<p class="article-intro">Am diesjährigen Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO), der Anfang September in Madrid stattfand, wurden Ergebnisse von Studien zu urogenitalen Tumoren wie Urothelkarzinom, Prostatakarzinom und Nierenzellkarzinom präsentiert. Im folgenden Artikel werden die Highlights bei diesen Entitäten zusammengefasst.</p>
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<p class="article-content"><h2>Urothelkarzinom</h2> <p><strong>RANGE-Studie</strong> Zur Behandlung von Patienten mit metastasiertem Urothelkarzinom nach Vortherapie mit einer platinhaltigen Chemotherapie wurden Daten der RANGE-Studie<sup>1</sup> präsentiert, welche Patienten zu einer Kombination aus Docetaxel und dem gegen den VEGF-Rezeptor-2 gerichteten Antikörper Ramucirumab vs. Docetaxel allein randomisiert hat. Es wurde ein statistisch signifikanter PFS-Benefit von 1,3 Monaten für die Kombination gezeigt, bei einem Gesamtansprechen für die Kombination von 24,5 % vs. 14 % für Docetaxel allein. Bezüglich des Endpunktes Lebensqualität waren weder positive noch negative Einflüsse durch die Zugabe von Ramucirumab zu Docetaxel zu verzeichnen. Bezüglich Toxizität wurde lediglich eine leichte Zunahme des Auftretens von arterieller Hypertonie und von Blutungsepisoden dokumentiert. Leider wurden die Daten zum Gesamtüberleben bei bisher nicht ausreichendem Follow-up noch nicht berichtet.<br /> Trotz der formal statistischen Signifikanz stellt sich hier die Frage nach der klinischen Relevanz des moderaten PFSVorteils, zudem waren nur ca. 10 % der Patienten in dieser Studie mit einem Checkpoint-Inhibitor vorbehandelt, was Unklarheit schafft bezüglich des möglichen Stellenwerts dieser Kombination in der Therapiesequenz. Der gegenwärtige Standard in zweiter Therapielinie bleibt sicher eine Behandlung mit einem Checkpoint- Inhibitor gemäss den Daten der KEYNOTE-045-Studie<sup>2</sup>. Eine Therapie mit Docetaxel/Ramucirumab scheint allenfalls denkbar für noch fitte Patienten mit einem Progress unter Checkpoint-Inhibition oder für Patienten, bei denen Immuntherapie als kontraindiziert angesehen wird. Inwiefern der dokumentierte moderate PFS-Benefit dieser Kombination in etwaiger dritter Therapielinie noch Bestand hat, bleibt allerdings ungewiss.</p> <h2>Nierenzellkarzinom</h2> <p>Für das Management von Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom gab es mehrere interessante Highlights am diesjährigen ESMO.<br /><br /><strong> CheckMate 214</strong><br /> Bernard Escudier stellte Daten der CheckMate-214-Studie3 vor. Die Studie randomisierte 1096 bisher therapienaive Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom zu Nivolumab 3mg/kg bis zum Progress kombiniert mit vier Gaben Ipilimumab 1mg/kg (beide initial 3-wöchentlich für die ersten 4 Dosen, dann Nivolumab 3mg/kg alle 2 Wochen) oder einer Therapie mit Sunitinib 50mg im üblichen Schema. Die koprimären Endpunkte (Gesamtansprechen [ORR], progressionsfreies Überleben [PFS] und Gesamtüberleben [OS]) waren gepowert in Bezug auf Intermediate- Risk- und Poor-Risk-Patienten gemäss IMDC(International Metastatic RCC Database Consortium)-Kriterien, jedoch wurden auch Favourable-Risk-Patienten eingeschlossen (insgesamt 249 Patienten). Die Studie konnte sowohl für Patienten mit Intermediate-Risk- und Poor-Risk-Situation als auch für die Intention- to-treat-Population einen signifikanten Vorteil im OS für eine Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab zeigen. Bezüglich der koprimären Endpunkte ORR und PFS zeigt sich die Immuntherapie- Kombination deutlich überlegen gegenüber Sunitinib (Tab. 1 und Abb. 1). Unklarer wird die Situation bei Betrachtung der ITT-Population, hier bleibt nur der Gesamtüberlebensvorteil signifikant bestehen.<br /> Bezüglich explorativer Endpunkte zeigte sich auch eine Verbesserung in der Lebensqualität unter Nivolumab und Ipilimumab. Zudem scheint gemäss explorativer Analyse ein positiver PD-L1-Status prädiktiv zu sein für einen grösseren Benefit von dieser Therapie bei den Intermediate- Risk- und Poor-Risk-Patienten (Tab. 2). Interessanterweise konnte für Patienten in der Favourable-Risk-Kategorie kein Vorteil der Checkpoint-Inhibitor- Kombination gezeigt werden, es gab sogar ein signifikant besseres PFS und eine bessere Ansprechrate unter Sunitinib. Bezüglich immunologischer Nebenwirkungen lag das Auftreten von Grad-3/4-Toxizität bei 5 % bzw. 6 % für Kolitis und Hepatitis. Insgesamt definiert die CheckMate- 214-Studie einen neuen Standard in erster Therapielinie bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom in einer Intermediate- Risk- sowie Poor-Risk-Situation. Insbesondere für Patienten mit «favourable risk» bleibt die Suche nach verlässlichen Biomarkern von grosser Bedeutung, um die richtige Patientenselektion für eine Erstlinienbehandlung mit Nivolumab/Ipilimumab bzw. Anti-VEGF-TKI vornehmen zu können.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1706_Weblinks_s32_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="580" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1706_Weblinks_s32_abb1.jpg" alt="" width="1455" height="980" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1706_Weblinks_s32_tab2.jpg" alt="" width="2151" height="504" /><br /><br /> <strong>SWITCH-II-Studie</strong><br /> Angesichts der vielen Medikamente, die in den letzten Jahren eine Zulassung für das metastasierte Nierenzellkarzinom erhalten haben, stellt sich generell die Frage nach der optimalen Therapiesequenz.<br /> Bereits die SWITCH-I-Studie<sup>4</sup> hat sich dieser Frage angenommen und die Sequenz Sorafenib – Sunitinib und vice versa untersucht. PFS und OS zeigten sich ähnlich für beide Sequenzen. Die aktuell vorgestellte SWITCH-II-Studie<sup>5</sup> war darauf ausgelegt, die Noninferiorität der Sequenz Sorafenib (So) – Pazopanib (Pa) vs. Pazopanib – Sorafenib zu zeigen.<br /> Bei einem PFS von 8,6 Monaten für die Sequenz So – Pa vs. 12,9 Monate für Pa – So konnte die Noninferiorität nicht belegt werden. Auch im OS zeigte sich ein Trend zu einer Überlegenheit der Sequenz Pa – So mit 28,0 Monaten vs. 22,7.<br /> Fazit: Es gibt für Sorafenib keinen Platz in der ersten Therapielinie beim Nierenzellkarzinom, dies insbesondere in Anbetracht der oben vorgestellten CheckMate- 214-Studie. Bezugnehmend auf die SWITCH-I-Studie, in welcher ebenfalls ein Trend zu einem schlechteren PFS bei Beginn mit Sorafenib vs. Sunitinib dokumentiert wurde, ist letztlich kritisch zu hinterfragen, ob Sorafenib generell noch einen Stellenwert in der Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms hat.<br /><br /> Auch zum operativen Vorgehen beim metastasierten Nierenzellkarzinom gab es einen interessanten Beitrag. Eine palliative zytoreduktive Nephrektomie gehört bei Patienten mit Good-Risk- und Intermediate- Risk-Konstellation eigentlich zum Standardvorgehen. Allerdings stammen die zugrunde liegenden Daten aus einer Zeit, in der noch die Behandlung mit Interferon alfa die einzige verfügbare Systemtherapie darstellte. Inwieweit dies mit den neuen anti-VEGF-gerichteten TKI und nach Einführung der Checkpoint-Inhibitoren noch Bedeutung hat, ist daher unklar.<br /><br /> <strong>SURTIME-Studie</strong><br /> In der vorgestellten SURTIME-Studie<sup>6</sup> wurden Patienten randomisiert zu unmittelbarer Nephrektomie gefolgt von einer Therapie mit Sunitinib oder zu einer verzögerten Nephrektomie nach drei vorherigen Therapiezyklen mit Sunitinib in Standarddosis und -schema. Aufgrund von einem (schlechter als erwartet) «accrual» mit einer Gesamtzahl von nur 99 Patienten und einem im Verlauf geänderten statistischen Design sind die Daten der Studie eher explorativ. Dennoch zeigte sich bei fehlenden Unterschieden im PFS ein signifikanter OS-Benefit für die Patienten mit späterer Nephrektomie und unmittelbarem Beginn der Systemtherapie. Ebenfalls fand sich eine geringere Zahl perioperativer Komplikationen unter den Patienten, welche zunächst Sunitinib erhielten.<br /> Die Frage nach dem generellen Stellenwert der palliativen Nephrektomie konnte auch die SURTIME-Studie nicht beantworten, dennoch legen die Daten nahe, dass eine verzögerte Nephrektomie und der unmittelbare Beginn der Systemtherapie, z.B. bei Patienten mit deutlicher Symptomatik und dringlichem Therapiebedarf, zumindest das Outcome nicht negativ beeinflussen und eine sinnvolle Option darstellen.<br /><br /> Zusammenfassend ist festzuhalten, dass nach dem diesjährigen ESMO Meeting insbesondere die Therapiesequenz beim Nierenzellkarzinom einen Wandel durchlaufen wird, hin zum früheren Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren und auch vermehrter Anwendung von Kombinationsstrategien. Beim Urothelkarzinom bleibt die Behandlung mit einem Checkpoint- Inhibitor in zweiter Linie vermutlich zunächst der Standard.</p> <h2>Prostatakarzinom</h2> <p>Für die Behandlung von Männern mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom gibt es nach dem ESMO keine grundlegenden Veränderungen. Vielmehr wurden interessante Daten zur Therapie in der neu metastasierten Situation (kastrationsnaives Prostatakarzinom) präsentiert und in der fortgeschrittenen kastrationsresistenten Situation zeichnen sich neue diagnostische bzw. therapeutische Möglichkeiten ab.<br /><br /> <strong>LATITUDE-Studie</strong><br /> Kim Chi hat die Lebensqualitätsdaten der LATITUDE-Studie<sup>7</sup> präsentiert. In der LATITUDE-Studie wurden 1199 Männer mit «high-risk» metastasiertem Prostatakarzinom («high-risk» definiert als mindestens 2 von 3 Kriterien: Gleason Score =8 oder =3 Knochenmetastasen oder viszerale Metastasen) randomisiert zu Androgendeprivation (ADT) plus Placebo oder zu ADT plus Abirateronacetat (1000mg tgl.) und Prednison (5mg tgl.).<sup>8</sup> Im Rahmen der Studie wurden regelmässig Erfassungen der Lebensqualität durchgeführt. Insgesamt konnte für die Kombination ADT plus Abirateronacetat gegenüber ADT plus Placebo ein signifikanter Vorteil in der Zeit bis zur tumorbedingten Lebensqualitätsverschlechterung sowie auch in der Zeit bis zur Verschlechterung von Schmerzen oder Müdigkeit gezeigt werden. Somit konnte in dieser Studie nicht nur ein signifikanter Überlebensvorteil mit ADT plus Abirateronacetat, sondern auch eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität nachgewiesen werden.<br /> Insgesamt stehen nun in der metastasierten kastrationsnaiven Situation des Prostatakarzinoms mehrere Therapieoptionen zur Verfügung: ADT alleine, ADT plus Docetaxel oder ADT plus Abirateronacetat.<br /><br /> <strong>STAMPEDE-Studie</strong><br /> Mathew Sydes hat am ESMO neue Daten der STAMPEDE-Studie präsentiert. Die Daten der STAMPEDE-Studie zur Kombination ADT plus Abirateroneacetat plus Prednison verglichen mit ADT allein wurden schon am ASCO 2017 vorgestellt und sind publiziert worden.<sup>9</sup> In der «Multiarm »-STAMPEDE-Studie waren die Arme ADT plus Docetaxel und ADT plus Abirateroneacetat zwischen November 2011 und März 2013 parallel geöffnet.<br /> Am ESMO wurden nun die Daten der 566 Männer gezeigt, welche in diesem Zeitraum in einen dieser beiden Studienarme eingeschlossen wurden.<sup>10</sup> Beim primären Endpunkt Gesamtüberleben zeigte sich kein Unterschied zwischen dem Arm mit ADT plus Abirateroneacetat und dem Arm mit ADT plus Docetaxel (HR: 1,16; 95 % -Konfidenzintervall (CI): 0,82–1,65), auch bei den symptomatischen skelettalen Ereignissen sind die Ergebnisse vergleichbar (HR: 0,83; 95 % CI: 0,55–1,25), hingegen zeigt sich beim «failure-free survival» (hauptsächlich beeinflusst durch PSA) ein signifikanter Vorteil für ADT plus Abirateroneacetat verglichen mit ADT plus Docetaxel (HR: 0,51; 95 % CI: 0,39–0,67).<br /> Diese Ergebnisse sind wichtig, da es ansonsten zurzeit keine direkt randomisierten Daten für diese beiden Therapiestrategien gibt. Relevant sind die Unterschiede in der Therapie, welche zusätzlich zur ADT gegeben wird (Hormontherapie vs. zytotoxische Chemotherapie), das damit verbundene unterschiedliche Nebenwirkungsprofil und eine gute Information über eine mögliche, meist temporäre Lebensqualitätseinbusse für Männer, welche ADT plus Docetaxel bekommen. Zudem scheint der Unterschied wichtig, dass im Falle von ADT plus Docetaxel die Chemotherapie nur für 6 Zyklen und damit nicht bis zur «Erschöpfung» der Wirksamkeit gegeben wird, während im Falle von ADT plus Abirateroneacetat die Therapie bis zur klaren Progression fortgeführt wird. Nicht zuletzt bleibt abzuwarten, inwiefern und mit welchen Limitationen die Kombination ADT plus Abirateroneacetat kassenzulässig wird.<br /> Am ESMO wurde auch eine Phase-II-Studie aus Melbourne präsentiert, welche eine Lutetium-177-PSMA-gerichtete Therapie bei Männern mit fortgeschrittenem kastrationsresistentem Prostatakarzinom nach Vorbehandlung mit Abirateroneacetat/ Enzalutamid und Chemotherapie untersuchte.<sup>11</sup> Insgesamt wurden 30 Männer behandelt, die primären Endpunkte der Studie waren Toxizität und Antitumoraktivität. Die häufigste Nebenwirkung war Mundtrockenheit (G1/2: 63 % ). Erwähnenswert ist die hämatologische Toxizität, insbesondere Anämie (G3/4: 23 % ), Neutropenie (G3/4: 10 % ) und Thrombozytopenie (G3/4: 27 % ). Bezüglich Antitumoraktivität wurden nur die PSA-Daten gezeigt, welche vielversprechende PSA-Verläufe belegen (PSA-Abfall >50 % bei 57 % , PSA-Abfall >80 % bei 43 % der Patienten). Wichtig sind nun unbedingt weitere und grössere randomisierte Studien, um diese aktuell hoffnungsvolle Therapieoption breiter zu etablieren. Geplant ist in Australien eine randomisierte Studie, welche Lutetium-177 PSMA mit Cabazitaxel vergleicht.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Petrylak D et al.: ESMO 2017, LBA 4. www.thelancet.com. Published online September 10, 2017 http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(17)32365-6 <strong>2</strong> Bellmunt J et al.: Pembrolizumab as second-line therapy for advanced urothelial carcinoma. N Engl J Med 2017; 376(11): 1015-1026 <strong>3</strong> Escudier Bet al.: ESMO 2017, LBA 5 <strong>4</strong> Eichelberg C et al.: SWITCH: a randomised, sequential, openlabel study to evaluate the efficacy and safety of sorafenib-sunitinib versus sunitinib-sorafenib in the treatment of metastatic renal cell cancer. Eur Urol 2015; 68(5): 837-847 <strong>5</strong> Retz M et al.: ESMO 2017, Abstract 8450 <strong>6</strong> Bex A et al.: ESMO 2017, LBA 35 <strong>7</strong> Chi K et al.: ESMO 2017, Abstract 7840 <strong>8</strong> Fizazi K et al.: Abiraterone plus prednisone in metastatic, castration-sensitive prostate cancer. N Engl J Med 2017; 377(4): 352-360 <strong>9</strong> James ND et al.: Abiraterone for prostate cancer not previously treated with hormone therapy. N Engl J Med 2017; 377(4): 338-351 <strong>10</strong> Sydes M et al.: ESMO 2017, LBA 31 <strong>11</strong> Hofman M et al.: ESMO 2017, Abstract 785O</p>
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