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Supraorbitale Nervenstimulation bei Migräne

<p class="article-intro">Zur Prävention von Migräneattacken wird zurzeit am häufigsten Topiramat eingesetzt. Doch bei einigen Patienten wirkt das Medikament nicht oder sie nehmen es wegen der Nebenwirkungen nicht. Eine Alternative könnte die transkutane supraorbitale Nervenstimulation (t-SNS) mit dem Cefaly<sup>®</sup>-Gerät sein.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Eine Studie von 2013 belegte die Sicherheit und die gute Vertr&auml;glichkeit der Behandlung mit Cefaly<sup>&reg;</sup>.<sup>1</sup> Das Ger&auml;t wurde daraufhin in den USA und 2015 auch in der EU zur Pr&auml;vention von episodischer Migr&auml;ne zugelassen.<sup>2</sup> Nun ist es in einer weiteren Studie getestet worden. In die prospektive Untersuchung wurden 35 Patienten mit episodischer oder chronischer Migr&auml;ne eingeschlossen, bei denen eine Prophylaxe mit Topiramat versagt hatte, wobei der h&auml;ufigste Grund daf&uuml;r das Auftreten von Nebenwirkungen gewesen war. Drei Monate lang wurden die Patienten mit der supraorbitalen Nervenstimulation behandelt, ohne zus&auml;tzliche medikament&ouml;se Prophylaxe. W&auml;hrend der Behandlung nahm die Zahl der Tage ab, an denen die Probanden Kopfschmerzen hatten, und der Kopfschmerz war von geringerer Intensit&auml;t. Nach den drei Monaten mussten die Patienten weniger Akutmedikamente gegen Migr&auml;neattacken nehmen.<sup>3</sup> 23 Patienten waren zufrieden und wollten die Behandlung mit dem Ger&auml;t fortf&uuml;hren. Vier Patienten hatten technische Probleme mit Cefaly<sup>&reg;</sup>, die sich aber durch telefonische Unterst&uuml;tzung l&ouml;sen liessen. Zw&ouml;lf Studienteilnehmer berichteten als Nebenwirkung milde lokale Par&auml;sthesien, die mit der Zeit nachgelassen hatten.<br /> Wir haben PD Dr. med. Andreas Gantenbein, den Pr&auml;sidenten der Schweizerischen Kopfwehgesellschaft, gefragt, wie er dieses Ger&auml;t beurteilt und welchen Patienten er es empfehlen w&uuml;rde.<br /><br /> <strong>Herr Gantenbein, was ist das Problem in der heutigen Migr&auml;netherapie?<br /> A. Gantenbein:</strong> Manchmal ist es schwierig, das f&uuml;r den jeweiligen Patienten passende Medikament zu finden, also eines, das er gut vertr&auml;gt und auch &uuml;ber l&auml;ngere Zeit einnimmt.<br /><br /> <strong>Wie viele Patienten sprechen auf die g&auml;ngigen Therapien nicht an?<br /> A. Gantenbein:</strong> Das fehlende Ansprechen ist nicht unbedingt das Problem, es ist nur einer von vielen Faktoren. Kollegen aus New York haben in einer Studie mit 8233 Patienten mit episodischer Migr&auml;ne festgestellt, dass bei 56 Prozent von ihnen nach zwei Stunden die Schmerzen nicht weg waren und mehr als die H&auml;lfte auch noch nach 24 Stunden Schmerzen hatten. Von den 44 Prozent, die nach zwei Stunden schmerzfrei gewesen waren, litt jeder Vierte nach 24 Stunden erneut unter Kopfschmerzen.<sup>4</sup> Wenn die Leute nach 24 Stunden noch Kopfschmerzen hatten, lag dies auch an einer &Uuml;bertherapie mit Medikamenten. In einer Untersuchung der Mayo Clinic mit 1254 Patienten mit chronischer Migr&auml;ne wurden nur 56, also nur 4,5 Prozent, korrekt versorgt: Das heisst, sie gingen zum richtigen Spezialisten und bekamen eine korrekte Diagnose sowie die richtige Therapie.<sup>5</sup> Wir haben in der Schweiz zwar keine Zahlen dazu, aber auch hierzulande gibt es Migr&auml;nepatienten, die keine ausreichende Behandlung bekommen.<br /><br /> <strong>Liegt das h&auml;ufig auch an Nebenwirkungen?<br /> A. Gantenbein:</strong> Ja, das ist ein h&auml;ufiges Problem. Deshalb versuchen wir, die Medikamente langsam aufzudosieren &ndash; dadurch vertragen die Patienten sie besser. Allerdings setzt die schmerzlindernde Wirkung oft erst verz&ouml;gert ein.<br /><br /> <strong>K&ouml;nnte Cefaly<sup>&reg;</sup> eine Alternative f&uuml;r bestimmte Migr&auml;nepatienten werden?<br /> A. Gantenbein:</strong> Keine Alternative, aber eine sehr gute Erg&auml;nzung, die wirksam und gut vertr&auml;glich ist.<br /><br /> <strong>Was halten Sie von der Studie &uuml;ber Cefaly<sup>&reg;</sup>?<br /> A. Gantenbein:</strong> Sie zeigt interessante Einsatzm&ouml;glichkeiten dieser neuen Therapieform in der Akutbehandlung und zur Pr&auml;vention. Die Einschlusskriterien der Studie sind gut gew&auml;hlt: eine relativ homogene Gruppe von Migr&auml;nepatienten mit episodischen respektive chronischen Schmerzen. Es wurden mit 35 Studienteilnehmern aber nur wenige Patienten untersucht, und es fehlt eine Kontrollgruppe.<br /><br /> <strong>Wie funktioniert das Ger&auml;t?<br /> A. Gantenbein:</strong> Cefaly<sup>&reg;</sup> arbeitet mit transkutaner elektrischer Nervenstimulation. Den genauen Mechanismus kennen wir aber noch nicht. Eine italienisch-belgische Studie l&auml;sst vermuten, dass das zentrale Schmerzverarbeitungssystem moduliert wird.<sup>6</sup><br /><br /> <strong>Gibt es das Ger&auml;t in der Schweiz schon?<br /> A. Gantenbein:</strong> Das TENS-Ger&auml;t f&uuml;r Migr&auml;ne ist seit Mitte 2016 auch in der Schweiz erh&auml;ltlich. Unter bestimmten Bedingungen wird die Therapie von der Grundversicherung erstattet.<br /><br /> <strong>Wem empfehlen Sie das Ger&auml;t?<br /> A. Gantenbein:</strong> Im Prinzip k&ouml;nnte es jeder Migr&auml;nepatient ausprobieren. Wenn es nicht wirkt oder er unangenehme Nebenwirkungen bekommt, kann er es an den Hersteller zur&uuml;ckschicken. Die Patienten haben damit eine nebenwirkungsarme Therapie zur Verf&uuml;gung, sowohl zur prophylaktischen Anwendung als auch f&uuml;r die Attacke. Aufgrund der Evidenzlage empfehle ich es derzeit aber nur zur Prophylaxe, entweder statt Medikamenten oder parallel zu diesen; denn hier hat eine randomisierte klinische Studie gezeigt, dass die Stimulation wirkt.<sup>7</sup> Der therapeutische Gewinn war mit 26 Prozent ungef&auml;hr so gross wie der durch pr&auml;ventiv wirkende Medikamente oder andere nicht medikament&ouml;se Antimigr&auml;netherapien. Zur Akuttherapie haben wir bisher nur Daten aus Pilot- oder retrospektiven Studien. F&uuml;r einige Patienten mit eher okzipitaler Betonung der Kopfschmerzen kann das Cefaly<sup>&reg;</sup> Arnold Kit zur Stimulation der Okzipitalnerven eine sinnvolle Erg&auml;nzung sein, Studien hierzu stehen jedoch noch aus.<br /><br /> <strong>Wie beurteilen Sie das Nebenwirkungsprofil?<br /> A. Gantenbein:</strong> Insgesamt als sehr gut. In den Studien berichteten 5 bis 15 Prozent der Patienten leichte bis vernachl&auml;ssigbare Nebenwirkungen. Die Nebenwirkungen der elektrischen Nervenstimulation auf der Stirn, die sich in Form von Par&auml;sthesien &auml;ussern k&ouml;nnen, merken die Patienten sofort. Wenn ihnen das zu unangenehm ist, k&ouml;nnen sie die Anwendung stoppen. Dar&uuml;ber hinaus haben Patienten angemerkt, dass die Stimulation manchmal m&uuml;de macht, was abends aber durchaus erw&uuml;nscht sein kann.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Magis D et al.: J Headache Pain 2013; 14: 95 <strong>2</strong> Cefaly<sup>&reg;</sup> Technology. http://www. cefalytechnology.com/. Zuletzt aufgerufen am 22. 7. 2017 <strong>3</strong> Vikelis M et al.: BMC Neurology 2017; 17: 97 <strong>4</strong> Lipton RB et al.: Headache 2016; 56(10): 1635-48 <strong>5</strong> Dodick DW et al.: Headache 2016; doi: 10.1111/head.12774 <strong>6</strong> Russo A et al.: Front Neurol 2017; 8: 282 <strong>7</strong> Schoenen J et al.: Neurology 2013; 80: 697-704</p> </div> </p>
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