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Adipositas: ein Problem auch im Alter?

<p class="article-intro">Für alle Altersgruppen wird seit Jahren ein kontinuierlicher Anstieg der Prävalenz von Übergewicht und Adipositas erhoben. Die prognostische Bedeutung der Adipositas bei älteren Menschen und die Frage, ob sich daraus die Notwendigkeit für Interventionsempfehlungen ableiten lässt, sind Thema einer Reihe rezenter Untersuchungen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Epidemiologische Untersuchungen beschreiben in den USA f&uuml;r die Bev&ouml;lkerung im Alter von &uuml;ber 65 Jahren eine Adipositaspr&auml;valenz von 30 % , in Gro&szlig;britannien sind 22 % der Frauen und 12 % der M&auml;nner im Alter von &uuml;ber 75 Jahren &uuml;bergewichtig oder adip&ouml;s.<sup>1</sup> Folgeerkrankungen der Adipositas, insbesondere kardiovaskul&auml;re Komplikationen, beeintr&auml;chtigen die Lebensqualit&auml;t und vor allem auch die Lebenserwartung.<sup>2</sup> Die WHO beschreibt in ihrem Europ&auml;ischen Gesundheitsbericht f&uuml;r &Ouml;sterreich, dass rund 9,6 % aller Todesf&auml;lle infolge von &Uuml;bergewicht und Adipositas auftreten.<sup>3</sup> Ob der Adipositas bei &auml;lteren Menschen eine &auml;hnliche prognostische Bedeutung wie in der j&uuml;ngeren Bev&ouml;lkerung zukommt und sich daraus die Notwendigkeit f&uuml;r Interventionsempfehlungen ableiten l&auml;sst, wird in einer Reihe von Studien und Metaanalysen diskutiert.<sup>4</sup></p> <h2>Adipositasassoziierte Erkrankungen und Mortalit&auml;t</h2> <p>Auch in h&ouml;herem Lebensalter zeigt sich eine positive Korrelation zwischen Adipositas und dem Risiko zur Entwicklung eines Typ-2-Diabetes sowie kardiovaskul&auml;rer, gastroenterologischer und Tumorerkrankungen.<sup>5</sup> Zu den weiteren Komplikationen der Adipositas z&auml;hlen das Schlafapnoesyndrom und degenerative Gelenkserkrankungen, vor allem aber ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r geriatrische Syndrome, wie Harninkontinenz, Immobilit&auml;t und kognitive Einschr&auml;nkungen (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1709_Weblinks_s18_tab1.jpg" alt="" width="685" height="1018" /><br /> Einzelstudien und Metaanalysen beschreiben eine U-f&ouml;rmige Korrelation zwischen Body-Mass-Index (BMI) und Mortalit&auml;t. Die Mortalit&auml;t ist im Untergewichtsbereich hoch, die niedrigste Mortalit&auml;t besteht im &bdquo;Normalgewichtsbereich&ldquo; (BMI bei 25kg/m<sup>2</sup>) und steigt bei &auml;lteren Menschen erst im Adipositasbereich signifikant an.<sup>6&ndash;8</sup><br /> F&uuml;r die Beurteilung der Gewichtssituation in h&ouml;herem Lebensalter sind altersassoziierte Ver&auml;nderungen, wie eine Abnahme der K&ouml;rpergr&ouml;&szlig;e, eine Reduktion der Muskel- und Zunahme der Fettmasse sowie die Tendenz zur Entwicklung eines Fettverteilungsmusters hin zu abdominellem Fett zu ber&uuml;cksichtigen. Die Abnahme der K&ouml;rpergr&ouml;&szlig;e w&uuml;rde einer Anpassung der Normwerte f&uuml;r den Body-Mass-Index (BMI) um rund 1,5kg/m<sup>2</sup> f&uuml;r M&auml;nner und 2,5kg/m<sup>2</sup> f&uuml;r Frauen entsprechen.<sup>9</sup> Der Normalgewichtsbereich umfasst demnach einen BMI von 22&ndash;27kg/m<sup>2</sup>, &Uuml;bergewicht einen BMI von 27&ndash;29,9kg/m<sup>2</sup> und Adipositas liegt bei einem BMI =30kg/m<sup>2</sup> vor.</p> <h2>Risiko Adipositas und Sarkopenie</h2> <p>Im hohen Lebensalter nimmt das Malnutritionsrisiko mit einer ungen&uuml;genden Zufuhr an Protein, Vitaminen und Mineralstoffen zu. Dies beeinflusst die altersassoziierte Reduktion der Muskelmasse ung&uuml;nstig und erh&ouml;ht das Risiko f&uuml;r die Entwicklung einer Sarkopenie mit funktionellen Einschr&auml;nkungen. Dar&uuml;ber hinaus belegt eine Reihe von Studien die ung&uuml;nstige Prognose und das hohe Mortalit&auml;tsrisiko bei sarkopenischer Adipositas.<sup>10, 11</sup> Im h&ouml;heren Lebensalter kann einer Malnutrition und unbeabsichtigten Gewichtsreduktion auch die Ver&auml;nderung im Muster appetitstimulierender und appetithemmender Hormone aus dem Gastrointestinaltrakt und Fettgewebe zugrunde liegen.<sup>12</sup> Rezente Daten weisen auch auf die Bedeutung des intestinalen Mikrobioms hin, dessen Zusammensetzung und Funktionalit&auml;t im fortgeschrittenen Lebensalter mit einem erh&ouml;hten Risiko f&uuml;r metabolische und neurodegenerative Erkrankungen korreliert.<sup>13</sup><br /> Auch im Fettgewebe zeigen sich altersassoziierte degenerative Ver&auml;nderungen, wie eine beeintr&auml;chtigte Differenzierung von Pr&auml;adipozyten und Verschiebungen im Adipozytokinmuster mit einem erh&ouml;hten Risiko f&uuml;r kardiometabolische Erkrankungen. Die beeintr&auml;chtigte Kapazit&auml;t zur Lipidakkumulation (dysfunktionelles Fettgewebe) f&uuml;hrt zu einer Fettablagerung au&szlig;erhalb des Fettgewebes, vor allem intrahepatisch und intramuskul&auml;r, und somit auch zu einem erh&ouml;hten Risiko f&uuml;r eine sarkopenische Adipositas.</p> <h2>Adipositasparadoxon</h2> <p>Unter dem Begriff Adipositasparadoxon versteht man die Beschreibung eines m&ouml;glichen prognostischen Vorteils von &Uuml;bergewicht oder Adipositas bei einer Reihe von manifesten Erkrankungen gegen&uuml;ber Normal- oder Untergewicht.<sup>14</sup> Bei der Interpretation der Datenlage m&uuml;ssen jedoch vielf&auml;ltige Faktoren, die das K&ouml;rpergewicht beeinflussen, Ber&uuml;cksichtigung finden, wie das Lebensalter, eine ungewollte Gewichtsabnahme im Rahmen einer schweren Allgemeinerkrankung, die kardiorespiratorische Fitness und der Raucherstatus.</p> <h2>Therapieempfehlungen</h2> <p>Die Indikationsstellung zur Gewichtsreduktion beim &auml;lteren Menschen erfordert eine individuelle Nutzen-Risiko-Abw&auml;gung, wobei dem Erhalt der Lebensqualit&auml;t und damit der funktionellen und kognitiven Leistungsf&auml;higkeit eine zentrale Bedeutung zukommt (Abb. 1). Empfehlungen wissenschaftlicher Fachgesellschaften zur Gewichtsreduktion bei &auml;lteren Menschen beziehen sich prim&auml;r auf das Vorliegen einer Adipositas mit Begleitkomplikationen. Die Ern&auml;hrungsma&szlig;nahmen m&uuml;ssen eine ausreichende Protein-, Vitamin- und Mineralstoffzufuhr gew&auml;hrleisten, eventuell unter Einsatz von Supplementen. Zu beachten ist auch die Osteoporoseprophylaxe. K&ouml;rperliches Training (Ausdauer- und Widerstandstraining) ist wichtig, um Muskelmasse und Muskelkraft zu erhalten bzw. zu verbessern (Pr&auml;vention bzw. Therapie einer Sarkopenie). F&uuml;r chirurgische Ma&szlig;nahmen (bariatrische Chirurgie) liegt bislang keine Evidenz f&uuml;r Menschen im fortgeschrittenen Lebensalter vor.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1709_Weblinks_s18_abb1.jpg" alt="" width="1455" height="744" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> MacMillan M et al.: Obes Sci Pract 2016; 2(4): 477-82 <strong>2</strong> Stringhini S et al.: Lancet 2017; 389(10075): 1229-37 <strong>3</strong> The European health report 2005. WHO Europe; Copenhagen 2005; ISBN 92 890 1376 1; http://www.euro.who. int <strong>4</strong> M athus-Vliegen E M et al.: Obes Facts 2012; 5(3): 460-83 <strong>5</strong> Sinclair A et al.: Clin Geriatr Med 2010; 26(2): 261-74 <strong>6</strong> Price GM et al.: Am J Clin Nutr 2006; 84(2): 449- 60 <strong>7</strong> Global BMI Mortality Collaboration et al.: Lancet 2016; 388(10046): 776-86 <strong>8</strong> Aune D et al.: BMJ 2016; 353: i2156 <strong>9</strong> Sorkin JD et al., Am J Epidemiol 1999; 150(9): 969- 77 <strong>10</strong> Hirani V et al: Age Ageing 2016 Dec 7. [Epub ahead of print] <strong>11</strong> Rossi AP et al.: J Gerontol A Biol Sci Med Sci 2017 Mar 8. [Epub ahead of print] <strong>12</strong> Moss C et al.: J Hum Nutr Diet 2012; 25(1): 3-15 <strong>13</strong> Vaiserman AM et al.: Ageing Res Rev 2017; 35: 36-45 <strong>14</strong> Barnack HR et al.: Prev Med 2014; 62: 96-102</p> </div> </p>
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