Femoroacetabuläres Impingement im Kindesalter

<p class="article-intro">Das Konzept des femoroacetabulären Impingements (FAI) hat sich weltweit etabliert. Die langjährigen Erfahrungen der Impingementchirurgie beim Erwachsenen erlauben Rückschlüsse auf Ursachen, welche seit dem Kindesalter oder der Adoleszenz bestehen können. Somit kann die Indikation zur FAI-Chirurgie bereits im Kindesalter gegeben sein, um einer weiteren Schädigung des Hüftgelenkes bereits frühzeitig vorzubeugen oder aber auch das spätere Auftreten eines manifesten FAI zu verhindern.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Sowohl Ver&auml;nderungen auf femoraler (CAM) als auch auf acetabul&auml;rer Ebene (Pincer) k&ouml;nnen beim Kind ein FAI hervorrufen.<sup>1&ndash;3</sup> Je nachdem liegt ein idiopathisches oder ein sekund&auml;res H&uuml;ftimpingement vor. Auch extraartikul&auml;re Impingementformen werden beobachtet.<sup>4</sup> Als urs&auml;chlich f&uuml;r ein FAI werden genetische Veranlagung, sportliche Aktivit&auml;ten, Folgen kindlicher H&uuml;fterkrankungen und posttraumatische Ver&auml;nderungen genannt.<sup>5&ndash;9</sup> Ver&auml;nderungen der proximalen femoralen und acetabul&auml;ren Anatomie w&auml;hrend und nach kindlichen H&uuml;fterkrankungen sind massgeblich an der Entwicklung eines sekund&auml;ren FAI beteiligt. Zu den wichtigsten Erkrankungen z&auml;hlen hier der Morbus Legg-Calv&eacute;-Perthes (LCP) sowie die Epiphysiolysis capitis femoris (ECF) (Tab. 1).<sup>7, 10</sup> Je nachdem k&ouml;nnen die Patienten bereits im Kindesalter oder in der Adoleszenz symptomatisch werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1704_Weblinks_lo_ortho_1704__s38_tab1.jpg" alt="" width="686" height="913" /></p> <h2>Korrekte Indikationsstellung</h2> <p>Viele Kinder klagen im Verlaufe des Wachstums &uuml;ber H&uuml;ftschmerzen, welche keinem FAI entsprechen. Dies kann entweder durch den sogenannten Wachstumsschmerz per se (allerdings meistens eher kniegelenksnah) oder durch eine Tendinitis der Muskelans&auml;tze, z.B. des M. rectus femoris, M. tensor fascie latae oder M. iliopsoas, entstehen. Auch sind Bursitiden der Bursa trochanterica oder der Bursa iliopectinea nicht selten. Die Tendinitiden sind meistens auf eine relative Verk&uuml;rzung der Muskelsehnen am wachsendem Skelett zur&uuml;ckzuf&uuml;hren, da sich Ursprung und Ansatz der jeweiligen Muskeln durch das L&auml;ngenwachstum voneinander entfernen, jedoch die Muskulatur nicht symmetrisch mitw&auml;chst. Bei sehr kleinen Kindern (meistens &lt;5 Jahren) kann nach banalen respiratorischen Infekten ein reaktiver Gelenkserguss (Coxitis fugax) eine Ursache f&uuml;r H&uuml;ftschmerzen sein. Auch Erkrankungen aus dem rheumatologischen Formenkreis k&ouml;nnen sich durch eine Synovialitis mit impingementartigen H&uuml;ftschmerzen bemerkbar machen. Da Kinder heutzutage bereits in fr&uuml;hestem Alter sportlich aktiv sind und teilweise unter profi&auml;hnlichen Bedingungen trainieren, ist eine k&ouml;rperliche &Uuml;berlastung ohne pathomorphologisches Korrelat ebenso als Ursache f&uuml;r H&uuml;ftschmerzen in Betracht zu ziehen.<br /> Die klinische Untersuchung des Kindes mit H&uuml;ftschmerzen beinhaltet sowohl die Beurteilung der Statur (z.B. kleinere Statur als Hinweis f&uuml;r eine skelettale Dysplasie), des Gangbildes und der Beinachsen als auch des muskul&auml;ren Status und des Bewegungsausmasses der H&uuml;ftgelenke inklusive Impingmenttests. Das Kniegelenk und die Wirbels&auml;ule sollten ebenfalls mituntersucht werden. H&auml;ufig werden von den Kindern bereits bei der k&ouml;rperlichen Untersuchung die Ansatzpunkte der Muskeln mit den Fingern als Hauptschmerzpunkt angegeben, sodass ein intraartikul&auml;res Problem ausgeschlossen werden kann.<br /> Zeigen sich klinisch die typischen Impingementzeichen, wird eine radiologische Bildgebung angeschlossen. Diese beinhaltet eine Becken-ap-Aufnahme und eine zweite Ebene, wobei in unserem Hause aus Strahlenschutzgr&uuml;nden eine Lauenstein- Aufnahme einer axialen Aufnahme vorgezogen wird. Besteht radiologisch der Verdacht auf ein FAI, sollte ein MRI mit radi&auml;rer Schichtung durchgef&uuml;hrt werden, idealerweise mit intraartikul&auml;rem Kontrastmittel (Beurteilung der Knorpel und Labrumqualit&auml;t). Dies ist auch bei Kindern durch den ge&uuml;bten Radiologen problemlos durchzuf&uuml;hren. Patienten mit radiologisch unauff&auml;lligen H&uuml;ften k&ouml;nnen dennoch an FAI leiden, und Patienten mit radiologisch pathologischen Werten k&ouml;nnen asymptomatisch sein.<sup>11&ndash;13</sup><br /> Generell existieren f&uuml;r Kinder keine radiologischen Richtwerte im Vergleich zu den Erwachsenen. Ein Alpha-Winkel von 50&deg; und ein LCE-Winkel &gt;34&deg; gelten in der Erwachsenenorthop&auml;die jeweils als Landmarken f&uuml;r ein CAM- respektive Pincer- Impingement.<sup>14</sup> Bei Kindern unter 10&ndash;12 Jahren sind h&auml;ufig sowohl der vordere als auch der hintere Pfannenrand noch nicht vollst&auml;ndig ossifiziert, was die Beurteilung zus&auml;tzlich erschwert. Auch die Anwendung des Alpha-Winkels zur Beurteilung des Kopf-Schenkelhals-Offsets ist aufgrund der teilweise noch bestehenden knorpeligen Anteile des Femurkopfes und der Metaphyse des Schenkelhalses umstritten.<sup>15, 16</sup> Wichtig ist auch die Unterscheidung von extra- und intraartikul&auml;rem FAI. Je nach radiologischem Befund muss bei fehlenden Anzeichen eines CAM- oder Pincer- Impingements auch die Rotation des proximalen Femurs oder Acetabulums in Betracht gezogen werden und ggf. durch computeranimierte CT-Aufnahmen nach extraartikul&auml;ren Ursachen f&uuml;r die H&uuml;ftbeschwerden gesucht werden.<sup>4</sup></p> <h2>Idiopathisches FAI</h2> <p>Erfahrungsgem&auml;ss wird ein idiopathisches FAI beim Kind selten vor dem 10.&ndash;12. Lebensjahr symptomatisch. Sollten also tats&auml;chlich fr&uuml;her FAI-Symptome auftreten, muss eine zugrunde liegende Ursache (sekund&auml;res FAI, Tab. 1) gesucht werden.<br /> Das idiopathische FAI beim Kind kann abh&auml;ngig von den radiologischen Befunden zun&auml;chst konservativ behandelt werden. Anpassung der sportlichen Aktivit&auml;ten und Alltagsbelastungen sowie physiotherapeutische Massnahmen stehen im Vordergrund. Klinische Kontrollen in j&auml;hrlichen Abst&auml;nden ohne R&ouml;ntgen sind ausreichend. Sind die Beschwerden r&uuml;ckl&auml;ufig oder gar verschwunden, kann zugewartet werden. Bei Zunahme der Beschwerden im Verlauf sollte eine radiologische und/oder MRI-tomografische Bildgebung angeschlossen werden. Entscheidend ist die gute Aufkl&auml;rung von Patient und Eltern &uuml;ber die Erkrankung und die entsprechenden Alarmzeichen, wie Zunahme der Beschwerden z.B. beim Sport oder eine beginnende Bewegungseinschr&auml;nkung der betroffenen H&uuml;fte im Vergleich zur Gegenseite.<br /> Sollten im MRI morphologische Ver&auml;nderungen im Sinne von Knorpel-Labrum- L&auml;sionen sichtbar sein, ist die operative Korrektur des FAI zu diskutieren. Hier steht je nach Sch&auml;digungsmuster der H&uuml;fte sowohl die offene chirurgische H&uuml;ftluxation als auch die H&uuml;ftarthroskopie zur Verf&uuml;gung.</p> <h2>Sekund&auml;res FAI</h2> <p>Im Rahmen von kindlichen H&uuml;fterkrankungen, wie z.B. der ECF und dem LCP, oder ihren Folgen kann es durch die Ver&auml;nderung der Anatomie des H&uuml;ftgelenkes zu einem FAI kommen. H&auml;ufig liegt dann die Problematik auf der femoralen Seite (CAM). Je nach Grunderkrankung und Dauer des Leidens kann das Acetabulum sekund&auml;r mitreagieren oder aber auch, z.B. nach einer H&uuml;ftdysplasie, prim&auml;r betroffen sein. Das mechanische Problem des sekund&auml;ren Impingements kann &ndash; wie beim idiopathischen FAI &ndash; sowohl intraartikul&auml;r als auch extraartikul&auml;r liegen. Abh&auml;ngig davon, nach welchem Zeitraum sich die Patienten mit den Beschwerden vorstellen, k&ouml;nnen die intraartikul&auml;ren Ver&auml;nderungen bereits betr&auml;chtlich sein. Im Vergleich zum prim&auml;ren FAI ist die Behandlung des sekund&auml;ren FAI h&auml;ufig chirurgisch anspruchsvoller. Das Ziel einer zeitgem&auml;ssen Therapie von kindlichen H&uuml;fterkrankungen besteht in der Pr&auml;vention eines sekund&auml;ren FAI. Dazu z&auml;hlt zum Beispiel der Erhalt des Containments der H&uuml;fte bei LCP durch eine fr&uuml;hzeitige Tripelosteotomie oder die kapitale Reorientierung des Femurkopfes<sup>17</sup> bei ECF.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Das Ziel der FAI-Behandlung beim Kind ist die Pr&auml;vention einer Fr&uuml;harthrose analog zur Erwachsenenorthop&auml;die. Die Behandlungsart reicht von konservativer Therapie &uuml;ber eine H&uuml;ftarthroskopie bis hin zur chirurgischen H&uuml;ftluxation, teilweise mit aufwendigen Rekonstruktionen wie der kapitalen Reorientierung bei ECF oder der H&uuml;ftkopfreduktion bei &laquo;hinging hip&raquo; als Folge eines M. Perthes.<sup>17, 18</sup><br /> K&uuml;rzlich ver&ouml;ffentlichte Studien zeigten sehr gute klinische und radiologische Ergebnisse der FAI-Behandlung bei Kindern nach kurzen Beobachtungszeitr&auml;umen von 1 bis 3 Jahren.<sup>19&ndash;21</sup> Die generellen Komplikationsraten der chirurgischen Eingriffe sind relativ niedrig (Tab. 2), wobei die Art des Eingriffes und die zugrunde liegende Pathologie hier eine entscheidende Rolle spielen. Liegt die Gefahr f&uuml;r eine schwerwiegende Komplikation, z.B. einer avaskul&auml;ren Nekrose, bei der Behandlung eines idiopathischen CAM-Impingements (Abb. 1) bei korrekter technischer Ausf&uuml;hrung der Operation bei 0 % , so ist bei einer instabilen ECF (Abb. 3) das Risiko f&uuml;r eine Durchblutungsst&ouml;rung des H&uuml;ftkopfes durch die Erkrankung per se gegeben. Allein diese Tatsache erschwert die Interpretation der derzeitigen Studien, da in den meisten Publikationen heterogene Patientengruppen untersucht werden.<br /> F&uuml;r die Indikationsstellung eines FAI im Kindesalter ben&ouml;tigt es Erfahrung in der Kinderorthop&auml;die sowie das chirurgische Know-how. Daher sollten p&auml;diatrische Patienten mit Verdacht auf FAI an einem Zentrumsspital weiter abgekl&auml;rt und ggf. dann behandelt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1704_Weblinks_lo_ortho_1704__s39_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1134" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1704_Weblinks_lo_ortho_1704__s39_abb2.jpg" alt="" width="2149" height="702" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1704_Weblinks_lo_ortho_1704__s40_abb3.jpg" alt="" width="2149" height="689" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1704_Weblinks_lo_ortho_1704__s40_tab2.jpg" alt="" width="1419" height="708" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Ganz R et al.: Femoroacetabular impingement: a cause for osteoarthritis of the hip. 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