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Vaginosen in der Schwangerschaft

<p class="article-intro">Infektionen der Scheide kommen in der Schwangerschaft häufig vor, oft ohne dass die betroffenen Frauen Beschwerden haben. Warum sie dennoch behandelt werden sollten und was dabei zu beachten ist, erklärt Prof. Herbert Kiss, Klinische Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Wien.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Herr Professor Kiss, wie h&auml;ufig treten Vaginitiden in der Schwangerschaft auf und welches sind die h&auml;ufigsten Ursachen daf&uuml;r beziehungsweise die Erreger?</strong><br /> <strong>H. Kiss:</strong> Untersuchungen haben gezeigt, dass etwa 25 Prozent aller Schwangeren an einer asymptomatischen Scheideninfektion leiden. Dazu kommen noch etwa 10 Prozent symptomatische Patientinnen. Man kann also von einem Drittel aller Schwangeren ausgehen, die an einer Vaginose leiden. Am h&auml;ufigsten ist dabei die Candidose mit ungef&auml;hr 15 Prozent aller F&auml;lle. Sie wird in der Regel durch Candida albicans ausgel&ouml;st und verl&auml;uft sehr oft symptomlos. Bei etwas weniger als 10 Prozent der Schwangeren wird eine asymptomatische bakterielle Vaginose diagnostiziert.</p> <p><strong>Sind Schwangere im Vergleich zu anderen Frauen besonders anf&auml;llig f&uuml;r Scheideninfektionen?</strong><br /> <strong>H. Kiss:</strong> Ja, und auch dazu gibt es Studien. Bei Schwangeren treten h&auml;ufiger Infektionen auf, vor allem Pilzinfektionen. Der Grund daf&uuml;r liegt auf der Hand: W&auml;hrend der Schwangerschaft wird das Immunsystem moduliert und abgeschw&auml;cht, um den F&ouml;tus zu sch&uuml;tzen. So zeigen zum Beispiel Impfstudien, dass die Bildung von Antik&ouml;rpern bei schwangeren Frauen geringer ausf&auml;llt. Ein schw&auml;cheres Immunsystem beg&uuml;nstigt nat&uuml;rlich Infektionen, was sich erst nach der Entbindung &auml;ndert, wenn sich die Immunabwehr wieder normalisiert.</p> <p><strong>H&auml;ufig haben die betroffenen Frauen keine Beschwerden. Sollten sie trotzdem behandelt werden?</strong><br /> <strong>H. Kiss:</strong> Ja, auf jeden Fall, denn Infektionen der Scheide erh&ouml;hen das Risiko f&uuml;r Schwangerschaftskomplikationen. Nachgewiesen ist der Zusammenhang zwischen Infektionen und vorzeitigen Wehen, einem vorzeitigen Fruchtblasensprung beziehungsweise Fr&uuml;h- und Fehlgeburten. In einer prospektiv-randomisierten Studie haben wir &ndash; wie auch andere Autoren<sup>1</sup> &ndash; festgestellt, dass eine vaginale Behandlung vaginaler Infektionen im ersten Trimenon Fr&uuml;hgeburten signifikant reduziert.<sup>2</sup><br /> Bei Vaginalmykosen k&ouml;nnen Pilze zudem im Verlauf einer vaginalen Geburt auf die Haut des Neugeborenen &uuml;bertragen werden und von dort &uuml;ber den Mund in den K&ouml;rper des Kindes gelangen. Die Folgen k&ouml;nnen Mundsoor und Windeldermatitis sein. Bei nachgewiesener Pilzinfektion kann eine Antimykotikagabe das Auftreten dieser Krankheiten beim Neugeborenen hintanhalten.</p> <p><strong>Aus welchen Schritten setzt sich die Therapie zusammen und worauf ist bei dieser in der Schwangerschaft besonders zu achten?</strong><br /> <strong>H. Kiss:</strong> Zun&auml;chst einmal sollte ein einfaches Infektionsscreening bei allen Schwangeren erfolgen. Dabei untersucht man das Scheidensekret unter dem Mikroskop, wobei es auf das Gleichgewicht der Bakterien in der Scheidenflora ankommt. Nicht jeder Keim, den man dort sieht, muss auch behandelt werden. Entscheidend ist, dass Laktobazillen die Flora dominieren. Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Darm und der Vagina, daher sind Darmbakterien in der Scheide ein Normalbefund, sofern die Balance der Bakterien stimmt und ausreichend Laktobazillen vorhanden sind. Eine Bakterienkultur anzulegen und eine Therapie zu beginnen, wenn darin Darmbakterien wachsen, ist ein Fehler! Der Darm ist auch ein Reservoir f&uuml;r gesunde Laktobazillen, und wenn es dort zu einem Mangel dieser erw&uuml;nschten Keime kommt, so herrscht auch ein Laktobazillendefizit in der Scheide. In diesem Fall sind lokale Therapeutika, die das Gleichgewicht der Bakterienflora wiederherstellen, indiziert. Pilze sind nur dann zu behandeln, wenn eine Besiedelung der Vaginalflora mit Hyphen erfolgt. Das Vorhandensein von Hyphen (aktive Form, Anm.) und Sporen in Kombination erfordert eine Behandlung.</p> <p><strong>Welche Wirkstoffe werden bei Vaginosen eingesetzt und wie ist ihre Wirkweise, systemisch oder lokal?</strong><br /> <strong>H. Kiss:</strong> Wichtig ist es, Medikamente einzusetzen, die entweder ausreichend untersucht oder bereits lange Zeit in Gebrauch sind, ohne bei Schwangeren unerw&uuml;nschte Wirkungen ausgel&ouml;st zu haben. Bei bakteriellen Vaginosen sind Metronidazol und Clindamycin die Mittel der Wahl. W&auml;hrend in den USA vorwiegend Metronidazol eingesetzt wird, dessen Vertr&auml;glichkeit jedoch schlechter ist, wird in Europa h&auml;ufiger mit Clindamycin behandelt. Der Wirkstoff ist f&uuml;r eine systemische Therapie als Tablette und in der &ndash; lokal wirkenden &ndash; Applikationsform als Salbe verf&uuml;gbar. Internationale Leitlinien empfehlen jedoch eher die orale Therapie (Clindamycin: 300mg zweimal t&auml;glich; Anm.).<br /> Vaginalmykosen hingegen werden lokal behandelt, vorzugsweise mit Imidazolen wie Clotrimazol. Sie sind wirkungsvoll, gut vertr&auml;glich und in allen Schwangerschaftsdritteln unsch&auml;dlich f&uuml;r den Embryo. Eine orale Therapie mit Fluconazol ist in der Schwangerschaft eigentlich kontraindiziert, kann aber im Einzelfall im zweiten und dritten Trimenon angewandt werden, dies best&auml;tigen Daten &uuml;ber die Anwendung w&auml;hrend der Schwangerschaft.<br /> Bei allen Infektionen ist darauf zu achten, dass die Therapie ausreichend lange, in der Regel sechs bis sieben Tage, fortgef&uuml;hrt wird, da ansonsten das Risiko f&uuml;r Rezidive steigt.<br /> Lokale Therapien mit Laktobazillen in Form von Z&auml;pfchen oder Vaginaltabletten sind nur dann angeraten, wenn tats&auml;chlich ein Defizit besteht; da aber eine Antibiotikatherapie nat&uuml;rlich auch die erw&uuml;nschten Keime der Scheidenflora angreift, kann der Einsatz dieser lokalen Mittel sinnvoll sein. Der Wiederaufbau der Scheidenflora mit Laktobazillen nach einer Behandlung mit Clindamycin scheint gem&auml;&szlig; Studien sinnvoll zu sein. Bei Mykosen ist die Gabe von Laktobazillen hingegen nicht wirksam. Man sollte den Patientinnen davon abraten, die Mittel ohne Indikation anzuwenden.</p> <p><strong>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Ugwumadu A et al: Effect of oral clindamycin on late miscarriage and preterm delivery in asymptomatic women with abnormal vaginal flora and bacterial vaginosis. Lancet 2003; 361: 983-8 <strong>2</strong> Kiss H et al: Prospective randomised controlled trial of an infection screening program to reduce the rate of preterm delivery. BMJ 2004; 329: 371-5</p> </div> </p>
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