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Von der Toleranz- bis zur Schmerzgrenze

Typische HNO-Infekte aus pädiatrischer Sicht

<p class="article-intro">Säuglinge und Kinder sind oft von Infekten im HNO-Bereich betroffen. Nachfolgend werden die wichtigsten und häufigsten Erkrankungen des HNO-Traktes im pädiatrischen Bereich dargestellt und geeignete Therapieoptionen vorgestellt.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Rezidivierende Angina tonsillaris</h2> <p>Wenngleich keine &ouml;sterreichweite Inzidenz f&uuml;r die rezidivierende Angina tonsillaris zur Verf&uuml;gung steht und auch keine konkrete Anzahl von Tonsillitiden definiert ist, die die Diagnose rechtfertigt, so handelt es sich dennoch um eine h&auml;ufige Ursache f&uuml;r die Konsultation von HNO&Auml;rzten oder Kinder&auml;rzten. Zu empfehlen ist in jedem Fall, die Diagnose m&ouml;glichst gut abzusichern. Dazu stehen ein Schnelltest auf Streptokokken der Gruppe A bzw. ein Abstrich zur Verf&uuml;gung. Jedenfalls aber sollte die Compliance der Eltern &uuml;berpr&uuml;ft werden und auf andere Hinweise f&uuml;r eine m&ouml;gliche Immunschw&auml;che wie etwa dislozierte Infekte geachtet werden. Oftmals resultiert aus den wiederkehrenden Infekten ein beachtlicher Leidensdruck f&uuml;r die Familien, sodass der Wunsch nach einer Tonsillotomie h&auml;ufig ge&auml;u&szlig;ert wird.<br /> In der Tabelle 1 sind die klassischen Kriterien f&uuml;r die Tonsillektomie nach Paradise dargestellt, die sich vor allem aufgrund der einfachen Handhabung als Richtlinie in den unterschiedlichen nationalen Leitlinien wiederfinden. Dennoch darf nicht &uuml;bersehen werden, dass es gerade im Zusammenhang mit der rezidivierenden akuten Tonsillitis sehr gro&szlig;e regionale Unterschiede in der H&auml;ufigkeit der Operation gibt. So wurde bei einem Vergleich der 16 Bundesl&auml;nder Deutschlands ein Unterschied in der H&ouml;he des Dreifachen und auf der Ebene der Kreise ein Unterschied in der H&ouml;he des Achtfachen festgestellt.<sup>2</sup><br /> Ausgangspunkt jeder Einsch&auml;tzung der klinischen Situation muss jedenfalls die Sicherung der Diagnose sein. Als klinische Anhaltspunkte gelten die Fibrosierung der Tonsillen und die fehlende Luxierbarkeit. Die Gr&ouml;&szlig;e (das Volumen) der Tonsillen hat keine Bedeutung, kann aber als Atemhindernis unabh&auml;ngig davon klinische Relevanz bekommen. Die Bestimmung des Antistreptolysin-O(ASLO)-Titers ist keinesfalls hilfreich, da dieser lediglich die Immunantwort des Patienten widerspiegelt und keine Grundlage daf&uuml;r bildet, auf deren Basis sich die Indikation zur Tonsillektomie rechtfertigen lie&szlig;e.<br /> Vor Indikationsstellung zur Tonsillotomie oder Tonsillektomie sollte aber in jedem Fall ein Umgebungsscreening inklusive Sanierung der Haushaltskontakte erfolgen. Oftmals erfolgt die Reinfektion durch beschwerdefreie Familienmitglieder. Dar&uuml;ber hinaus muss die Compliance zu einer antibiotischen Therapie gesichert sein. Im Falle einer Indikation zur Tonsillektomie ist nach zahlreichen Angaben der Literatur keine pr&auml;operative Blutabnahme bei negativer Gerinnungsanamnese notwendig.<br /> Die operative Sanierung selbst f&uuml;hrt vor allem zu einer hohen Zufriedenheit der Eltern, auch dann wenn es nur zu einer moderaten Reduktion der Episodenzahl kommt. Gesichert ist, dass die Zahl rezidivierender akuter Tonsillitiden innerhalb des ersten postoperativen Jahres durch den Eingriff reduziert wird. Zu bedenken sind naturgem&auml;&szlig; die bekannten Risiken der Operation und die postoperativen Schmerzen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1709_Weblinks_s20_tab1.jpg" alt="" width="1417" height="837" /></p> <h2>Seromukotympanon</h2> <p>Unter einem Paukenerguss versteht man eine Ansammlung von nicht eitriger Fl&uuml;ssigkeit im Mittelohr hinter einem intakten Trommelfell, das in der Regel keine Entz&uuml;ndungszeichen zeigt. &Uuml;blicherweise bestehen keine Schmerzen, jedoch eine mitunter erhebliche Schallleitungsschwerh&ouml;rigkeit, die bis zu 50dB betragen kann. Es sind bis zu 80 % der Kinder von der Geburt bis zum Schulalter davon betroffen. In den Paukenerg&uuml;ssen selbst sind unterschiedliche bakterielle und virale Erreger zu finden, die Abgrenzung zur Otitis media kann schwierig sein oder &uuml;berhaupt einen &Uuml;bergang darstellen.<br /> Beschrieben ist eine spontane Emission von 28 % nach 3 Monaten sowie um 42 % nach 6 Monaten, die Spontanheilungsrate nimmt jedoch mit der Dauer der Erkrankung ab.<sup>3</sup> Zur Therapie empfohlen werden abschwellende Nasentropfen, Ibuprofen sowie das Valsalva-Man&ouml;ver, wobei die Evidenz d&uuml;rftig ist. Fragw&uuml;rdig sind jedenfalls die Gabe von Antibiotika sowie die Gabe von Antihistaminika bei nicht nachgewiesener allergischer Genese.<br /> Bei ausbleibender spontaner Emission, ausgepr&auml;gter Schwerh&ouml;rigkeit oder wiederkehrender antibiotikapflichtiger Otitiden ist eine Operation mit oder ohne Paukenr&ouml;hrchen indiziert. Auch hier muss bedacht werden, dass es dennoch zu Rezidiven oder zur Persistenz einer zentralen Trommelfellperforation kommen kann. Bei fehlenden Risikofaktoren ist ein Zuwarten f&uuml;r 3 Monate jedenfalls gerechtfertigt.</p> <h2>Otitis media</h2> <p>Eine der h&auml;ufigsten Ursachen f&uuml;r die Konsultation sowohl in der HNO-Heilkunde als auch in der Kinderheilkunde stellt die akute Otitis media dar. In den USA gilt diese als einer der h&auml;ufigsten Gr&uuml;nde f&uuml;r die Verordnung von Antibiotika bei Kindern. Die Patientenklientel in der HNOPraxis unterscheidet sich jedoch in aller Regel von der in der Kinderarztpraxis. In der HNO-Praxis herrschen organspezifische Manifestationen vor, w&auml;hrend in der Kinderarztpraxis auch S&auml;uglinge ohne lokale Beschwerden betreut werden. Zudem liegen unterschiedliche M&ouml;glichkeiten der Diagnostik vor, in der Kinderarztpraxis steht meist nur die Otoskopie zur Verf&uuml;gung. Die Erhebung des Trommelfellbefundes ist naturgem&auml;&szlig; speziell bei den kleineren und unruhigen Kindern erschwert und die Interpretation ist zweifellos subjektiv.<br /> Definitionsgem&auml;&szlig; handelt es sich bei der Otitis media um eine Entz&uuml;ndung der Paukenh&ouml;hlenmukosa mit Vorw&ouml;lbung des Trommelfells, verringerter Trommelfellbewegung oder Otorrh&ouml;. Die Symptome umfassen neben einer Otalgie unter Umst&auml;nden auch allgemeine Symptome wie Fieber, Erbrechen oder Appetitlosigkeit.<br /> Die Spontanheilung ist vor allem bei unkomplizierten Verl&auml;ufen h&auml;ufig, die Angaben gehen bis zu 80 % . Entscheidend ist in jedem Fall eine konsequente Schmerztherapie, etwa mit Ibuprofen, das jedoch nicht bei Bedarf gegeben werden sollte, sondern f&uuml;r 3&ndash;4 Tage nach einem vorgegebenen Schema. Die Leitlinie der amerikanischen Fachgesellschaft empfiehlt die Gabe von Antibiotika f&uuml;r S&auml;uglinge unter 6 Monaten sowie f&uuml;r kleinere Kinder bis zu 2 Jahren, wenn die Diagnose gesichert ist. Bei &auml;lteren Kindern ist es vertretbar, zuzuwarten und eine engmaschige Kontrolle zu empfehlen.<sup>4</sup><br /> Wenn Antibiotika indiziert sind, gilt Amoxicillin in einer Dosis von 80mg/kg als Mittel der ersten Wahl. Aktuelle Arbeiten geben jedenfalls keinen Anlass dazu, von einer vorsichtigen Indikation zur antibiotischen Therapie abzur&uuml;cken. Bestehen keine starken Krankheitszeichen, ist nach wie vor, auch bei kleinen Kindern, ein beobachtendes Zuwarten mit engmaschiger Kontrolle gerechtfertigt. Dabei sind nat&uuml;rlich Begleiterkrankungen wie etwa Immundefizienz oder ein schwerer Krankheitsverlauf zu ber&uuml;cksichtigen. Es konnte gezeigt werden, dass die antibiotische Therapie keinen gesicherten Einfluss auf die H&auml;ufigkeit von Komplikationen wie etwa einer Mastoiditis hat.</p> <h2>Laryngitis</h2> <p>Bei der Laryngitis kommt es zu einer Schwellung der oberen Atemwege unterhalb der Glottis. Ursache ist eine Entz&uuml;ndung der Schleimhaut in diesem Bereich durch unterschiedliche Viren wie etwa Parainfluenza, RSV, Rhinovirus, Bocavirus oder Adenoviren. Die Diagnose wird &uuml;blicherweise klinisch gestellt, Patienten haben eine heisere Stimme, einen bellenden Husten und meist einen ausgepr&auml;gten Stridor. Entscheidend ist die Abgrenzung zur Entz&uuml;ndung des Kehldeckels, der Epiglottitis. Bei dieser lebensbedrohlichen Erkrankung, die meistens durch Haemophilus influenzae Typ B verursacht wird, sind h&auml;ufig Kinder vom 2. bis zum 6. Lebensjahr betroffen. Entscheidendes Merkmal zur Differenzialdiagnose ist die Unm&ouml;glichkeit des Schluckens bei der Kehldeckelentz&uuml;ndung. Die Kinder speicheln, k&ouml;nnen nicht trinken und haben oft hohes Fieber.<br /> Von der Laryngitis sind etwa 10&ndash;15 % aller Kinder einmal im Leben betroffen. Die Einsch&auml;tzung des Schweregrades kann nach dem sogenannten Westley-Score erfolgen (Tab. 2).<sup>5</sup> Zur Behandlung wird die Zufuhr von k&uuml;hler Frischluft empfohlen, wenngleich dies nicht durch Studien gest&uuml;tzt ist. Die Gabe von Glukokortikoiden als Einmalgabe etwa mit Dexamethason (0,15&ndash;0,6mg/ kg KG oral), Prednisolon (1mg/kg KG per os bzw. 100mg rektal) oder auch Budesonid- Inhalation (2mg &uuml;ber Vernebler) wird empfohlen. Abh&auml;ngig vom Schweregrad kann auch mit Epinephrin inhaliert werden oder Sauerstoff notwendig sein. Klar zu bevorzugen ist die orale Gabe des Glukokortikoids, da die Z&auml;pfchen unterschiedlich resorbiert werden und der Saft eine hervorragende Bioverf&uuml;gbarkeit aufweist. Zur Entscheidung, ob eine Spitalseinweisung notwendig ist, ist die klinische Beurteilung das wichtigste Kriterium. Eine ausreichende antiphlogistische Therapie kann in der Regel ausreichend sein, die Lautst&auml;rke des Stridors selbst ist prognostisch &auml;u&szlig;erst unsicher.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1709_Weblinks_s20_tab2.jpg" alt="" width="1417" height="1722" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Paradise JL et al.: Efficacy of tonsillectomy for recurrent throat infection in severely affected children. Results of parallel randomized and nonrandomized clinical trials. N Engl J Med 1984; 310(11): 674-83 <strong>2</strong> Berner R et al.: Therapie entz&uuml;ndlicher Erkrankungen der Gaumenmandeln &ndash; Tonsillitis. AWMF S2k-Leitlinie 017/024, http://www.awmf.org (letzter Zugriff: 31. 10. 2017) <strong>3</strong> Rosenfeld RM et al.: Natural history of untreated otitis media. Laryngoscope 2003; 113(10): 1645-57 <strong>4</strong> American Academy of Pediatrics Subcommittee on Management of Acute Otitis Media. Diagnosis and management of acute otitis media. Pediatrics 2004; 113: 1451-65 <strong>5</strong> Westley CR et al.: Nebulized racemic epinephrine by IPPB for the treatment of croup: a doubleblind study. Am J Dis Child 1978; 132(5): 484-7</p> </div> </p>
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