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Extremitätenverlängerung mit dem magnetgetriebenen Precice-Marknagel

<p class="article-intro">In der Extremitätenrekonstruktion bei angeborenen oder erworbenen Längendifferenzen und Fehlstellungen ist der magnetgetriebene Precice-Verlängerungsmarknagel zu einem nicht mehr verzichtbaren Bestandteil geworden. Eine korrekte Patientenauswahl und perfekte Indikation vorausgesetzt, kann dem Patienten ein sicheres und sehr effizientes Verfahren angeboten werden, welches ohne den Diskomfort eines externen Verlängerungsapparates auskommt.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Indikationen</h2> <p>&Uuml;blicherweise kann die Indikation f&uuml;r eine Verl&auml;ngerung mit dem Marknagel ab einer Beinl&auml;ngendifferenz von 2,5cm nach Wachstumsabschluss gestellt werden. Zuvor haben minimal invasive Wachstumsbremsungen einen hohen Stellenwert. Ausser bei der Hemihypertrophie w&uuml;rde eine alternative Verk&uuml;rzungsosteotomie immer das eigentlich &laquo;gesunde&raquo; Bein behandeln. Begleitende Deformit&auml;ten k&ouml;nnen bei exakter pr&auml;operativer Planung mitbehandelt werden, wenn die anatomischen Verh&auml;ltnisse das zulassen.</p> <h2>Das Precice-Marknagel-System</h2> <p>Der Precice-Marknagel der Firma Nu- Vasive (fr&uuml;her Ellipse Technologies) ist in diversen L&auml;ngen und Breiten (8,5mm, 10,7mm und 12,5mm) erh&auml;ltlich, sodass er den jeweiligen anatomischen Verh&auml;ltnissen angepasst werden kann. Somit sind Verl&auml;ngerungen des Oberarmes, des Femur und der Tibia m&ouml;glich. Der Nagel beziehungsweise der Knochen kann bis zu 80mm distrahiert werden. Die N&auml;gel sind sowohl distrahierbar als auch komprimierbar, was neben der Knochenverl&auml;ngerung auch eine Pseudarthrosenbehandlung durch Kompression oder aber auch n&ouml;tigenfalls ein Zur&uuml;ckfahren der Verl&auml;ngerungsstrecke erm&ouml;glicht.<br /> Bei der Auswahl der korrekten Implantatgr&ouml;sse ist darauf zu achten, dass der Markraum des Knochens in jedem Fall um 1,5 bis 2mm weiter aufgebohrt werden muss als der eigentliche Nageldurchmesser, um eine gewaltfreie Implantation zu erm&ouml;glichen. Ein Missachten dieser Regel kann einerseits zu einer gravierenden Ausd&uuml;nnung der Corticalis und andererseits zu einem mechanischen Schaden des Nagels f&uuml;hren. Da der Marknagel &uuml;ber eine externe Magnetfernsteuerung angetrieben wird, muss auch die Eindringtiefe des erzeugten Magnetfeldes bedacht werden. Der wenig charmant als &laquo;fat gap&raquo; bezeichnete Weichteilmantel ist abh&auml;ngig von der Dicke des Marknagels beziehungsweise des darin enthaltenen Magneten.<br /> Innerhalb des proximalen Nagelanteils befindet sich die Magnetspindel, die mit einer Serie von Getrieben verbunden ist, welche wiederum &uuml;ber eine Gewindestange mit dem distalen, teleskopierenden und d&uuml;nneren Marknagelanteil verbunden sind. Die w&auml;hrend des Verl&auml;ngerungsprozesses von aussen auf einem markierten Punkt auf der Haut aufgesetzte Fernsteuerung enth&auml;lt zwei rotierende Magneten. Diese werden an den im Nagel liegenden Magneten gekoppelt. Je nach Rotationsrichtung wird der Nagel in der Folge verl&auml;ngert oder verk&uuml;rzt.</p> <h2>Die Operationstechnik</h2> <p>Die Implantation des Marknagels beginnt &uuml;blicherweise mit der Vorbereitung der Osteotomie und dem Anlegen von sogenannten &laquo;venting holes&raquo;. Die H&ouml;he der Osteotomie wird &uuml;blicherweise im metaphys&auml;r-diaphys&auml;ren &Uuml;bergangsbereich gew&auml;hlt. Wie &uuml;blich bei Knochenverl&auml;ngerungen wird eine sogenannte Drillhole-Osteotomie (De- Bastiani-Technik) durchgef&uuml;hrt, d. h., der Knochen wird durch das Anlegen von multiplen Bohrl&ouml;chern auf der gew&uuml;nschten Osteotomieh&ouml;he geschw&auml;cht. Wir verwenden hierzu in der Regel einen 4,5mm- Bohrer mit einer Spitze, die das Abrutschen des Bohrers am Knochen verhindert. &Uuml;blicherweise werden 4&ndash;5 bikortikale Bohrl&ouml;cher angelegt. Dies gelingt &uuml;ber einen etwa 1cm langen Hautschnitt. Einerseits erm&ouml;glicht diese Art der Osteotomie einen minimal invasiven Zugang, andererseits wird Spongiosamaterial beim nachfolgenden Aufreamen des Markkanals ausgeschwemmt und kann die Knochenneubildung in der Verl&auml;ngerungsosteotomie verbessern. Im Femurbereich wird der Nagel entweder &uuml;ber den Trochanter major, die Fossa piriformis oder retrograd eingebracht, an der Tibia antegrad. Wenn gleichzeitig eine Achsenkorrektur geplant ist, muss pr&auml;operativ eine exakte Analyse der Fehlstellung erfolgen und intraoperativ f&uuml;r das Aufbohren des Kanals die Korrekturposition eingestellt werden. Eine tempor&auml;re externe unilaterale Fixation bietet sich hierf&uuml;r an.<br /> Nach dem Aufreamen wird der Nagel unter leichten Rotationsbewegungen bis zur Osteotomie eingebracht, die anschliessend mit dem Meissel vervollst&auml;ndigt wird. Der Nagel wird vollst&auml;ndig eingebracht und proximal und distal verriegelt. Wenn gleichzeitig Deformit&auml;tenkorrekturen durchgef&uuml;hrt werden, kommen sogenannte Pollerschrauben zur Anwendung, um die Position des Nagels vor allem im metaphys&auml;ren Bereich zu erhalten. Im Bildverst&auml;rker wird die Lokalisation des Nagelmagneten auf der Haut eingezeichnet und der Nagel anschliessend um 1mm intraoperativ probedistrahiert. Die Operationszeit betr&auml;gt etwa 1,5 bis 2 Stunden am Femur und 2 bis 2,5 Stunden an der Tibia. Der Blutverlust ist &uuml;blicherweise gering. Auf eine Blutleere wird gew&ouml;hnlich verzichtet.<br /> Am Unterschenkel f&uuml;hren manche Autoren eine prophylaktische Faszienspaltung durch, um ein Kompartmentsyndrom zu verhindern. Auf jeden Fall sollte die Fibula proximal und distal mit einer Schraube in ihrer Position gegen&uuml;ber der Tibia gesichert werden. Die Fibula wird im &Uuml;bergang vom mittleren zum distalen Drittel osteotomiert.</p> <h2>Die Knochenverl&auml;ngerung</h2> <p>Wir beginnen mit der Knochenverl&auml;ngerung meist zwischen dem 7. und 10. postoperativen Tag, je nach Alter des Patienten und der Knochenqualit&auml;t. Zu diesem Zeitpunkt ist der Patient meistens bereits aus der Spitalpflege entlassen und f&uuml;hrt die Knochenverl&auml;ngerung selbstst&auml;ndig zu Hause durch. &Uuml;blicherweise betr&auml;gt die Drehgeschwindigkeit 1mm/Tag, verteilt auf drei Etappen, sie kann aber im Verlauf problemlos variiert werden. Die Kallusbildung am Femur ist durch die ausgepr&auml;gtere Weichteilummantelung am Oberschenkel &uuml;blicherweise besser als am Unterschenkel. Eine Reduktion der Verl&auml;ngerungsgeschwindigkeit im Verlauf ist hier h&auml;ufig notwendig.<br /> Eine Teilbelastung an Gehst&uuml;tzen mit 10&ndash;15kg ist m&ouml;glich. Anf&auml;ngliche postoperative Schmerzen minimieren sich im Verlauf, die Verl&auml;ngerung ist &uuml;blicherweise nicht schmerzhaft. Erst ab etwa 3cm Verl&auml;ngerung wird der Muskelzug unangenehm, eine begleitende Physiotherapie ist in jedem Fall erforderlich. W&ouml;chentliche klinische und radiologische Kontrollen sind w&auml;hrend der Verl&auml;ngerung notwendig, danach alle 4 Wochen.<br /> Nach Abschluss der Verl&auml;ngerung muss die Teilbelastung aufrechterhalten werden, bis der Knochen ausreichend stabil ist. Dies dauert in der Regel etwas weniger als einen Monat pro Zentimeter Verl&auml;ngerung. Der Nagel wird &uuml;blicherweise ein Jahr nach der Verl&auml;ngerung entfernt. Durch das &laquo;Overreaming&raquo; bei der Implantation ist dies normalerweise kein Problem.</p> <h2>Kontraindikationen</h2> <p>Ein zu enger Markkanal kann eine Verwendung des Nagels verhindern. Den 8,5mm-Nagel kann man beim Erwachsenen an der unteren Extremit&auml;t &uuml;blicherweise nicht einsetzen, da er zu schwach ist. Ein- bis zweidimensionale begleitende Deformit&auml;ten k&ouml;nnen meist simultan korrigiert werden, eine grosse Erfahrung bei der pr&auml;operativen Planung vorausgesetzt. Bei komplexen und zu ausgepr&auml;gten Deformit&auml;ten, die eine Akutkorrektur nicht zulassen, sollte ein softwaregest&uuml;tzter Hexapod-Ringfixateur zur graduellen Korrektur eingesetzt werden.<br /> Offene Wachstumsfugen k&ouml;nnen problematisch sein, die Markn&auml;gel werden trotzdem bereits ab dem 11.&ndash;12. Lebensjahr eingesetzt, mit bisher guten Ergebnissen. Im Zweifel bietet sich aber ein Abwarten bis zum Wachstumsabschluss an.<br /> Kontraindiziert ist eine intramedull&auml;re Verl&auml;ngerung bei Instabilit&auml;ten der angrenzenden Gelenke. Wir setzen den Nagel daher nicht ein, wenn ein angeborener Femurdefekt oder eine Fibulahemimelie mit begleitender Kreuzbandaplasie vorliegen. Das ist die Dom&auml;ne des Ringfixateurs, da das Kniegelenk in den Fixateur integriert werden kann, um eine Subluxation des Gelenkes zu verhindern.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1704_Weblinks_lo_ortho_1704__s55_abb1.jpg" alt="" width="2149" height="1449" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1704_Weblinks_lo_ortho_1704__s56_abb2.jpg" alt="" width="1051" height="1838" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Die intramedull&auml;re Knochenverl&auml;ngerung mit dem Precice-Marknagel hat das Behandlungsspektrum in der Deformit&auml;tenkorrektur deutlich erweitert. Vor allem der Patientenkomfort hat sich gegen&uuml;ber der externen Fixation extrem gesteigert. Die Anwendung setzt eine grosse Erfahrung auf dem Gebiet der Beinverl&auml;ngerung voraus, da die Grundprinzipien gleich bleiben. Wenn die Indikation f&uuml;r eine Marknagelung aus diversen Gr&uuml;nden nicht gegeben ist, sollte auf den softwaregest&uuml;tzten Hexapod-Ringfixateur zur&uuml;ckgegriffen werden. Im Endeffekt z&auml;hlt das langfristige, m&ouml;glichst exakte Ergebnis der Deformit&auml;tenkorrektur, denn das Verl&auml;ngerungsinstrument bleibt f&uuml;r einige Zeit, das Alignment der Extremit&auml;t hingegen f&uuml;r immer.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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