© wildpixel iStockphoto

Arterielle Hypertonie: essenzielle Diagnostik beim jungen Erwachsenen

<p class="article-intro">Bei Erstmanifestation einer Hypertonie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen muss eine sekundäre Hypertonie ausgeschlossen werden.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Bei Hypertonieerstmanifestation bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen soll immer eine sekund&auml;re Hypertonie ausgeschlossen werden, insbesondere bei negativer Familienanamnese.</li> <li>Insbesondere bei Jugendlichen muss neben den h&auml;ufigen Ursachen (renale und renovaskul&auml;re oder endokrinologische Erkrankungen) auch an eine Aortenisthmusstenose als Hypertonieursache gedacht werden.</li> </ul> </div> <h2>Hintergrund</h2> <p>Die prim&auml;re essenzielle Hypertonie ist die h&auml;ufigste Form der arteriellen Hypertonie. Sie tritt meist famili&auml;r geh&auml;uft auf (bei ca. 75 % der Patienten positive Familienanamnese bez&uuml;glich Hypertonie oder Nierenerkrankungen). Obwohl die Manifestation der essenziellen Hypertonie durch die Zunahme der kardiovaskul&auml;ren Risikofaktoren bei Kindern und Jugendlichen (z.B. Adipositas, Nikotinabusus) zunehmend auch im j&uuml;ngeren Lebensalter beobachtet wird, ist bei Hypertoniemanifestation bei unter 30-J&auml;hrigen und insbesondere vor der Pubert&auml;t eine sekund&auml;re Form der arteriellen Hypertonie auszuschlie&szlig;en. Zudem f&uuml;hrt eine nachgewiesene Therapieresistenz des Bluthochdruckes immer zum Verdacht f&uuml;r das Vorliegen einer sekund&auml;ren Hypertonieform. Die typischen Ursachen der sekund&auml;ren Hypertonie (bei ca. 5 % aller Hypertoniepatienten) bei Erwachsenen sind endokrine Erkrankungen (am h&auml;ufigsten Schilddr&uuml;senfunktionsst&ouml;rungen und Hyperaldosteronismus), Nieren- und Nierengef&auml;&szlig;erkrankungen.</p> <h2>Klinischer Fall einer 19-j&auml;hrigen Frau</h2> <p><strong>Basisdiagnostik</strong><br /> Eine 19-j&auml;hrige adip&ouml;se Frau (Body- Mass-Index 31kg/m<sup>2</sup>) wurde von einem Bezirkskrankenhaus zur Hypertonieabkl&auml;rung (Einholung einer Zweitmeinung) an die Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Innere Medizin IV (Klinik f&uuml;r Nephrologie und Hypertensiologie) Innsbruck zugewiesen. Bei der Patientin wurde im 12. Lebensjahr eine arterielle Hypertonie als Zufallsbefund diagnostiziert. Zuletzt kam es trotz dreifacher Kombinationstherapie (Olmesartan 40mg, Amlodipin 10mg und Hydrochlorothiazid 12,5mg) immer wieder zu symptomatischen Blutdruckentgleisungen mit Kopfschmerzen und Sehst&ouml;rungen. An Vorerkrankungen bestand ein Zustand nach Belastungsreaktion mit anschlie&szlig;ender Sertralintherapie (150mg/Tag). Die Patientin war Raucherin (10&ndash;20 Zigaretten/ Tag). Die bisherige Abkl&auml;rung bez&uuml;glich Ursachen f&uuml;r eine sekund&auml;re Hypertonie blieb ergebnislos: normales Ruhe- EKG, Echokardiografie bis auf geringgradige linksventrikul&auml;re Hypertrophie und bikuspide Aortenklappe unauff&auml;llig, die Nierenfunktion (Kreatinin 0,70mg/dl), Harnstatus und N-terminales pro B-Typ natriuretisches Peptid (NT-proBNP: 66,1ng/l) waren normal, die Abdomensonografie unauff&auml;llig (kein Hinweis f&uuml;r Nierenerkrankungen, Nierenarterienstenosen oder Raumforderungen im Bereich der Nebennieren). Eine Magnetresonanztomografie( MRT)-Angiografie der Nierenarterien und hirnversorgenden Arterien war unauff&auml;llig. Die bisherige endokrinologische Labordiagnostik war ebenso unauff&auml;llig (normale Schilddr&uuml;senhormon-, Aldosteron-, Reninaktivit&auml;ts-, Harnserotonin-, Harnkortisol- und Harnkatecholaminwerte).</p> <p><strong>Weiterf&uuml;hrende Diagnostik</strong><br /> <em>Anamnese:</em> H&auml;ufige Ursachen einer sekund&auml;ren Hypertonie sind Nebenwirkungen von Medikamenten oder Drogen (z.B. Kontrazeptiva, chronische Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika, Antidepressiva, Glukokortikoide, Alkohol, Kokain, Ecstasy, Amphetamine), hohe Natriumzufuhr &uuml;ber die Nahrung (z.B. Brausetabletten, Lakritze) oder Schnarchen mit Atempausen als Hinweis f&uuml;r Schlafapnoesyndrom. All das lag bis auf die Therapie mit einem Hormonimplantat zur Kontrazeption und Sertralin bei der Patientin nicht vor.</p> <p><em>Endokrinologische Diagnostik:</em> Neben Schilddr&uuml;senfunktionsst&ouml;rungen ist ein prim&auml;rer Hyperaldosteronismus (meistens verursacht durch eine bilaterale Nebennierenhyperplasie, seltener durch ein Aldosteron- produzierendes Adenom) die h&auml;ufigste endokrinologische Ursache einer sekund&auml;ren Hypertonie bei Erwachsenen. Die Patienten haben jedoch meist normale Kaliumkonzentrationen im Blut, eine Hypokali&auml;mie ist selten. Ein erh&ouml;hter Aldosteron- Renin-Quotient von &gt;20 (best&auml;tigt nach einem Kochsalzbelastungstest) f&uuml;hrt zur Verdachtsdiagnose. Auch bei Morbus Cushing ist der Habitus der betroffenen Patienten meist nicht typisch. Die Kortisolbestimmung im Blut oder Harn f&uuml;hrt zur Verdachtsdiagnose, die durch einen Dexamethason-Hemmtest (1mg Dexamethason i.v. um 23 Uhr und Kortisol im Blut abgenommen um 7 Uhr des Folgetages &gt;50nmol/l) oder alternativ durch Kortisolbestimmung im Speichel um 24 Uhr best&auml;tigt werden muss. Eine Hypertonie mit einer ansonsten nicht erkl&auml;rbaren Hyperkalz&auml;mie findet sich bei einem prim&auml;ren Hyperparathyreoidismus. Die Wiederholung der endokrinologischen Diagnostik bei dieser Patientin ergab keinen Hinweis f&uuml;r eine endokrinologisch verursachte Hypertonie, niedrige Aldosteron- und Reninkonzentrationen und eine niedrige Aldosteron- Renin-Ratio waren durch die Therapie mit Olmesartan verursacht (Tab. 1).</p> <p><em>Nieren- und Nierenarterienerkrankungen:</em> Die Anamnese bez&uuml;glich famili&auml;r geh&auml;ufter Nierenerkrankungen oder z.B. rezidivierender Pyelonephritiden war bei der Patientin unauff&auml;llig. Ebenso war die Nierenfunktion unver&auml;ndert normal, und sonografisch fanden sich wie in der bereits durchgef&uuml;hrten Abkl&auml;rung keine Hinweise f&uuml;r Nieren- bzw. Nierenarterienerkrankungen. Da bei schwerer, therapieresistenter Hypertonie bei einer jungen Frau auch an eine renovaskul&auml;re Hypertonie gedacht wurde, wurde zus&auml;tzlich bereits im Bezirkskrankenhaus eine MRT-Angiografie der Nierenarterien durchgef&uuml;hrt, um eine Nierenarterienbeteiligung im Rahmen einer fibromuskul&auml;ren Dysplasie auszuschlie&szlig;en. Beim h&auml;ufigeren generalisierten Befall der Nierenarterien bei dieser Erkrankung finden sich perlschnurartige Ver&auml;nderungen der Nierenarterien und ihrer &Auml;ste mit multiplen Stenosen und Aneurysmen. Der fokale Befall mit einer einzelnen umschriebenen Stenose ist bei fibromuskul&auml;rer Dysplasie seltener. Es fanden sich bei der Patientin auch keine fokalen, proximalen Nierenarterienstenosen, die typischerweise durch Arteriosklerose verursacht werden und daher &uuml;blicherweise bei &auml;lteren Patienten mit ausgepr&auml;gtem kardiovaskul&auml;rem Risikoprofil gefunden werden.</p> <p><em>Gef&auml;&szlig;anomalien:</em> Eine weitere insbesondere bei Kindern und Jugendlichen nicht zu vernachl&auml;ssigende Ursache f&uuml;r eine sekund&auml;re Hypertonie sind Gef&auml;&szlig;anomalien, typischerweise die Aortenisthmusstenose (Abb. 2). Bei dieser Erkrankung finden sich oft eine bikuspide Aortenklappe und auch nach operativer Korrektur der Coarctatio aortae im Kindesalter im sp&auml;teren Leben die Ausbildung eines Aneurysmas der Aorta ascendens. Typischerweise kommt es bei Aortenisthmusstenose &ndash; wie bei der Patientin &ndash; zur Hypertoniemanifestation im Kindes- und Jugendalter. Wegweisend in der Diagnostik sind Blutdruckmessungen an Armen und Beinen. Die typische Abschw&auml;chung der systolischen Blutdruckwerte in den Beinen und Abschw&auml;chung und Verz&ouml;gerung der palpierten Femoralpulse sind abh&auml;ngig vom Schweregrad der Aortenisthmusstenose und dem Ausma&szlig; der Kollateralenbildung zur &Uuml;berbr&uuml;ckung der Stenose. Bereits in einem Vorbefund wurden bei der Patientin deutlich niedrigere systolische Blutdruckwerte in den Beinen beschrieben (rechter Arm 165/90mmHg; linker Arm 160/95mmHg; rechtes Bein 145/90mmHg; linkes Bein: 130/90mmHg). Bei Abgang der Arteria subclavia sinistra nach der Aortenisthmusstenose kann sich auch eine signifikante (&gt;20mmHg) systolische Blutdruckdifferenz zwischen dem rechten und linken Arm insbesondere bei k&ouml;rperlicher Belastung finden (jedoch nicht bei dieser Patientin). In &Uuml;bereinstimmung mit den Vorbefunden konnte am Thorax ventral &uuml;ber dem Herzen kein Str&ouml;mungsger&auml;usch auskultiert werden, jedoch fand sich am R&uuml;cken dorsal (interskapul&auml;r, paravertebral links) ein leises zuvor nicht beschriebenes systolisch-diastolisches Str&ouml;mungsger&auml;usch.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1703_Weblinks_kardio_1703_s30_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="936" /></p> <h2>Verlauf</h2> <p>Die Diagnose Aortenisthmusstenose wurde mittels MRT-Angiografie der thorakalen Aorta best&auml;tigt und die Patientin zur invasiven Herzkatheterdiagnostik nach R&uuml;cksprache mit den Abteilungen f&uuml;r Kardiologie und Kinderkardiologie zugewiesen. In der invasiven Druckmessung fand sich trotz ausgepr&auml;gter Kollateralisierung (Abb. 2A) ein signifikanter Druckgradient (&bdquo;peak-to-peak&ldquo; 25mmHg) im Bereich der Stenose. Nach der Implantation eines &bdquo; covered stent&ldquo; mit einer geplanten Nachdilatation nach 6 Monaten auf den vollen Durchmesser der benachbarten Abschnitte der thorakalen Aorta fand sich im ehemaligen stenosierten Bereich der Aorta kein Druckgradient mehr (Abb. 2B). Bei einer anschlie&szlig;enden Kontrolluntersuchung nach 3 Monaten war der Blutdruck erstmals unter der fortgef&uuml;hrten urspr&uuml;nglichen Blutdrucktherapie gut eingestellt (rechter Arm 120/65mmHg; linker Arm 115/65mmHg; rechtes Bein 110/60mmHg; linkes Bein 120/55mmHg). Auch sonografisch fand sich ein unauff&auml;lliger Stent ohne Stenosehinweis mit unauff&auml;lligem, freiem Fluss. In weiterer Folge kann versucht werden, die antihypertensive Therapie zu reduzieren, jedoch ist auch trotz erfolgreicher Intervention meist eine lebenslange medikament&ouml;se antihypertensive Therapie bei diesen Patienten notwendig.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1703_Weblinks_kardio_1703_s30_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="1272" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
Back to top