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Antibiotikaresistenzen

MRGN-Therapie im Krankenhaus

<p class="article-intro">Multiresistente gramnegative Erreger sind jene Gruppe von Bakterien, die in der Infektiologie weltweit die größten Sorgen bereiten. Stämme, die gegen nahezu alle gängigen Antibiotika Resistenzen aufweisen, sind keine Seltenheit mehr. Alternativen sind dringend notwendig, zumal inzwischen auch zunehmend Carbapenemase-bildende Stämme isoliert werden. Als Alternativen zu Carbapenem bieten sich neue Kombinationen von Betalaktamen und Betalaktamaseinhibitoren an. Auch das Cephamycin Cefoxitin bietet interessante Optionen.</p> <hr /> <p class="article-content"><div id="Keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Mikrobiologie ist heute wichtiger denn je &ndash; gerade MRGN m&uuml;ssen gezielt behandelt werden.</li> <li>Carbapeneme sollten nur bei entsprechender Indikation eingesetzt werden.</li> <li>Wo es m&ouml;glich ist, sollten Alternativen wie z.B. Amoxicillin/Clavulans&auml;ure oder Piperacillin/ Tazobactam zum Einsatz kommen.</li> <li>Cephalosporine sollten nach M&ouml;glichkeit vermieden werden.</li> <li>Cefoxitin k&ouml;nnte jedoch eine Alternative zu Carbapenemen bei ESBL-bildenden E. coli darstellen.</li> <li>Die Verwendung von (neuen) Betalaktam/ Betalaktamaseinhibitor- Kombinationen anstelle von Carbapenemen ist sinnvoll, aber eine Kostenfrage.</li> <li>Krankenhaushygienische Ma&szlig;nahmen sollten strikt beachtet werden.</li> <li>Risikopatienten (Anamnese wichtig!) sollten isoliert werden.</li> </ul> </div> <p>W&auml;hrend in Europa und damit auch in &Ouml;sterreich die Rate an multiresistenten Staphylokokken, wie MRSA, im Wesentlichen konstant bleibt oder sogar absinkt, haben wir ein schon seit Jahren zunehmendes Problem mit multiresistenten gramnegativen Erregern&ldquo;, so Univ.- Prof. Dr. Florian Thalhammer, Klinische Abteilung f&uuml;r Infektionen und Tropenmedizin, Medizinische Universit&auml;t Wien.</p> <h2>Resistenzmechanismen</h2> <p>Einer der wesentlichen Resistenzmechanismen von Enterobakterien ist die Produktion von Betalaktamasen. Diese k&ouml;nnen unterschiedlich eingeteilt werden. &Uuml;blich ist u.a. die Einteilung nach Ambler (Klassen A-D). Neben sogenannten &bdquo;Extended spectrum&ldquo;-Betalaktamasen (ESBL) gibt vor allem auch die Zunahme von Carbapenemase-produzierenden Enterobakterien- St&auml;mmen Anlass zur Sorge. Zur letzteren Gruppe geh&ouml;ren z.B. Metallobetalaktamasen wie VIM oder NDM (Ambler- Klasse B) sowie OXA-48 (Klasse D) oder KPC (Klasse A). ESBL werden h&auml;ufig von Klebsiellen, E. coli und Proteus mirabilis gebildet, eher selten von Enterobacter-Spezies, Pseudomonas aeruginosa, Citrobacter freundii, Morganella morganii oder Serratia marcescens.</p> <h2>MRGN</h2> <p>Im Jahr 2012 schuf das Robert-Koch- Institut (RKI) in Deutschland eine Definition f&uuml;r multiresistente gramnegative Erreger, kurz MRGN. Die Definition basiert nicht auf dem Resistenzmechanismus, sondern lediglich auf der ph&auml;notypischen Resistenz gegen bestimmte Leitsubstanzen, ist also per definitionem keine mikrobiologische, sondern eine krankenhaushygienische Einteilung. Tabelle 1 zeigt die vier hier relevanten Antibiotikagruppen und ihre Leitsubstanzen.<br /><br /> Ist ein Erreger gegen drei dieser vier Substanzgruppen resistent, so wird er als &bdquo;3MRGN&ldquo; bezeichnet, ist er gegen alle vier Gruppen resistent, so lautet die Bezeichnung &bdquo;4MRGN&ldquo;.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Infekt_1703_Weblinks_s8-tab1.jpg" alt="" width="1419" height="457" /></p> <h2>Therapiem&ouml;glichkeiten</h2> <p>Gegen Enterobakterien, die zur Gruppe der 4MRGN z&auml;hlen, gibt es nur wenige Therapiem&ouml;glichkeiten. Infrage kommen unter anderem Colistin, Tigecyclin und evtl. Fosfomycin.<br /> Colistin (oder Polymyxin E) ist eigentlich eine jahrzehntealte Substanz, die in letzter Zeit aufgrund der MRGN-Problematik eine Renaissance erfahren hat. Als &bdquo;loading dose&ldquo; werden 12 Millionen Einheiten verabreicht, als Erhaltungsdosis zweimal t&auml;glich 4,5 Millionen Einheiten. Die Infusionsdauer kann bis zu zwei Stunden betragen. Eine Aufteilung auf drei Einzeldosen ist m&ouml;glich.<br /> Ein interessanter Ansatz ist die Kombination von Colistin mit Daptomycin bei Infektionen mit Acinetobacter baumannii. W&auml;hrend eine Monotherapie mit Daptomycin in diesem Fall wirkungslos bleibt, wirkt die Kombinationstherapie besonders gut. Das d&uuml;rfte &ndash; wenngleich es sich hier noch um eine Hypothese handelt &ndash; daran liegen, dass Colistin es durch Aufbrechen der Zellmembran erm&ouml;glicht, dass Daptomycin, das sonst nur bei grampositiven Erregern wirkt, seine Zielstruktur erreicht.<br /><br /> Tigecyclin wirkt gegen eine Reihe von grampositiven und gramnegativen Erregern, darunter auch ESBL-bildende Enterobakterien und Acinetobacter baumannii sowie Stenotrophomonas maltophilia, nicht jedoch gegen Pseudomonas aeruginosa. Laut Fachinformation wird am ersten Tag eine &bdquo;loading dose&ldquo; von 100mg verabreicht, ab dem zweiten Tag zweimal 50mg (allerdings sind aus klinischer Sicht Tagesdosen von 200 bis 300mg Tigecyclin notwendig und erprobt). Die Verabreichung mit gleichzeitiger Nahrungsaufnahme reduziert eine h&auml;ufige Nebenwirkung von Tigecyclin, die &Uuml;belkeit, w&auml;hrend eine Infusionsdauer von mehr als vier Stunden das Risiko f&uuml;r Nausea erh&ouml;ht.</p> <h2>M&ouml;gliche Strategien</h2> <p>Grunds&auml;tzlich lassen sich verschiedene Strategien definieren, um das MRGN-Problem in den Griff zu bekommen. Grundlage ist zun&auml;chst eine gute Zusammenarbeit mit dem mikrobiologischen Labor, da es gerade bei MRGN auch auf die exakte Bestimmung des Resistenzmechanismus ankommt. Die zweite Grundlage besteht in der m&ouml;glichst exakten Definition und Anwendung krankenhaushygienischer Ma&szlig;nahmen &ndash; und somit in einer guten Kooperation mit den zust&auml;ndigen Krankenhaushygienikern. Risikopatienten sollten im Zweifelsfall isoliert werden.<br /><br /> Antibiotic Stewardship ist ein Prinzip, das bei der Auswahl von antimikrobiellen Substanzen stets mitgedacht werden sollte.<br /><br /> Carbapeneme gelten als Reservesubstanzen, wenn andere Betalaktame nicht mehr wirken. Ihre Wirksamkeit beruht, wie bei allen Betalaktamen, auf der Zeit, w&auml;hrend deren der Plasmaspiegel &uuml;ber der minimalen Hemmkonzentration (MHK) liegt. Daher ist die Wirksamkeit von Carbapenemen vor allem eine Frage der Dosierung. Leider entsprechen die zugelassenen Dosierungen nicht immer den klinischen Notwendigkeiten. So sollten Carbapeneme in Dosierungen von dreimal 1 bis 2g t&auml;glich verabreicht werden.<br /><br /> Die Frage ist, ob man Alternativen zu Carbapenemen bereits vorsorglich oder erst dann einsetzen sollte, wenn Carbapenemresistenzen auftreten.<br /><br /> Eine wichtige Rolle werden in Zukunft neue Kombinationen von Betalaktamen (BL) mit (ebenfalls neuen) Betalaktamaseinhibitoren (BLI) spielen. Einer dieser neuen BLI ist Avibactam, das sich u.a. dadurch von anderen BLI differenziert, dass es keine Betalaktamstruktur aufweist und damit auch keine Betalaktamasen induziert. Avibactam stellt die Aktivit&auml;t von Ceftazidim (mit dem es als Fixkombination vorliegt) und anderen BL-Antibiotika gegen Betalaktamasen der Klassen A, C und D wieder her und erlaubt damit den Einsatz niedrigerer Wirkstoffkonzentrationen.<br /><br /> Eine M&ouml;glichkeit, BLI zu beurteilen, ist die Messung der Anzahl von BLI-Molek&uuml;len, die notwendig sind, um eine Betalaktamase irreversibel zu hemmen. Dieser Wert liegt f&uuml;r Clavulans&auml;ure oder Sulbactam bei einigen Betalaktamasen im f&uuml;nfoder sechsstelligen Bereich, w&auml;hrend es bei Avibactam nur ein bis f&uuml;nf Molek&uuml;le braucht.<br /><br /> Neue derzeit noch nicht verf&uuml;gbare Kombinationen, wie z.B. Ceftarolin/Avibactam, w&uuml;rden ein noch breiteres Wirkspektrum aufweisen als Ceftazidim/Avibactam, das bereits erh&auml;ltlich ist.<br /><br /> Wichtig ist, dass die Wirkung des BLI w&auml;hrend der gesamten Wirkdauer des BL anhalten muss; es ist also eine &auml;hnliche Pharmakokinetik von BL und BLI erforderlich. Hier ist auch auf den Einfluss der Nierenfunktion zu achten.<br /><br /> Eine weitere bereits erh&auml;ltliche Kombination ist Ceftolozan/Tazobactam. Diese Kombination zeigt in vitro Aktivit&auml;t gegen Pseudomonas aeruginosa, einschlie&szlig;lich von St&auml;mmen, die gegen Ceftazidim, Meropenem, Levofloxacin und Piperacillin/ Tazobactam resistent sind, gegen E. coli und Klebsiella pneumoniae, jeweils einschlie&szlig;lich ESBL-positiver St&auml;mme.</p> <h2>Die Rolle von Cefoxitin</h2> <p>Cefoxitin ist ein Cephamycin-Antibiotikum, eine Klasse, die mit den Cephalosporinen sehr nah verwandt ist und ihnen manchmal auch zugerechnet wird. Erste Daten weisen darauf hin, dass Cefoxitin bei Infektionen mit ESBL-bildenden E. coli eine Alternative zu Carbapenemen darstellen k&ouml;nnte. Derzeit bestehen hohe Empfindlichkeitsraten von ESBL-bildenden E. coli gegen Cefoxitin &ndash; in einer Studie lagen diese bei 90 % .</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Vortrag „MRGN-Therapie im Krankenhaus“ von Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer im Rahmen des „Giftigen Donnerstags Hospital“, 10. November 2016, Graz </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Vortragenden</p> </div> </p>
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