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Optimierung des Risikoprofils bei Diabetes mellitus Typ 2

<p class="article-intro">Diabetes mellitus Typ 2 (DM2) ist durch ein besonders mannigfaltiges Risikoprofil charakterisiert. Das führt dazu, dass von DM2 Betroffene ein 3- bis 5-fach höheres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse haben als Menschen ohne Diabetes. Die frühe Identifizierung der Risikofaktoren, die Therapie und das kontinuierliche Monitoring auf Zielerreichung sind daher besonders wichtig.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Da die Wirksamkeit dieses Vorgehens zumindest f&uuml;r einige Risikofaktoren in Studien gut belegt ist, ist die Erstellung des individuellen Risikoprofils f&uuml;r Patienten mit DM als verpflichtend zu betrachten. Grundsteine der Therapie bilden stets gesunde Ern&auml;hrung und ausreichende k&ouml;rperliche Bewegung.</p> <h2>Traditionelle Risikofaktoren</h2> <p>Zu den traditionellen Risikofaktoren z&auml;hlen neben Hyperglyk&auml;mie auch Hyperlipid&auml;mie und Hypertonie. Im Gegensatz dazu werden f&uuml;r Hypoglyk&auml;mie Zusammenh&auml;nge mit kardiovaskul&auml;ren Ereignissen zwar angenommen, sie konnten aber in prospektiven Studien bis dato nicht eindeutig belegt werden. F&uuml;r die genannten Risikofaktoren liegen in Leitlinien eindeutig definierte Zielwerte vor. Das Erreichen dieser Zielwerte ist zumindest f&uuml;r die Hypertonie und die Hyperlipid&auml;mie bei entsprechendem Einsatz und bei bedarfsadaptierter Erweiterung der verf&uuml;gbaren Therapien m&ouml;glich. Betrachtet man die Hyperglyk&auml;mie, so ist in vielen F&auml;llen die Zielerreichung m&ouml;glich, im Fall der Insulintherapie jedoch h&auml;ufig nur um den Preis von Hypoglyk&auml;mien. Die neueren Glyk&auml;mie-senkenden Medikamente wie DPP-4-Hemmer, GLP-1-Analoga und SGLT2-Hemmer f&uuml;hren gl&uuml;cklicherweise nicht zu Hypoglyk&auml;mien und sind daher, wenn die Stoffwechsellage es erlaubt, Medikamenten mit Hypoglyk&auml;miepotenzial vorzuziehen. <br /> Die Risikofaktoren &Uuml;bergewicht und Adipositas stellen im Praxisalltag eine besondere Herausforderung dar, wobei insbesondere die nachhaltige Wirkung von bestimmten Interventionen problematisch ist. Obwohl Antidiabetika wie SGLT2-Hemmer und GLP-1-Analoga neben der Blutzuckersenkung auch eine erhebliche Gewichtsreduktion bewirken k&ouml;nnen, ist der Effekt in vielen F&auml;llen zu gering, um das Problem nachhaltig zu l&ouml;sen. Antiadiposita stehen als Liraglutid 3mg (Saxenda&reg;, Achtung: h&ouml;here Dosis als bei der Diabetestherapie!) und als Kombinationspr&auml;parat aus Naltrexon/Bupropion (Mysimba&reg;) derzeit nur sehr eingeschr&auml;nkt und ohne Krankenkassenerstattung zur Verf&uuml;gung. Orlistat, ein Lipasehemmer, der die Resorption von Fett hemmt, kann uneingeschr&auml;nkt als OTC-Produkt erworben werden (Alli&reg;); es ist auch wirksam, wird jedoch aufgrund der Nebenwirkungen nicht sehr gut akzeptiert.<br /> Auf weitere traditionelle Risikofaktoren wie erh&ouml;hte Thrombozytenaggregation, erh&ouml;hte Harns&auml;urespiegel und andere wird hier nicht eingegangen.</p> <h2>Nicht traditionelle Risikofaktoren</h2> <p>Nicht traditionelle Risikofaktoren zeichnen sich dadurch aus, dass sie entweder erst in den letzten Jahren in den Mittelpunkt der Forschung ger&uuml;ckt oder aber lange bekannt sind, jedoch erst j&uuml;ngst die erforderliche Beachtung gefunden haben. In diesem Artikel sollen mit Diabetes mellitus assoziierte hepatische Manifestationen wie nicht alkoholische Fettleber (NAFLD) und nicht alkoholische Steatohepatitis (NASH) sowie psychosozialer Stress als wichtige Risikofaktoren f&uuml;r Inzidenz und problematischen Verlauf des Diabetes mellitus n&auml;her erl&auml;utert werden.<br /> In Abh&auml;ngigkeit von der diagnostischen Methode wird bei etwa 50 % der Patienten mit DM2 eine NAFLD und bei etwa 10 % eine NASH diagnostiziert. Es w&auml;re zu simpel, diese Stoffwechselver&auml;nderungen lediglich als weitere Bestandteile des metabolischen Syndroms zu bewerten. Vielmehr sind sie verantwortlich f&uuml;r einen komplizierteren Verlauf des Diabetes mit ung&uuml;nstigerem Lipidprofil, erheblicher Insulinresistenz und erh&ouml;htem kardiovaskul&auml;rem Risiko. Die Empfehlung eines Screenings zur Erfassung von begleitenden Lebererkrankungen ist vorerst auf die Bestimmung der Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT) und auf die Durchf&uuml;hrung eines Ultraschalls der Leber beschr&auml;nkt. Bei abnormen Befunden sollte entsprechend einem j&uuml;ngst publizierten Algorithmus eine Evaluierung des Fibrosegrades mittels MR-Elastografie oder eine FibroScan-transiente Elastografie durchgef&uuml;hrt werden. Bei begr&uuml;ndetem Verdacht auf NASH k&ouml;nnen zur genaueren Evaluierung Biomarker-Scores, wie z.B. der NAFLD-Fibrose-Score mit einem positiven pr&auml;diktiven Wert von 82 % , und einem negativen pr&auml;diktiven Wert von 88 % eingesetzt werden (http://nafldscore.com). Da bei Nutzung von Biomarker-Scores Patienten h&auml;ufig in der Grauzone klassifiziert werden, bleibt der Goldstandard die Histologie.<br /> Neben Lebensstilma&szlig;nahmen, vor allem Gewichtsreduktion von zumindest 8&ndash;10 % , Alkoholabstinenz und Vermeidung von Fruktose, ist das Spektrum an Behandlungsoptionen bei NASH eingeschr&auml;nkt. Wesentlich ist die Therapie der traditionellen Risikofaktoren, insbesondere einer Hyperlipid&auml;mie, aber auch von Hypertonie und Hyperglyk&auml;mie. Neuere medikament&ouml;se M&ouml;glichkeiten bieten Elafibranor (PPAR-&alpha;- und PPAR-&delta;-Agonist) und Obetichols&auml;ure (semisynthetisches Gallens&auml;ureanalogon), die beide noch nicht in der Routinetherapie eingesetzt werden. Vitamin E als antioxidative Substanz wird aufgrund kontroverser Ergebnisse nicht f&uuml;r die Behandlung von NASH bei DM empfohlen. Somit bleibt Pioglitazon als Insulinsensitizer mit antiinflammatorischer Aktivit&auml;t vorerst (in erfahrenen H&auml;nden) die First-Line-Therapie bei Diabetes und NASH.<br /> Psychosozialer Stress zeigt nicht nur Auswirkungen auf Ern&auml;hrungsgewohnheiten (&bdquo;Belohnungsessen&ldquo;, Essen zur &bdquo;Stressabfuhr&ldquo;) und Suchtverhalten, sondern f&uuml;hrt &uuml;ber die Aktivierung der Hypo&shy;thalamus-Hypophysen-Nebennierenrin&shy;den&shy;(HHN)-Achse auch zu erh&ouml;hten Cortisolspiegeln und &uuml;ber Aktivierung des sympathischen Nervensystems zu erh&ouml;hten Katecholaminspiegeln. Beide Hormonsysteme triggern &uuml;ber verschiedene Mechanismen das Entstehen einer Insulinresistenz (Abb. 1). Dar&uuml;ber hinaus m&uuml;ndet die stressbedingte Aktivierung des Immunsystems in der Induktion einer Hyperzytokin&auml;mie. In mehreren Studien ist der Zusammenhang zwischen psychosozialem Stress und Manifestation eines DM2 beschrieben worden. Die Frage, ob Stressresilienz mit einer Manifestation von DM2 zusammenh&auml;ngt, ist in einer schwedischen Studie untersucht worden. Dabei wurden 1,5 Mio. junge M&auml;nner im Rahmen der Musterung einem psychologischen Test zur Erfassung der individuellen Stressresilienz (vereinfacht: Widerstandskraft gegen Stress) unterzogen. Im Rahmen des Follow-ups wurde nach 27,5 Jahren bei 34 000 M&auml;nnern ein DM2 diagnostiziert. Der Stressresilienz-Score war bei diesen M&auml;nnern signifikant niedriger als bei denen ohne Diabetesmanifestation. Sollten sich diese Ergebnisse in weiteren Studien best&auml;tigen, w&auml;re die St&auml;rkung der Stressresilienz im Rahmen von Diabetes&shy;pr&auml;ventionsprogrammen eine sinnvolle und zielf&uuml;hrende Ma&szlig;nahme.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1705_Weblinks_s24.jpg" alt="" width="1417" height="1560" /></p> <h2>Reduktion des kardiovaskul&auml;ren Risikos durch Diabetesmedikamente per se</h2> <p>Seit einigen Jahren wird von der amerikanischen Zulassungsbeh&ouml;rde FDA ein Nachweis der kardiovaskul&auml;ren Sicherheit von neuen antidiabetischen Medikamenten gefordert. Es gen&uuml;gt also nicht mehr die HbA<sub>1c</sub>-Senkung allein als Nachweis der Wirksamkeit. F&uuml;r drei Substanzen konnte j&uuml;ngst eine signifikante Reduktion von kardiovaskul&auml;ren Ereignissen im Vergleich zu Placebo gezeigt werden. In allen drei Studien wurden Patienten mit DM2 und kardiovaskul&auml;rem Ereignis oder Hochrisikoprofil eingeschlossen. Die GLP-1-Analoga Liraglutid und Semaglutid f&uuml;hrten zu einer Reduktion um 13 % bzw. 26 % des Eintretens des kombinierten prim&auml;ren Endpunktes (kardiovaskul&auml;rer Tod, nicht fataler Myokardinfarkt und nicht fataler Schlaganfall). Unter Liraglutid, welches in der Diabetestherapie gut etabliert ist, wurde auch eine signifikant langsamere Progression der Nephropathie festgestellt. Semaglutid ist noch nicht verf&uuml;gbar.<br /> Besonders eindrucksvoll konnten in der EMPA-REG-OUTCOME-Studie f&uuml;r den SGLT2-Hemmer Empagliflozin im Vergleich zu Placebo eine signifikante Reduktion (14 % ) des Erreichens des prim&auml;ren kombinierten Endpunktes (kardiovaskul&auml;rer Tod, nicht fataler Myokardinfarkt und nicht fataler Schlaganfall), eine signifikante Senkung (38 % ) der Rate kardiovaskul&auml;rer Todesf&auml;lle und eine signifikante Reduktion (35 % ) der Spitalsaufenthalte wegen Herzinsuffizienz gezeigt werden. Auch die Nierenfunktion konnte durch Empagliflozin g&uuml;nstig beeinflusst werden.<br /> Unter Ber&uuml;cksichtigung dieser Ergebnisse sollte bei Erfordernis einer Therapieerweiterung bei DM2-Patienten mit kardiovaskul&auml;rem Ereignis oder signifikantem kardiovaskul&auml;rem Risikoprofil im Rahmen eines &bdquo;best next process&ldquo; ein Antidiabetikum eingesetzt werden, welches zu einer Reduktion solcher Ereignisse f&uuml;hrt: also nicht das &bdquo;n&auml;chstbeste&ldquo;, sondern das &bdquo;beste n&auml;chste&ldquo; (Abb. 2). Beim Kongress der &bdquo;American Dia&shy;betes Association&ldquo; (ADA) im Juni 2017 in San Diego wurden weitere Diabetesmedikamente mit kardiovaskul&auml;rem Benefit aus neuesten Studien vorgestellt.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&nbsp; bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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