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Moderne Aspekte der Rotatorenmanschettenrekonstruktion

<p class="article-intro">Die Rekonstruktion der Rotatorenmanschetten gehört heutzutage zu den häufigsten durchgeführten Operationen in der Schulterchirurgie. Aufgrund der technischen Weiterentwicklung in der arthroskopischen Chirurgie ist es heute möglich, auch komplexe Rupturen anatomisch zu refixieren. Die arthroskopischen Vorteile liegen hierbei eindeutig in der Schonung des Deltamuskels, der geringeren Beeinträchtigung der Propriozeption, der besseren Beurteilung der Risskonfiguration und der Versorgung von Begleitpathologien sowie im geringeren Risiko für Infektion und Schultersteife. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>Das Ziel jeder Rotatorenmanschettenrefixation ist das Erreichen einer spannungsfreien Reposition, einer anatomischen Reinsertion und einer stabilen Fixation bis zur Sehneneinheilung. Der Erfolg der Rotatorenmanschettenrekonstruktion h&auml;ngt von verschiedenen Faktoren ab, wobei der Chirurg &uuml;ber die angewandte Technik, Kenntnisse der Anatomie, Fadenanker, Fadenmaterial, Sicherheit der gekn&uuml;pften Knoten, Nahtkonfiguration usw. das Resultat beeinflussen kann, aber andererseits biologische Faktoren, wie Knochenqualit&auml;t, Muskelqualit&auml;t und fettige Infiltration, Sehnenqualit&auml;t, Retraktion der Sehne und Rissgr&ouml;&szlig;e, hinnehmen muss.</p> <h2>Anatomie der Rotatorenmanschettenruptur</h2> <p>Die anatomische Rekonstruktion des Footprints der Rotatorenmanschette ist das prim&auml;re Ziel einer erfolgreichen Rotatorenmanschettenrekonstruktion. Nach neuesten Erkenntnissen ist zu beachten, dass der Supraspinatus-Footprint weit kleiner ist als fr&uuml;her berichtet und der gr&ouml;&szlig;te Teil des Footprints am Tuberculum majus von der Infraspinatussehne &uuml;berzogen wird, die von dorsal kommend &uuml;ber den Footprint in die Supraspinatussehne hineinstrahlt und sich am Ansatz mit der Supraspinatussehne verflicht (Abb. 1).<sup>1</sup><br />Des Weiteren ist bei der Rekonstruktion der Rotatorenmanschette darauf zu achten, dass diese aus mehreren Schichten besteht, wovon zwei makroskopisch eindeutig zu identifizieren sind: eine tiefe, meist weiter retrahierte Schicht und eine oberfl&auml;chliche, weniger retrahierte, jedoch rigidere Schicht. Klinisch treten diese Delaminationen bei posterosuperioren Rupturen in 84 % auf, wobei von Han et al. gezeigt werden konnte, dass nur von einem lateralen Kameraportal 100 % dieser Delaminationen festgestellt werden k&ouml;nnen.<sup>2</sup> Histologisch l&auml;sst sich feststellen, dass es sich bei der oberfl&auml;chlichen Schicht um den eigentlichen sehnigen Anteil der Rotatorenmanschette handelt und die tiefere Schicht die superiore Gelenkskapsel darstellt.<sup>3</sup> Ishihara konnte zeigen, dass eine Rotatorenmanschettenruptur zu einer signifikant erh&ouml;hten superioren Translation des Glenohumeralgelenkes f&uuml;hrt und diese durch eine alleinige Sehnenrekonstruktion nicht normalisiert wird.<sup>4</sup> Erst durch die Rekonstruktion der superioren Kapsel stellen sich wieder normale Gelenkverh&auml;ltnisse ein.<br />In einer von uns durchgef&uuml;hrten randomisierten Vergleichsstudie zwischen Einschicht- und Doppelschichtrekonstruktion konnten wir zeigen, dass die Rekonstruktion beider Schichten die Rotatorenmanschettenheilung deutlich verbessert und es bei alleiniger Sehnenrefixation ohne Einbeziehung der superioren Kapsel zu deutlich mehr Rerupturen kommt (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1706_Weblinks_s30_1.jpg" alt="" width="1416" height="1017" /><br />Das Erkennen der Rupturkonfiguration ist entscheidend f&uuml;r eine erfolgreiche Rekonstruktion. Oftmals ist dazu vorher die ausgedehnte Anwendung von Sehnenrelease-Techniken notwendig, um die volle Mobilit&auml;t zu erm&ouml;glichen. Dabei wird vor allem das coracohumerale Ligament medial von der Basis des Coracoids abgesetzt und die Rotatorenmanschette juxtaglenoidal mobilisiert. Die Verbindung zwischen Subscapularis und Supraspinatus sollte erhalten bleiben, da hier Sehnenfasern kreuzen und der ventrale Ansatz des Rotatorcables sich bis zum Subscapularis&shy;oberrand erstreckt. <br />In der Sehnenreposition k&ouml;nnen generell 4 Rupturtypen unterschieden werden.<sup>5</sup> Die einfachste Form sind halbmondf&ouml;rmige Rupturen, welche sich meist problemlos spannungsfrei reponieren lassen. Die h&auml;ufigste Rupturform sind L- oder verkehrt L-f&ouml;rmige Risse. Hier muss man sich nach dem Sehnenrelease von der intrinsischen Sehnenmobilit&auml;t leiten lassen, da ansonsten eine anatomische Reposition nicht erzielt werden kann. U-f&ouml;rmige Risse kommen h&auml;ufig bei Massenrupturen vor und sind meist chronisch retrahierte Sehnenrisse, die eine vollst&auml;ndige anatomische Rekonstruktion nicht zulassen.<br />Oftmals kann man das Ph&auml;nomen bemerken, dass bei der Sehnenreposition mehr Sehnengewebe vorkommt, als Footprintausdehnung zu Verf&uuml;gung steht, und es bei der Rekonstruktion zu den sogenannten Hundeohren kommt. Es handelt sich hier aufgrund der Chronifizierung um tendin&ouml;ses Sehnengewebe, welches vermutlich durch den andauernden Zug in der Ruptur entsteht. Um die Hundeohrentstehung zu vermeiden und gesundes Sehnengewebe zu erhalten, wird dieses Gewebe meist in Form eines partiellen Intervallslides ausgeschnitten und so eine anatomische Rekonstruktion erm&ouml;glicht.</p> <h2>Techniken zur Refixation der Rotatorenmanschette</h2> <p>Die Wahl der Refixationstechnik ist entscheidend f&uuml;r das klinische Ergebnis. In einer Langzeituntersuchung unserer einreihigen Rotatorenmanschettenrefixationen konnten wir zeigen, dass es &uuml;ber 10 Jahre zu einer Rerupturrate von 50 % kommt, aber intakte Rotatorenmanschettenrekonstruktionen ein deutlich besseres klinisches Ergebnis zeigen.<sup>6</sup> Aus biomechanischen Studien wei&szlig; man, dass die bestm&ouml;gliche Rekonstruktion des Footprints mit transoss&auml;ren Einzeln&auml;hten zustande kommt<sup>7</sup> und eine Single-Row-Naht den Footprint nur insuffizient rekonstruiert. <br />Obwohl heutzutage &ndash; vor allem aus Kostengr&uuml;nden &ndash; wieder immer mehr transoss&auml;re Nahtger&auml;te in der arthroskopischen Chirurgie aufkommen, hat sich in Studien gezeigt, dass die gr&ouml;&szlig;te Stabilit&auml;t des Sehnen-Naht-Konstruktes durch doppelgeladene Fadenanker gegeben ist, wohingegen transoss&auml;re N&auml;hte gerade in chronischen Ruptursituationen durch den Knochen schneiden k&ouml;nnen.<sup>8</sup><br />Fadenanker zeichnen sich vor allem durch die Breite und Durchg&auml;ngigkeit der Gewindeg&auml;nge aus, was f&uuml;r die Ankerstabilit&auml;t entscheidend ist; der limitierende Faktor wird so auf das Anker-Eyelet und das Weichteilgewebe &uuml;bertragen. Das verwendete Ankermaterial (Metall, Peek oder bioresorbierbare Anker) ist weniger entscheidend f&uuml;r die Stabilit&auml;t, lediglich von den fr&uuml;her verwendeten PLDLA-Ankern ist bekannt, dass diese zu Knochenosteolysen f&uuml;hren k&ouml;nnen. Mit den neuen PLLA-Ankern (Biocomposit) konnte dieses Problem umgangen werden. Die Schw&auml;che des Fadenmaterials ist mit neuartigem Material aus st&auml;rker vernetzten Werkstoffen behoben und stellt keine Schwachstelle in der Sehnennahtkonstruktion mehr dar. Im Gegenteil: In biochemischen Kadaveruntersuchungen, bei denen wir die sogenannten transoss&auml;ren &Auml;quivalenztechniken verglichen, konnten wir zeigen, dass die Sehnennahtrekonstruktion bei Versagen meist das Sehnengewebe durchschneidet.<sup>9</sup><br />Um eine erfolgreiche Sehnen-Knochen-Heilung zu erm&ouml;glichen, ist nicht nur eine komplette Abdeckung des Footprints entscheidend: Es hat sich gezeigt, dass auch die Druckverteilung der Sehne am Knochen wichtig f&uuml;r eine Einheilung ist. Im Gegensatz zu einer herk&ouml;mmlichen Double-Row-Naht mit Vierpunktfixationen zeigt eine transoss&auml;re &Auml;quivalenznaht (Suture-Bridge-Rekonstruktion) die optimale Druckverteilung am Footprint.<sup>10, 11</sup> Eine von uns neu entwickelte knotenlose Nahttechnik, bei der die tiefe Schicht eigens mit einem sogenannten Cinch- oder Prusikknoten am medialen Anker befestigt wird und das Fadenende dann durch die oberfl&auml;chliche Schicht gef&uuml;hrt und lateral abgespannt wird, hat im biomechanischen Versuch durch den durch diese Konfiguration hervorgerufenen M&auml;dchenf&auml;ngereffekt eine noch bessere Footprintabdeckung und einen h&ouml;heren Anpressdruck am Knochen gezeigt (Abb. 3).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1706_Weblinks_s30_2.jpg" alt="" width="2115" height="744" /><br />Generell ist die Wahl von mehrfach geladenen Ankersystemen zu bevorzugen, da in der Literatur eindeutig gezeigt werden konnte, dass die Stabilit&auml;t einer Sehnen-Knochen-Nahtkonstruktion nicht von der Anzahl der Anker abh&auml;ngt, sondern vor allem von der Anzahl der verwendeten F&auml;den.<sup>12</sup> Zur Frage, wo die N&auml;hte in der Sehne zu setzen sind, haben Wieser et al. nachgewiesen, dass die gr&ouml;&szlig;te Nahtstabilit&auml;t direkt medial vom Rotatorcable gegeben ist.<sup>13</sup> Hierbei handelt es sich eben um genau die zuvor beschriebene tiefe Schicht der Rotatorenmanschette oder eben superiore Gelenkkapsel.<br />Zahlreiche biomechanische Studien, unter anderem auch unsere Arbeitsgruppe,<sup>9</sup> haben nachgewiesen, dass unter den zahlreichen m&ouml;glichen Nahttechniken die Suture-Bridge-Technik die widerstandsf&auml;higste und stabilste ist und somit die sicherste Nahtkonfiguration darstellt. Andererseits gilt es zu bedenken, dass durch das Anlegen einer Suture-Bridge die Sehnendurchblutung um 50 % reduziert wird,<sup>14</sup> was m&ouml;glicherweise auch die Einheilungschancen der Sehne am Knochen verschlechtert. Deshalb und aus technischen Gr&uuml;nden wurden sogenannte knotenlose Bridgingtechniken entwickelt. Obwohl diese sich unter hohen Zuglasten als &auml;u&szlig;erst instabil erweisen, hat sich in klinischen Studien eine deutlich geringere Rerupturrate der Rotatorenmanschettenrekonstruktion gezeigt. M&ouml;glicherweise sind biologische Faktoren, wie Sehnendurchblutung und Sehnenqualit&auml;t, f&uuml;r ein erfolgreiches Einheilen der Sehne am Knochen doch mehr ausschlaggebend als biomechanische Aspekte bzw. muss es letztendlich Ziel sein, ein Gleichgewicht zwischen der Erhaltung der Biologie und einem ausreichend stabilen Nahtkonstrukt zu finden. Dass eingeheilte Sehnen im Langzeit-Outcome ein signifikant besseres Ergebnis zeigen als rupturierte Sehnen, wird durch zahlreiche Studien belegt<sup>6, 15</sup> und ist mittlerweile unbestritten. Das langfristige Ziel einer Rotatorenmanschettenrekonstruktion muss daher das Erzielen einer eingeheilten anatomischen Rotatorenmanschettenrekonstruktion sein.<br />Ein Problem ergibt sich meist bei lange bestehenden chronifizierten Sehnenrissen. Dabei wurde gezeigt, dass, je l&auml;nger ein Riss besteht, dieser sich auch weiter retrahiert, aber auch der Sehnenstumpf schrumpft (Tab. 1).<sup>16</sup> Somit handelt es sich in der chronischen Ruptursituation oftmals um nicht wieder vollst&auml;ndig zu rekonstruierende Sehnensubstanzdefekte. Die Entscheidung f&uuml;r eine fr&uuml;hzeitige operative Rekonstruktion bei Rotatorenmanschettenruptur erscheint unter diesem Gesichtspunkt gerechtfertigt.<br />Die F&ouml;rderung der Sehneneinheilung, vor allem in chronischen Situationen, wie bei Rotatorenmanschettenrupturen oft der Fall, ist ausschlaggebend f&uuml;r ein gutes Ergebnis. Das gro&szlig;e Dilemma ist, dass eine Sehnen-Knochen-Rekonstruktion immer in Narbengewebeformation verheilt und die physiologische Sehnen-Knochen-Enthese nicht wiederhergestellt wird. Durch die Zugabe von Stammzellen und Wachstumsfaktoren wird die Hoffnung gehegt, die Entstehung einer physiologischeren Sehnenenthese zu f&ouml;rdern und so die Einheilung zu verbessern. In der Tat konnte nachgewiesen werden, dass durch ein sogenanntes Nanodrilling oder &bdquo;multiple channeling&ldquo; die Rerupturrate deutlich gesenkt werden konnte.<sup>17</sup> Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um die schon lange bekannte Crimson-Duvet-Technik, wobei der Rotatorenmanschettenansatz am Tuberculum majus angebohrt wird. Hierzu ist es wichtig zu beachten, die Bohrungen ausreichend tief (mindestens 1cm) durchzuf&uuml;hren, um durch den subchondralen Knochen zu den weiter darunterliegenden Stammzellen zu gelangen (Nanofracturing). Dieses Vorgehen sollte bei jeder Rotatorenmanschettenrekonstruktion erfolgen.<br />Obwohl die biomechanische Komponente der Rotatorenmanschettennaht nach heutigem Stand schon sehr weit fortgeschritten ist, kommt der Beachtung anatomischer Rupturgegebenheiten immer mehr Bedeutung zu, um auch komplexe Rupturformen mit kulissenartig verschobenen Sehnenschichten erfolgreich anatomisch rekonstruieren zu k&ouml;nnen. Ausreichend Zeit f&uuml;r Sehnenrelease und das Erkennen der Rupturform sind der Schl&uuml;ssel f&uuml;r eine erfolgreiche Rekonstruktion. Die F&ouml;rderung des regenerativen Potenzials der Sehneneinheilung durch Ausschaltung der bekannten Narbenheilung ist die gro&szlig;e Herausforderung f&uuml;r die Zukunft.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Mochizuki T et al.: J Bone Joint Surg Am 2008; 90(5): 962-9 <strong>2</strong> Han Y et al.: Arthroscopy 2013; 29(11): 1740-7 <strong>3</strong> Nimura A et al.: J Shoulder Elbow Surg 2012; 21(7): 867-72 <strong>4</strong> Ishihara Y et al.: J Shoulder Elbow Surg 2014; 23(5): 642-8 <strong>5</strong> Curtis AS et al.: Arthroscopy 2006; 22(6): 609.e601 <strong>6</strong> Heuberer PR et al.: Am J Sports Med 2017; 45(6): 1283-8 <strong>7 </strong>Apreleva M et al.: Arthroscopy 2002; 18(5): 519-26 <strong>8</strong> Chhabra A et al.: Arthroscopy 2005; 21(3): 323-7 <strong>9</strong> Anderl W et al.: Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2012; 20(12): 2559-66 <strong>10</strong> Park MC et al.: J Shoulder Elbow Surg 2007; 16(4): 461-8 <strong>11</strong> Park MC et al.: J Shoulder Elbow Surg 2007; 16(4): 469-76 <strong>12</strong> Jost PW et al.: J Bone Joint Surg Am 2012; 94(14): e100 <strong>13</strong> Wieser K et al.: Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2013; 21(7): 1587-92 <strong>14</strong> Christoforetti J et al.: J Shoulder Elbow Surg 2012; 21(4): 523-30 <strong>15</strong> Kluger R et al.: Am J Sports Med 2011; 39(10): 2071-81 <strong>16</strong> Meyer DC et al.: Am J Sports Med 2012; 40(10): 2242-47 <strong>17</strong> Jo CH et al.: Am J Sports Med 2013; 41(11): 2650-57</p> </div> </p>
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