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1. Fachtag Vitalstoffe

Wie Nahrungsmittelergänzungen die Nerven nachhaltig stärken

<p class="article-intro">Mit zunehmendem Alter verliert der Mensch die Fähigkeit, Vitalstoffe – z.B. Vitamine oder Spurenelemente – aus der täglichen Nahrung ausreichend aufzunehmen. Die Folge können Beeinträchtigungen der peripheren Nerven oder der Gedächtnisfunktion bis hin zur Demenz sein. Die Experten beim 1. Fachtag Vitalstoffe waren sich einig: Durch die gezielte Aufnahme von Vitalstoffen können Erfolge beim „Kampf gegen das Vergessen“ erzielt und Nervenleiden positiv beeinflusst werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Sie sind buchst&auml;blich in aller Munde und werden kontroversiell diskutiert: Nahrungserg&auml;nzungsmittel (NEM) und die durch sie verabreichten Vitalstoffe. Im Rahmen des Fachtags wurden die physiologischen Grundlagen der ausreichenden Versorgung mit Vitalstoffen sowohl f&uuml;r das Nervensystem im Besonderen als auch f&uuml;r den &auml;lter werdenden Menschen im Allgemeinen erl&auml;utert und Mikron&auml;hrstoff-Mangelerkrankungen im Hinblick auf neuronale Leiden diskutiert.</p> <h2>Warnung vor unselektiver Supplementierung</h2> <p>Unter Vitalstoffen versteht man allgemein Mikron&auml;hrstoffe und organische Verbindungen, die der menschliche K&ouml;rper nicht oder nur unzureichend selbst synthetisieren kann. Sie erf&uuml;llen im Organismus wichtige physiologische Funktionen, sind essenziell und m&uuml;ssen daher mit der Nahrung zugef&uuml;hrt werden. Auch wenn NEM in der heutigen Zeit h&auml;ufig und gerne eingesetzt werden, um dem K&ouml;rper Vitalstoffe zuzuf&uuml;hren, sind sie f&uuml;r einen gesunden Menschen bei abwechslungsreicher, obst- und gem&uuml;sereicher Mischkost aus ern&auml;hrungsphysiologischer Sicht nicht notwendig. Dazu meint Prof. Dr. Kurt Widhalm, Pr&auml;sident des &Ouml;sterreichischen Akademischen Instituts f&uuml;r Ern&auml;hrungsmedizin: &bdquo;Nahrungserg&auml;nzungsmittel k&ouml;nnen bei bestimmten Zust&auml;nden indiziert sein, sie k&ouml;nnen aber auch schaden.&ldquo; NEM seien in erster Linie sinnvoll, wenn nachweislich N&auml;hrstoffdefizite best&uuml;nden, bzw. bei Risikogruppen und in bestimmten Lebensphasen mit erh&ouml;htem N&auml;hrstoffbedarf (Schwangerschaft und Stillzeit, &auml;ltere Personen, chronische Erkrankungen etc.). Von einer Selbstmedikation &ndash; die auch bei &auml;lteren Personen weit verbreitet ist &ndash; und unselektiven Supplementierung ohne detaillierte Diagnostik sei auf jeden Fall abzuraten. Eine Langzeitstudie aus dem Jahr 2011 zeigte, dass eine Supplementierung nicht immer nur positive Auswirkungen hat und es damit verbunden auch zu einer Erh&ouml;hung der Gesamtmortalit&auml;t kommen kann.<sup>1</sup></p> <h2>Polyneuropathie (PNP) &ndash; wenn die Nerven &bdquo;verr&uuml;ckt&ldquo; spielen</h2> <p>Die ausreichende Versorgung mit Vitalstoffen spielt auch bei der Polyneuropathie (PNP) eine entscheidende Rolle. Typische Symptome der Polyneuropathie sind Taubheitsgef&uuml;hle an den F&uuml;&szlig;en und H&auml;nden. Polyneuropathie hat &uuml;ber 500 verschiedene Ursachen: Bestimmte Medikamente, nachteiliger Lebensstil, ungesunde Ern&auml;hrungsgewohnheiten, Operationen, Alkoholkrankheit oder Diabetes fallen beispielsweise darunter. Polyneuropathien sind oft medikament&ouml;s nur schwer zu behandeln und erfordern in den meisten F&auml;llen eine lang andauernde symptomatische Therapie. Daher ist die gezielte Zusatztherapie mit Vitaminen und Vitalstoffen f&uuml;r eine verbesserte Nervenfunktion besonders wichtig.</p> <h2>Therapeutische Aspekte bei PNP</h2> <p>Durchblutungsf&ouml;rderung und die Versorgung mit Antioxidanzien, Aminos&auml;uren, Elektrolyten und den entsprechenden Vitaminen sind wichtige funktionelle Aspekte von Muskeln und Nerven, die durch verschiedene NEM unterst&uuml;tzt werden k&ouml;nnen. Ginkgo Biloba zeichnet sich durch nachgewiesene protektive Faktoren und eine antioxidative und durchblutungsf&ouml;rdernde Wirkung aus. &bdquo;Sein Einsatz in der Behandlung der Neuropathie macht daher gro&szlig;en Sinn&ldquo;, so Prim. Univ.-Doz. Dr. Udo Zifko, Vorstand der Abteilung f&uuml;r Neurologie am Evangelischen Krankenhaus Wien. Ebenso habe die &alpha;-Lipons&auml;ure einen gewissen Stellenwert in der Behandlung der PNP erlangt. Aus eigenen klinischen Erfahrungen kann Doz. Zifko die Gabe von &alpha;-Lipons&auml;ure 600 mg i.v. empfehlen. Er habe h&auml;ufig sehr gute Erfolge bei der Behandlung der diabetischen Neuropathie, aber auch bei PNP mit Dys&auml;sthesien beobachtet. Wichtig sei die Kombination mit Vasoaktiva, aber auch anderen Therapien (z.B. physikalische Therapie) und einer in weiterer Folge l&auml;ngerfristigen oralen &alpha;-Lipons&auml;ure-Therapie. Schlie&szlig;lich spielen auch noch Magnesium und Zink eine wesentliche Rolle bei der Therapie der PNP. Isoliert verabreicht bleibt die Supplementation mit Zink oder Magnesium meist ohne Effekt, eine Kombination mit Antioxidanzien sei deutlich effektiver. Die H&ouml;he der Dosis &ndash; speziell bei Magnesium &ndash; sei dabei abh&auml;ngig von der Symptomauspr&auml;gung</p> <h2>PNP: Ursache Mangelern&auml;hrung</h2> <p>&bdquo;Viele Neuropathiepatienten kommen f&uuml;r eine Zweitmeinung zu mir und ich konnte feststellen, dass Vitamin-B12- und Vitamin-B6-Spiegel viel zu selten erhoben werden. Dabei ist eine Unterversorgung mit diesen beiden Vitaminen h&auml;ufige Ursache der idiopathischen PNP&ldquo;, berichtet Doz. Zifko. Ein Vitamin-B1-Mangel hingegen sei manchmal Ursache einer symmetrischen, distalen, sensomotorischen PNP. Die Ursachen f&uuml;r eine Unterversorgung mit Vitaminen &ndash; vor allem dem Vitamin-B-Komplex &ndash; k&ouml;nnen vielf&auml;ltig sein: Alkohol, Nerven- und Magenschutzpr&auml;parate spielen ebenso eine Rolle wie die Auswirkung von Medikamenten, Magenverkleinerungen zur Gewichtsabnahme, chronische Magenerkrankungen, D&uuml;nndarmerkrankung oder das Kurzdarmsyndrom. &bdquo;Dar&uuml;ber hinaus zeigten nationale Verzehrstudien, dass 33 % der 14- bis 24-j&auml;hrigen Frauen und 10&ndash;30 % der Senioren die empfohlene t&auml;gliche Vitamin-B12-Zufuhr nicht erreichen, 21 % der M&auml;nner und 32 % der Frauen eine Vitamin-B1-Unterversorgung aufweisen und 79 % der M&auml;nner und 86 % der Frauen zu geringe Mengen an Fols&auml;ure zu sich nehmen&ldquo;, so Doz. Zifko. <br />Aber auch das Gegenteil hat Doz. Zifko schon gesehen: &bdquo;Ich hatte zwei Patientinnen, die aufgrund von Selbstmedikation mit Vitamin-B-Pr&auml;paraten massiv &uuml;berdosiert waren. Dies f&uuml;hrte zu einer schmerzhaften sensiblen Polyneuropathie.&ldquo; Ein Jahr nach Absetzen der NEM besserten sich die Beschwerden. Ein Nerv regeneriere sich mit einer Geschwindigkeit von ca. 1mm pro Tag &ndash; die Besserung von Nervensch&auml;digungen dauere lange. Das m&uuml;sse man auch dem Patienten verdeutlichen. Die Frage nach Zusatztherapien &ndash; spezifisch nach NEM &ndash; sollte Teil jedes Erstgespr&auml;chs sein.</p> <h2>Neues Pr&auml;parat f&uuml;r PNP-Therapie</h2> <p>Ein k&uuml;rzlich in &Ouml;sterreich zugelassenes Vitalstoffpr&auml;parat aus &alpha;-Lipons&auml;ure, Ginkgo Biloba, Magnesium, Zink, Vitamin B12, Fols&auml;ure, Vitamin E, B6, B1 konnte, unter &auml;rztlicher Aufsicht verabreicht, positive Effekte erzielen. &bdquo;Unsere Erfahrung zeigte, dass eine sinnvolle und im Verlauf meist &uuml;berraschend gut wirksame Kombination dieser Vitalstoffe zu sehr guten Therapieerfolgen f&uuml;hren kann&ldquo;, so Doz. Zifko. &bdquo;Unsere Auswertungen der Beobachtungsstudie zeigten eine sehr gute Vertr&auml;glichkeit. In Bezug auf Missempfindungen, &Uuml;berempfindlichkeit und Hautwahrnehmungen profitierten 81 % der PNP-Patienten von diesem NEM. Dabei muss man nat&uuml;rlich noch einen Placeboeffekt von 30 bis 35 % mitkalkulieren&ldquo;, fasste Doz. Zifko die Ergebnisse zusammen. Dieses NEM k&ouml;nne andere therapeutische Ma&szlig;nahmen nicht ersetzen, erweitere aber therapeutische Optionen bei vielen Neuropathieformen, bei denen die therapeutischen Ma&szlig;nahmen begrenzt sind.<br />&bdquo;Wichtig beim Einsatz von Nahrungserg&auml;nzungsmitteln sind eine gute &auml;rztliche Beratung und regelm&auml;&szlig;ige Nachverfolgung. Am Beispiel des Vitamins B6 sieht man, dass ein &auml;rztliches Monitoring und die regelm&auml;&szlig;ige Erhebung der Laborwerte wichtig sind. Auch sollte immer die Interaktion pflanzlicher Substanzen mit Medikamenten beachtet und gepr&uuml;ft werden&ldquo;, lautete Doz. Zifkos Appell.</p> <h2>Kampf gegen das Vergessen</h2> <p>Wie wichtig Vitalstoffe zur Sicherung der kognitiven F&auml;higkeiten im Alter sind, skizzierte Prof. PD Dr. Michael Rainer, Psychiatrische Abteilung des SMZ Ost, Wien, in seinem Vortrag. In &Ouml;sterreich leiden ca. 130 000 Menschen an einer Demenz und ca. 500 000 Personen an leichten kognitiven Beeintr&auml;chtigungen (Mild cognitive impairment, MCI). Nach Sch&auml;tzungen der Gebietskrankenkasse wird sich die Zahl der Demenzkranken bis zum Jahr 2050 auf 270 000 erh&ouml;hen. <br />&bdquo;Mit den zugelassenen Antidementiva behandeln wir nicht die Alzheimerkrankheit, sondern nur die Symptome der Alzheimerdemenz. Wir haben bisher kein Heilmittel f&uuml;r die Alzheimerkrankheit und die besten Antidementiva f&uuml;hren nur zu einer symptomatischen Verbesserung&ldquo;, so Prof. Rainer. Mit allen Betaamyloid beeinflussenden Strategien konnte bisher in klinischen Studien keine wesentliche Verbesserung erzielt werden. &bdquo;Da wir wissen, dass eine mediterrane Di&auml;t bzw. mediterane Ern&auml;hrungsfaktoren f&uuml;r die einzelnen Risikofaktoren einer Demenz eine gro&szlig;e Bedeutung haben, war der Umkehrschluss, dass eine richtige N&auml;hrstoffkombination therapeutisch und pr&auml;ventiv wirksam sein k&ouml;nnte, naheliegend.&ldquo;</p> <h2>Brainfood: Ginkgo Biloba und Ginseng</h2> <p>J&uuml;ngste Metaanalysen aus dem Jahr 2013 demonstrierten signifikant niedrigere Plasmaspiegel von Vitamin A, D, E, Fols&auml;ure, Vitamin B12 und Zink bei Alzheimerpatienten gegen&uuml;ber einer normalen Altersgruppe.<sup>2</sup> Neun Fallkontrollstudien von Alzheimerpatienten zeigten &uuml;bereinstimmend reduzierte Fols&auml;ure (= Vitamin-B9-) und Vitamin-B12-Spiegel, welche mit einem erh&ouml;hten Homocysteinspiegel verbunden waren.<sup>3</sup> Erh&ouml;htes Homocystein ist ein Risikofaktor f&uuml;r vaskul&auml;re und neuropsychiatrische Krankheiten, die &uuml;ber eine gest&ouml;rte Endothelfunktion laufen. Ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r die Alzheimerdemenz ist nachgewiesen. In der longitudinalen Vienna Transdanube Aging Studie (VITA)<sup>4</sup> war ein reduzierter Folatspiegel im Blut ein eindeutiger Risikofaktor f&uuml;r eine sp&auml;tere Alzheimerdemenz. Demzufolge sollte eine gezielte Supplementation mit B-Vitaminen zu einer Reduktion des Demenzrisikos f&uuml;hren.<br />&bdquo;Im fr&uuml;hen Stadium der Alzheimerkrankheit sind bereits bis zu 40 % der zerebralen Synapsen gesch&auml;digt. Hier k&ouml;nnten medizinische Nahrungserg&auml;nzungsmittel einen g&uuml;nstigen sekund&auml;rpr&auml;ventiven Effekt aufweisen. Zum Erhalt kognitiver F&auml;higkeiten sind ein gut ausgewogener Ern&auml;hrungszustand mit einem hohen Anteil an Vitamin B12, Fols&auml;ure und Vitamin E ebenso wichtig wie eine gute Durchblutung des Gehirns. Letztere wird durch Ginkgo Biloba und Ginseng stark gef&ouml;rdert. Ginkgo Biloba ist reich an Flavonoiden, wirkt antioxidativ und wird von der deutschen und &ouml;sterreichischen Alzheimer Gesellschaft als Alternativ-Antidementivum empfohlen&ldquo;, so Prof. Rainer.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 1. Fachtag Vitalstoffe, 20. Jänner 2017, Haus der Ingenieure, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Mursu J et al: Arch Intern Med 2011; 171(18): 1625-33 <strong>2</strong> Lopes Da Silva S et al: Alzheimers Dement 2014; 10(4): 485-502 <strong>3</strong> Van Dam F et al: Arch Gerontol Geriatr 2009; 48(3): 425-30 <strong>4</strong> Gr&uuml;nblatt E et al: J Psychiatr Res 2009; 43(3): 298-308</p> </div> </p>
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