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Kammerfunktion als Beschäftigungstherapie

<p class="article-intro">Unsere Standesvertretung ist Meister im Zähmen kritischer Kollegen. Diese werden mittels Einbindung in Kammerreferate oder Projektgruppen ruhiggestellt.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Kassenmedizin-Neueinsteiger l&auml;sst das Raunzen &auml;lterer Vertrags&auml;rzte &uuml;ber die alles beherrschende Gesundheitsb&uuml;rokratie meist kalt. Vergleiche mit der in Kafkas Romanwelt &bdquo;Das Schloss&ldquo; dargestellten Superb&uuml;rokratie halten Jung&auml;rzte f&uuml;r ma&szlig;los &uuml;bertrieben. Diese Kollegen, zwischen 1980 und 1990 geboren, der &bdquo;Generation YouTube&ldquo; angeh&ouml;rend, stehen mit der Computerwelt auf Du und Du. Sie glauben an eine perfekt funktionierende Praxis-EDV, welche ihnen alle Probleme abnimmt. Ein Blick nach Nieder&ouml;sterreich soll zum Schmunzeln an&shy;regen.<br /> Was den Umfang abgedruckter Leserbriefe betrifft, schafft die Ausgabe des &bdquo;N&Ouml; Consilium&ldquo; vom M&auml;rz 2017, des Organs der &Auml;rztekammer f&uuml;r Nieder&ouml;sterreich, einen Rekord. Kein Wunder, es herrscht Kammerwahlkampf. Von Seite 36 bis 45 prallen die Meinungen der Kammermitglieder aufeinander. Dr. Bernhard Harb, seit Juli 2016 Kassen-Allgemeinmediziner in Herzogenburg, ist einer der Leserbriefschreiber. Mit seinem umfangreichen Text geht der Kassenpraxis-Einsteiger auf eine Ver&ouml;ffentlichung des N&Ouml; Kurienobmann-Stellvertreters Dr. Max Wudy ein. Unter dem Titel &bdquo;Der Kunde ist Knecht, nicht K&ouml;nig!&ldquo; hatte besagter Kammerfunktion&auml;r in der zuletzt erschienenen Ausgabe ausf&uuml;hrlich &uuml;ber zunehmende Probleme mit der Praxis-EDV referiert. Unter anderem thematisierte er das Passwort-Kuddelmuddel beim Programmeinstieg in seine insgesamt sieben Rechner. Die ellenlange Harb-Reaktion auf Wudys Ausf&uuml;hrungen bietet zwei Highlights: Einleitung und Abschluss. So bin ich sicher nicht der einzige Consilium-Leser gewesen, der Anfang und Ende des Schreibens mehrmals laut wiederholt und dabei vor Lachen Tr&auml;nen vergossen hat: &bdquo;Sehr geehrter Herr Kollege Wudy! Vorerst m&ouml;chte ich meine Hochachtung aussprechen, dass Sie versuchen, am Puls der Zeit zu bleiben und sich auch noch kurz vor der Pension mit PCs und Technik besch&auml;ftigen.&ldquo; Eine Wertsch&auml;tzung der besonderen Art gegen&uuml;ber einer in die Jahre gekommenen Kollegenschaft.</p> <h2>Kassen-Allgemeinmediziner mit pr&auml;gendem Vorleben</h2> <p>Mein erster Gedanke: Neuling Harb gibt sich wom&ouml;glich der Vorstellung hin, 58-j&auml;hrige Kollegen &ndash; Wudy geh&ouml;rt zu dieser Altersgruppe &ndash; zeigen nur mehr Interesse f&uuml;r Testwochen in Seniorenheimen und f&uuml;r Alzheimer-Vorsorgeprogramme. Harbs Fachsimpelei l&auml;sst sofort erkennen: Hier dringt ein Branchenfremder in die Allgemeinmedizin ein. Einer, der noch fest daran glaubt, die gef&uuml;hlt hunderttausend Vorgaben der Krankenkasse mittels ausgefeilter EDV-L&ouml;sungen gesundheitlich unbeschadet &uuml;berstehen zu k&ouml;nnen. Das &bdquo;Outing&ldquo; des Leserbriefschreibers folgt umgehend. Er habe den Vorteil, die Medizin als zweiten Bildungsweg gew&auml;hlt zu haben, im Vorleben habe er sich der Softwareentwicklung und der Netzwerktechnik hingegeben. Wudys Klagen &uuml;ber sein Passwort-Chaos beantwortet er mit dem Tipp, die EDV-Wartung doch in professionelle H&auml;nde zu legen. Zum Beispiel: zentrale Passwortver&shy;waltung. Die Aufz&auml;hlung aller anderen Empfehlungen w&uuml;rde den Rahmen meiner Ausf&uuml;hrungen sprengen. Kollege Harb beendet sein Schreiben mit folgenden S&auml;tzen: &bdquo;Zum Schluss m&ouml;chte ich nochmals anmerken, dass ich &auml;ltere Kollegen bewundere, wenn sie versuchen am Puls der Zeit zu bleiben, allerdings bitte ich Sie, neue Kollegen nicht damit abzuschrecken, indem Sie von Problemen berichten, die man sehr einfach beheben k&ouml;nnte, wenn man wirklich mit der Zeit gehen w&uuml;rde.&ldquo;</p> <h2>Kurienobmann-Stellvertreter als EDV-Pionier</h2> <p>Mit diesen &Auml;u&szlig;erungen vermittelt Dr. Harb den Eindruck, jahrzehntelang im Ausland geweilt zu haben, denn Wudys Rolle als Pionier der Praxis-EDV ist fast allen Praktikern Nieder&ouml;sterreichs ein Begriff. Max, der Elektronik-Freak schlechthin, geh&ouml;rte 1986 zu den ersten &Auml;rzten bundesweit, welche einen Computer f&uuml;r alle Belange in der Kassenpraxis einsetzten. Zusammen mit Dr. Otto Pjeta war er auch an der Weiterentwicklung von Programmen beteiligt. Ich pers&ouml;nlich kann mich noch gut an eine Kammerversammlung erinnern, in der sich Max w&auml;hrend einer hitzigen Debatte umdrehte, um mir stolz sein soeben erworbenes Apple-Notebook &bdquo;MacBook Air&ldquo; zu zeigen. Ich kannte das Ding bis dahin nur aus Fernsehberichten. In San Francisco pr&auml;sentierte Steve Jobs das superd&uuml;nne Notebook im J&auml;nner 2008. Der Apple-Chef hatte damals mit Sicherheit keine Ahnung, wo Weissenbach an der Triesting liegt. Dort pr&uuml;fte ein gewisser Dr. Wudy in Eigenregie das hauchd&uuml;nne Wunderding schon lange vor der &ouml;sterreichischen Markteinf&uuml;hrung auf seine Leistungsf&auml;higkeit. Plakativer Vergleich: F&uuml;r Insider kommt der Harb-Leserbrief etwa so r&uuml;ber wie das Lob eines unbekannten Nachwuchsrennl&auml;ufers in &bdquo;Ski Austria&ldquo; (= offizielle Zeitschrift des &Ouml;sterreichischen Skiverbandes) f&uuml;r Marcel Hirscher, sich im fortgeschrittenen Alter noch die Skier anzuschnallen. Zu guter Letzt erh&auml;lt der Nationalheld noch Tipps, seinen Fahrstil zu verbessern. Aufgrund des herrschenden Wahlkampfes wird die Antwort des Kurienobmann-Stellvertreters gleich im Anschluss an Harbs Ausf&uuml;hrungen abgedruckt. Schlie&szlig;lich hat Wudy in seiner Rolle als Spitzenkandidat einer Wahlplattform auch etwas zu verlieren. Der Kammerfunktion&auml;r in Pensionsn&auml;he greift nach dem Abarbeiten der vorgebrachten Argumente zu einer bestens bew&auml;hrten Methode, um kritische Geister zu z&auml;hmen: &bdquo;Ich w&uuml;rde mich freuen, wenn Sie im Interesse der Kollegenschaft mehr &uuml;ber die innovativen Produkte berichten k&ouml;nnten, auch eine Mitarbeit im EDV-Referat w&auml;re mit Ihrem Background mehr als w&uuml;nschenswert.&ldquo;</p> <h2>IGMed gibt Sch&uuml;tzenhilfe</h2> <p>Als Nachschlag erscheint in der April-Ausgabe des &bdquo;N&Ouml; Consilium&ldquo; ein Schreiben von Dr. Christian Schwarz, einem bekannterma&szlig;en engagierten Vertreter der Land&auml;rzteschaft. Die Kammerwahl ist l&auml;ngst entschieden, trotzdem muss dem Au&szlig;enstehenden erkl&auml;rt werden, dass der engagierte Kollege aus Oberndorf an der Melk als IGMed-Funktion&auml;r der Wahlplattform Wudys angeh&ouml;rt. Er kommt der Aufgabe, dem Kollegen Harb mit fachlichen Argumenten zu antworten, hervorragend nach. Im Schreiben, welches im Du-Wort gehalten ist, wird mit fachchinesischen Ausdr&uuml;cken nicht gespart. Dem Leser soll der Eindruck vermittelt werden, Schwarz sei der ungekr&ouml;nte K&ouml;nig im Reich aller EDV-besessenen &Auml;rzte. Die Einleitung ist f&uuml;r Otto Normalverbraucher gerade noch verst&auml;ndlich: &bdquo;Ohne jetzt Max Wudy verteidigen zu wollen, den Du im Consilium ja direkt angesprochen hast, muss ich Dir mitteilen, dass Max Wudy zur ,auslaufenden Hausarztgeneration&lsquo; z&auml;hlt, noch ein paar Jahre &auml;lter ist als ich, aber gerade das Gegenteil eines ,EDV-Arzt-Dummies&lsquo; darstellt, als der er von Dir hingestellt wird.&ldquo; Die Ausf&uuml;hrungen von Dr. Schwarz enden in bew&auml;hrter Weise: &bdquo;Bewegen wir doch gemeinsam im EDV-Referat unserer Kammer etwas, ich w&auml;re dabei!&ldquo; Gesagt, getan! Mit der konstituierenden N&Ouml; Kammervollversammlung Ende April wurden auch die Referate f&uuml;r die Funktionsperiode 2017 bis 2022 neu bestellt. Das EDV-Referat wird die kommenden f&uuml;nf Jahre Dr. Christian Schwarz leiten, als sein Stellvertreter wird Dr. Bernhard Harb fungieren. Zwischenzeitlich wird der Kammer-Neuling schon in den M&uuml;hen der Ebene angekommen sein. Sollte er es solange wie Max Wudy in der Standespolitik aushalten, hat er gute Chancen, von einem aufgeweckten Kollegen der n&auml;chsten oder &uuml;bern&auml;chsten &Auml;rztegeneration einen Leserbrief in Harb-Version zu erhalten.</p></p>
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