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ÖGIM-Jahrestagung

Medizinische Apps in der inneren Medizin: Wohin geht die Reise?

<p class="article-intro">Die tägliche notwendige Literaturrecherche sowie das Nachschlagen von Krankheitsbildern, pathologischen Befunden und Differenzialdiagnosen befinden sich in einem deutlichen Wandel. Immer häufiger werden digitale Nachschlagewerke, vor allem in Form von Apps, zurate gezogen. Der folgende Artikel bespricht einige der betroffenen Bereiche und stellt ausgewählte Apps für die innere Medizin vor. Hierbei besteht keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit, auch die Auswahl ist natürlich nicht ohne eine gewisse Subjektivität.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Hat man fr&uuml;her in B&uuml;chern und Zeitschriften gest&ouml;bert, finden digitale Nachschlagewerke und insbesondere Apps f&uuml;r Smartphone, iPad und Co. immer mehr Verbreitung (Abb. 1). F&uuml;hrend ist derzeit bei medizinischen Apps der iOSMarkt. Von insgesamt 2,2 Mio. Apps f&uuml;r das iPhone sind etwa 22 000 medizinische Apps vertreten. Im Androidmarkt ist die Gesamtzahl etwas niedriger, wobei auch hier ein Aufholen erkennbar ist.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1709_Weblinks_s36_abb1.jpg" alt="" width="1197" height="1330" /></p> <h2>Welche Apps sind aktuell f&uuml;r die innere Medizin empfehlenswert?</h2> <p>Zum Nachschlagen von Leitlinien gibt es eine sehr gute App (&bdquo;Mobile Leitlinien Innere Medizin&ldquo;) der deutschen internistischen Gesellschaft (DGIM), bei denen das diagnostische und therapeutische Prozedere bei h&auml;ufigen Erkrankungen, wie zum Beispiel Diabetes, Reflux, Hypertonie und anderen Krankheiten, in aktueller Form beschrieben wird. Diese App ist f&uuml;r Mitglieder kostenlos. Zudem gibt es eine sehr gute App der Deutschen Gesellschaft f&uuml;r Kardiologie (DGK) mit aktuellen Empfehlungen.<br /> Im Bereich der digitalen Lehrb&uuml;cher hat sich neben dem allseits bekannten &bdquo;Herold&ldquo; zunehmend die initial f&uuml;r Studenten entwickelte Plattform &bdquo;Amboss&ldquo; als ein ernst zu nehmendes, sehr gutes Nachschlagewerk f&uuml;r medizinisches und internistisches Basiswissen etabliert.<br /> Die &auml;lteste, speziell f&uuml;r den mobilen Gebrauch entwickelte App ist &bdquo;Epocrates&ldquo;. Diese unabh&auml;ngige, einem Peer-Review unterzogene App ist aus meiner Sicht die mit Abstand beste, da sie neben Medikamenten, Interaktionen und Tabellen auch eine hervorragende &Uuml;bersicht &uuml;ber Krankheitsbilder, aufgeteilt nach Pathogenese, Diagnostik und Therapie, bietet. Allerdings ist diese App englischsprachig, die angef&uuml;hrten Medikamente sind dem amerikanischen Markt angepasst. Zudem ist diese App leider derzeit f&uuml;r den deutschsprachigen Markt aufgrund von Lizenzstreitigkeiten gesperrt und daher nicht benutzbar.<br /> Eine sehr gute, aber nicht unabh&auml;ngige, da von der Pharmaindustrie gesponserte App ist &bdquo;Medscape&ldquo;. Auch diese App ist englischsprachig, bietet aber auch eine sehr gute &Uuml;bersicht &uuml;ber Medikamente, einen Interaktionen-Checker und eine sehr gute aktuelle &Uuml;bersicht &uuml;ber Erkrankungen, deren Diagnostik und Therapie. Zudem ist die App kostenlos.<br /> Nat&uuml;rlich ist das aus der Desktop-Welt bekannte &bdquo;Uptodate&ldquo;, welches ja als Online-Referenznachschlagewerk nach wie vor un&uuml;bertroffen ist, auch in einer App-Variante verf&uuml;gbar. Aufgrund der umfangreichen Darstellung verwende ich diese App allerdings seltener am Smartphone, sehr wohl jedoch am Rechner und am iPad. Die Inhalte sind meist sehr aktuell, wobei die genauen Zeitpunkte der Aktualisierung jeweils am Anfang jedes Kapitels dargestellt werden.<br /> F&uuml;r die Beurteilung der Oparierbarkeit bzw. des OP-Risikos gibt es eine nette kleine App, &bdquo;Pre-Op- Eval&ldquo;, die &uuml;ber Algorithmen nicht nur hilft, das individuelle operative Risiko des jeweiligen Patienten einzusch&auml;tzen, sondern auch wertvolle, evidenzbasierte Ratschl&auml;ge f&uuml;r das perioperative Management in Abh&auml;ngigkeit von der jeweiligen OP-Form gibt.<br /> Sensationell zum Nachschlagen von Formeln und Scores ist die App &bdquo;MedCalX&ldquo;. Neben bekannten Scores wie dem GCSund dem CHA2DS2-VASc-Score finden sich Hunderte anderer Formeln und Scores aus dem gesamten Bereich der Medizin. Diese App ist aus meiner Sicht &auml;u&szlig;erst wertvoll und ihren (g&uuml;nstigen) Anschaffungspreis in jedem Fall wert.</p> <h2>Apps f&uuml;r den Bereich Bildgebung</h2> <p>Zahlreiche weitere Apps gibt es f&uuml;r spezielles Teaching im Bereich von Bildgebung. Hervorheben m&ouml;chte ich den &bdquo;ECGGuide&ldquo;, der exzellent strukturiert EKG-Interpretationen mit unz&auml;hligen Beispielen erm&ouml;glicht. &bdquo;Cardio3-Echo&ldquo; Ist hingegen eine App, die f&uuml;r die Echokardiografie Beispiele f&uuml;r Pathologien mit Standbildern und auch Loop-Sequenzen in sehr guter Qualit&auml;t bietet.<br /> Herausragend ist f&uuml;r die Schnittbilddiagnostik, sei es Sonografie oder Radiologie, die von der Firma Imaios entwickelte App &bdquo;e-anatomy&ldquo;. Diese ist das Pendant zur Desktopversion und bietet f&uuml;r alle Organsysteme und Strukturen des menschlichen K&ouml;rpers eine detailliert beschriftete Schnittbildanatomie. Auch hier st&ouml;&szlig;t jedoch die Smartphone-Variante aufgrund der Displaygr&ouml;&szlig;e an ihre Grenzen, besser verwendet man diese App auf einem Tablet oder Desktoprechner.</p> <h2>Apps f&uuml;r Medikamente &amp; Antiinfektiva</h2> <p>Zum Nachschlagen von Pharmaka, deren Wirkung, Indikationen, Interaktionen und Nebenwirkungen bietet sich im englischsprachigen Bereich neben dem schon oben beschriebenen &bdquo;Medscape&ldquo; der &bdquo;Pocket Pharmacist&ldquo; an.<br /> Speziell f&uuml;r den &ouml;sterreichischen Markt gibt es eine hervorragende App, &bdquo;Arzneimittel Pocket 2017&ldquo;, welche zwar auch von der Pharmaindustrie gesponsert wird, aber einen sehr guten deutschsprachigen &Uuml;berblick &uuml;ber Medikamente, Q0, Dosierungen, Nebenwirkungen und Interaktionen bietet.<br /> F&uuml;r die Verabreichung von Pharmaka in der Schwangerschaft empfiehlt sich die App &bdquo;Embryotox&ldquo;, zwar nicht ganz so praktisch in der Suchfunktion, aber ansonsten ein unverzichtbares Nachschlagewerk f&uuml;r alle, die schwangeren Patientinnen Medikamente verordnen wollen.<br /> Herausragend und von mir pers&ouml;nlich als &bdquo;App des Jahres 2017&ldquo; gewertet ist die App &bdquo;Antibiotika und Antiinfektiva&ldquo; (Prof. Thalhammer). Diese App hat dieses Jahr ein tief greifendes Update erfahren und ist optimal an den Smartphonewie auch den Tabletbereich (iOS- und Androidversion) angepasst. Sie bietet eine umfassende M&ouml;glichkeit, nach Wirkstoffen, Handelsnamen, infektiologischen Indikationen und Nebenwirkungen zu suchen. Zudem kann speziell nach Erregern (Bakterien, Parasiten, Pilzen, Viren) sowie Impfungen gesucht werden. Einmalig ist die Liste der Nebenwirkungen, die auch seltene und vielen nicht bekannte Nebenwirkungen von Antiinfektiva enth&auml;lt. F&uuml;r die jeweilige Indikation bietet die App dann jeweils bevorzugte Antibiotika (gr&uuml;n markiert) wie auch Reserveantibiotika (rot markiert) an. Diese App kann ich w&auml;rmstens allen &Auml;rzten empfehlen, die ihren Patienten Antibiotika verschreiben.</p> <h2>Risiken &amp; Chancen von Apps</h2> <p>Grunds&auml;tzlich stellt sich die Frage, welche Chancen und Risiken es durch die zunehmende Digitalisierung und im Speziellen die Verbreitung von medizinischen Apps in der inneren Medizin gibt.<br /> Nicht nur die junge Generation, sondern auch die &bdquo;&Auml;lteren&ldquo; nutzen zunehmend Smartphone und Tablet f&uuml;r das schnelle Nachlesen. Der Vorteil ist sicher, dass Wissen schnell und hoffentlich aktuell im klinischen Alltag verf&uuml;gbar ist und damit die H&uuml;rde, wesentliche Fragen nachzuschlagen, niedriger wird. Das mobile Lernen mit &bdquo;Immer-dabei-Hardware&ldquo; hat durchaus seine Reize.<br /> Problematisch sind m&ouml;gliche Fehlfunktionen, durch die B&uuml;ndelung von Informationen bedingte Unvollst&auml;ndigkeit oder Fehlgewichtung mit der m&ouml;glichen Folge von Fehlbehandlungen und somit potenziellem Schaden f&uuml;r die Gesundheit der Patienten. Daher ist es sehr wichtig, die Vertrauensw&uuml;rdigkeit einer App zu pr&uuml;fen, und zwar m&ouml;glichst vor der Installation (Tab. 1). Unter anderem sollten hinsichtlich der Qualit&auml;tskontrolle gewisse Anforderungen an eine App gestellt werden (Tab. 2). Anforderungen, die jedoch letztlich den Kriterien entsprechen, die auch schon vor der Online-&Auml;ra f&uuml;r medizinische Literatur erwartet werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1709_Weblinks_s36_tab2.jpg" alt="" width="1051" height="1048" /></p> <h2>Gesundheits-Apps f&uuml;r Verbraucher</h2> <p>Auch f&uuml;r Laien und Patienten wird der Markt an Gesundheit-Apps immer gr&ouml;&szlig;er und weniger &uuml;berschaubar. Eine Studie in Deutschland (GAPP2) hat Verbraucher, Patienten und Krankenkassen bez&uuml;glich des Stellenwertes von Gesundheits-Apps befragt.<br /> Es zeigte sich, dass &Auml;rzte der sinnvollen Nutzung von Apps gegen&uuml;ber neutral bis eher skeptisch eingestellt sind. Der Arzt spielt als Empfehler von Gesundheits- Apps derzeit keine Rolle f&uuml;r Verbraucher, welche Health Apps bisher gr&ouml;&szlig;tenteils ohne R&uuml;cksprache mit ihrem Arzt oder Apotheker nutzen. Es findet kaum Kommunikation zwischen Patienten bzw. Versicherten und Leistungserbringern &uuml;ber Health Apps zum Austausch von Gesundheitsdaten statt. Als Hauptgrund wird die Angst vor dem Aussp&auml;hen pers&ouml;nlicher Gesundheitsdaten angef&uuml;hrt. Informationen zum Datenschutz sowie zu den erforderlichen Berechtigungen sind qualit&auml;tsbestimmende Merkmale einer Gesundheits-App.<br /> Es besteht also ein deutlicher Handlungsbedarf hinsichtlich Kommunikation und Kl&auml;rung des Datenschutzes, wenn seri&ouml;se Gesundheits- Apps in Zukunft breitere Verwendung finden sollen.</p> <h2>Wohin geht die Reise?</h2> <p>Internistische Apps sind sicherlich wertvolle Begleiter im klinischen Alltag. Dennoch ist es wichtig, dass wir nicht zu digitalisierten &Auml;rzten werden. Die Visite beim Patienten und das Gespr&auml;ch mit dem Patienten d&uuml;rfen nicht durch Computer, Smartphones und Tablets beeintr&auml;chtigt werden. Der Patient muss weiterhin im Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns stehen. Dies gilt insbesondere im klinischen Alltag f&uuml;r die Visiten-Laptops bzw. Visiten-Computer, die am Patientenbett nichts verloren haben.<br /> In Zukunft wird die bessere Integration von Apps in die digitale Krankengeschichte eine noch gr&ouml;&szlig;ere Rolle spielen, um Patientenakte und Nachschlagewerk, Allergie- Checker, Interaktionen-Checker und andere digitale Helferlein noch enger zu vernetzen.</p></p>
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