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Einsatz der Radiotherapie beim oligometastasierten NSCLC

<p class="article-intro">Mit dem Begriff der «Oligometastasierung» definierten Hellmann und Wechselbaum 1995 ein Stadium der begrenzten Metastasierung, als intermediäres Stadium zwischen lokalisierter und systemischer Erkrankung.<sup>1</sup> Während dieses Stadium noch vor wenigen Jahren als «rare disease» eingestuft wurde, erlauben Fortschritte in der Diagnostik heute eine frühzeitige und häufigere Identifikation einer Oligometastasierung, was wiederum therapeutische Konsequenzen mit sich bringt.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Hellmann und Wechselbaum postulierten in ihrer 2011 revidierten Arbeit zwei m&ouml;gliche Paradigmenwechsel f&uuml;r die Behandlung metastasierter Tumorleiden:</p> <ol> <li>Aufgrund der kaskadenartigen Hierarchie der Metastasierung er&ouml;ffnet die Kontrolle des Prim&auml;rtumors in Kombination mit einer definitiven Therapie der Oligometastasen einen kurativen Therapieansatz.</li> <li>Lokal ablative Therapien k&ouml;nnen die nach Applikation einer Systemtherapie persistierenden Metastasen eliminieren. <sup>2</sup></li> </ol> <p>Heute hat die Oligometastasierung Eingang in das TNM-System sowie die interdisziplin&auml;ren Practice Guidelines, z.B. beim nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom, gefunden.<sup>3, 4</sup><br /> Ca. 20&ndash;55 % der Patienten mit nicht kleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC) befinden sich zum Zeitpunkt der Erstdiagnose im oligometastasierten Stadium.<sup>5&ndash;7</sup> Solange die Ergebnisse weiterer randomisierter Studien ausstehen, m&uuml;ssen im klinischen Alltag f&uuml;r dieses Patientenkollektiv therapeutische Entscheidungen getroffen werden, welche auf der vorhandenen Evidenz beruhen und gleichzeitig die W&uuml;nsche der Patienten und &Auml;rzte nach einer Chance auf Heilung ber&uuml;cksichtigen.</p> <h2>Radiotherapie des Prim&auml;rtumors und von Metastasen bei synchroner Oligometastasierung</h2> <p>Fr&uuml;her galt die Doktrin: Lokale Tumortherapie bei Vorliegen einer Metastasierung hat ausschliesslich ein palliatives Behandlungsziel. Dieses Dogma wurde durch das Konzept der Oligometastasierung infrage gestellt. De Ruyscher et al. behandelten bei 39 Patienten mit oligometastasiertem NSCLC stadiengerecht den Prim&auml;rtumor lokal radikal und die Metastasen mittels Resektion oder Radiochirurgie (nur Hirnmetastasen). Das mediane Gesamt&uuml;berleben (OS) von 13,5 Monaten bzw. das progressionsfreie &Uuml;berleben (PFS) von 12,1 Monaten ist vergleichbar mit dem von Patienten mit &auml;hnlichem lokoregion&auml;rem Stadium ohne Metastasierung.<sup>8</sup><br /> K&uuml;rzlich best&auml;tigten Gomez et al. mittels einer Phase-II-Studie die entscheidende Rolle einer definitiven lokalen Therapie des Primarius in der Situation der Oligometastasierung.<sup>9</sup> Oligometastasierung war definiert als das Vorhandensein von maximal 3 Metastasen nach einer initialen Chemotherapie. Patienten wurden zu alleiniger Systemtherapie bzw. zu Systemtherapie gefolgt von lokal konsolidierender Therapie randomisiert. Die lokale Therapie erfolgte mittels stereotaktischer Radiotherapie (SBRT), OP und Radiotherapie oder Radiochemotherapie. Einer der 25 Patienten des Interventionsarms erhielt keine Radiotherapie. Die Studie wurde nach der Randomisierung von lediglich 49 Patienten fr&uuml;hzeitig beendet, denn bereits nach einem medianen Follow-up von 12,4 Monaten waren frappierende Unterschiede ersichtlich: Das mediane PFS betrug nach Systemtherapie 3,9 Monate und nach zus&auml;tzlicher Konsolidierung 11,9 Monate. Dabei konnte die lokale Therapie vor allem das systemische Progressionsmuster ver&auml;ndern: Die Entwicklung neuer Metastasen wurde von medianen 5,7 Monaten auf 11,9 Monate hinausgez&ouml;gert.<br /> J&uuml;ngst bekr&auml;ftigten Iyengar et al. mit ihrer ebenfalls randomisierten Phase-IIC. Studie diese klinisch relevante Verl&auml;ngerung des PFS nach Konsolidierung durch eine lokale Therapie.<sup>10</sup> 29 Patienten mit oligometastasiertem NSCLC (bis zu 6 extrakraniale L&auml;sionen) ohne EGFR- oder ALK-Mutation, die 4&ndash;6 Zyklen platinbasierte Chemotherapie erhalten und darauf angesprochen hatten (hier: &laquo;stable disease &raquo; oder &laquo;partial response&raquo;), wurden in zwei Behandlungsarme randomisiert:</p> <ol> <li>alleinige Erhaltungschemotherapie oder</li> <li>SBRT f&uuml;r alle Tumorlokalisationen (inkl. Primarius) gefolgt von Erhaltungschemotherapie.</li> </ol> <p>Aufgrund der Ergebnisse von Gomez et al. erfolgte eine ungeplante Zwischenanalyse, welche zum Abbruch der Rekrutierung f&uuml;hrte. Nach einem medianen Follow- up von 9,6 Monaten zeigten sich vergleichbare Ergebnisse: Nach alleiniger Chemotherapie betrug das PFS 3,5 Monate, w&auml;hrend es nach konsolidierender SBRT auf 9,7 Monate verl&auml;ngert werden konnte (p=0,01). Auffallend war in der &laquo;Patterns of failure&raquo;-Analyse, dass es bei keinem der Patienten im Interventionsarm zum lokalen Progress nach Konsolidierung kam. Das heisst: SBRT f&uuml;r Primarius und Metastasen erzielten im Beobachtungszeitraum eine Lokalkontrollrate von 100 % .<br /> Folgerichtig wird, obwohl die Studien von Gomez et al. und Iyengar et al. bisher noch nicht in die gegenw&auml;rtigen Leitlinien einbezogen worden sind, zumindest von den NCCN-Guidelines (v8.2017) ein radikal- lokaler Therapieansatz im Stadium der Oligometastasierung empfohlen.</p> <h2>Optimale Lokaltherapie der Oligometastasen</h2> <p>Mittels SBRT kann heute eine exzellente Lokalkontrolle erreicht werden, wobei nahezu alle anatomischen Regionen anvisiert werden. Die Wirksamkeit der Therapie ist hierbei unabh&auml;ngig von der Prim&auml;rtumorhistologie. Auch Metastasen von sogenannten radioresistenten Tumoren k&ouml;nnen durch die Applikation ausreichend hoher Dosen effektiv kontrolliert werden.<sup>11, 12</sup> Retrospektiv konnten keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Lokalkontrolle, des Progresses und des OS zwischen Resektion und SBRT von Oligometastasen beim NSCLC festgestellt werden.<sup>13</sup> Eine grosse Metaanalyse von 757 Patienten mit oligometastasiertem NSCLC ergab eine 5-Jahres-&Uuml;berlebensrate von 29 % , wobei der Zeitpunkt der Metastasierung (synchron vs. metachron) und der thorakale Lymphknotenstatus die wichtigsten Determinanten des OS waren.<sup>14</sup> 62 % der Metastasen waren reseziert worden. Vergleichbare Ergebnisse mit 5-Jahres-&Uuml;berlebensraten von 24&ndash; 38 % liefert eine aktuelle multizentrische Analyse von 907 Patienten (circa ein Drittel NSCLC), deren pulmonale Oligometastasen mittels SBRT behandelt worden sind.<sup>15</sup><br /> Bei formaler Gleichwertigkeit bietet die SBRT gegen&uuml;ber einer Resektion Vorteile, was sie in vielen, aber nicht allen Situationen zur optimalen Therapie von Oligometastasen macht. Die Behandlung erfolgt ambulant und nicht invasiv in 1&ndash;3 Sitzungen. W&auml;hrend der Behandlungsperiode k&ouml;nnen mehrere anatomische Regionen gleichzeitig behandelt werden. Bei Progression im Sinne neuer Metastasen kann die SBRT wiederholt eingesetzt werden. Nicht zu vernachl&auml;ssigen ist die Tatsache, dass SBRT meist nahtlos in die Systemtherapie integriert wird, ohne dass eine Therapiepause notwendig ist.<sup>16</sup> Dies ist vor allem f&uuml;r onkogenabh&auml;ngige NSCLC- Tumoren unter laufender Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) von entscheidender Bedeutung: Bereits ein kurzer Unterbruch der TKI von wenigen Tagen birgt ein hohes Risiko f&uuml;r ein Auflodern einer zuvor durch die TKI kontrollierten Erkrankung.<sup>17</sup> Allerdings gibt es anatomische Lokalisationen, die mittels SBRT schwerer zu erreichen sind und wo die Operation dann vorzuziehen ist. Ebenso muss nat&uuml;rlich eine Operation erfolgen, wenn eine erneute Tumorcharakterisierung erfolgen soll.</p> <h2>Patientenselektion und Optimierung der Therapie</h2> <p>Da die Definition der Oligometastasierung derzeit allein auf der numerischen Anzahl von Metastasen basiert, resultiert hieraus eine enorme Bedeutung der Genauigkeit des initialen Stagings. Dies spiegelt sich in den &Uuml;berlebensraten wider: Eine grosse multizentrische Studie konnte nachweisen, dass die 2-Jahres-OS-Rate von Patienten mit oligometastasiertem NSCLC nach PET-CT-Staging signifikant h&ouml;her (64,8 % ) ist als nach Staging ohne PET-CT (52,6 % ).<sup>18</sup><br /> Dar&uuml;ber hinaus wurde in verschiedenen Studien versucht klinische Prognosefaktoren zu etablieren. K&uuml;rzlich wurde ein Nomogramm etabliert, welches neben der Anzahl der Metastasen (1 vs. &gt;1) den Karnofsky-Index, die Histologie des Prim&auml;rtumors, die lokale Kontrolle des Primarius und den maximalen Durchmesser der gr&ouml;ssten behandelten Metastase einbezieht.<sup>15</sup> In zwei Kohorten konnte dieses Nomogramm validiert werden; es bietet daher die M&ouml;glichkeit, Therapieentscheidungen im Stadium der Oligometastasierung nicht einzig auf bildmorphologische Befunde zu st&uuml;tzen.<br /> Idealerweise k&ouml;nnen solche Entscheide zuk&uuml;nftig durch Biomarker untermauert werden, welche eine Unterscheidung zwischen wirklicher Oligometastasierung und versteckter Systemerkrankung erm&ouml;glichen. Unter anderem konnte f&uuml;r das NSCLC belegt werden, dass sogenannte MicroRNA die Metastasierungsschritte reguliert und eine bestimmte Genexpression als Pr&auml;diktor f&uuml;r Oligo- oder Polymetastasierung und konsekutiv f&uuml;r das &Uuml;berleben herangezogen werden kann.<sup>19, 20</sup> Eine Validierung dieser vielversprechenden Daten steht aber noch aus.<br /> Trotz der lokalen Behandlung der Oligometastasen besteht in der Folge ein hohes Risiko f&uuml;r einen systemischen Progress. Effektive multimodale Therapiekonzepte, die eine radikale Lokaltherapie inkludieren, sind daher dringend vonn&ouml;ten. Erste Studien evaluieren derzeit die Kombination von SBRT und Immuntherapie (NCT02086721) auf Basis der Annahme, dass es zu einem Synergismus der beiden Therapien kommt.<sup>21</sup></p> <div id="fazit"> <h2>FAZIT</h2> Die radikale Hochdosis-Radiotherapie und vor allem auch die SBRT erm&ouml;glichen ein Langzeit&uuml;berleben von Patienten mit oligometastasiertem NSCLC. Das g&uuml;nstige Toxizit&auml;tsprofil der SBRT bedingt, dass diese zuk&uuml;nftig fester Bestandteil multimodaler Therapiekonzepte werden wird. Hierbei bietet vor allem die Kombination mit Immuntherapie einen spannenden und vielversprechenden Ansatz.</div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Hellman S, Weichselbaum RR: Oligometastases. J Clin Oncol 1995; 13: 8-10 <strong>2</strong> Weichselbaum RR, Hellman S: Oligometastases revisited. Nat Rev Clin Oncol 2011; 8: 378- 382 <strong>3</strong> Novello S et al.: Metastatic non-small-cell lung cancer: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2016; 27: v1-v27 <strong>4</strong> Ettinger DS et al.: Non&ndash;Small Cell Lung Cancer, Version 5.2017, NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology. J Natl Compr Canc Netw 2017; 15: 504-535 <strong>5</strong> Nieder C et al.: Oligometastatic non-small cell lung cancer: a significant entity outside of specialized cancer centers? Med Princ Pract 2014; 23: 526-531 <strong>6</strong> Parikh RB et al.: Definitive primary therapy in patients presenting with oligometastatic non-small cell lung cancer. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2014; 89: 880-887 <strong>7</strong> Yano T et al.: Local treatment of oligometastatic recurrence in patients with resected nonsmall cell lung cancer. Lung Cancer 2013; 82: 431-435 <strong>8</strong> De Ruysscher D et al.: Radical treatment of non&ndash;smallcell lung cancer patients with synchronous oligometastases: long-term results of a prospective phase II trial (Nct01282450). J Thorac Oncol 2012; 7: 1547-1555 <strong>9</strong> Gomez DR et al.: Local consolidative therapy versus maintenance therapy or observation for patients with oligometastatic non-small-cell lung cancer without progression after first-line systemic therapy: a multicentre, randomised, controlled, phase 2 study. Lancet Oncol 2016; 17: 1672- 1682 <strong>10</strong> Iyengar P et al.: Consolidative radiotherapy for limited metastatic non&ndash;small-cell lung cancer: a phase 2 randomized clinical trial. JAMA Oncol 2017: e173501 <strong>11</strong> Guckenberger M et al.: Local tumor control probability modeling of primary and secondary lung tumors in stereotactic body radiotherapy. Radiother Oncol 2016; 118: 485- 491 <strong>12</strong> Klement RJ et al.: Stereotactic body radiotherapy for oligo-metastatic liver disease &ndash; Influence of pre-treatment chemotherapy and histology on local tumor control. Radiother Oncol 2017; 123: 227-233 <strong>13</strong> Widder J et al.: Pulmonary oligometastases: metastasectomy or stereotactic ablative radiotherapy? Radiother Oncol 2013; 107: 409- 413 <strong>14</strong> Ashworth AB et al.: An individual patient data metaanalysis of outcomes and prognostic factors after treatment of oligometastatic non&ndash;small-cell lung cancer. Clin Lung Cancer 2014; 15: 346-355 <strong>15</strong> Tanadini-Lang S et al.: Nomogram based overall survival prediction in stereotactic body radiotherapy for oligo-metastatic lung disease. Radiother Oncol 2017; 123: 182-188 <strong>16</strong> Kroeze SG et al.: Toxicity of concurrent stereotactic radiotherapy and targeted therapy or immunotherapy: a systematic review. Cancer Treat Rev 2017; 53: 25-37 <strong>17</strong> Chaft JE et al.: Disease flare after tyrosine kinase inhibitor discontinuation in patients with EGFR-mutant lung cancer and acquired resistance to erlotinib or gefitinib: implications for clinical trial design. Clin Cancer Res 2011; 17: 6298-6303 <strong>18</strong> Rieber J et al.: Influence of institutional experience and technological advances on outcome of stereotactic body radiation therapy for oligometastatic lung disease. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2017; 98: 511-520 <strong>19</strong> Lussier YA et al.: MicroRNA expression characterizes oligometastasis (es). PloS One 2011; 6: e28650 <strong>20</strong> Lussier YA et al.: Oligo- and polymetastatic progression in lung metastasis (es) patients is associated with specific microRNAs. PloS One 2012; 7: e50141 <strong>21</strong> Bernstein MB et al.: Immunotherapy and stereotactic ablative radiotherapy (ISABR): a curative approach? Nat Rev Clin Oncol 2016; 13: 516-524</p> </div> </p>
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