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«Die Forschung geht schleppend voran»
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13.07.2017
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<p class="article-intro">Obwohl das Endometriumkarzinom der häufigste genitale Tumor ist, hinkt die Forschung hinterher. Prof. Andreas Günthert aus Luzern erklärt, wie neue Erkenntnisse in naher Zukunft Diagnose und Therapie verbessern könnten.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Herr Günthert, weshalb braucht es ein eigenes Symposium zum Endometriumkarzinom?</strong></p> <p><strong>A. Günthert:</strong> Das Endometriumkarzinom ist das häufigste genitale Malignom. Trotzdem geht die Forschung zu neuen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten nur schleppend voran, wenn wir sie mit anderen malignen Tumoren wie dem Mammakarzinom vergleichen. Dennoch haben wir in den vergangenen Monaten und Jahren einiges herausgefunden, zum Beispiel, wie aggressiv die Therapie sein muss und wie man mittels molekularer Subtypisierung die Diagnose und Einschätzung der Prognose verbessern kann. Das hat aber noch nicht Einzug gefunden in den klinischen Alltag.</p> <p><strong>Ist die Einteilung in die Subtypen 1 und 2 nicht mehr aktuell?</strong></p> <p><strong>A. Günthert:</strong> Doch, durchaus. Aber wir sollten die Einteilung immer hinterfragen. Manche vermeintlichen Typ- 1-Karzinome sind aggressiver, als sie aussehen mögen, und man ist dann über den schlechten Verlauf überrascht. Andererseits haben wir gerade beim Endometriumkarzinom eher häufiger das Problem der Übertherapie. Die Einteilung in Typ 1 und 2 war und ist eine praktikable Annäherung, die Über- und Untertherapie in den meisten Fällen vermeiden hilft.</p> <p><strong>Weshalb ist es wichtig, eine molekulare Subtypisierung vorzunehmen?</strong></p> <p><strong>A. Günthert:</strong> Die Parameter zur Einstufung eines Endometriumkarzinoms sind sehr alt und in einem nennenswerten Prozentsatz ungenau. Insbesondere die Gruppe der Tumoren mit «intermediate risk» ist sehr inhomogen und liesse sich mit einer integrierten genomischen Charakterisierung besser aufschlüsseln.</p> <p><strong>Was hat die Subtypisierung für Konsequenzen für die Praxis?</strong></p> <p><strong>A. Günthert:</strong> Im Moment noch keine. Bisher haben wir nur retrospektive Daten, die es prospektiv zu überprüfen gilt. Eine Ausnahme ist allerdings die Bestimmung der Defekte von «Mismatch repair»-Genen, welche wir bei Patientinnen unter 70 Jahren veranlassen sollten. Sind die Gene defekt, liegt mit grosser Wahrscheinlichkeit eine HNPCCMutation vor. Das scheint zwar für die Prognose des Endometriumkarzinoms weniger relevant zu sein, kann aber auf mögliche hereditäre Kolonkarzinome hinweisen. In diesem Fall sollten engmaschige Früherkennungsuntersuchungen durchgeführt werden.</p> <p><strong>Was halten Sie von der Genomcharakterisierung, die Prof. Marth vorstellte?</strong></p> <p><strong>A. Günthert:</strong> Sie könnte der richtige Schritt sein, vorausgesetzt, sie lässt sich bald in die Routine umsetzen. Dass das funktioniert, wurde zum Beispiel in der ProMisE-Studie gezeigt. Aktuell wird in einer prospektiven Studie untersucht, ob die Genomcharakterisierung helfen kann, die richtige Therapie auszuwählen. Es lässt sich dadurch bereits anhand von kleinen Gewebeproben die Prognose abschätzen und bisherige Vorgehensweisen werden wohl hinfällig werden.</p> <p><strong>Wie gehen Sie in Ihrer Klinik bei der Diagnose und Klassifizierung vor?</strong></p> <p><strong>A. Günthert:</strong> Wir bestimmen in der Routine bisher keinen der neuen Parameter. Die Detektion von potenziellen Defekten der «Mismatch repair»-Gene ist in den letzten Jahren mehr ins Bewusstsein gerückt und die Altersgrenze wurde von 60 auf 70 Jahre angehoben. Die Bestimmung des Subtyps basiert weiterhin im Wesentlichen auf der Morphologie durch unsere erfahrenen Histopathologen, die bei Unklarheiten die Immunhistochemie natürlich heranziehen.</p> <p><strong>Bestimmen Sie den Marker L1CAM routinemässig?</strong></p> <p><strong>A. Günthert:</strong> L1CAM ist ein wertvoller ergänzender Marker, neben PTEN, p53, KRAS, E-Cadherin und anderen. L1CAM kann helfen, die Aggressivität des Tumors besser einzugrenzen. Bei L1CAM-negativen Tumoren scheint das Grading allein keine Aussagekraft hinsichtlich der Prognose zu haben, wohl aber bei L1CAM-positiven Tumoren. L1CAM-positive Tumoren mit einem G1 haben eine deutlich schlechtere Prognose als alle L1CAM-negativen. Wir können aber noch nicht sagen, ob diese dann besser auf eine Chemotherapie ansprechen oder nicht.</p> <p><strong>Vielen Dank für das Gespräch!</strong></p> <p>Lesen sie auch: <a href="8293">Das Stiefkind in der Gynäkologie</a></p></p>
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