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21. MDS-Kongress in Vancouver

Innovative Ansätze bei Diagnose und Therapie der Parkinsonerkrankung

<p class="article-intro">Der Internationale Kongress zur Parkinsonkrankheit und zu Bewegungsstörungen versammelte zum 21. Mal Teilnehmer, die die neuesten Forschungsergebnisse und State-of-the-Art-Behandlungsmöglichkeiten bei Bewegungsstörungen diskutierten. Kliniker aus der ganzen Welt präsentierten in Vorträgen und Postern über 1500 wissenschaftliche Arbeiten für mehr als 3900 Ärzte und Forscher aus 89 Ländern.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Neuro_1705_Weblinks_26.jpg" alt="" width="1456" height="950" /></h2> <h2>R&uuml;ckenmarkstimulation: neuer therapeutischer Ansatz f&uuml;r motorische Symptome</h2> <p>Dopaminerge Therapien und &bdquo;deep brain stimulation&ldquo; (DBS) lindern motorische Symptome der Parkinsonkrankheit (PD), aber ihr positiver Effekt auf Gangdysfunktionen nimmt bei Fortschreiten der Krankheit ab. Ein Team von Forschern am London Health Sciences Center in London, Kanada, untersuchte insgesamt f&uuml;nf m&auml;nnliche Patienten mit fortgeschrittener PD, die sich einer thorakalen R&uuml;ckenmarkstimulation (&bdquo;spinal cord stimula&shy;tion&ldquo;, SCS) unterzogen hatten. Die Probanden erf&uuml;llten nicht die f&uuml;r die Genehmigung einer DBS notwendigen Kriterien und wiesen signifikante Gangst&ouml;rungen, Einfrieren des Gangs (&bdquo;freezing of gait&ldquo;, FOG) und Haltungsinstabilit&auml;t auf. Im Studienablauf wurden verschiedene SCS-Einstellungen getestet und deren Auswirkung auf unterschiedliche Bewegungsabl&auml;ufe untersucht. Die aktuelle Verfassung der Patienten wurde bei jeder Sitzung anhand verschiedener Analysemethoden (FOG-Fragebogen, Unified Parkinsonʼs Disease Rating Scale [UPDRS], Activity-specific Balance Confidence Scale [ABC], Parkinsonʼs Disease Questionnaire [PDQ-8]) ausgewertet.<br />Sechs Monate nach der Implantation gab es eine durchschnittliche Verbesserung von 39,4 % im UPDRS-Motor-Score, 26,8 % beim FOG-Fragebogen und 116,9 % im ABC-Score. Die mittlere Anzahl der FOG-Episoden sank signifikant von 16 vor Chirurgie auf 0, w&auml;hrend die Patienten &bdquo;on&ldquo; Levodopa und &bdquo;off&ldquo; Stimulation waren. Dar&uuml;ber hinaus best&auml;tigte die Studie die Sicherheit und Wirksamkeit der SCS zur Verringerung von Gangdysfunktionen bei Patienten mit fortgeschrittener PD.<br />Prof. Dr. Nir Giladi, Vorsitzender der Abteilung f&uuml;r Neurologie am Tel Aviv Medical Center, sagt: &bdquo;Dies ist eine sehr interessante erste Beobachtung mit potenziell langfristigen Implikationen. FOG ist ein sehr beeintr&auml;chtigendes Symptom, das h&auml;ufige St&uuml;rze verursacht und negative Auswirkungen auf die Lebensqualit&auml;t der Patienten hat. Die Beobachtung, dass SCS FOG lindern und das Gehen verbessern k&ouml;nnte, gibt Hoffnung f&uuml;r viele Patienten, bei denen DBS nicht angewandt werden kann und die mit Medikamenten alleine nicht mehr auskommen. Weitere Studien sind allerdings erforderlich, um die &Uuml;berlegenheit von SCS gegen&uuml;ber Placebo zu demonstrieren.&ldquo;</p> <h2>Anti-Tau-Antik&ouml;rper bei progressiver supranukle&auml;rer L&auml;hmung</h2> <p>BMS-986168 ist ein monoklonaler Antik&ouml;rper, der menschliches extrazellul&auml;res Tau-Protein (eTau) erkennt. Eine Studie von Ifran Qureshi und einem Team von US-Forschern beurteilte die Sicherheit und Wirksamkeit von BMS-986168 bei Patienten mit progressiver supranukle&auml;rer L&auml;hmung (PSP). 48 Patienten erhielten im Abstand von 4 Wochen &uuml;ber einen Zeitraum von 12 Wochen ansteigende Dosen des Antik&ouml;rpers als intraven&ouml;se Infusionen. Die Ergebnisse zeigen, dass BMS-986168 sicher und gut vertr&auml;glich ist und eine deutliche Unterdr&uuml;ckung des freien eTau in der Zerebrospinalfl&uuml;ssigkeit von Patienten mit PSP bewirkt.<br />Prof. Dr. Werner Poewe, Vorsitzender der Abteilung f&uuml;r Neurologie an der Medizinischen Universit&auml;t Innsbruck, erkl&auml;rte: &bdquo;Immuntherapien, die auf Proteine ausgerichtet sind, welche f&uuml;r die Neurodegeneration bei Parkinson oder atypischen Parkinsonerkrankungen wie PSP oder MSA von zentraler Bedeutung sind, sind ein vielversprechender Ansatz, um eine Krankheitsver&auml;nderung zu erreichen. Insbesondere haben Immuntherapien, die gegen das Tau-Protein gerichtet sind, vielversprechende Ergebnisse in transgenen Mausmodellen dieser St&ouml;rung gezeigt. Der Bericht von Qureshi und Kollegen beschreibt die erste klinische Studie bei Patienten mit PSP unter Verwendung eines humanisierten monoklonalen Antik&ouml;rpers gegen extrazellul&auml;res Tau.&ldquo;</p> <h2>Anti-&alpha;-Synuclein-Antik&ouml;rper gegen PD</h2> <p>PRX002, ein investigativer monoklonaler Antik&ouml;rper, k&ouml;nnte die Zell-zu-Zell-&Uuml;bertragung von &alpha;-Synuclein hemmen und die Progression der Parkinsonkrankheit modifizieren. Eine Studie, geleitet von Joseph Jankovic und einem Team von Forschern am Baylor College of Medicine, untersuchte die Anwendung von PRX002 in einer doppelblinden, placebokontrollierten Phase-Ib-Dosis-Studie (mehrfach ansteigend). Die Patientengruppe bestand aus 80 &uuml;berwiegend kaukasischen M&auml;nnern mit leichter bis m&auml;&szlig;iger PD. PRX002 war gut vertr&auml;glich und zeigte eine schnelle dosis- und zeitabh&auml;ngige Reduktion der Konzentration von &alpha;-Synuclein von bis zu 97 % nach einer einzigen Anwendung. Dieser Effekt konnte auch nach zwei zus&auml;tzlichen Applikationen in monatlichen Intervallen beobachtet werden. Eine Phase-2-Studie ist nun geplant, um PRX002 als krankheitsmodifizierende Behandlung f&uuml;r PD zu bewerten.<br />Prof. Dr. Anthony Lang, Direktor der Klinik f&uuml;r Bewegungsst&ouml;rungen am Toronto Western Hospital, sagt: &bdquo;Diese Studie berichtet &uuml;ber eine wichtige Entwicklung auf dem Gebiet der Parkinsonkrankheit. Es besteht ein betr&auml;chtliches Interesse an der M&ouml;glichkeit der passiven und aktiven Immunisierung bei der Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen. Die daf&uuml;r eingesetzten Antik&ouml;rper sind gegen Proteine gerichtet, von denen angenommen wird, dass sie zu Neurotoxizit&auml;t und Zelltod f&uuml;hren. Das Potenzial dieser Behandlungen ergibt sich aus der von vielen Experten vertretenen Theorie, dass das Fortschreiten dieser Erkrankungen auf der Zell-zu-Zell-&Uuml;bertragung fehlerhafter Proteine, im Falle der Parkinsonkrankheit &alpha;-Synuclein, beruht.&ldquo;</p> <h2>Neue Einblicke durch Smartphone-Daten</h2> <p>Bislang unzug&auml;ngliche Daten, die nunmehr per Smartphone gesammelt werden k&ouml;nnen, liefern t&auml;glich wichtige Einsichten in das Verhalten und die funktionalen F&auml;higkeiten von Patienten mit Parkinsonerkrankung. Ein Team von Forschern aus Basel, Schweiz, untersuchte das Potenzial f&uuml;r eine Smartphone-basierte Datenerhebung, die eine automatisierte, passive &Uuml;berwachung von Gang und Mobilit&auml;t bei PD-Patienten in einem fr&uuml;hen Stadium erm&ouml;glicht. Die klinische Studie analysierte f&uuml;r 24 Wochen 44 PD-Patienten in ihrer gewohnten Umgebung mit einer Smartphone-basierten &Uuml;berwachung. Die Probanden f&uuml;hrten in dieser Zeit rund um die Uhr ein Smartphone mit sich &ndash; in der Hosentasche oder in einer H&uuml;fttasche &ndash;, welches kontinuierlich Messungen von Bewegung und Lage durchf&uuml;hrte. Die Daten wurden in verschiedene Arten menschlicher Aktivit&auml;ten kategorisiert und mit den klinischen Daten der Studie verglichen. Insgesamt wurden mehr als 25 000 Stunden passive &Uuml;berwachungsdaten gesammelt &ndash; die aus der Smartphone-basierten Technologie gewonnenen Ergebnisse waren &uuml;berzeugend: Die erfassten Mobilit&auml;tsmuster korrelieren mit der Schwere der Erkrankung, gemessen anhand klinischer Goldstandards.<br />Alberto Espay, Associate Professor f&uuml;r Neurologie an der Universit&auml;t von Cincinnati, &uuml;ber die Studie: &bdquo;Diese Untersuchung ist von Interesse, auch wenn sie nur vorl&auml;ufige Hinweise darauf liefert, dass Smartphones eine noch unerschlossene Quelle zus&auml;tzlicher Mobilit&auml;tsdaten von Parkinsonpatienten darstellen. Sie ist vor allem im Hinblick auf das Umfeld wichtig, in dem die Daten gesammelt werden &ndash; au&szlig;erhalb einer Klinik oder eines Bewegungslabors.&ldquo; Und weiter: &bdquo;Ein wichtiger Vorbehalt gegen&uuml;ber passiver Datenerfassung ist allerdings, dass die Algorithmen in der Lage sein m&uuml;ssen, verschiedene Arten der Bewegung, beispielsweise absichtliche Bewegung im Vergleich zu Peak-Dosis-Dyskinesie oder diphasischen Dyskinesien, und verschiedene Arten von Ruhezust&auml;nden wie Sitzen und Lesen im Vergleich zu Schlummern zu unterscheiden.&ldquo;</p> <h2>L&auml;nger selbstst&auml;ndig durch multidisziplin&auml;re Rehabilitation</h2> <p>Ein multidisziplin&auml;res Rehabilitationsprogramm kann die Unterbringung in einem Pflegeheim verz&ouml;gern und die Gesamtkosten der Betreuung von Patienten mit PD reduzieren. W&auml;hrend die Krankheit fortschreitet, verlieren PD-Patienten typischerweise k&ouml;rperliche und kognitive F&auml;higkeiten, was ihr t&auml;gliches Leben beeintr&auml;chtigt und es ihnen schwieriger macht, unabh&auml;ngig zu leben. An der Rehabilitationseinheit des Parkinson-Kompetenzzentrums (RU-PEC) in Groningen, Niederlande, wurde ein multidisziplin&auml;res Programm mit einer &bdquo;kundenspezifischen&ldquo; Ausrichtung und einer Optimierung der Medikamente entwickelt. In dieses Programm wurden 24 Patienten mit fortgeschrittener PD aufgenommen. <br />Die Studie ergab, dass insgesamt 83 % der Patienten nach der Teilnahme am RU-PEC-Programm nach Hause zur&uuml;ckkehren konnten. Nach 2 Jahren lebten 65 % und nach 5 Jahren 28 % noch immer unabh&auml;ngig zu Hause. Dar&uuml;ber hinaus hatten 78 % der Patienten einen verbesserten ALDS-Score (im Durchschnitt 9,9 Punkte). Insgesamt verbesserte das Programm die Lebensqualit&auml;t der Patienten und verz&ouml;gerte die Pflegeheimeinweisung, was letztlich die Gesamtbetreuungskosten pro Patient reduzierte.</p></p> </p> <p class="article-quelle">Quelle: 21<sup>st</sup> International Congress of Parkinson’s Disease and Movement Disorders, 4.–8. Juni 2017, Vancouver</p> </p>
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