mit Fieber, Kopfschmerzen und einer meist ausgepr&auml;gten Panlymphadenopathie. Diese unspezifischen Symptome k&ouml;nnen wiederum fehlgedeutet werden. Nach 10 Wochen tritt dann ein zun&auml;chst leichtes Exanthem auf, das sich rasch verschlimmert. Papeln, Pusteln ergeben mit opportunistischen Infekten wie Condylomata lata ein kompliziertes Bild. Die Exantheme pr&auml;sentieren sich nicht selten derart vielf&auml;ltig, dass die Dermatologen die Lues als &laquo;grande imitatrice&raquo; der meisten Hauterkrankungen bezeichnen. Etwas seltener sind auch Schleimh&auml;ute befallen. Haarausfall kann zur Alopecia areolaris f&uuml;hren. Auch das Sekund&auml;rstadium heilt ohne Behandlung spontan ab, bricht aber in unregelm&auml;ssigen Abst&auml;nden wieder aus. Speziell ist, dass die Hauterscheinungen kaum Symptome verursachen, so sind Jucken und Brennen sehr selten. Bei gesunden, abwehrstarken Menschen kann die Syphilis in diesem Stadium zum Stillstand kommen. Die Betroffenen bleiben aber ansteckend, wobei diese Gefahr mit der Zeit der Symptomfreiheit abnimmt.<br /> Das Terti&auml;rstadium beginnt 3&ndash;5 Jahre nach der ersten Ansteckung und ist gekennzeichnet durch eine Dissemination der Spiroch&auml;ten im gesamten K&ouml;rper. Es kommt zur Mitbeteiligung der inneren Organe: kardiovaskul&auml;re Syphilis, Aortitis, Gummen in Gef&auml;ssen, allen Organen, der Haut, Knochen und Muskeln. Die Krankheit beginnt, den Betroffenen zu entstellen. Im vierten Stadium greift die Lues auf das ZNS &uuml;ber. Etwa 40 % der unbehandelten F&auml;lle entwickeln eine Neurolues: Tabes dorsalis, Paralysen bis hin zur Paraplegie sind die Folgen.<br /> Schwangere, die mit Spiroch&auml;ten infiziert sind, k&ouml;nnen den Erreger auf ihr Kind &uuml;bertragen. Es kann in 70 % der F&auml;lle zu Aborten oder zu IUFT kommen. Die erkrankten Neugeborenen tragen die Stigmata der Lues connata: Die Hutchinson- Trias zeigt sich in einer Keratitis parenchymatosa, einer Innenohrschwerh&ouml;rigkeit und tonnenf&ouml;rmigen Schneidez&auml;hnen, zus&auml;tzlich weisen diese Kinder h&auml;ufig eine Sattelnase auf.<br /> Die Diagnose st&uuml;tzt sich auf eine genaue Anamnese, die auch das Milieu des Patienten ber&uuml;cksichtigen sollte. Direkt lassen sich die Erreger in der Dunkelfeld-Mikroskopie erkennen oder nach Sekretanalyse mit Silberf&auml;rbung. Auch der Immunfluoreszenztest vermag Spiroch&auml;ten direkt nachzuweisen. Bei sehr langer Anamnese, negativen Tests und neurologischen Symptomen sollte eine Liquorpunktion zur Diagnostik durchgef&uuml;hrt werden. Heute wird auch der PCR-Test verwendet. Ein serologisch unspezifischer Suchtest ist der Treponema- pallidum-H&auml;magglutinations-Assay (TPHA), welcher bereits 4&ndash;6 Wochen nach der Infektion positiv sein kann. Der Fluoreszenz- Treponema-Antik&ouml;rper-Absorptionstest (FTA-ABS-Test) wird zur Best&auml;tigung eines positiven TPHA eingesetzt. Der Venereal Disease Research Laboratory Test (VDRL) wird zur Verlaufskontrolle unter der Therapie, die meist mit Penicillinen erfolgt, eingesetzt. Bei Penicillin-Allergie werden Tetrazykline, Makrolidantibiotika oder Cephalosporine ben&ouml;tigt. Vor allem in den fr&uuml;heren Stadien einer Syphilis mit vielen Erregern kann es zur Herxheimer-Reaktion kommen: Das Zerfallen von Treponemen f&uuml;hrt zum Anstieg von Toxinen, die Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen sowie hypotone Krisen ausl&ouml;sen k&ouml;nnen. Der Therapieerfolg muss &uuml;ber viele Monate immer wieder kontrolliert werden. Kondome sch&uuml;tzen, schliessen eine Ansteckung aber nicht aus. Weltweit sch&auml;tzt man j&auml;hrlich 12 Millionen Neuerkrankungen.</p> <h2>Lymphogranuloma venereum</h2> <p>Die Serotypen L1&ndash;L3 der Chlamydien sind f&uuml;r das Lymphogranuloma verantwortlich. Hauptvorkommen ist in Afrika, in Europa ist die Erkrankung sehr selten. &Auml;hnlich der Lues bilden sich genital, rektal oder oral schmerzlose Geschw&uuml;re, die nach 14 Tagen abheilen. Im zweiten Schub kommt es nach 2&ndash;4 Wochen zu schmerzhaften, region&auml;ren Lymphknotenschwellungen am Hals und inguinal. Unbehandelt entwickeln sich &uuml;ber die Jahre hin Lymphst&ouml;rungen mit grotesken &Ouml;demen. Die Allgemeinsymptome &auml;hneln einer Grippe. Die Therapie ist relativ einfach mit Doxycyclin 2x 100mg &uuml;ber 3 Wochen oder mit einer einmaligen Dosis Azithromycin 1,5g per os. In der Schwangerschaft hilft auch Erythrocin 2g t&auml;glich f&uuml;r eine Woche.</p> <h2>Ulcus molle (weicher Schanker)</h2> <p>Im Gegensatz zur Lues und dem Lymphogranuloma ist die Infektion mit dem Haemophilus ducreyi sehr schmerzhaft. Nebst den Ulzera im Genitalbereich kommt es zur Bubo, der schmerzhaften Lymphopathie. Die Inkubationszeit betr&auml;gt nur wenige Tage und beschr&auml;nkt sich auch unbehandelt auf die Genitalregion und die zugeh&ouml;rigen Lymphknoten. Oft fistelt die Infektion in die Haut. Auch ohne Therapie heilt die Erkrankung meist spontan aus. Obwohl sie strikt durch Geschlechtsverkehr &uuml;bertragen wird, ist sie nicht in allen L&auml;ndern meldepflichtig. In Europa ist die Erkrankung sehr selten, sie kommt am h&auml;ufigsten in S&uuml;dostasien und Lateinamerika bei sozio&ouml;konomisch benachteiligten Menschen vor. Eine Einzeldosis von 500mg Ceftriaxon i.m. ist die einzige Therapie.</p> <h2>Granuloma inguinale Donovan (Donovanosis)</h2> <p>Diese in Entwicklungsl&auml;ndern endemische Krankheit wird durch Klebsiella granulomatis verursacht. Nach wenigen Tagen bis maximal 6 Wochen Inkubationszeit kommt es zu schmerzlosen Ulzera im Genitalbereich. Eine Differenzialdiagnose zur Syphilis kann schwierig sein. Im Gegensatz zur Syphilis haben die krater&auml;hnlichen Ulzera typisch aufgeworfene R&auml;nder und die region&auml;ren Lymphknoten sind nicht geschwollen. Unbehandelt wachsen die Ulzera destruierend.<br /> Neben der Anamnese, Klinik (Ulkusform) und nach Ausschluss einer Syphilis f&uuml;hrt die mikroskopische Gewebeuntersuchung mittels Wright-Giemsa-F&auml;rbung zur sicheren Diagnose. Die Behandlung mit Cotrimoxazol, Tetrazyklinen oder Makrolidantibiotika ist unkompliziert, es kann aber nach 1&ndash;2 Jahren ohne Neuansteckung zu R&uuml;ckf&auml;llen kommen. Alle Sexualpartner einer infizierten Person der letzten 6 Wochen sollten ebenfalls untersucht und behandelt werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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