Die arthroskopische J-Span-Plastik bei vorderer Schulterinstabilität mit knöchernem Glenoiddefekt

<p class="article-intro">Die arthroskopische J-Span-Plastik ist, wie auch ihr offenes Pendant, eine österreichische Entwicklung, die eine minimal invasive Rekonstruktion des Glenoids bei Schulterinstabilität mit knöchernen Defekten erlaubt. Dabei durchläuft der eingebrachte Knochenspan einen physiologischen Umbauprozess, der zur Wiederherstellung einer natürlichen Skapulaanatomie führt. Die vorliegenden kurz- bis mittelfristigen Ergebnisse sind ausgesprochen vielversprechend, wobei Patienten ohne Einschränkung zu jeglichen beruflichen und sportlichen Aktivitäten zurückkehren konnten.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die arthroskopische J-Span-Plastik bietet eine minimal invasive, implantatfreie M&ouml;glichkeit zur Rekonstruktion kn&ouml;cherner Glenoiddefekte.</li> <li>Kurz- bis mittelfristig zeigen sich bisher exzellente klinische Ergebnisse.</li> <li>Postoperative kn&ouml;cherne Umbauvorg&auml;nge f&uuml;hren zur Wiederherstellung einer nat&uuml;rlichen Glenoidanatomie mit Normalisierung der glenohumeralen Kontaktfl&auml;chen und Druckbelastungen.</li> <li>Biomechanische Untersuchungen best&auml;tigten die hohe erreichbare glenohumerale Stabilit&auml;t sowie die Sicherheit der initialen J-Span-Fixation.</li> </ul> </div> <p>Die vordere Schulterinstabilit&auml;t ist &uuml;blicherweise assoziiert mit Verletzungen der anterioren kapsulolabralen Strukturen des Schultergelenks und kn&ouml;chernen Defekten unterschiedlichen Ausma&szlig;es. <br />Die Pr&auml;valenz klinisch signifikanter Glenoiddefekte wird in der Literatur mit 5 bis 67 % angegeben<sup>1&ndash;3</sup> und konnte als entscheidender Faktor f&uuml;r das Versagen von reinen Weichteil-Operationstechniken identifiziert werden.<sup>1, 4&ndash;7</sup> Zus&auml;tzlich zu diesen klinischen Beobachtungen konnten experimentelle Studien die biomechanische Wichtigkeit einer intakten anterioren Skapulaanatomie f&uuml;r stabile glenohumerale Verh&auml;ltnisse aufzeigen.<sup>8&ndash;11</sup> Seit der Erkenntnis um die Relevanz glenoidaler Knochendefekte f&uuml;r die Stabilit&auml;t des Schultergelenks wurden zahlreiche offene, minimal invasive und arthroskopische Operationstechniken entwickelt.<sup>12&ndash;17</sup><br />Obwohl nicht anatomische Operationsmethoden &ndash; allen voran der Korakoidtransfer nach Latarjet gefolgt von schraubenfixierten Knochenblockaugmentationen &ndash; weltweit breite Anwendung finden, sind diese Techniken mit speziellen und teils schwerwiegenden Komplikationen vergesellschaftet. So zeigen sich unter anderem regelm&auml;&szlig;ig Pseudoarthrosen, Osteolysen, Korakoidfrakturen, sekund&auml;re Gelenksdestruktionen durch freiliegende Schrauben und eine technisch aufwendige Revisionssituation.<sup>18, 19</sup> <br />Eine m&ouml;gliche Alternative zu diesen Operationstechniken stellt die anatomische, implantatfreie Glenoidrekonstruktion mittels J-f&ouml;rmigen Beckenkammspans dar. Diese wurde von Resch<sup>14</sup> entwickelt und ist in offener Weise seit beinahe drei Jahrzehnten erfolgreich in Verwendung. Eine Weiterentwicklung dieser Technik stellt die arthroskopische J-Span-Plastik nach Anderl<sup>12, 13</sup> dar, welche im bisherigen Untersuchungszeitraum ebenfalls exzellente klinische und radiologische Ergebnisse geliefert hat. Unabh&auml;ngig von der Wahl des Zugangs ist beiden Varianten gemeinsam, dass der implantierte Span einen physiologischen Remodelingprozess entsprechend dem Wolff&rsquo;schen Gesetz der Anpassung des Knochens an die Belastungen durchl&auml;uft.<sup>20&ndash;22</sup> Dieser Prozess resultiert in einer Wiederherstellung der anterioren Skapulahalsmorphologie.<sup>13</sup> <br />Trotz der Vermeidung von implantatspezifischen Komplikationen und vielversprechenden klinischen Resultaten hat die schraubenfreie Fixation auch spezielle Nachteile. Aufgrund der initial nicht rigiden Fixation wird die postoperative Stabilit&auml;t und demzufolge die fr&uuml;he Rehabilitation vorrangig von den zugrunde liegenden Knochenumbauvorg&auml;ngen vorgegeben. Bis vor Kurzem lagen keine Daten zur Stabilit&auml;t des implantatfrei fixierten Spans vor, weshalb die Rehabilitation in den ersten postoperativen Wochen durchwegs sehr vorsichtig gehandhabt wurde.</p> <h2>Arthroskopische Operationstechnik</h2> <p>Die Operation kann sowohl in Seitenlagerung als auch in Beach-Chair-Position unter Interskalenus-Blockade und Allge&shy;meinnarkose durchgef&uuml;hrt werden. Nach einer diagnostischen Arthroskopie zur Darstellung des Glenoiddefekts und eventueller Begleitpathologien wird ein bikortikaler Knochenblock aus dem Beckenkamm gewonnen. &Uuml;blicherweise bel&auml;uft sich die Gr&ouml;&szlig;e des Spans auf ca. 15 x 15 x 5mm, wobei in unseren H&auml;nden bei entsprechend gro&szlig;en kn&ouml;chernen Glenoiddefekten auch etwas gr&ouml;&szlig;ere Knochenbl&ouml;cke zum Einsatz kommen. Anschlie&szlig;end wird der entnommene Knochenblock mithilfe einer oszillierenden S&auml;ge und Feile in eine J-f&ouml;rmige Form gebracht. Dabei wird am langen J-Schenkel nur kortikaler Knochen belassen (Abb. 1). Abschlie&szlig;end wird der so zugerichtete Span &uuml;ber zwei 1,6mm-Bohrdr&auml;hte an einem speziellen Impaktor fixiert.<br />Zur weiteren arthroskopischen Pr&auml;paration werden neben dem dorsalen Standardportal ein anteroinferiores Portal direkt &uuml;ber der Subscapularissehne sowie ein anterosuperiores Portal direkt ventral der langen Bizepssehne angelegt. Zur besseren Visualisierung des anterioren Gle&shy;noidaspekts wird das Arthroskop in das anterosuperiore Portal umgesteckt. Vernarbtes Labrum und kapsuloligament&auml;re Strukturen sowie kn&ouml;cherne Restfragmente werden vom anterioren Glenoid entfernt. Anschlie&szlig;end wird die Vorderwand des defekten Glenoids mit der arthroskopischen Fr&auml;se angefrischt und gegl&auml;ttet, um eine ad&auml;quate Kontaktfl&auml;che f&uuml;r die J-Span-Anlagerung zu schaffen. Zur korrekten Implantation des Spans wird ein mediales, anteriores, tief inferiores Portal angelegt. F&uuml;r dieses wird nach Sondierung mit der Nadel ein Subscapularis-Split entlang der Sehnenfasern von intraartikul&auml;r her durchgef&uuml;hrt, w&auml;hrend von au&szlig;en das Portal auf 2cm L&auml;nge erweitert und stumpf lateral der Conjoint-Tendons auf das Gelenk zugegangen wird. Sobald dieses Portal etabliert ist, wird ein anteriorer Glenoidretraktor als sogenannte &bdquo;Wasserrutsche&ldquo; eingebracht, &uuml;ber die in weiterer Folge die Glenoidosteotomie mittels speziellen Mei&szlig;els erfolgt. Die Osteotomie wird in einem Winkel von 30&deg; zur Glenoidoberfl&auml;che, 5mm medial der vorderen Glenoidkante angelegt. Um die Gefahr von Span- oder Glenoidfrakturen zu minimieren, muss die Osteotomie entsprechend der L&auml;nge des langen J-Span-Schenkels und einer superior-inferior etwas &uuml;berdimensionierten Ausdehnung durchgef&uuml;hrt werden. Nach Vorbereitung dieser Nut wird der Impaktor samt Span &uuml;ber die &bdquo;Wasserrutsche&ldquo; eingebracht und unter vorsichtigem Einh&auml;mmern im Osteotomiespalt versenkt, bis ein fester Kontakt zwischen dem kurzen Spanschenkel und der vorderen Glenoidwand besteht. Mithilfe der Fr&auml;se wird der Span nun noch modelliert, um die native Glenoidkonkavit&auml;t bestm&ouml;glich wiederherzustellen (Abb. 2). Falls vorhanden bzw. von suffizienter Qualit&auml;t werden die anterioren Weichteile noch &uuml;ber den Span refixiert, sodass dieser quasi extraartikul&auml;r liegt.<br />Postoperativ wird die Schulter nach Bedarf in einer Adduktionsbandage f&uuml;r 3 Wochen gelagert, wobei skapulothorakale &Uuml;bungen in der geschlossenen Kette von Beginn an erlaubt sind. Ab der 4. Woche kann mit passiven, assistiven und aktiven &Uuml;bungen begonnen werden, wobei die Au&szlig;enrotation f&uuml;r 6 Wochen vermieden werden sollte. Die R&uuml;ckkehr zu den meisten beruflichen Belastungen ist sp&auml;testens nach 3 Monaten uneingeschr&auml;nkt m&ouml;glich. Kontakt-, &Uuml;berkopf- oder Wurfsportarten k&ouml;nnen nach 6 Monaten wieder begonnen werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1706_Weblinks_s41_1.jpg" alt="" width="1417" height="1226" /></p> <h2>Datenlage</h2> <p>Die J-Span-Plastik kommt in offener Form seit beinahe drei Jahrzehnten sehr erfolgreich zur Anwendung. Mittlerweile sind Studien mit klinischen und radiologischen 10-Jahres-Ergebnissen verf&uuml;gbar, die diese exzellenten Erfahrungen wissenschaftlich best&auml;tigen.<sup>14, 23</sup> Unsere eigenen bereits publizierten Untersuchungen zur arthroskopischen J-Span-Plastik zeigten im 2-Jahres-Follow-up ebenfalls ausgezeichnete Ergebnisse (Abb. 3). Alle inkludierten Patienten konnten ohne wiederauftretende Schulterinstabilit&auml;t zu ihren beruflichen und sportlichen Aktivit&auml;ten zur&uuml;ckkehren. Auch Patienten, die f&uuml;r das Schultergelenk h&ouml;chst anspruchsvolle Sportarten, u.a. Vollkontakt-Kampfsport, Volleyball und Kite-Surfen, aus&uuml;bten, waren in der Lage, zu ihrem urspr&uuml;nglichen Sportlevel zur&uuml;ckzukehren.<sup>13</sup> Auch in der gerade laufenden 5-Jahres-Nachuntersuchung sind die Patienten bisher mit der Operation noch &auml;u&szlig;erst zufrieden und &uuml;ben weiterhin uneingeschr&auml;nkt s&auml;mtliche beruflichen und sportlichen Aktivit&auml;ten ohne rezidivierende Instabilit&auml;t aus. <br />Neben den vorhandenen klinischen Daten lieferte eine aktuelle experimentelle Untersuchung erstmals biomechanische Daten zur J-Span-Plastik.<sup>24</sup> Dabei konnte im Labor gezeigt werden, dass mittels J-Span-Plastik ein anteriorer Glenoiddefekt von 30 % anatomisch rekonstruiert werden kann. Durch diese anatomisch korrekte Wiederherstellung der glenoidalen Gelenksfl&auml;che kam es zu einer Normalisierung der glenohumeralen Kontaktfl&auml;che und der Druckbelastungen, was hinsichtlich der Reduktion des Fortschreitens einer sogenannten Instabilit&auml;tsarthropathie (eine fortschreitende Abnutzung des Gelenks, ausgel&ouml;st durch das initiale Dislokationsereignis und resultierende Mikroinstabilit&auml;t, das wahrscheinlich auch durch Stabilisationsoperationen nur verlangsamt, aber nicht verhindert werden kann) von Bedeutung sein k&ouml;nnte. Hinsichtlich der erzielbaren glenohumeralen Stabilit&auml;t konnte das Niveau eines intakten Glenoids wiederhergestellt bzw. deutlich &uuml;berschritten werden,<sup>24</sup> wobei sich die J-Span-Plastik nahtlos in die Reihe anderer bekannter Stabilisierungsoperationen einreihen konnte, &uuml;ber die solche Daten bereits seit L&auml;ngerem zur Verf&uuml;gung stehen. Die endg&uuml;ltige glenohumerale Stabilit&auml;t und Fixation des J-Spans wird erst durch den physiologischen Remodelingprozess erreicht, weshalb die Frage nach der initialen Sicherheit einer implantatfreien Spanfixierung lange Zeit ungekl&auml;rt war. Hierzu zeigte sich in der biomechanischen Untersuchung, dass der Span bereits direkt nach Pressfit-Impaktion sicher fixiert ist und unter den getesteten Belastungen die Gefahr einer Protrusion des Spans aus dem Osteotomiespalt oder eines Spanbruchs &auml;u&szlig;ert gering erscheint.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1706_Weblinks_s41_2.jpg" alt="" width="2149" height="580" /></p> <h2>Schlussfolgerung</h2> <p>Die arthroskopische J-Span-Plastik erlaubt eine minimal invasive Rekonstruktion anteriorer Glenoiddefekte, wobei sich exzellente klinische und radiologische Ergebnisse im mittelfristigen Outcome zeigen. Dabei kommt es nach J-Span-Plastik durch einen physiologischen Remodelingprozess zu einer Wiederherstellung einer nativen Glenoidanatomie. Biomechanische Untersuchungen konnten eine direkt postoperativ sichere J-Span-Fixation, eine Normalisierung der glenohumeralen Kontaktfl&auml;che und der Druckbelastungen sowie eine exzellente glenohumerale Stabilit&auml;t nachweisen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Burkhart SS, De Beer JF: Arthroscopy 2000; 16(7): 677-94 <strong>2</strong> Kim DS et al.: Am J Sports Med 2010; 38(10): 2071-6 <strong>3</strong> Rowe CR, Sakellarides HT: Clin Orthop 1961; 20: 40-8 <strong>4</strong> Bigliani LU et al.: Am J Sports Med 1998; 26(1): 41-5 <strong>5</strong> Porcellini G et al.: J Bone Joint Surg Am 2009; 91(11): 2537-42 <strong>6</strong> Shin SJ et al.: Am J Sports Med 2016; 44(11): 2784-91 <strong>7</strong> Tauber M et al.: J Shoulder Elbow Surg 2004; 13(3): 279-85 <strong>8</strong> Itoi E et al.: J Bone Joint Surg Am 2000; 82(1): 35-46 <strong>9</strong> Montgomery WH et al.: J Bone Joint Surg Am 2005; 87(9): 1972-7 <strong>10</strong> Yamamoto N et al.: Am J Sports Med 2009; 37(5): 949-54 <strong>11</strong> Yamamoto N et al.: J Bone Joint Surg Am 2010; 92(11): 2059-66 <strong>12</strong> Anderl W et al.: Arthroscopy 2012; 28(1): 131-7 <strong>13</strong> Anderl W et al.: Am J Sports Med 2016; 44(5): 1137-45 <strong>14</strong> Auffarth A et al.: Am J Sports Med 2008; 36(4): 638-47 <strong>15</strong> Boileau P et al.: Arthroscopy 2010; 26(11): 1434-50 <strong>16</strong> Lafosse L, Boyle S: Arthroscopic Latarjet procedure. J Shoulder Elbow Surg 2010; 19(2 Suppl): 2-12 <strong>17</strong> Warner JJP et al.: Am J Sports Med 2006; 34(2): 205-12 <strong>18</strong> Di Giacomo G et al.: J Shoulder Elbow Surg 2011; 20(6): 989-95 <strong>19</strong> Griesser MJ et al.: J Shoulder Elbow Surg 2013; 22(2): 286-92 <strong>20</strong> Frost HM: Angle Orthod 2004; 74(1): 3-15 <strong>21</strong> Moroder P et al.: J Shoulder Elbow Surg 2014; 23(3): 420-6 <strong>22</strong> Moroder P et al.: J Shoulder Elbow Surg 2013; 22(11): 1522-29 <strong>23</strong> Deml C et al.: Am J Sports Med 2016; 44(11): 2778-83 <strong>24</strong> Pauzenberger L et al.: Am J Sports Med 2017; 45(12): 2849-57</p> </div> </p>
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