Massive Läsionen der Rotatorenmanschette

Arthroskopisches Débridement oder Teilrepair

<p class="article-intro">Bei körperlich aktiven Patienten mit massiven Läsionen der Rotatorenmanschette sollte – wann immer möglich – versucht werden, mit einem arthroskopischen Teilrepair die Zentrierfunktion der Rotatoren wiederherzustellen. Patienten mit geringen funktionellen Ansprüchen und dem Hauptwunsch Schmerzreduktion darf ein arthroskopisches Débridement angeboten werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>L&auml;sionen der Rotatorenmanschette (RM) sind eine h&auml;ufige Ursache f&uuml;r Schmerzen und Funktionsst&ouml;rungen des Schultergelenkes. Sehnenl&auml;sionen k&ouml;nnen partiell oder komplett sein, wobei der &Uuml;bergang von einer grossen Einzell&auml;sion &uuml;ber die mindestens zwei Sehnen umfassende massive L&auml;sion bis hin zur irreparablen L&auml;sion oft fliessend ist. W&auml;hrend die operative Reinsertion kleiner und mittelgrosser L&auml;sionen heute eine anerkannte Behandlungsmethode mit guten Resultaten und geringer Rerupturrate darstellt, bleibt die geeignete Behandlung von grossen und massiven L&auml;sionen der RM kontrovers diskutiert. Vorliegender Beitrag soll aufzeigen, was ein Teilrepair oder ein D&eacute;bridement ortsst&auml;ndiger Gewebe zur Behandlung dieser Grenzsituation beitragen kann.</p> <h2>Strukturelle Abgrenzung reparabler von irreparablen Defekten</h2> <p>Bei der Abduktion wird der Humeruskopf durch eine komplexe Interaktion gegenl&auml;ufig wirkender Muskel-Sehnen-Einheiten der RM stabilisiert, die ihre Wirkung &uuml;ber das sogenannte Rotatorenkabel auf den Humeruskopf &uuml;bertragen. Burkhart hat diese arthroskopisch gut einsehbare Struktur exakt beschrieben und erkannt, dass selbst grosse ansatznahe Einzell&auml;sionen funktionell kompensiert bleiben, solange sich der Defekt nicht &uuml;ber die Kabelregion hinaus nach medial oder auf eine zweite benachbarte Sehne ausdehnt. An einem massiven Defekt der RM sind definitionsgem&auml;ss mindestens zwei Sehnen beteiligt und die Gr&ouml;sse des Defektes muss im Sagittaldurchmesser mehr als 5cm betragen. Ein massiver Defekt der RM gilt als zumindest partiell rekonstruierbar und wird vom irreparablen Defekt abgegrenzt. Faktoren wie Sehnenqualit&auml;t, Retraktionsgrad, Atrophie und Fettinfiltrationsgrad der Muskulatur bestimmen in hohem Masse, ob ein ausgedehnter Defekt der RM noch erfolgreich repariert werden kann oder irreparabel ist. Demnach gilt ein massiver Defekt nicht mehr als reparabel, wenn der Humeruskopf statisch dezentriert ist (humeroakromiale Distanz &lt;7mm) und eine Atrophie mit fettiger Infiltration der Muskulatur &gt;50 % vorliegt.</p> <h2>Klinische Erscheinung massiver RM-Defekte</h2> <p>Klinisch beklagt ein funktionell noch kompensierter Patient idealerweise nur Schmerzen mit einem wenig st&ouml;renden Kraftverlust und erhaltener Elevation. H&auml;ufig aber dekompensieren massive Defekte der RM mit einem progredienten Verlust der Humeruskopfzentrierung und Entwicklung einer dynamischen Subluxation. Diese Patienten k&ouml;nnen den abgespreizten Arm im Raum nicht mehr stabilisieren und kompensieren den Elevationsausfall durch Scapulahochzug. Auch kann aktiv die vom Untersucher passiv eingestellte maximale Armrotation nicht gehalten werden, was man als positives &laquo;Lag-Zeichen&raquo; bezeichnet.</p> <h2>Indikation Teilrepair versus D&eacute;bridement</h2> <p>Nicht selten kommt es bei einer chronischen, bisher gut kompensierten L&auml;sion der Supraspinatussehne durch ein traumatisches Ereignis zu einer akuten Dekompensation mit Elevationspseudoparalyse, bedingt durch einen frischen Abriss der Infraspinatus- oder der Subscapularissehne. Das MRT hilft dann, die vorbestehende, eventuell irreparable L&auml;sion der Supraspinatussehne von den frischen, durchaus reparablen Sehnenrupturen abzugrenzen. In dieser Situation wird zwar eine komplette Rekonstruktion der Rotatorenmanschette kaum m&ouml;glich sein, aber mit einem Teilrepair der frischen Sehnenruptur sollte die Wiederherstellung der Schulterfunktion angestrebt werden. <br /> Symptomatischen Patienten ohne Trauma in der Anamnese, welche im konventionellen R&ouml;ntgen noch keine wesentliche Omarthrose, aber im MRT eine strukturell als irreparabel zu beurteilende Massenruptur zeigen, kann bei Versagen der konservativen Therapie ein D&eacute;bridement angeboten werden, mit dem Hauptziel der Schmerzreduktion.</p> <h2>Technik D&eacute;bridement</h2> <p>Die Technik des arthroskopischen D&eacute;bridements umfasst unter Einsatz motorisierter Instrumente die Resektion des subakromialen Bursakomplexes, entz&uuml;ndeter Synovialmembranen sowie die Abl&ouml;sung von Adh&auml;sionen. Die Sehnenr&auml;nder werden mobilisiert und die Sehnenst&uuml;mpfe gegl&auml;ttet. Mit der Einf&uuml;hrung der bipolaren Hochfrequenzsonden konnten Durchf&uuml;hrbarkeit und Wirksamkeit des D&eacute;bridements wesentlich verbessert werden, da damit erst eine gezielte Blutstillung und Denervation von Schmerzrezeptoren m&ouml;glich wurden.</p> <h2>Bicepstenotomie/Tenodese</h2> <p>Bei grossen L&auml;sionen der RM finden sich h&auml;ufig auch pathologische Ver&auml;nderungen der langen Bicepssehne. Diese zeigt dann degenerative Auffaserungen und Teilrupturen im Bereich des Bicepsankers am Glenoidoberpol (SLAP-L&auml;sion) und/oder bei Eintritt in den kn&ouml;chernen Sulcus bicipitalis am proximalen Humerus. Hier wird die Bicepssehne durch kapsuloligament&auml;re Verst&auml;rkungen (Biceps-Pulley-System) gef&uuml;hrt und stabilisiert. Die vorderen Anteile der Supraspinatussehne und die oberen Anteile der Subscapularissehne begrenzen das sogenannte vordere Rotatorenintervall. Bei Ausdehnung der Rotatorensehnenl&auml;sion ins vordere Intervall kommt es oft zur Zerst&ouml;rung des Pulley-Systems und damit zur Luxation der langen Bicepssehne aus dem Sulcus. Die Folge dieser Instabilit&auml;t ist eine schmerzhafte mechanische Irritation. In zahlreichen Publikationen wird die pathologisch ver&auml;nderte Bicepssehne als signifikante Teilkomponente in der Entstehung des anterosuperioren Schulterschmerzes gesehen. Daher wird bei den beschriebenen pathologischen Ver&auml;nderungen die Tenotomie der langen Bicepssehne empfohlen.<br /> Bei j&uuml;ngeren, schlanken Patienten mit hohem kosmetischem Anspruch wird man sich alternativ f&uuml;r eine Tenodese entscheiden, hingegen spricht eine hochgradige Partialruptur mit schlechter Sehnenqualit&auml;t eher f&uuml;r eine Tenotomie (Abb. 1).<br /> Zwar ist nach Tenotomie mit einem messbaren Kraftverlust der Ellbogenflexion zu rechnen, allerdings hat dies kaum funktionelle Auswirkungen f&uuml;r den Patienten. In etwa der H&auml;lfte der F&auml;lle beobachtet man auch eine Distalisierung des Bicepsmuskelreliefs (&laquo;Popeye sign&raquo;). Kaum ein Patient wertet jedoch sein postoperatives Ergebnis als &laquo;gut&raquo; oder &laquo;schlecht&raquo;, basierend auf dem kosmetischen Erscheinungsbild, sofern er vorab dar&uuml;ber informiert worden ist.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1703_Weblinks_s14.jpg" alt="" width="1417" height="1681" /></p> <h2>Zus&auml;tzliche Eingriffe am Knochen</h2> <p>Die Notwendigkeit und das Ausmass einer zus&auml;tzlichen Akromioplastik bei massiven L&auml;sionen der RM werden in der Literatur kontrovers diskutiert. Typischerweise kommt es zu einer allm&auml;hlich fortschreitenden Migration des Humeruskopfes nach kranial. Als wichtiger passiver Stabilisator wirkt der korakoakromiale Bogen dieser Dezentrierung entgegen, weshalb eine Akromioplastik und Resektion des Ligamentum coracoacromiale kein fester Bestandteil der Operation sein sollten.<br /> Alternativ zur klassischen Akromioplastik kann durch eine kn&ouml;cherne Abtragung und eine Gl&auml;ttung des Tuberculum majus (Tuberoplastik) eine gleichwertige Entlastung des Subacromialraumes unter Erhalt des korakoakromialen Bogens erreicht werden. <br /> Eine klinisch schmerzhafte und bildgebend objektivierbare AC-Gelenksarthrose sollte gegebenenfalls durch eine AC-Gelenksresektion mitversorgt werden. Somit ist das arthroskopische D&eacute;bridement mit Bicepstenotomie, allenfalls mit inverser Tuberoplastik und gegebenenfalls erg&auml;nzender AC-Resektion, eine ausgezeichnete Behandlungsmethode f&uuml;r &auml;ltere, schmerzgeplagte Patienten, die den Arm vorab in der horizontalen Ebene noch eigenst&auml;ndig halten k&ouml;nnen und postoperativ eine zwar kraftgeminderte, aber weitgehend schmerzfreie Schulterfunktion erwarten.</p> <h2>Technik Teilrepair</h2> <p>Bei der Versorgung massiver Defekte der RM geht es prim&auml;r um die Wiederherstellung der Balance zwischen den transversalen Kr&auml;ften von Subscapularis- und Infraspinatus-Muskulatur. Nach einer ausgedehnten Bursektomie kann die meist u-f&ouml;rmige Gestalt der massiven L&auml;sion der RM identifiziert werden. Unter Referenzierung auf die Korakoidbasis und die Spina scapulae werden das vordere und das hintere Rotatorenintervall dargestellt, womit die Sehnenr&auml;nder definiert sind. Unter Einsatz von Traktionsf&auml;den werden nun retrahierte und adh&auml;rente Sehnenanteile abgel&ouml;st und mobilisiert. <br /> Die kn&ouml;cherne Insertionsfl&auml;che am Tuberculum wird angefrischt (eventuell leicht medialisiert, um eine m&ouml;glichst spannungsfreie Reinsertion der Sehnen mit Fadenankern zu erm&ouml;glichen, was meist nur in Einreihentechnik gelingt). Gelingt der Teilrepair der entsprechenden Sehnen, kann der Restdefekt der irreparablen Supraspinatussehne durch Quern&auml;hte in &laquo;margin convergence techniqe&raquo; verkleinert werden.</p> <h2>Bevorzugtes eigenes Vorgehen</h2> <p>Im konventionellen R&ouml;ntgen werden eine h&ouml;hergradige Omarthrose sowie eine Humeruskopfdezentrierung mit Verminderung der humeroakromialen Distanz &lt;7mm ausgeschlossen, da sich diese Patienten f&uuml;r eine inverse arthroplastische Versorgung qualifizieren. Im erg&auml;nzenden Arthro-MRT werden Defektgr&ouml;sse, Sehnenretraktionsgrad und Atrophie bzw. fettige Infiltration der beteiligten Muskulatur beurteilt. Aufgrund der pr&auml;operativen Klinik, erg&auml;nzt durch die Schichtbilddiagnostik, gelingt es uns in den meisten F&auml;llen, vorab festzulegen, ob beim arthroskopisch geplanten Eingriff ein Teilrepair oder nur ein D&eacute;bridement durchgef&uuml;hrt wird. Die pr&auml;operative Narkoseuntersuchung ist wertvoll zur Erfassung und Behandlung von Kapselverk&uuml;rzungen im Rahmen einer komplizierenden Kapsulitis.<br /> Vorab erfolgt die diagnostische Arthroskopie des Schultergelenkes zur Beurteilung der Synovialis, des Zustandes der langen Bicepssehne sowie des Gelenkknorpels und des Labrums. Dann erfolgt eine ausgedehnte Bursektomie mit D&eacute;bridement der instabilen RM-Reste am Tuberculum majus sowie eine epitendin&ouml;se und paraglenoidale Adh&auml;siolyse zur Mobilisation der retrahierten Sehnenst&uuml;mpfe. Erst jetzt kann das Ausmass des Defektes in sagittaler und koronarer Ebene abgesch&auml;tzt und die genaue Gestalt der Massenruptur identifiziert werden. Bei grossem Defekt mit retrahierter Sehne gilt es, unter Einsatz der Fasszange (Abb. 2) abzusch&auml;tzen, ob diese weit genug nach lateral zur urspr&uuml;nglichen Insertion ans Tuberculum mobilisierbar ist, um so eine m&ouml;glichst spannungsarme Reinsertion mit Knochenankern in Einreihentechnik zu realisieren, was wir &ndash; wenn immer m&ouml;glich &ndash; anstreben. Beim Teilrepair favorisieren wir die Bicepstenotomie und nutzen alle Ankerf&auml;den f&uuml;r die Reinsertion wichtiger Sehnen (Abb. 3 und 4). Erg&auml;nzend wird eine sparsame AC-Plastik durchgef&uuml;hrt. Wenn ein Teilrepair nicht m&ouml;glich ist, beschr&auml;nken wir uns auf das D&eacute;bridement der Weichteile mit Bicepstenotomie und anstelle einer AC-Plastik wird gelegentlich die Tuberoplastik durchgef&uuml;hrt. Nur selten &ndash; bei schlanken, k&ouml;rperlich aktiven Patienten &ndash; f&uuml;hren wir anstelle der Bicepstenotomie eine Interferenzschraubentenodese durch. <br /> Bei allen Patienten mit symptomatischer AC-Arthrose wird zus&auml;tzlich eine arthroskopische AC-Resektion vorgenommen.</p> <h2>Nachbehandlung und Resultate</h2> <p>Die Nachbehandlung eines Teilrepairs erfolgt nach den Kriterien der prim&auml;r kompletten RM-Rekonstruktion. F&uuml;r 6 Wochen wird der Arm auf einer Abduktionsorthese gelagert und nur passiv anmobilisiert, dann folgen weitere 6 Wochen aktive Mobilisation ohne Widerstand, nach 12 Wochen dann der sequenzielle Belastungsaufbau. <br /> Nach arthroskopischem D&eacute;bridement hingegen kann weitgehend funktionell mit aktivassistiven &Uuml;bungen nachbehandelt werden. Aufgrund der aufwendigeren Nachbehandlung nach Teilrepair mit h&ouml;herem Risiko f&uuml;r eine ausbleibende Einheilung bzw. f&uuml;r eine Reruptur muss der ausf&uuml;hrlichen Aufkl&auml;rung des Patienten gen&uuml;gend Zeit einger&auml;umt werden. Der Erfolg der Rekonstruktion h&auml;ngt letztlich auch von dessen Compliance bez&uuml;glich der Nachbehandlung ab.<br /> Gelingt die Wiederherstellung der &laquo;force couples&raquo; durch Teilrepair der RM, lassen sich nach abgeschlossener Rehabilitation eine signifikante Schmerzminderung und eine Verbesserung der Beweglichkeit feststellen, zum Teil auch eine bessere Elevationskraft. Auch nach D&eacute;bridement mit Bicepstenotomie kann eine signifikante Verbesserung des postoperativen Constant Score erwartet werden, aber es kommt im Verlauf h&auml;ufig zu einer progredienten Abnahme des humeroakromialen Abstandes und zu einer raschen Zunahme radiologischer Arthrosezeichen.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: beim Verfasser </p>
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