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Status epilepticus

Innovationen und Perspektiven

<p class="article-intro">Seit 2007 findet alle zwei Jahre das London-Innsbruck Colloquium zu Forschung und Behandlung des Status epilepticus und akuter Krampfanfälle statt. Ein Fokus des diesjährigen Treffens lag auf neuen Therapien und Zukunftsperspektiven, die von hochkarätigen Experten aus Europa und den USA vorgestellt wurden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Gem&auml;&szlig; den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft f&uuml;r Neurologie (DGN) ist ein Status epilepticus &laquo;ein prolongierter epileptischer Anfall bzw. durch rezidivierende, d.h. mindestens 2 epileptische Anf&auml;lle ohne zwischenzeitliche Wiedererlangung des vorbestehenden neurologischen Befundes in einem umschriebenen Zeitraum, gekennzeichnet&raquo;.<sup>1</sup> Der Status epilepticus stellt einen der h&auml;ufigsten lebensbedrohlichen Notf&auml;lle in der Neurologie dar.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Neuro_1704_Weblinks_s26.jpg" alt="" width="1450" height="970" /></p> <h2>Freie Radikale und mitochondriales Versagen</h2> <p>W&auml;hrend eines Status epilepticus kommt es zu neuronalen Sch&auml;den, die durch freie Radikale induziert werden k&ouml;nnen. Prof. Matthew Walker vom University College Hospital, London, pr&auml;sentierte eine Zusammenfassung seiner bisherigen Untersuchungsergebnisse zu diesem Thema: Reaktive Sauerstoffspezies (ROS) entstehen w&auml;hrend des Status epilepticus im Zytosol der Mitochondrien und k&ouml;nnen zu deren Versagen f&uuml;hren. Eine Reduktion der Bildung von ROS kann das Mitochondrienversagen verhindern. Geeignete antioxidative Strategien daf&uuml;r sind noch in der Entwicklung.</p> <h2>Neue Wege der Administration</h2> <p>In der Initialphase eines Status epilepticus werden Benzodiazepine verabreicht. Bei Nichtansprechen stehen f&uuml;r die Sekund&auml;rtherapie Phenytoin, Valproat, Levetiracetam und Phenobarbital zur Verf&uuml;gung. Entscheidend f&uuml;r einen erfolgreichen Ausgang der Behandlung ist der Zeitpunkt, zu dem die Initialtherapie begonnen werden kann. In der Notfallmedizin eingesetzte Medikamente sollen sich durch ein breites Wirkungsspektrum, schnellen Wirkungseintritt, schnelle Wiederherstellung der physiologischen Funktionen, eine gute Vertr&auml;glichkeit und sichere Anwendung auszeichnen. <br />Prof. James Cloyd von der University of Minnesota gab eine &Uuml;bersicht &uuml;ber neue Modelle zur Verabreichung von Wirkstoffen in der Behandlung des Status epilepticus unter dem Gesichtspunkt der Notfallmedizin. F&uuml;r eine schnelle und sichere Anwendung der Medikamente werden einige Applikationssysteme entwickelt, auch im Hinblick auf die sogenannten &bdquo;Personal monitoring&ldquo;-Systeme. Diese sollen beginnende Krampfanf&auml;lle erkennen und verhindern und den Patienten bei der Selbstmedikation unterst&uuml;tzen.</p> <h2>Propofol und Ketamin</h2> <p>Auf der Suche nach neuen Therapieoptionen f&uuml;r den Status epilepticus werden auch neue Einsatzm&ouml;glichkeiten von bekannten Wirkstoffen untersucht. So berichtete Prof. Michael Rogawski, University of California, &uuml;ber seine Erfahrungen mit Propofol hemisuccinate (PHS), einer Vorstufe des Propofols, das mit dem GABA-A-Rezeptor interagiert. PHS wird im K&ouml;rper zu Propofol konvertiert und zeigt oral gegeben einen schnellen antikonvulsiven Wirkungseintritt. Der Plasmalevel f&uuml;r den antikonvulsiven Effekt liegt bereits bei 0,7&ndash;0,9ng/ml, w&auml;hrend der Plasmalevel f&uuml;r die an&auml;sthetische Wirkung von Propofol bei 2,3&ndash;3,5ng/ml liegt. PHS erhielt 2016 von der FDA den Orphan-Drug-Status. <br />Erfahrungen in der Behandlung des Status epilepticus mit Ketamin wurden von Dr. Julia H&ouml;fler, Universit&auml;tsklinikum Salzburg, anhand von Daten aus publizierten Studien vorgestellt. Ketamin ist ein Phencyclidinderivat, das als nicht kompetitiver Antagonist am NMDA-Rezeptor, einem Subtyp der Glutamat-Rezeptorgruppe, bindet. Die Ergebnisse zeigen, dass Ketamin in einer Medikamentenkombination (Diazepam, Valproat, Ketamin) effektiver ist als eine i.v. Ketamin-Monotherapie. In der Diskussion nach H&ouml;flers Referat wurde festgestellt, dass es keine Evidenz gibt, Ketamin fr&uuml;her als zurzeit &uuml;blich in der Behandlung des Status epilepticus einzusetzen.</p> <h2>Valnoctamid, SPD und Brivaracetam</h2> <p>Auch die Amide der Valproins&auml;ure, Valnoctamid und SPD (sec-Butylpropylacetamid), ein Kohlenstoffhomolog von Valnoctamid, werden in der Therapie des Status epilepticus eingesetzt. Valnoctamid bindet wahrscheinlich an einer anderen Stelle am GABA-Rezeptor als Benzodiazepine und zeigt eine bessere Wirkung. Es scheint ein vielversprechendes, nicht teratogenes Nachfolgepr&auml;parat f&uuml;r Valproat werden zu k&ouml;nnen, wie Prof. Meir Bialer, Hebrew University of Jerusalem (Israel), berichtete.<br />Brivaracetam, seit 2016 f&uuml;r die Zusatzbehandlung fokaler Epilepsieanf&auml;lle in der EU und den USA zugelassen, ist ein Ligand am synaptischen Vesikelprotein 2A (SV2A) und inhibiert spannungsabh&auml;ngige Natriumkan&auml;le im Nervensystem. Strukturell leitet sich Brivaracetam von Levetiracetam ab, wobei es aufgrund seiner h&ouml;heren Affinit&auml;t zum SV2A-Rezeptor eine st&auml;rkere antikonvulsive Wirksamkeit in Tiermodellen aufweist. Au&szlig;erdem hat es in Kombination mit Diazepam und Ketamin im Tiermodell eine h&ouml;here Wirksamkeit und eine geringere Toxizit&auml;t gezeigt. Brivaracetam tritt schneller &uuml;ber die Blut-Hirn-Schranke als Levetiracetam und zeigt bisher ein gutes Sicherheitsprofil. Prof. Eugen Trinka vom Universit&auml;tsklinikum Salzburg berichtete von seinen Erfahrungen mit diesem Wirkstoff. Brivaracetam wurde erst nach mehreren anderen antikonvulsiv wirkenden Medikamenten gegeben. Als h&auml;ufigste Nebenwirkungen traten Somnolenz, Kopfschmerzen und Schwindelgef&uuml;hle auf. Laut Trinka sind noch weitere klinische Untersuchungen erforderlich, bevor eine Therapieempfehlung f&uuml;r Bri&shy;varacetam ausgesprochen werden kann.</p> <h2>Perampanel und Neurosteroide</h2> <p>Perampanel ist ein selektiver und nicht kompetitiver Antagonist des ionotropen AMPA-Glutamat-Rezeptors an postsynaptischen Nervenzellen. Es wurde 2012 f&uuml;r die Zusatztherapie fokaler Anf&auml;lle mit oder ohne sekund&auml;re Generalisierung bei Epilepsiepatienten ab zw&ouml;lf Jahren zugelassen. In den pr&auml;klinischen Untersuchungen zeigte sich: Je fr&uuml;her Perampanel nach dem Beginn eines Status epilepticus gegeben wird, desto besser ist seine Wirksamkeit. Am Universit&auml;tsklinikum Salzburg wurden bisher 22 Patienten mit Perampanel als Zusatztherapie behandelt. Hierzu berichtete Dr. med. Alexandra Rohracher, dass im Zusammenhang mit der Perampanel-Gabe keine kardiologischen oder respiratorischen Nebenwirkungen beobachtet wurden. In verschiedenen Laborparametern wurden Ver&auml;nderungen gesehen, jedoch wurden alle Patienten im Therapieverlauf mit mehreren Medikamenten behandelt, sodass f&uuml;r diese Ver&auml;nderungen mehrere Gr&uuml;nde infrage kommen k&ouml;nnen. Perampanel ist f&uuml;r eine H&ouml;chstdosis von 12mg zugelassen, in Zukunft sollten h&ouml;here Dosierungen von bis zu 37mg angestrebt und eine i.v. Formulierung entwickelt werden. <br />Allopregnanolon, ein endogenes Neurosteroid, ist ein positiver allosterischer Modulator des synaptischen und extrasynaptischen GABA-A-Rezeptors und wird w&auml;hrend der Schwangerschaft gebildet. Dr. Andrea Rossetti vom Universit&auml;tsspital Lausanne fasste die Ergebnisse der klinischen Studiendaten aus der Literatur zusammen. F&uuml;r Allopregnanolon gibt es bereits robuste pr&auml;klinische Evidenz sowie erste klinische Daten. Allerdings ist eine erneute Beurteilung des Sicherheitsprofils notwendig und es gibt bisher noch keinen formellen Beweis der Wirksamkeit von Allopregnanolon in der Behandlung des Status epilepticus. Ganaxolon, ein synthetisches Analogon des endogenen Allopregnanolon mit sedierender, angstl&ouml;sender und antikonvulsiver Wirkung, befindet sich noch in der Entwicklung. Die dem Vortrag folgende kontroverse Diskussion zeigte, dass viele Fragen im Zusammenhang mit dieser Behandlungsoption noch zu kl&auml;ren und klinische Studien mit gr&ouml;&szlig;eren Patientenzahlen erforderlich sind, bevor ein endg&uuml;ltiger Therapieplan erstellt werden kann. <br />Im letzten Vortrag wurde &uuml;ber die Planung und den aktuellen Status des ESETT (&bdquo;established status epilepticus treatment trial&ldquo;) berichtet. Diese Studie ist eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde vergleichende Wirksamkeitsstudie &uuml;ber Fosphenytoin, Levetiracetam und Valproins&auml;ure bei Patienten mit Benzodiazepin-refrakt&auml;rem Status epilepticus. Probanden werden &uuml;ber zwei nationale Netzwerke der Notfallforschung rekrutiert. Unter <a href="https://nett.umich.edu/">https://nett.umich.edu/</a> k&ouml;nnen alle Informationen zu dieser Phase-III-Studie abgerufen werden.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 6th London-Innsbruck Colloquium on status epilepticus and acute seizures, 6.–8. April 2017, Salzburg </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Leitlinien f&uuml;r Diagnostik und Therapie in der Neurologie: Status epilepticus im Erwachsenenalter. DGN 2012. <a href="http://www.dgn.org/leitlinien/2303-ll-2a-2012-status-epilepticus-im-erwachsenenalter">www.dgn.org/leitlinien/2303-ll-2a-2012-status-epilepticus-im-erwachsenenalter</a></p> </div> </p>
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