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Blutdrucktherapie beim akuten Schlaganfall

<p class="article-intro">Die arterielle Hypertonie ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für einen Schlaganfall. Zudem stellt sie einen Risikofaktor für weitere kardiovaskuläre Erkrankungen dar, wie z.B. die koronare und die hypertensive Herzerkrankung, welche wiederum mit dem Auftreten eines Schlaganfalls assoziiert sein können. Der Behandlung des Bluthochdrucks kommt in Bezug auf den Schlaganfall somit primärwie auch sekundärpräventiv eine entscheidende Bedeutung zu. Zudem ist die Einstellung des Blutdrucks ein wichtiger Faktor in der Akutbehandlung eines Schlaganfalls. Im Folgenden sollen die wichtigsten Aspekte der Blutdrucktherapie beim akuten Schlaganfall beleuchtet werden.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Blutdrucktherapie spielt einerseits in der Prim&auml;r- und der Sekund&auml;rpr&auml;vention des Schlaganfalls, andererseits im Rahmen der Schlaganfall-Akutbehandlung eine wichtige Rolle.</li> <li>In der Akutphase des isch&auml;mischen Schlaganfalls sollten hypertensive Werte nur im Falle einer kritischen Erh&ouml;hung behandelt werden (systolische Werte &gt;220mmHg). Unter Thrombolyse werden zur Vermeidung einer thrombolyseassoziierten intrazerebralen Blutung als Obergrenze aktuell Werte von systolisch 185mmHg empfohlen.</li> <li>Die Schlaganfallursache sollte soweit m&ouml;glich rasch gekl&auml;rt und der Gef&auml;ssstatus des Patienten untersucht werden, um eine m&ouml;glichst differenzierte Blutdrucktherapie zu erm&ouml;glichen.</li> <li>Bei einer intrazerebralen Blutung sollte in der Akutphase ein Blutdruckzielwert von systolisch 140&ndash;150mmHg angestrebt werden. Es gibt aktuell keine sicheren Hinweise auf den Vorteil einer noch aggressiveren Blutdrucksenkung.</li> </ul> </div> <p>Die arterielle Hypertonie ist einer der wichtigsten Risikofaktoren f&uuml;r einen Schlaganfall. Dies gilt sowohl f&uuml;r den h&auml;ufigeren isch&auml;mischen Schlaganfall als auch f&uuml;r die intrazerebralen Blutungen. Die allgemein g&uuml;ltige Grenze der arteriellen Hypertonie liegt beim Erwachsenen bei Blutdruckwerten von 140/90mmHg. Die Hypertonie ist mit einem sechs- bis achtfach erh&ouml;hten Risiko f&uuml;r einen Schlaganfall assoziiert; ihre Behandlung kann zu einer deutlichen Reduktion des Schlaganfallrisikos f&uuml;hren. Der Schlaganfall ist auch heute noch mit einer hohen Mortalit&auml;t verbunden und stellt die wichtigste Behinderungsursache im Erwachsenenalter dar. Zudem sind zerebrovaskul&auml;re Erkrankungen die zweith&auml;ufigste Ursache f&uuml;r eine demenzielle Entwicklung. Hieraus wird die medizinische wie auch die sozio&ouml;konomische Bedeutung der Pr&auml;vention sowie der Akutbehandlung des Schlaganfalls deutlich.</p> <h2>Isch&auml;mischer Schlaganfall</h2> <p>Die Assoziation der Hypertonie mit dem isch&auml;mischen Schlaganfall ist mannigfaltig, so wie es unterschiedlichste Ursachen f&uuml;r den isch&auml;mischen Schlaganfall gibt. Wichtige Ursachen des Schlaganfalls sind kardiale Erkrankungen, welche z.B. durch das Auftreten von Herzrhythmusst&ouml;rungen zu kardioembolischen Schlaganf&auml;llen f&uuml;hren k&ouml;nnen (Abb. 1). Hier sei insbesondere das Vorhofflimmern genannt. Dar&uuml;ber hinaus ist die Arteriosklerose der grossen hirnversorgenden Arterien (Makroangiopathie), wie z.B. der Arteria carotis interna (ACI), eine wichtige Ursache f&uuml;r den isch&auml;mischen Schlaganfall. Hierbei kann es insbesondere zu arteriell-embolischen Schlaganf&auml;llen ausgehend von den arteriosklerotisch gesch&auml;digten Gef&auml;ssen kommen, aber auch zu h&auml;modynamisch bedingten zerebralen Isch&auml;mien auf dem Boden h&auml;modynamisch relevanter arteriosklerotischer Gef&auml;ssstenosen. Wie auch bei den kardialen Erkrankungen ist die Hypertonie einer der wichtigsten Risikofaktoren in der Entstehung arteriosklerotischer Gef&auml;ssver&auml;nderungen. Schliesslich ist die arterielle Hypertonie oftmals mit der sogenannten zerebralen Mikroangiopathie vergesellschaftet (engl. &laquo;small vessel disease&raquo;), welche sogenannte lakun&auml;re Schlaganf&auml;lle nach sich ziehen kann und zu isch&auml;mischen subkortikalen Marklagersch&auml;digungen des Gehirns f&uuml;hrt (Abb. 2). Obwohl die hierbei auftretenden Schlaganf&auml;lle bez&uuml;glich der L&auml;sionsgr&ouml;sse &ndash; wie der Name Mikroangiopathie schon suggeriert &ndash; h&auml;ufig sehr umschrieben sind, k&ouml;nnen diese Isch&auml;mien im Falle einer strategisch ung&uuml;nstigen Lokalisation zu ausgepr&auml;gten, behindernden und einschr&auml;nkenden neurologischen Defiziten, wie schwerwiegenden Paresen oder Schluckst&ouml;rungen, f&uuml;hren. Zudem ist die zerebrale Mikroangiopathie der h&auml;ufigste Grund f&uuml;r sogenannte vaskul&auml;re kognitive St&ouml;rungen, die so ausgepr&auml;gt sein k&ouml;nnen, dass es zur Ausbildung einer vaskul&auml;ren Demenz kommt, der zweith&auml;ufigsten Form der Demenz nach der Alzheimererkrankung. Hieraus wird die Bedeutung einer suffizienten Blutdruckeinstellung zur Pr&auml;vention neurovaskul&auml;rer Erkrankungen aus neurologischer Perspektive ersichtlich.<br /> Nicht nur die Dauerbehandlung einer arteriellen Hypertonie im Kontext der Schlaganfallpr&auml;vention ist von Relevanz, der Blutdruck&uuml;berwachung und -einstellung kommt auch in der Akutbehandlung eine wichtige Rolle zu.<sup>1, 2</sup> Hierbei ist eine differenzierte Betrachtung der jeweiligen &ndash; oben angesprochenen &ndash; Schlaganfallursache vonn&ouml;ten. Der kardioembolische Schlaganfall ist oftmals mit einem akuten thrombembolischen Verschluss eines gr&ouml;sseren arteriellen Gef&auml;sses im Bereich der Hirnbasisarterien vergesellschaftet. Zu erw&auml;hnen ist hier insbesondere der proximale Verschluss der Arteria cerebri media (Abb. 1a). Durch einen solchen proximalen Gef&auml;ssverschluss kommt es zu einer akuten Minderperfusion des Grossteils der Gehirnhemisph&auml;re (Abb. 1b). Zur Aufrechterhaltung der zerebralen Durchblutung distal des Gef&auml;ssverschlusses sollte der Blutdruck h&ouml;her gehalten werden und erh&ouml;hte Blutdruckwerte sollten toleriert werden. Eine rasche Blutdrucksenkung gilt es in diesem Stadium zu vermeiden. Im Falle einer erfolgreichen Rekanalisation des Gef&auml;sses, z.B. durch eine Thrombolyse oder mechanische, interventionelle Thrombektomie, kann eine Blutdrucksenkung nach Wiederer&ouml;ffnung des Gef&auml;sses und Wiederherstellung der Reperfusion prinzipiell erfolgen. Hier gilt es zu vermeiden, dass es aufgrund zu hoher Blutdruckwerte zu einem Reperfusionsschaden oder &ndash; insbesondere nach einer systemischen Thrombolyse &ndash; zu einer intrazerebralen Blutung im Bereich des isch&auml;mischen Areals kommt. Unter einer Thrombolyse wird als Obergrenze aktuell ein Wert von systolisch 185mmHg empfohlen.<br /> Bei den durch Arteriosklerose bedingten makroangiopathischen Schlaganf&auml;llen sollte ebenfalls eine differenzierte Blutdruckeinstellung in der Akutphase erfolgen. Auch bei arteriell-embolischen Infarkten kann es zu einem akuten intrakraniellen embolischen Gef&auml;ssverschluss kommen, der ggf. ebenfalls durch eine spezifische rekanalisierende Therapie behoben werden kann. Insbesondere bei h&auml;modynamisch relevanten Stenosen, z.B. im Abgangsbereich der ACI, kann es unter spontanen oder auch iatrogen-medikament&ouml;sen Blutdrucksenkungen zu relevanten Schwankungen der Perfusion und damit einhergehend zu einer klinischen Verschlechterung kommen. Hier zeigt sich nicht selten ein blutdruckabh&auml;ngiger fluktuierender Verlauf, z.B. mit schwankenden Paresegraden oder einer undulierenden Aphasie. In diesen F&auml;llen ist das Blutdruckmanagement von entscheidender Bedeutung und &uuml;berm&auml;ssige Blutdrucksenkungen sollten gerade bei Patienten mit einer bekannten Hypertonie vermieden werden.<br /> Schliesslich spielt die Blutdrucktherapie auch bei akuten mikroangiopathischen Infarkten, die oftmals bei Patienten mit einer Hypertonie vorgefunden werden, eine wichtige Rolle. Bei diesen Patienten finden sich in der Akutphase h&auml;ufig hypertensive Blutdruckwerte. Eine zu aggressive Blutdrucksenkung sollte vermieden werden, da es dadurch zu blutdruckabh&auml;ngigen klinischen Verschlechterungen kommen kann. Abgesehen von hypertensiven Krisen sollten erh&ouml;hte Blutdruckwerte bei diesen Patienten in der Akutphase toleriert werden. Bei stabilem klinischem Verlauf kann in der Regel nach einigen Tagen eine vorsichtige Blutdrucksenkung erfolgen.<br /> Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine zu aggressive Blutdrucksenkung von mehr als 20 % bei akutem Schlaganfall, von dem oftmals Patienten mit einer Hypertonie betroffen sind, vermieden werden sollte. Als Richtwerte f&uuml;r die Blutdruckeinstellung in den ersten Tagen nach einem Schlaganfall k&ouml;nnen f&uuml;r Patienten mit bzw. ohne Hypertonie 180mmHg bzw. 160mmHg systolisch genommen werden. Oftmals kommt es in den ersten Tagen nach einem Schlaganfall auch zu einer spontanen Reduktion erh&ouml;hter Blutdruckwerte. Eine differenzierte Evaluation der Schlaganfallursache sollte stets so rasch wie m&ouml;glich erfolgen, um eine differenzierte Blutdrucktherapie, insbesondere angepasst an den Gef&auml;ssstatus, durchf&uuml;hren zu k&ouml;nnen.<br /> Beim Vorliegen einer akuten Blutdruckkrise oder einer bestehenden schlaganfallassoziierten Schluckst&ouml;rung kann die Blutdruckeinstellung mit i.v. Antihypertensiva erfolgen, ansonsten mittels einer peroralen Medikation, welche bei Bedarf auch &uuml;ber eine nasogastrale Sonde appliziert werden kann. Insgesamt sollte die akute Blutdruckbehandlung im weiteren Verlauf in eine anhaltende sekund&auml;rpr&auml;ventive Blutdrucktherapie &uuml;bergehen. Hierbei sollten die Blutdruckwerte an sich, insbesondere der systolische Blutdruck, ber&uuml;cksichtigt werden, aber auch die Blutdruckvariabilit&auml;t scheint eine wichtige prognostische Rolle f&uuml;r den Schlaganfall zu spielen.<sup>3</sup> Prinzipiell k&ouml;nnen alle verf&uuml;gbaren Antihypertensiva zum Einsatz kommen, einige Studien liefern jedoch Hinweise auf einen m&ouml;glichen Vorteil von Angiotensin-Rezeptorblockern und Kalziumantagonisten.<sup>4, 5</sup> Erg&auml;nzend k&ouml;nnen zudem, falls keine Kontraindikationen bestehen, Thiaziddiuretika zum Einsatz kommen. Der Zielbereich f&uuml;r die Blutdrucktherapie liegt allgemein etwa bei 120&ndash;140mmHg systolisch bzw. 70&ndash;90mmHg diastolisch, wobei stets eine individuelle Beurteilung vorgenommen werden sollte.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1705_Weblinks_lo_innere_1705_s44_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="782" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1705_Weblinks_lo_innere_1705_s45_abb2.jpg" alt="" width="1420" height="918" /></p> <h2>Intrazerebrale Blutung</h2> <p>Neben dem isch&auml;mischen Schlaganfall stellt die arterielle Hypertonie den wichtigsten Risikofaktor f&uuml;r eine intrazerebrale Blutung dar. Die hypertensive Blutung ist die h&auml;ufigste Form der zerebralen Blutung, sie kann prinzipiell in allen Bereichen des Gehirns auftreten, ist jedoch oft im Bereich der tiefen Gehirnstrukturen wie den Stammganglien lokalisiert (Abb. 3). Dabei wird die Blutung durch eine Ruptur eines durch die Hypertonie gesch&auml;digten, in die Tiefe des Gehirns penetrierenden arteriellen Gef&auml;sses verursacht. H&auml;ufig finden sich in der Bildgebung daher auch andere Zeichen einer hypertonieassoziierten Mikroangiopathie, wie Mikroblutungen oder isch&auml;mische Marklagerl&auml;sionen (Abb. 3b). Besonders gef&uuml;rchtet ist die hypertensive Blutung bei Patienten mit einer gleichzeitig bestehenden oralen Antikoagulation. In diesem Fall kommt es h&auml;ufig zu einer raschen und ausgedehnteren H&auml;matomexpansion, die mit einem ung&uuml;nstigen Verlauf und einer erh&ouml;hten Mortalit&auml;t assoziiert ist.<sup>6&ndash;8</sup> Bei einer hypertensiven Blutung finden sich in der Akutphase oft deutlich erh&ouml;hte Blutdruckwerte; der Senkung des Blutdrucks kommt &ndash; mit dem Ziel der Vermeidung bzw. der Reduktion der H&auml;matomexpansion &ndash; eine wichtige therapeutische Rolle zu. Die betroffenen Patienten sollten daher zum Monitoring des Blutdrucks auf einer Stroke Unit bzw. einer Intensivstation behandelt werden. Dabei gilt es insbesondere Blutdruckspitzen zu vermeiden. Auf der Basis der aktuellen Datenlage sollten in der Akutphase systolische Werte von 140&ndash;150mmHg angestrebt werden.<sup>9, 10</sup> Die aktuellen Studienergebnisse sprechen nicht f&uuml;r eine noch aggressivere Blutdrucksenkung auf systolische Werte deutlich unter 140mmHg.<sup>9, 10</sup> Wie auch beim isch&auml;mischen Schlaganfall ist die anhaltende langfristige Blutdrucktherapie zur Vermeidung eines Rezidivs ein entscheidender Pfeiler in der Behandlung von Patienten nach zerebraler Blutung.<sup>11</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1705_Weblinks_lo_innere_1705_s46_abb3.jpg" alt="" width="1417" height="923" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Appleton JP et al.: Blood pressure management in acute stroke. Stroke and Vascular Neurology 2016; 1: e000020 <strong>2</strong> McManus M, Liebeskind DS: Blood pressure in acute ischemic stroke. J Clin Neurol 2016; 12: 137-46 <strong>3</strong> Rothwell PM et al.: Prognostic significance of visit-to-visit variability, maximum systolic blood pressure, and episodic hypertension. Lancet 2010; 375: 895-905 <strong>4</strong> Lindholm LH et al.; LIFE Study Group: Cardiovascular morbidity and mortality in patients with diabetes in the Losartan Intervention For Endpoint reduction in hypertension study (LIFE): a randomised trial against atenolol. Lancet 2002; 359: 1004-10 <strong>5</strong> Julius S et al.; VALUE trial group: Outcomes in hypertensive patients at high cardiovascular risk treated with regimens based on valsartan or amlodipine: the VALUE randomised trial. Lancet 2004; 363: 2022-31 <strong>6</strong> Flibotte JJ et al.: Warfarin, hematoma expansion, and outcome of intracerebral hemorrhage. Neurology 2004; 63: 1059-64 <strong>7</strong> Flaherty ML et al.: Warfarin use leads to larger intracerebral hematomas. Neurology 2008; 71: 1084-9 <strong>8</strong> Law ZK et al.: Management of acute intracerebral haemorrhage - an update. Clin Med 2017; 17: 166-72 <strong>9</strong> Anderson CS et al.; INTERACT2 Investigators: Rapid blood-pressure lowering in patients with acute intracerebral hemorrhage. N Engl J Med 2013; 368: 2355-65 <strong>10</strong> Qureshi AI et al.; ATACH-2 Trial Investigators and the Neurological Emergency Treatment Trials Network: Intensive blood-pressure lowering in patients with acute cerebral hemorrhage. N Engl J Med 2016; 375: 1033-43 <strong>11</strong> Biffi A et al.: Association between blood pressure control and risk of recurrent intracerebral hemorrhage. JAMA 2015; 314: 904-12</p> </div> </p>
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