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36 Annual Meeting EBJIS

Endoprotheseninfektionen erkennen und adäquat behandeln

<p class="article-intro">Diagnostik und Therapie von Infektionen gehörten auch in diesem Jahr zu den zentralen Themen des Kongresses der European Bone and Joint Infection Society (EBJIS). Gerade vor dem Hintergrund des stetig zunehmenden Alters der Patienten stellen vor allem prothetische Gelenkinfektionen, aber auch diabetische Fußosteomyelitiden eine große Herausforderung dar. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>Prothetische Gelenkinfektionen treten mit einer Inzidenz von nur 1&ndash;2 % auf, gehen aber vor allem bei &auml;lteren Patienten mit hoher Morbidit&auml;t und auch einer gewissen Mortalit&auml;t einher, wie Prof. Dr. Olivier Borens, Lausanne, ausf&uuml;hrte. An der Universit&auml;tsklinik Lausanne wurden retrospektiv alle 444 F&auml;lle von Protheseninfektion (61 % H&uuml;ftgelenksersatz und 37 % Kniegelenksersatz) zwischen 2006 und 2016 analysiert. Die Zweijahresmortalit&auml;t in diesem Kollektiv betrug 5 % , unabh&auml;ngig vom behandelten Gelenk. M&auml;nner starben h&auml;ufiger als Frauen an Protheseninfektionen (6 % versus 4 % ). Von den Patienten &uuml;ber 80 Jahre starben immerhin 12 % an einer solchen Infektion.<sup>1</sup></p> <h2>Bei schmerzhafter Prothese immer an Infektion denken</h2> <p>Es ist klinisch nicht immer leicht zu entscheiden, ob sich im Bereich einer Arthroplastie eine Infektion abspielt. Manche Patienten kommen z.B. nach einem H&uuml;ftgelenksersatz nur mit H&uuml;ftschmerzen, so Borens. Auch wenn der Entz&uuml;ndungsparameter CRP nicht erh&ouml;ht ist, kann eine Infektion bestehen. Das R&ouml;ntgenbild gibt Auskunft dar&uuml;ber, ob sich vielleicht das Implantat gelockert hat. Eine fr&uuml;he Schaftlockerung in den ersten 24 Monaten nach einer H&uuml;ftarthroplastie ist einer Studie zufolge in etwa 70 % der F&auml;lle auf eine Implantatinfektion zur&uuml;ckzuf&uuml;hren. Die Wahrscheinlichkeit f&uuml;r ein aseptisches Versagen liegt unter 20 % .<sup>2</sup><br />Eine Bildgebung wie CT oder Szintigrafie wird in dieser Situation nicht weiterhelfen, betonte Borens. Vielmehr m&uuml;sse man das Gelenk punktieren, um Gelenkfl&uuml;ssigkeit f&uuml;r die mikroskopische Untersuchung und Kultur zu gewinnen. Hochverd&auml;chtig f&uuml;r eine periprothetische Infektion sind eine Leukozytenzahl &gt;2000/&micro;l oder ein Anteil von Granulozyten &gt;70 % im Gelenkpunktat sowie positive Kulturen. Ist dies der Fall, muss sofort eine Revision vorgenommen werden. <br />Bringt die Punktatuntersuchung keine Klarheit, sollte sie nach drei Monaten wiederholt werden. F&auml;llt sie dann wiederum negativ aus, ist eine Infektion extrem unwahrscheinlich und man kann von einer aseptischen Lockerung ausgehen. In jedem Fall m&uuml;ssen sowohl das ausgebaute Implantat als auch periprothetisches Gewebe nochmals auf Keime untersucht werden. Denn ein positives Ergebnis w&uuml;rde eine antibiotische Therapie erfordern. <br />Eine Untersuchung der Charit&eacute; Berlin von Patienten mit einer Revision wegen vermuteter aseptischer Lockerung fand, dass die Sonikation der Explantate bei der Isolierung von Bakterien erfolgreicher ist als die standardm&auml;&szlig;ige mikrobiologische Untersuchung von periprothetischem Gewebe. Bei einem Viertel der 265 Patienten, die sich zwischen Oktober 2010 und Juni 2016 einer Revision unterzogen, brachte die Sonikation ein positives Ergebnis, obwohl die Kultur periprothetischen Gewebes negativ war.<sup>3</sup></p> <h2>Substanzen mit Aktivit&auml;t gegen MRSA</h2> <p>Dr. Eric Bonnet, Toulouse, ging auf die empirische antibiotische Therapie von prothetischen Gelenkinfektionen ein. Verzichtbar sei diese nur, wenn eine Revision sicher wegen eines aseptischen Problems erforderlich wird. In jedem anderen Fall, auch wenn der Infektionsverdacht gering ist, sollte eine empirische Antibiose mit Substanzen, die aktiv gegen Methicillin-resistente Staphylokokken (MRSA) sind, erfolgen. <br />Fr&uuml;he Protheseninfektionen werden &uuml;berwiegend durch S. epidermidis und S. aureus ausgel&ouml;st. Bei chronischen Infektionen kommen Koagulase-negative Staphylokokken und P. acnes hinzu. F&uuml;r eine empirische antibiotische Therapie gelten Glykopeptide als Mittel der ersten Wahl, da sie gegen die meisten Staphylokokken einschlie&szlig;lich MRSA und auch gegen P. acnes aktiv sind. Die Wirksamkeit von Vancomycin gegen S. epidermidis und andere Koagulase-negative St&auml;mme &uuml;bertrifft die von Teicoplanin. Daptomycin weist ein &auml;hnliches Aktivit&auml;tsspektrum auf wie Glykopeptide, kann aber auch gegen Glykopeptid-resistente Staphylokokken aktiv sein. Sowohl Glykopeptide als auch Daptomycin erzielen in Kombination mit Cefotaxim, Ceftriaxon, Cefepim oder Piperacillin-Tazobactam synergistische Effekte. <br />Als Alternativen gelten Linezolid oder Dalbavancin, die in ihrem Spektrum ebenfalls den Glykopeptiden &auml;hneln. Auch neue Cephalosporine wie Ceftarolin oder Ceftobiprol kommen als Alternativen in Betracht. Beide sind hochaktiv gegen MRSA. Ihr Spektrum schlie&szlig;t auch gramnegative Erreger und P. acnes ein.</p> <h2>Bei &auml;lteren Patienten lieber konservativ?</h2> <p>Zu den Risikofaktoren f&uuml;r das Auftreten von prothetischen Gelenkinfektionen z&auml;hlt das h&ouml;here Lebensalter. Nach einer aktuellen Studie ist das Risiko f&uuml;r solche Komplikationen bei Menschen zwischen 65 und 75 Jahren im Vergleich zu 45- bis 65-J&auml;hrigen um mehr als das Dreifache erh&ouml;ht.<sup>4</sup> Welche Implikationen hat das Alter f&uuml;r die Therapie dieser Infektionen? <br />Menschen &uuml;ber 75 Jahre erhalten im klinischen Alltag h&auml;ufiger eine prolongierte Antibiotikatherapie, wie Dr. Carlo L. Roman&ograve;, Mailand, ausf&uuml;hrte. Eine Untersuchung zeigte, dass dies in fast 40 % der F&auml;lle an Kontraindikationen entweder gegen eine Operation oder gegen eine Narkose liegt, in mehr als 30 % daran, dass Patienten oder Angeh&ouml;rige eine Operation ablehnen, und in fast 20 % daran, dass die Nutzen-Risiko-Relation als ung&uuml;nstig bewertet wird. In etwa 10 % der F&auml;lle sind vorausgegangene fehlgeschlagene operative Eingriffe der Grund.<sup>5</sup><br />Doch die Ergebnisse einer konservativen Strategie sind nicht gut. Eine aktuelle Studie aus Oslo mit 519 Patienten im medianen Alter von 81 Jahren mit H&uuml;ftgelenksersatz fand bei 37 (6 % ) der Patienten fr&uuml;he prothetische Gelenkinfektionen, d.h. vor Ablauf von 4 Wochen. Bei 35 Patienten wurde ein Debridement vorgenommen und eine Antibiotikatherapie eingeleitet. Von diesen Patienten wurden nur 15 infektionsfrei mit intakter Arthroplastie. Zwischen der Einjahresmortalit&auml;t (15 von 37) und dem Therapieversagen bestand eine signifikante Assoziation.<sup>6</sup><br />Die Entfernung des Implantats bleibt bei einer prothetischen Gelenkinfektion die Basis f&uuml;r langfristig gute Ergebnisse, betonte Roman&ograve;. Konservative Optionen wie eine prolongierte Antibiotikatherapie und lokale Ma&szlig;nahmen wie Debridement erweisen sich meist als nur kurzfristig erfolgreich. Dies liegt an der Biofilmnatur der Infektion. Das Alter per se sollte deshalb nicht als Kontraindikation gegen die Chirurgie gelten. Vielmehr muss die Entscheidung f&uuml;r die Therapiestrategie unter Ber&uuml;cksichtigung der klinischen Situation, von Komorbidit&auml;ten, technischen und &ouml;konomischen M&ouml;glichkeiten und der Erfahrung des Therapieteams getroffen werden.</p> <h2>Diabetische Fu&szlig;osteomyelitis bedeutet nicht unbedingt Amputation</h2> <p>Auf ein anderes Infektionsproblem ging Prof. Dr. Eric Senneville, Lille, ein: die diabetische Fu&szlig;osteomyelitis. Eine Knochenbeteiligung bei chronischen diabetischen Fu&szlig;ulzera ist keineswegs eine Seltenheit, sondern betrifft 20&ndash;60 % der Patienten. Besonders hoch liegt das Risiko, wenn das Ulkus infiziert ist. Im mikrobiologischen Spektrum der Osteomyelitis dominieren Staphylokokken, allen voran S. aureus. Doch in mehr als der H&auml;lfte der Osteomyelitiden handelt es sich um eine polymikrobielle Infektion.<br />Tritt eine Osteomyelitis auf, bedeutet dies f&uuml;r die Patienten &ndash; im Vergleich zu denen mit infizierten Ulzera ohne Knochenbeteiligung &ndash; einen signifikant l&auml;ngeren Krankenhausaufenthalt, eine l&auml;ngere Antibiotikatherapie, mehr Operationen, mehr Amputationen und eine verz&ouml;gerte Wundheilung. Die Therapie zielt darauf ab, die Infektion zu stoppen, das Rezidivrisiko von etwa 30 % zu vermindern und am besten den betroffenen Knochen steril zu bekommen. Ist nekrotisches Knochengewebe vorhanden, gelingt dies kaum mit antibiotischer Therapie, sondern es bedarf einer chirurgischen Sanierung. Doch bei weniger schweren Knochenl&auml;sionen kann bei selektierten Patienten eine antibiotische Therapie alleine erfolgreich sein, vorausgesetzt, der Fu&szlig; ist nicht isch&auml;misch, es liegen keine gro&szlig;en Weichteilsch&auml;den vor und gegen die vorhandenen Erreger wirksame Antibiotika erreichen eine hohe Konzentration im Knochen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1706_Weblinks_s20.jpg" alt="" width="971" height="593" /></p> <h2>Knochenbiopsie erforderlich</h2> <p>Die diabetische Fu&szlig;osteomyelitis ist in den meisten F&auml;llen kein Notfall. Es bleibt fast immer gen&uuml;gend Zeit, eine Knochenbiopsie zu gewinnen und eine Kultur anzulegen. Nur damit lassen sich die ausl&ouml;senden Keime sicher identifizieren. Eine oberfl&auml;chliche Gewebeprobe vom Knochen h&auml;lt Senneville nicht f&uuml;r ausreichend, da sich das Keimspektrum von den intraoss&auml;ren Erregern unterscheiden kann. In einer Studie hat Senneville beide Optionen verglichen. Eine antibiotische Strategie auf der Basis einer Knochenbiopsie f&uuml;hrte bei &uuml;ber 80 % der Behandelten zur Remission der Infektion, eine Therapie auf der Basis eines oberfl&auml;chlichen Abstrichs nur in der H&auml;lfte der F&auml;lle.<sup>7</sup><br />Antibiotika, die bei chronischer Osteomyelitis eingesetzt werden, m&uuml;ssen nicht nur eine hohe Konzentration im Knochen erreichen, sondern auch in den Biofilm diffundieren k&ouml;nnen und in diesem speziellen Milieu auch bei hoher Keimkonzentration aktiv bleiben. Dies trifft vor allem auf Rifampicin zu, aber auch auf Daptomycin und Clindamycin. Alle drei wirken vor allem gegen grampositive Kokken einschlie&szlig;lich MRSA. Um auch gramnegative Erreger zu erfassen, kommen zus&auml;tzlich Fluorchinolone zum Einsatz. <br />Die Empfehlung der Infectious Diseases Society of America (IDSA) lautet, mindestens f&uuml;r drei Monate antibiotisch zu behandeln, wenn kein chirurgischer Eingriff stattgefunden hat.<sup>8</sup> Neuere franz&ouml;sische Untersuchungen<sup>9</sup> kamen zu dem Ergebnis, dass in diesem Fall auch sechs Wochen Antibiose gen&uuml;gen. Doch in dem Ma&szlig;, in dem sich multiresistente Erreger weiter verbreiten, werden die M&ouml;glichkeiten, chronische Fu&szlig;osteomyelitiden bei Diabetikern konservativ mit Antibiotika zu behandeln, immer mehr schwinden.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 36<sup>th</sup> Annual Meeting of the European Bone and Joint Infection Society (EBJIS), 7.–9. September, Nantes </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Fischbacher A, Borens O: EBJIS 36<sup>th</sup> Annual Meeting, Nantes 2017, Abstract FP40 <strong>2</strong> Portillo ME et al.: Clin Orthop Relat Res 2013; 471: 3672-8 <strong>3</strong> Kocjancic B et al.: EBJIS 36<sup>th</sup> Annual Meeting, Nantes 2017, Abstract FP11 <strong>4</strong> Roman&ograve; CL et al.: J Orthop 2017; 8: 400-11 <strong>5</strong> Prendki V et al.: Eur J Clin Microbiol Infect Dis 2017; 36: 1577-85 <strong>6</strong> Guren E et al.: Acta Orthop 2017; 88: 383-9 <strong>7</strong> Senneville E et al.: Diabetes Care 2008; 31(4): 637-42 <strong>8</strong> Lipsky B et al.: Clin Infect Dis 2012; 54: 132-73 <strong>9</strong> Tone A et al.: Diabetes Care 2014; 37: 789-95</p> </div> </p>
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