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Wie viel Freiheit hat man beim Impfen?

<p class="article-intro">Impfungen gehören zu den wichtigsten Errungenschaften der modernen Medizin. Der Großteil der impfpräventablen Erkrankungen tritt jedoch zu selten auf, als dass dem einzelnen Arzt eine Beurteilung der Wirksamkeit der jeweiligen Impfung mit der eigenen Erfahrung aus der täglichen Praxis möglich ist. Trotzdem ergeben sich für den praktisch tätigen Arzt immer wieder Situationen, in denen von den Vorgaben abgewichen werden muss. Im Folgenden soll kurz umrissen werden, inwieweit solche Abweichungen sinnvoll sind und was zu beachten ist.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1709_Weblinks_s27_abb1.jpg" alt="" width="2516" height="1636" /><br />Die Empfehlungen/Richtlinien zu Impfungen werden in den meisten L&auml;ndern im Rahmen von nationalen Impfpl&auml;nen publiziert. Erg&auml;nzend dazu bzw. auch darin einflie&szlig;end gibt es Empfehlungen von Fachgesellschaften wie solchen der P&auml;diatrie, Rheumatologie oder Vakzinologie. F&uuml;r die Impfungen der Reisemedizin, die einen viel st&auml;rker individualisierten Bereich umfasst, stellen internationale und nationale reisemedizinische, tropenmedizinische und infektiologische Organisationen die Referenz dar (CDC, NaTHNaC, DTG, &Ouml;GTPM, ASTTM, &Ouml;gVac). Die Empfehlungen zu Basisimpfungen sowohl des Kinder- als auch des Erwachsenenimpfplanes sind naturgem&auml;&szlig; bestm&ouml;gliche Kompromisse zwischen gew&uuml;nschtem Schutz f&uuml;r m&ouml;glichst viele, Finanzierbarkeit von Gratisimpfprogrammen und Durchf&uuml;hrbarkeit hinsichtlich Anzahl von Arztbesuchen und Akzeptanz. Das bedeutet aber auch, dass Ab&auml;nderungen zumeist Nachteile in einem oder mehreren dieser Aspekte mit sich bringen. In der Praxis ergeben sich jedoch immer wieder Situationen, in denen von den Vorgaben abgewichen werden muss (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1709_Weblinks_s27_tab1.jpg" alt="" width="1417" height="525" /></p> <h2>W&uuml;nsche der Patienten</h2> <p>Insbesondere Eltern von Kleinkindern sind h&auml;ufig ob der relativ gro&szlig;en Zahl an Impfungen in den ersten Lebensjahren verunsichert und stehen Impfungen kritisch gegen&uuml;ber. Hier finden sich sehr unterschiedliche Bed&uuml;rfnisse und Haltungen, mit denen sich der impfende Arzt auseinandersetzen muss.</p> <h2>Eltern lehnen Impfungen generell ab</h2> <p>Hier ist &uuml;blicherweise durch Ab&auml;nderungen des Impfschemas kein Kompromiss zu erzielen.</p> <h2>Einzelne Impfungen werden abgelehnt</h2> <p>Die Akzeptanz einzelner Impfstoffe ist teilweise extrem variabel und meist mit logischen Argumenten nicht zu begr&uuml;nden. Im internationalen Vergleich werden in verschiedenen L&auml;ndern auch v&ouml;llig unterschiedliche Impfungen abgelehnt oder gef&uuml;rchtet (in Frankreich wird h&auml;ufig die Impfung gegen Hepatitis B als gef&auml;hrlich empfunden).<br /> In &Ouml;sterreich ist die Impfung gegen Tetanus relativ eindeutig akzeptiert, ebenso die FSME-Impfung, was sich in einer f&uuml;r eine nicht im kostenfreien Programm enthaltene Impfung erstaunlich hohen Durchimpfungsrate &auml;u&szlig;ert. Bei den sogenannten Kinderkrankheiten Masern, Mumps und R&ouml;teln zeigt sich jedoch auch bei uns eine zunehmende Impfskepsis, die offensichtlich durch die j&auml;hrlichen Masernepidemien nicht beeinflusst wird.<br /> In manchen F&auml;llen lehnen Eltern die Impfung gegen Hepatitis B als Teil des Sechsfachimpfstoffes ab, was aufgrund der Epidemiologie der Erkrankung bei uns zumindest diskutierbar ist. Bei Verzicht auf die Hepatitis-B-Impfung in diesem Alter muss sie jedoch sp&auml;ter als Einzelimpfung (Grundimmunisierung mit drei Dosen) nachgeholt werden. Vor allem ergibt sich das Problem, dass dann mit dem vor Einf&uuml;hrung der Sechsfachimpfung verwendeten F&uuml;nffachimpfstoff geimpft werden m&uuml;sste, der praktisch kaum mehr erh&auml;ltlich ist (und nat&uuml;rlich auch nicht mehr Teil des Gratisimpfprogrammes ist). Verwendet man den leichter verf&uuml;gbaren Vierfachimpfstoff Tetravac<sup>&reg;</sup>, so fehlt Haemophilus influenzae! Ein Verzicht auf diese Impfung ist jedoch klinisch nicht zu rechtfertigen. Infektionen mit Haemophilus waren vor Einf&uuml;hrung der Impfung die h&auml;ufigste Ursache kindlicher bakterieller Meningitiden.</p> <h2>Das Prinzip der Kombinationsimpfstoffe wird nicht akzeptiert</h2> <p>Die medizinisch nicht begr&uuml;ndbare Furcht vor einer &bdquo;&Uuml;berforderung&ldquo; des Immunsystems liegt der Ablehnung von Kombinationsimpfstoffen oft zugrunde. Die Vorteile wie weniger Besuche beim Kinderarzt, weniger Stiche, einfachere Impfschemata und damit weniger vergessene oder &uuml;bersehene Impfungen sind jedoch unbestreitbar. Da impfkritische Eltern meist auch &bdquo;die Adjuvanzien&ldquo; als Verursacher von Nebenwirkungen f&uuml;rchten, sollte nicht vergessen werden zu betonen, dass durch Kombinationsimpfstoffe insgesamt deutlich weniger Adjuvanzien zugef&uuml;hrt werden.</p> <h2>Impfungen werden ins sp&auml;tere Lebensalter verschoben</h2> <p>Auch wenn Impfstoffe im sp&auml;teren Alter ebenso gut wirken, wird damit auch das Eintreten des Schutzes nach hinten verschoben. Gegen&uuml;ber vielen Erkrankungen (Haemophilus, Pertussis, Pneumokokken u.v.m.) bleiben die Kinder damit in der Hauptrisikoperiode ungesch&uuml;tzt.</p> <h2>Abst&auml;nde zwischen Impfungen eines mehrteiligen Schemas verl&auml;ngern</h2> <p>Da die Schutzwirkung bei mehrteiligen Impfungen meist erst nach der zweiten oder sogar erst nach der dritten Teilimpfung eintritt, gilt derselbe Einwand wie oben: Das Haupterkrankungsalter wird &bdquo;verpasst&ldquo;.</p> <h2>Titerbestimmung anstelle der vorgesehenen Impfung</h2> <p>Empfohlene Auffrischungsintervalle m&uuml;ssen so gew&auml;hlt werden, dass eine kontinuierliche Schutzwirkung f&uuml;r einen Gro&szlig;teil der Geimpften, im Idealfall f&uuml;r alle, gew&auml;hrleistet werden kann. Naturgem&auml;&szlig; ergibt sich daraus, dass der Schutz f&uuml;r viele geimpfte Personen deutlich l&auml;nger w&auml;re. Viele impfkritisch eingestellte Menschen w&uuml;nschen sich daher eine maximal individualisierte Impfpraxis, mit Auffrischung nur dann, wenn diese im pers&ouml;nlichen Fall unbedingt n&ouml;tig ist.<br /> Nur wenige Titerbestimmungsmethoden erf&uuml;llen jedoch den Anspruch, korrekte und standardisierbare Aussagen &uuml;ber die noch verbleibende Schutzdauer treffen zu k&ouml;nnen (Tab. 2). Viele Ergebnisse erm&ouml;glichen lediglich eine qualitative Aussage &ndash; also Schutz derzeit vorhanden oder nicht. Da gerade die Komponenten der Kombinationsimpfstoffe oft nicht (mehr) einzeln erh&auml;ltlich sind, steht am Ende einer teuren Titerbestimmung meist die Impfung mit dem urspr&uuml;nglich vorgesehenen Impfstoff.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1709_Weblinks_s27_tab2.jpg" alt="" width="1417" height="1075" /></p> <h2>Medizinische Kontraindikationen gegen vorgesehene Impfungen</h2> <p>Im Falle von akuten Erkrankungen k&ouml;nnen geplante Impfungen ohne negative Auswirkungen auf Immunit&auml;t und Antik&ouml;rperantwort verschoben werden. Verl&auml;ngerungen von Impfabst&auml;nden bedingen keine schlechtere Impfantwort. Chronische Erkrankungen und Immunsuppression stellen keine Gr&uuml;nde f&uuml;r ein Abweichen von Impfpl&auml;nen dar. Ausreichender Impfschutz ist f&uuml;r diese Patienten noch wichtiger als f&uuml;r Gesunde.<br /> Bei ausgepr&auml;gter Immunsuppression sind Lebendimpfstoffe kontraindiziert (im &ouml;sterreichischen Impfplan betrifft dies lediglich Masern, Mumps, R&ouml;teln, Varizellen sowie die derzeit verf&uuml;gbare Impfung gegen Herpes zoster). Da unter manchen Medikamenten zudem die Impfantwort reduziert sein kann, sollte, wo verf&uuml;gbar, der Impferfolg nach Impfung mittels Antik&ouml;rperbestimmung &uuml;berpr&uuml;ft werden.</p> <h2>Andere Gr&uuml;nde</h2> <p>Zum Vorgehen bei Impfstofflieferengp&auml;ssen, die in den letzten Jahren immer wieder den Ablauf von Standardimpfungen behindert haben, finden sich im &ouml;sterreichischen Impfplan 2017 alle n&ouml;tigen Informationen.<br /><br /> <strong>Chaos bei Vorimpfungen</strong></p> <ul> <li>Nicht dokumentierte Impfungen gelten als nicht verabreicht: pragmatisch Grundimmunisierung bzw. Vervollst&auml;ndigung der abgebrochenen Serien.</li> <li>Alternative M&ouml;glichkeit bei Impfungen, zu denen es eine Titerbestimmung gibt: eine Auffrischung machen, danach Titerkontrolle.</li> </ul> <h2>Reisemedizin</h2> <p>Im Bereich der Reisemedizin sind Abweichungen von Impfempfehlungen oft nicht nur m&ouml;glich, sondern sogar sinnvoll. Die Variabilit&auml;t des Krankheitsrisikos ist je nach Destination oft auch innerhalb eines Landes sehr gro&szlig;.<br /> Um von den Empfehlungen, die meist l&auml;nderspezifisch ausgegeben werden, abzuweichen, sind jedoch fundierte Kenntnisse vieler Details des Reiselandes erforderlich (Tab. 3)!</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1709_Weblinks_s27_tab3.jpg" alt="" width="1417" height="585" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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