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Rogaratinib zeigt vielversprechende Aktivität in frühklinischer Entwicklung
Leading Opinions
Autor:
PD Dr. med. et rer. nat. Markus Joerger
Fachbereich Onkologie & Hämatologie<br> Kantonsspital St. Gallen<br> E-Mail: markus.joerger@kssg.ch
30
Min. Lesezeit
16.11.2017
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<p class="article-intro">Rogaratinib ist ein selektiver Inhibitor von FGFR («fibroblast growth factor receptor»). Am diesjährigen Jahreskongress der ESMO in Madrid wurden erstmals Daten einer Phase-I-Studie mit Rogaratinib bei Patienten mit fortgeschrittenen, FGFR-positiven Urothelkarzinomen der Blase vorgestellt. Die vielversprechenden Resultate werden im folgenden Artikel erläutert.</p>
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<p class="article-content"><h2>Einleitung</h2> <p>Die molekular-zielgerichtete Therapie solider Tumoren bleibt weiterhin ein Schwerpunkt in der Onkologie und so auch am diesjährigen Jahresmeeting der ESMO in Madrid. Die FGFR-Signalkaskade ist bei etlichen soliden Tumoren wie auch beim multiplen Myelom von relevanter biologischer Bedeutung und bestimmt den malignen Phänotyp dieser Tumoren. Die am FGFR wirkenden Wachstumsfaktoren (FGF, «fibroblast growth factors») stimulieren die Proliferation und Migration maligner Zellen und sind auch wesentlich am komplexen Prozess der Angiogenese beteiligt. Verschiedene genetische Alterationen können verantwortlich sein für eine pathologische Aktivierung der FGFR-Signalkaskade, so auch Rezeptoramplifikation, Mutationen oder chromosomale Translokationen.<sup>1</sup> Die genetischen Charakteristika betreffend die FGFR-Signalkaskade sind dabei innerhalb einer Tumorentität wenig spezifisch. Die Heterogenität dieser genetischen Veränderungen in der FGFR-Signalkaskade hat entscheidend dazu beigetragen, dass die Entwicklung entsprechender Onkologika («FGFR-Inhibitoren») in einer ersten Phase mit wenig Erfolg gekrönt war. Wenig spezifische FGFR-Inhibitoren wie Dovitinib<sup>2</sup> oder Lucitanib<sup>3</sup> haben in klinischen Studien zwar begrenzte Aktivität gezeigt, diese war aber möglicherweise eher bedingt durch Inhibition weiterer Zielmoleküle, insbesondere VEGFR («vascular endothelial growth factor receptor»). Spezifische FGFR-Inhibitoren wie etwa BGJ-398, AZD-4547, JNJ-42756493 oder Debio-1347 befinden sich teils in Entwicklung oder wurden bei begrenzter Tumoraktivität nicht mehr weiterentwickelt (BGJ-398). Die spezifischen FGFRInhibitoren wurden dabei bei mehr oder weniger selektierten Patienten mit soliden Tumoren untersucht, und die Patientenselektion erfolgte auf Basis unterschiedlicher genetischer Alterationen der FGFR-Signalkaskade.</p> <h2>Rogaratinib ist ein neuer potenter Inhibitor von FGFR1–3</h2> <p>Rogaratinib inhibiert FGFR1–3 und FGFR4 und hat eine kurze Halbwertszeit von 6 Stunden. In murinen Xenograft- Modellen konnte in jenen Tumoren Aktivität nachgewiesen werden, welche eine hohe Expression von «FGFR1–4 messenger RNA» (mRNA) aufwiesen. Dies konnte unabhängig vom Tumortyp gezeigt werden.</p> <h2>Biomarker ist wichtiger Teil der Entwicklung zielgerichteter Onkologika und von Rogaratinib</h2> <p>Die Vielfalt der genetischen Alterationen – Amplifikation, Mutation, Translokation –, welche zu einer pathologischen Aktivierung der FGFR-Signalkaskade führen können, haben in der Vergangenheit die Entwicklung von FGFR-Inhibitoren erschwert. Dabei haben Alterationen der DNA nur einen begrenzten Einfluss auf die Expression und Funktion des entsprechenden Eiweissproduktes, unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Rezeptor, ein Strukturprotein oder ein Enzym handelt. Unter diesen Umständen wurde von der entwickelnden Pharmafirma der Entscheid getroffen, Tumorpatienten anhand der FGFR-mRNA-Expression im Tumor für eine Behandlung mit Rogaratinib auszuwählen. Dabei wurden zwei unterschiedliche Testverfahren verwendet (RNAScope<sup>®</sup> und NanoString nCounter<sup>®</sup>). Die Testung erfordert eine kleine Menge Tumorgewebe, sie ist üblicherweise in rund einer Woche abgeschlossen und kann dem Studienzentrum übermittelt werden. Die Wahl eines Biomarkers hat einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung und die mögliche Zulassung von Onkologika, und Rogaratinib ist innerhalb der Onkologie einzigartig in der Verwendung eines mRNA-basierten Biomarkers.</p> <h2>Phase-I-Studie testet erfolgreich den FGFR-Inhibitor Rogaratinib (BAY1163877)</h2> <p>Am ESMO-Jahreskongress 2017 in Madrid wurden Daten der Phase-I-Studie mit Rogaratinib (NCT01976741) bei Patienten mit fortgeschrittenen, FGFR-positiven Urothelkarzinomen der Blase vorgestellt.<sup>4, 5</sup> Ein Jahr zuvor waren am ESMOJahreskongress 2016 in Kopenhagen bereits die Daten zur Verträglichkeit von Rogaratinib bei 80 Patienten mit verschiedenen Tumorerkrankungen gezeigt worden.<sup>6</sup> Dabei wurde eine Rogaratinib- Tagesdosis von 2x 800mg definiert, und die Therapie stellte sich als sehr verträglich heraus, mit Hyperphosphatämie, (milder) Diarrhö und kumulativer Nageltoxizität als häufigsten Nebenwirkungen. In der aktuellen Analyse wurde eine homogene Gruppe von 35 Patienten mit FGFR-positivem Urothelkarzinom der Blase unter Behandlung mit Rogaratinib in der Expansionsphase der Studie vorgestellt. 9 Patienten (25,7 % ) erreichten dabei eine partielle Tumorresponse (PR) und weitere 18 Patienten (51,4 % ) erreichten eine Tumorstabilisierung, während 8 Patienten (22,9 % ) nicht auf die Therapie mit Rogaratinib ansprachen (Abb. 1). Die gute Verträglichkeit von Rogaratinib konnte bestätigt werden, wobei keine Therapieabbrüche aufgrund von Verträglichkeitsproblemen auftraten. Das Verfahren der Selektion von Patienten für eine Therapie mit Rogaratinib aufgrund der FGFR-mRNA-Expression im Tumorgewebe hat sich zudem als effizient und zielführend herausgestellt. Während bis dahin somatische Mutationen von FGFR3 als möglicher Biomarker für FGFR-Inhibitoren beim Urothelkarzinom der Blase bekannt waren, konnte anhand der somatischen FGFR-mRNA-Expression ein wesentlich grösserer Anteil von Patienten für eine Therapie mit Rogaratinib identifiziert werden: So traten denn 4 der 9 partiellen Remissionen bei Patienten auf, welche zwar eine FGFR-mRNA-Überexpression aufwiesen, jedoch keine FGFR3- Mutation. Mit dem hier vorgestellten Testverfahren kommen rund 45 % aller Patienten mit Urothelkarzinomen der Blase für eine Therapie mit Rogaratinib infrage, und auch Patienten mit Plattenepithelkarzinom der Kopf-Hals-Region oder der Lunge sowie Patientinnen mit Brustkarzinomen kommen grundsätzlich häufig für eine Behandlung mit Rogaratinib infrage (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1706_Weblinks_s36_abb1.jpg" alt="" width="1214" height="758" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1706_Weblinks_s36_abb2.jpg" alt="" width="1421" height="850" /></p> <h2>Konklusion</h2> <p>Rogaratinib ist ein sehr gut verträglicher, selektiver FGFR-Inhibitor mit vielversprechender klinischer Aktivität, insbesondere bei Patienten mit FGFR-positiven Urothelkarzinomen der Blase.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Babina IS, Turner NC: Advances and challenges in targeting FGFR signalling in cancer. Nat Rev Cancer 2017; 17(5): 318-332 <strong>2</strong> Musolino A et al.: Phase II, randomized, placebo- controlled study of dovitinib in combination with fulvestrant in postmenopausal patients with HR+, HER2- breast cancer that had progressed during or after prior endocrine therapy. Breast Cancer Res 2017; 19(1): 18 <strong>3</strong> Soria JC et al.: Phase I/IIa study evaluating the safety, efficacy, pharmacokinetics and pharmacodynamics of lucitanib in advanced solid tumors. Ann Onc 2014; 25(11): 2244- 51 <strong>4</strong> Schuler M et al.: Anti-tumor activity of the pan-FGFR inhibitor rogaratinib in patients with advanced urothelial carcinomas selected based on tumor FGFR mRNA expression levels. ESMO Annual Meeting 2017, Abstr. 859P <strong>5</strong> Joerger M et al.: A novel mRNA-based patient selection strategy identifies FGFR inhibitor-sensitive tumours: results from a rogaratinib phase I study. ESMO Annual Meeting 2017, Abstr. 379P <strong>6</strong> Joerger M et al.: Phase I study of the pan-fibroblast growth factor receptor inhibitor BAY 1163877 with expansion cohorts for patients based on tumour FGFR mRNA expression levels. ESMO Annual Meeting 2016; Abstr. 360 O_PR</p>
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