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Kinder- und Jugendgynäkologie beim niedergelassenen Gynäkologen

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen

<p class="article-intro">Die gynäkologischen Erkrankungen der Kinder unterscheiden sich wesentlich von jenen in der Pubertät und im Jugend- sowie im Erwachsenenalter. Aufgrund der unterschiedlichen hormonellen Situation der Kinder kommt es zu anderen Krankheitsbildern, die zum Teil auch andere Therapien erfordern. Deshalb ist die Kenntnis der Entwicklungsperioden und der Fehlbildungen bei Kindern und Jugendlichen die wichtigste Grundvoraussetzung für eine profunde und hilfreiche kinder- und jugendgynäkologische Begutachtung.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Neben der &uuml;blichen allgemeinen Anamnese wird bei Kindern noch zus&auml;tzlich auf die Gr&ouml;&szlig;e und auf das Gewicht geachtet, ebenso auf das Tanner-Stadium. Dieses gibt in einer sehr klaren Art und Weise den hormonellen und k&ouml;rperlichen Entwicklungszustand der Kinder wieder. Entsprechend den Tanner-Abbildungen werden die Br&uuml;ste sowie die Schambehaarung der Kinder beurteilt und in Stadien eingeteilt. Diese Stadien entsprechen dem Bild der hormonellen Entwicklung in der Pubert&auml;t (Abb. 1).<br /> Entsprechend ihrer hormonellen Entwicklung werden Kinder drei Phasen zugeordnet: Neugeborenenphase, hormonelle Ruhephase, Pubert&auml;t. Die Hymenalentwicklung verl&auml;uft diesen hormonellen Phasen entsprechend (Abb. 2).<img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Gyn_1704_Weblinks_gyn_1704_seite_9_abb1.jpg" alt="" width="1045" height="1292" /> <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Gyn_1704_Weblinks_gyn_1704_seite_10_abb2.jpg" alt="" width="1418" height="947" /></p> <h2>Neugeborenenphase</h2> <p>Intrauterin wirkt der &Ouml;strogenspiegel der Mutter auf den F&ouml;tus. Deshalb kommt es nach der Geburt bei weiblichen Kindern zu einer Anschwellung der Schamlippen sowie zu einem Austritt von Fl&uuml;ssigkeit aus der Scheide, der als neonataler Fluor vaginalis beschrieben wird und physiologisch ist. <br />Nach Abschluss der neonatalen Phase tritt das Kind in eine hormonelle Ruhephase ein, die bis zum Beginn der Pubert&auml;t anh&auml;lt. Diese Phase ist gekennzeichnet durch einen sehr niedrigen &Ouml;strogenspiegel, dementsprechend ist sowohl das &auml;u&szlig;ere als auch das innere Genitale nicht sehr stark durchblutet. Das Hymen stellt sich in diesem Alter als sehr zart und durchscheinend dar.<br /> In diesem Alter wird bei einer Ultraschalluntersuchung mit gef&uuml;llter Blase die Geb&auml;rmutter sehr zart dargestellt sein, das Verh&auml;ltnis der Geb&auml;rmutter zum Geb&auml;rmutterhals ist noch deutlich zugunsten des Geb&auml;rmutterhalses verschoben.</p> <h2>Pubert&auml;t</h2> <p>Etwa ein bis zwei Jahre vor Beginn der Menarche beginnt das Brustwachstum der M&auml;dchen. Die Brust schwillt an, sehr h&auml;ufig schmerzhaft, und zeigt durch ihr Wachsen die Steigerung der weiblichen Hormone, der &Ouml;strogene, an.<br /> Etwa ein Jahr bevor die Menarche dann eintritt, erlebt das Kind einen deutlichen Wachstumsschub, zu diesem Zeitpunkt kommt es auch zu einer vermehrten Sekretion aus der Scheide, die oft als unangenehmer Ausfluss erlebt wird, jedoch in keiner Weise behandlungsbed&uuml;rftig ist, da sie lediglich ein Ausdruck der hormonellen Ver&auml;nderung ist. Die Schambehaarung kann schon vor dem Brustwachstum beginnen, teilweise auch erst mit Beginn der Brustentwicklung.<br /> Etwa zwei Jahre nach Beginn der Brustentwicklung kommt es zum Eintreten der ersten Menstruation. Diese ersten Blutungen k&ouml;nnen noch etwas unregelm&auml;&szlig;ig sein, h&auml;ufig kommt es auch zum Auftreten von Regelschmerzen.</p> <h2>Warum Kinder in einer gyn&auml;kologischen Praxis vorgestellt werden</h2> <p>Die h&auml;ufigsten Gr&uuml;nde, warum Kinder von ihren M&uuml;ttern in eine gyn&auml;kologische Praxis gebracht werden, sind die Symptome Juckreiz, Ausfluss und R&ouml;tung.</p> <h2>Die Untersuchung</h2> <p>Die Untersuchung der Kinder wird in Steinschnittlage mit angezogenen und gespreizten Beinen auf einer Liege oder einem gyn&auml;kologischen Stuhl durchgef&uuml;hrt. Zuerst erfolgt die Inspektion mit freiem Auge bzw. mit dem Kolposkop, danach eine Separation und Traktion der Schamlippen. Dabei werden beidseits die gro&szlig;en Schamlippen vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger gefasst und vorsichtig nach vorne und etwas seitlich gezogen. Dabei &ouml;ffnet sich der Introitus und das Hymen ist gut einsehbar. Durch die Atmung beginnt sich das Hymen zu weiten und es ist m&ouml;glich, den Hymenalsaum im Kolposkop allseitig gut zu beurteilen, ebenso die Scheidenw&auml;nde und eine Sekretion der Scheide.<br /> Sollte das Kind mit einer Blutung vorstellig geworden sein, muss an die Durchf&uuml;hrung einer Vaginoskopie zum Ausschluss eines Fremdk&ouml;rpers oder eines Tumors gedacht werden. In den meisten F&auml;llen kann auf eine Vaginoskopie jedoch verzichtet werden, denn die beschriebene Inspektion ist zumeist f&uuml;r eine Diagnostik ausreichend.<br /> Wenn tats&auml;chlich eine R&ouml;tung oder ein Ausfluss aus der Scheide festgestellt wird, sollte ganz vorsichtig mit einem sehr d&uuml;nnen sterilen Wattetr&auml;ger Sekret gewonnen werden. Dabei ist streng darauf zu achten, dass mit dem St&auml;bchen nicht das Hymen ber&uuml;hrt wird, da es in der hormonellen Ruhephase f&uuml;r die Kinder sehr schmerzhaft und damit auch traumatisierend ist. Des Weiteren muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die Kultur intravaginal abgenommen wird, da im Bereich des Introitus mit sehr hoher Sicherheit Stuhlkeime zu finden sind. Diese k&ouml;nnen zu einer falschen Diagnose und nachfolgend falscher Therapie f&uuml;hren.</p> <h2>Hygiene und Infektionen</h2> <p>H&auml;ufig finden sich R&ouml;tungen und Fluor, die auf Hygienem&auml;ngel zur&uuml;ckzuf&uuml;hren sind. Vor allem bei kleinen M&auml;dchen, die selbstst&auml;ndig auf die Toilette gehen, kann es vorkommen, dass der Harn bei der zu tiefen Positionierung des Ges&auml;&szlig;es in die Scheide zur&uuml;ckrinnt und dort zu einer Reizung f&uuml;hrt. Beim Aufstehen kommt es zudem zu einem Nachtr&ouml;pfeln und zu N&auml;sse im Scheideneingangsbereich, die eine Sch&auml;digung der Haut nach sich ziehen kann. In diesen F&auml;llen sind lediglich eine Aufkl&auml;rung der Mutter und eine Ver&auml;nderung des Hygieneverhaltens sowie eine Behandlung mit Fettsalben notwendig. Liegen jedoch Infektionen mit Escherichia coli, Enterokokken oder Streptokokken B vor, m&uuml;ssen diese nat&uuml;rlich behandelt werden.<br /> Vaginale Pilzerkrankungen w&auml;hrend der hormonellen Ruheperiode sind selten, da f&uuml;r das Wachstum der Hyphen &Ouml;strogene notwendig sind.</p> <h2>Fehlbildungen</h2> <p>Wenn Kinder wegen Harnverlust die Praxis aufsuchen, muss einerseits daran gedacht werden, dass die Ursache, wie oben beschrieben, ein R&uuml;ckfluss des Harns in die Scheide sein kann. Das anschlie&szlig;ende Heraustr&ouml;pfeln aus der Scheide kann f&auml;lschlicherweise wie ein unwillk&uuml;rlicher Harnverlust wirken. Andererseits sollte in diesem Zusammenhang an Nieren- und Ureterfehlbildungen mit einer eventuellen Fehleinm&uuml;ndung des Ureters in die Scheide gedacht werden.</p> <h2>Lichen sclerosus</h2> <p>Bei Kindern kann ein von der Mutter und dem Kind beschriebener Juckreiz mit Ver&auml;nderung der Schamlippen durch Lichen sclerosus hervorgerufen werden. Die Ver&auml;nderungen bei den Kindern sind aufgrund der Kratzeffekte oft sehr dramatisch, nicht selten wird dieses Bild dann mit Verletzungen durch sexuellen Missbrauch verwechselt. Die Behandlung mit einer Kortisonsalbe und fetthaltiger Pflege ist die gleiche wie bei Erwachsenen.</p> <h2>Synechien</h2> <p>Bei kleinen Kindern kann es manchmal zu Verklebungen der Vulvar&auml;nder, sogenannter Vulvasynechie, kommen, in diesem Fall ist bei Kindern in der hormonellen Ruhephase eine Therapie nur dann notwendig, wenn diese Synechie einen Abfluss des Harns beeinflussen und verringern w&uuml;rde. Dann ist eine Lokaltherapie mit einer &ouml;striolhaltigen Creme notwendig, die von der Mutter mittels eines Wattetupfers zweimal am Tag mit leichtem Druck aufgetragen werden sollte.<br /> Ist die Vulvasynechie nur gering, kann die Mutter durchaus beruhigt werden. In diesem Fall und wenn die Vulvasynechie nicht fortschreitet, kann bis zur Pubert&auml;t gewartet werden. Aufgrund der &Ouml;strogenentwicklung in der Pubert&auml;t l&ouml;sen sich diese Vulvasynechien fast immer von selbst.</p> <h2>Zysten und Pubertas praecox</h2> <p>Immer wieder werden kleine Kinder mit unklaren Schmerzen im Unterbauch beim R&ouml;ntgenarzt vorstellig, der vereinzelt dann Ovarialzysten in der Gr&ouml;&szlig;enordnung von 1 bis 2cm findet. Diese machen den Kindern zumeist keine Beschwerden und sind kein Hinweis auf eine Pubertas praecox. Sie sollten lediglich beobachtet werden, eine Operation ist in den meisten F&auml;llen nicht notwendig.<br /> Sollte bei einem Kind eine hormonelle Ver&auml;nderung im Sinne einer Pubert&auml;t vor dem Alter von 8 Jahren beginnen bzw. bei noch j&uuml;ngeren Kindern pl&ouml;tzlich eine Brustentwicklung oder ein &uuml;berdurchschnittliches Wachstum stattfinden, sollten diese Kinder in einer gyn&auml;kologischen Praxis vorgestellt werden, da eine Pubertas praecox bzw. eine Pseudopubertas ausgeschlossen oder eventuell therapiert werden muss.</p> <h2>Monatsblutungen</h2> <p>Wie oben beschrieben kommt es etwa zwei Jahre nach Beginn der Brustentwicklung zur ersten Monatsblutung. Die ersten Monatsblutungen k&ouml;nnen sehr unterschiedlich in den Abst&auml;nden und auch in der St&auml;rke sein.<br /> Sollte es bei einem Kind zu einer au&szlig;ergew&ouml;hnlich starken Monatsblutung im Sinne einer juvenilen Hypermenorrh&ouml; kommen, muss an ein Von-Willebrand- Syndrom gedacht werden und eine diesbez&uuml;gliche Abkl&auml;rung und Therapie durchgef&uuml;hrt werden. Sollte eine Therapie mit Tranexams&auml;ure keine Verbesserung bringen, muss auch bei jungen Kindern aufgrund des teilweise sehr hohen Blutverlustes eine &Ouml;strogentherapie zum Anhalten der starken Blutung angewendet werden.<br /> Dysmenorrh&ouml; tritt h&auml;ufig bei Jugendlichen auf. Diese ist jedoch nur selten mit einer Endometriose als Grunderkrankung verkn&uuml;pft. Wenn ein Kind jedoch starke Regelschmerzen hat, sollte unbedingt eine Ultraschalluntersuchung bei gef&uuml;llter Harnblase durch die Bauchdecke erfolgen, da ja auch Uterusfehlbildungen oder Ver&auml;nderungen des Eierstockes bzw. Endometriose daf&uuml;r urs&auml;chlich sein k&ouml;nnen.</p> <h2>Kontrazeption</h2> <p>Ein wichtiger Punkt in der Jugendgyn&auml;kologie ist die Frage der Verh&uuml;tung. Aus rechtlicher Sicht darf in &Ouml;sterreich ab einem Alter von 14 Jahren eine hormonelle Verh&uuml;tung gegeben werden, da Jugendliche ab 14 Jahren eingeschr&auml;nkt rechtsf&auml;hig sind. Es ist jedoch notwendig, zuvor eine exakte Anamnese und Abkl&auml;rung bez&uuml;glich des Thrombophilierisikos durchzuf&uuml;hren.<br /> Die h&auml;ufigste Verh&uuml;tungsform bei Jugendlichen ist die Pille, da sie eine sichere Kontrazeption bietet und gleichzeitig das Blutungsverhalten verbessert, Regelschmerzen verringert sowie Hautunreinheiten bessern kann.<br /> Als Alternativen vor allem bei M&auml;dchen, die keine &Ouml;strogene einnehmen d&uuml;rfen, kann man eine Progesteronpille (POP) geben. Auch das Setzen eines gestagenhaltigen Hormonst&auml;bchens, das f&uuml;r drei Jahre wirkt, hat sich bew&auml;hrt und besonders bei M&auml;dchen mit einer mangelhaften Compliance zur t&auml;glichen Pilleneinnahme als sehr g&uuml;nstig erwiesen.<br /> Nach exakter Aufkl&auml;rung und k&ouml;rperlicher Untersuchung kann auch bei Jugendlichen eine kupferhaltige intrauterine Verh&uuml;tung oder eine intrauterine Hormonspirale gesetzt werden.</p> <h2>K&ouml;rperliche Ver&auml;nderungen</h2> <p>Bei heranwachsenden M&auml;dchen ist auch die k&ouml;rperliche Ver&auml;nderung ein sehr wichtiges Thema. Gr&ouml;&szlig;e und Form der Brust oder der Schamlippen werfen Fragen f&uuml;r die M&auml;dchen auf. Es ist hilfreich, ihnen ein vertrauensvolles Gespr&auml;ch anzubieten, in dem sie ihre Fragen offen stellen k&ouml;nnen. So kann es bei der Brustentwicklung zu Ver&auml;nderungen wie einer Tubenbrust oder unterschiedlich gro&szlig;en Br&uuml;sten kommen. In diesen F&auml;llen ist eine Beratung hinsichtlich einer operativen Angleichung bzw. einer operativen Behandlung der Brust angezeigt.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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