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Therapie des Tennisarms

<p class="article-intro">Man diagnostiziert eine Epicondylitis, und der Patient will schnelle Heilung: Da ist es verständlich, dass man zur Kortisonspritze greift. Bei manchen Kollegen ist es so zur Gewohnheit geworden, dass sie ihre Praxis gar nicht infrage stellen – vor allem wenn der Patient nach der Spritze beschwerdefrei nach Hause geht. Doch Kortison hilft langfristig nicht besser als Placebo. Besser sind Zuwarten, Physiotherapie und Anpassung des Arbeitsplatzes – das erspart auch Nebenwirkungen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Fast reflexartig ziehen manche Kollegen die Kortisonspritze auf, wenn der Patient &uuml;ber die typischen Symptome klagt und beim Palpieren des Ellenbogens zusammenzuckt. Es ist nat&uuml;rlich auch eine befriedigende Therapie: Nach der Spritze sp&uuml;rt der Patient weniger Schmerzen und kommt gerne wieder, weil man so rasch geholfen hat. Vermutlich liegt es daran, dass sich der Mythos bei einigen Kollegen und auch bei Patienten immer noch h&auml;lt, Kortisonspritzen seien die beste Therapie. Dabei haben schon im vergangenen Jahr Forscher aus Oslo gezeigt: Kortisonspritzen k&ouml;nnen zwar kurzfristig Erleichterung bringen, langfristig verm&ouml;gen sie die Beschwerden aber nicht besser zu lindern als Placebo.<sup>1</sup> <br /> In einer randomisierten Studie waren 177 Patienten mit Physiotherapie und zus&auml;tzlich randomisiert verblindet entweder mit Kortison- oder mit Placebospritzen behandelt worden. Ein Behandlungserfolg wurde so definiert, dass die Patienten sich selbst als &laquo;komplett geheilt&raquo; bezeichneten oder ihren Zustand mit &laquo;viel besser&raquo; auf einer 6-Punkte-Skala angaben. Nach 6 Wochen war bei denjenigen mit Kortisonbehandlung h&auml;ufiger ein Behandlungserfolg festzustellen als bei den Patienten mit Placebobehandlung (OR 10,6; p&lt;0,01). Doch nach 12 Wochen war kein Unterschied mehr zu erkennen. Nach 26 Wochen ging es den Patienten der Kortisongruppe sogar schlechter, und nach einem Jahr hatten sich die Beschwerden in beiden Gruppen in gleichem Ausmass gebessert (Abb. 1). <br /> &laquo;Hat man sehr starke Schmerzen und muss schnell fit sein, kann man sich durchaus einmal eine Kortisonspritze geben lassen&raquo;, sagt Dr. med. Christian Krasny, Ellenbogenchirurg am Orthop&auml;dischen Spital Speising in Wien. &laquo;Aber bei den meisten Patienten bessern sich die Beschwerden mit Schonung und Physiotherapie von selbst, und man spart sich die Nebenwirkungen.&raquo;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1703_Weblinks_s34.jpg" alt="" width="1417" height="800" /></p> <h2>Mausarm</h2> <p>Braun gebrannt, muskul&ouml;s, sportlich gekleidet: der typische Patient mit Tennisarm. Doch das stimmt heute nicht mehr. &laquo;Am h&auml;ufigsten diagnostiziere ich ihn bei Leuten, die zu viel tippen oder st&auml;ndig die Computermaus benutzen&raquo;, sagt Prof. Dr. med. Dominik Meyer, Orthop&auml;de an der Universit&auml;tsklinik Balgrist in Z&uuml;rich. &laquo;Wir nennen ihn deshalb immer &ouml;fter &lsaquo;Mausarm&rsaquo;.&raquo;<br /> Der Chirurg Percival Mills soll die Bezeichnung &laquo;Tennisellenbogen&raquo; erfunden haben, und das Problem schien ihn zu frustrieren: &laquo;Es gibt zurzeit wahrscheinlich nichts, das die Chirurgie mehr entehrt, als unsere Unf&auml;higkeit, einen Tennisellenbogen zu heilen&raquo;, schrieb er 1928 im &laquo;British Medical Journal&raquo;.<sup>2</sup> &laquo;Wir sind so hilflos bei der Behandlung, dass viele der Betroffenen nie mehr zum Arzt gehen wollen.&raquo; <br /> Die Epicondylitis entsteht, wenn man die Extensoren am Unterarm &uuml;berbeansprucht &ndash; also durch zu viel Tennis mit R&uuml;ckhand, einseitig belastende Arbeit im Garten, an Maschinen oder am Computer. &laquo;Die Leute leiden sehr&raquo;, sagt Prof. Dr. med. Reinhard Weinstabl, Sporttraumatologe in Wien. &laquo;Manche k&ouml;nnen nicht einmal mehr einen Kaffeebecher halten, weil es so wehtut.&raquo; Durch st&auml;ndige einseitige Bewegung werden die Extensormuskeln so beansprucht, dass sie an ihrem sehnigen Ansatz am Oberarm einreissen. &laquo;Die Sehne versucht zu heilen, aber wenn man ihr keine Ruhe g&ouml;nnt, gelingt ihr das nicht&raquo;, sagt Meyer. Das Gewebe ist gereizt, und es tut weh, wenn der Arzt auf den Ellenbogen dr&uuml;ckt.<br /> Bei 40&ndash;50 % aller Tennisspieler soll es im Laufe der Zeit zu einer Epicondylitis kommen.<sup>3</sup> Die Inzidenz der Epicondylopathie in der Normalbev&ouml;lkerung betr&auml;gt 1&ndash;3 % ,<sup>4, 5</sup> bei Menschen, die h&auml;ufig manuell repetitiv arbeiten, bis zu 24 % .<sup>6</sup> Ein h&ouml;heres Risiko haben Leute, die mehr als zwei Stunden pro Tag repetitive T&auml;tigkeiten ausf&uuml;hren, die mindestens zehnmal pro Tag mit Werkzeugen arbeiten, welche mehr als 1kg wiegen, oder Lasten tragen, die schwerer als 20kg sind.<sup>7</sup> Eine Arbeit mit wenig Verantwortung, schlechtes soziales Umfeld, Alter, weibliches Geschlecht und Rauchen erh&ouml;hten in Studien das Risiko f&uuml;r eine Epicondylitis.<sup>4, 7</sup> Am h&auml;ufigsten erkranken Menschen zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr. Bei nat&uuml;rlichem Verlauf halten die Beschwerden 6 Monate bis 2 Jahre an.<sup>8 </sup></p> <h2>Stosswellen k&ouml;nnen helfen</h2> <p>Die Diagnose l&auml;sst sich meist schon durch die Anamnese stellen: Kann der Patient nur noch unter Schmerzen eine Kaffeetasse hochheben, einen Lappen auswringen, eine Tasche mit Lebensmitteln tragen? Dann k&ouml;nnte eine Epicondylitis lateralis dahinterstecken. Schmerzt es mehr an der Innenseite am Ellenbogen und tut es vor allem bei Bewegungen &laquo;nach innen&raquo; weh, ist es eher eine Epicondylitis medialis &ndash; ein Golferellenbogen, der allerdings ebenfalls eher bei Arbeitern als bei Golfern auftritt. Mehr als 40 Behandlungsm&ouml;glichkeiten stehen zur Verf&uuml;gung, darunter Physiotherapie, Schmerzmittel, Akupunktur, Stosswellen und Spritzen mit Botulinumtoxin, Kortison oder Eigenblut. Welche Therapie am besten hilft, konnten bisherige Studien nicht beantworten. &laquo;Das Wichtigste ist: Der Betroffene soll die schmerzausl&ouml;senden Bewegungen vermeiden&raquo;, sagt Meyer. &laquo;Sagen Sie ihm, er soll sich ein Silikon-B&auml;nkli vor der Tastatur mit spezieller Tennisarm-Computermaus kaufen.&raquo;<br /> In Studien gut geholfen hat zudem Physiotherapie mit Dehn&uuml;bungen der Muskeln &ndash; &auml;hnlich wie bei Schmerzen in der Achillessehne. Wird es nach einem Monat nicht besser, r&auml;t PD Dr. med. Claudio Rosso, Sportmediziner bei Arthro-Medics in Basel, zu Stosswellentherapie. &laquo;Zwar hat sie in Studien keinen grossen Effekt gezeigt, aber das liegt wom&ouml;glich daran, dass die Intensit&auml;t zu gering war und unterschiedliche Techniken durchgef&uuml;hrt wurden.&raquo; Rosso behandelt 5 Wochen lang, jede Woche einmal, damit w&uuml;rden bei 70 % der Patienten die Beschwerden deutlich abklingen. Insgesamt sollte die konservative Therapie etwa 6 Monate lang durchgef&uuml;hrt werden. Hilft die konservative Therapie nicht, kommt eine Operation infrage. 85 % der Patienten berichten danach, sie h&auml;tten keine Schmerzen mehr.</p> <h2>Kortison nur in Ausnahmef&auml;llen</h2> <p>Kortison sollte nicht gespritzt werden, es sei denn, jemand will kurzfristig beschwerdefrei sein. So behandelte Rosso einen Sportler in Rio mit Kortison, damit er an den Olympischen Spielen teilnehmen konnte. &laquo;Wenn jemand unbedingt eine Kortison&shy;spritze haben m&ouml;chte, dann gebe ich sie&raquo;, sagt auch Weinstabl. &laquo;Es wird aber zu oft gespritzt, ohne eine exakte Analyse des Gewebszustandes zu haben.&raquo; Die Wirkung der Spritzen haben &Auml;rzte jahrelang &uuml;bersch&auml;tzt. Fast immer kommt der Schmerz 6 bis 8 Wochen sp&auml;ter zur&uuml;ck. Zudem besteht bei dieser Behandlung das Risiko, dass die Sehnen leiden und irgendwann reissen. &laquo;Ich w&auml;re vorsichtig bei jeder Art von Spritzen&raquo;, sagt Dominik Meyer. &laquo;Die Behandlungen kosten oft viel und helfen nicht mehr als Schonen und Zuwarten. Wir sollten uns darauf konzentrieren, dem K&ouml;rper durch gezielte Entlastung und Arbeitsplatzanpassung die M&ouml;glichkeit zur Selbstheilung zu geben.&raquo;</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Olaussen M et al: BMC Musculoskeletal Disorders 2015; 16: 122 <strong>2</strong> Mills P: British Medical Journal 1928; 1(3496): 12-3 <strong>3</strong> Roetert EP et al: Clin Sports Med 1995; 14: 47-57 <strong>4</strong> Shiri R et al: Am J Epidemiol 2006; 164: 1065-74 <strong>5</strong> Walker-Bone K et al: Arthritis Rheum 2004; 51: 642-51 <strong>6</strong> Kivi P: Scand J Rheumatol 1984; 13: 101-7 <strong>7</strong> van Rijn RM et al: Rheumatology 2009; 48: 528-36 <strong>8</strong> Schleicher I et al: Sportverl Sportschad 2010; 24: 218-24</p> </div> </p>
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