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Bildgebung beim Prostatakarzinom

Neue Möglichkeiten und Herausforderungen durch den 68Ga-PSMA-11-PET-Tracer

<p class="article-intro">Der neue, mit Ga-68 markierte Positronenemissionstomografie(PET)-Tracer (<sup>68</sup>Ga-PSMA-11) ist ein kleines Molekül (Harnstoffderivat), welches als Agonist an das Prostata-spezifische Membranantigen (PSMA) bindet. Die <sup>68</sup>Ga-PSMA-11-PET scheint die zurzeit sensitivste Methode zur Lokalisation von Prostatakarzinommetastasen zu sein und hat sich in Europa innert kürzester Zeit etabliert.<sup>1</sup> Seit April 2017 ist <sup>68</sup>Ga-PSMA-11 nun auch in der Schweiz provisorisch zugelassen. Seither wurden in Zürich bereits über 350 Patienten untersucht. Nun gilt es, die neue Diagnostik sinnvoll und effizient einzusetzen und Wege zu definieren, wie und zu welchem Zeitpunkt die Resultate in die Therapieplanung integriert werden können. </p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Mit der <sup>68</sup>Ga-PSMA-11 PET ist es erstmals m&ouml;glich, das fr&uuml;he biochemische Rezidiv bei PSA-Werten unter 0,5ng/ml zu lokalisieren.</li> <li>Erste Resultate zur <sup>68</sup>Ga-PSMA-11-PET-basierten, gerichteten externen Strahlentherapie zeigen vielversprechende Resultate.</li> <li>Der Einsatz der <sup>68</sup>Ga-PSMA-11-PET zum lokalen &laquo;Staging&raquo; bei Hochrisikopatienten muss noch untersucht werden, diese Indikation ist daher in der Schweiz noch keine Pflichtleistung.</li> </ul> </div> <p>&nbsp;</p> <h2>Prostata-spezifisches Membranantigen (PSMA)</h2> <p>PSMA ist ein transmembran&ouml;ses, helikales Protein, welches vermehrt, aber nicht nur in Prostatagewebe vorkommt. Es ist auch unter dem Begriff Folathydrolase I bekannt und wird auf dem Endothel bei Neovaskularisation vermehrt nachgewiesen sowie in verschiedenen physiologischen Geweben, wie zum Beispiel den Nieren, dem ZNS und dem D&uuml;nndarm.<sup>2</sup> Die Assoziation von PSMA mit Tumorangiogenese f&uuml;hrt dazu, dass eine Vielzahl von &laquo;case reports&raquo; entstanden ist, die verschiedene PSMA-positive Karzinome beschreiben, wie zum Beispiel Nierenzell-, Schilddr&uuml;sen-, Kolon-, Magen- oder Mammakarzinome.<sup>3</sup> Gerade beim Vorliegen von PSMA-positiven Lungenl&auml;sionen kann es daher sehr schwer sein, zwischen einem Bronchuskarzinom und Prostatakarzinommetastasen zu differenzieren.<sup>4</sup><br /> Obwohl der neue Tracer also nicht so prostataspezifisch ist, wie der Name suggeriert, ist er ein veritables Werkzeug f&uuml;r die Diagnostik beim Prostatakarzinom. Die Expression in benignem Prostatagewebe ist vor allem zytoplasmatisch und somit schwer zug&auml;nglich f&uuml;r den PET-Tracer. Daher ist bei der <sup>68</sup>Ga-PSMA-11-PET im Gegensatz zur <sup>18</sup>F-Cholin-PET kaum Mehranreicherung in benigner Prostatahyperplasie beschrieben, was eine Anwendung f&uuml;r die lokale Diagnostik erm&ouml;glicht. Zudem gibt es gute immunhistochemische Evidenz, dass eine deutliche Korrelation zwischen der membran&ouml;sen PSMA-Expression und der Tumoraggressivit&auml;t existiert, basierend sowohl auf dem Gleason-Score als auch dem Risiko f&uuml;r ein biochemisches Rezidiv.<sup>5</sup></p> <h2><sup>68</sup>Ga-PSMA-11-Anwendung in der Bildgebung</h2> <p>Die nuklearmedizinischen Gesellschaften in Europa und den USA haben Anfang dieses Jahres eine erste gemeinsame Richtlinie f&uuml;r die Anwendung und Durchf&uuml;hrung von PSMA-PET ver&ouml;ffentlicht (<sup>68</sup>Ga-PSMA-PET/CT: Joint EANM and SNMMI Procedure Guideline, Version 1.0).<sup>6</sup> Darin wird festgehalten, dass eine PSMA-PET-Untersuchung vor allem beim biochemischen Rezidiv Sinn ergibt, insbesondere bei PSA-Werten zwischen 0,2 und 10ng/ml, einer kurzen PSA-Wert-Verdopplungszeit im Blut des Patienten oder einem initial hohen Gleason-Score. <br /> Der Einsatz der <sup>68</sup>Ga-PSMA-11-PET f&uuml;r das Staging von Prostatakarzinomen wurde auf die Detektion von Lymphknoten und Fernmetastasen bei Hochrisikokarzinomen beschr&auml;nkt, und es wurde betont, dass diese die Kontrastmittel(KM)-CT und die Knochenszintigrafie abl&ouml;sen k&ouml;nnte, nicht aber das multiparametrische MRI (mpMRI) f&uuml;r das lokale Staging der Prostata.<br /> Spannende weitere m&ouml;gliche Anwendungen, die zurzeit noch im Rahmen von Studien getestet werden sollen, wurden erw&auml;hnt: Therapieplanung f&uuml;r <sup>177</sup>Lu-PSMA, gezielte Biopsien oder Therapiekontrollen nach lokaler oder systemischer Behandlung.</p> <h2>Rezidivdiagnostik</h2> <p>Die auch in der Schweiz am h&auml;ufigsten vorkommende Indikation ist die Detektion von Prostatakarzinommetastasen beim biochemischen Rezidiv, welche seit Januar 2017 nun auch von den Krankenkassen erstattet wird. Der schnelle Erfolg der <sup>68</sup>Ga-PSMA-11-PET f&uuml;r diese Indikation liegt an der deutlich verbesserten Sensitivit&auml;t bei niedrigen PSA-Werten. Bei der <sup>18</sup>F-Cholin-PET konnte man von einer Detektionsrate von ca. 50 % ab PSA 2,0ng/ml ausgehen,<sup>7</sup> hingegen werden f&uuml;r die <sup>68</sup>Ga-PSMA-11-PET bereits Werte von 50&ndash;58 % ab PSA 0,2&ndash;0,5ng/ml erreicht.<sup>1, 8</sup> Damit ist es nun erstmals m&ouml;glich, mithilfe der PET im therapeutisch wichtigen Fenster von PSA-Werten unter 0,5ng/ml das Rezidiv zu visualisieren. Dies er&ouml;ffnet komplett neue M&ouml;glichkeiten einer gezielten Bestrahlung, bei noch niedrigen PSA-Werten. Erste Studien, welche solche Bestrahlungen unter Einbezug der PSMA-PET-Daten durchf&uuml;hrten, konnten vielversprechende erste Resultate zeigen, mit einem Abfall des PSA-Wertes bei &uuml;ber 90 % der Patienten und einem mittleren PSA-Wert-Abfall von ca. 70 % .<sup>9, 10</sup> Die deutliche Verbesserung im Vergleich zur traditionellen &laquo;Salvage&raquo;-Bestrahlung des Prostatabettes &uuml;berrascht nicht, wenn man ber&uuml;cksichtigt, dass auch bei PSA-Werten unter 1ng/ml das Rezidiv h&auml;ufiger in Lymphknoten- oder Fernmetastasen (30 % ) als in der Prostataloge (15 % ) lokalisiert werden konnte (Abb. 1).<sup>11</sup> Somit kann die <sup>68</sup>Ga-PSMA-11-PET unn&ouml;tige Bestrahlungen der Prostataloge und deren Nebenwirkungen verhindern und in ausgew&auml;hlten F&auml;llen eine gezielte Bestrahlung der PSMA-positiven Metastasen im Sinne eines oligometastatischen Konzeptes erm&ouml;glichen. Diese neuen, auf PSMA-Daten basierenden Therapiekonzepte sind f&uuml;r jeden Patienten individuell abzuw&auml;gen, durch einen interdisziplin&auml;ren Tumor-Board-Entscheid zu st&uuml;tzen und im Idealfall innerhalb einer Studie durchzuf&uuml;hren.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1704_Weblinks_s27.jpg" alt="" width="1418" height="1278" /></p> <h2>Staging-Diagnostik</h2> <p><sup>68</sup>Ga-PSMA-11-PET ist in der Schweiz zur Darstellung von Tumorherden bei Patienten mit Prostatakarzinom zugelassen, d.h., es kann auch f&uuml;r das &laquo;Staging&raquo; von Hochrisikoprostatakarzinomen angewendet werden. Diese Indikation ist aber noch keine Pflichtleistung der Krankenversicherer und bedarf daher einer Kostengutsprache oder der Bereitschaft des Patienten, die Untersuchung selbst zu finanzieren. Erste Studien konnten zeigen, dass die <sup>68</sup>Ga-PSMA-11-PET der anatomischen Bildgebung (MRI oder CT) in der Detektion von Lymphknotenmetastasen (&laquo;accuracy&raquo; von 89 % vs. 72 % ) &uuml;berlegen ist, aber wohl nicht die Lymphknotenresektion ersetzen kann, bei einer Sensitivit&auml;t von 65 % .<sup>12</sup><br /> Erste Resultate f&uuml;r die lokale Diagnostik zeigten zudem eine Verbesserung der Tumordetektion im Vergleich zur mpMRI &ndash; vor allem, wenn PET- und MRI-Informationen kombiniert wurden &ndash; mit einer Detektionsrate von 66 % (MRI), 92 % (PET) und 98 % (PET/MR).<sup>13</sup> Diese ersten, vielversprechenden Zahlen basieren aber auf kleinen Kohorten und wurden retrospektiv erfasst. Der Stellenwert der <sup>68</sup>Ga-PSMA-11-PET bei der prim&auml;ren Diagnose von Prostatakarzinomen ist noch unklar und sollte innerhalb prospektiver Studien analysiert werden. Ein solches Projekt mit <sup>68</sup>Ga-PSMA-11 PET/MR im Vergleich zum mpMRI als Grundlage f&uuml;r die gezielte Prostatabiopsie konnte in Z&uuml;rich k&uuml;rzlich gestartet werden.</p> <h2><sup>177</sup>Lu-PSMA-617 f&uuml;r die Therapie</h2> <p>Bei aller Euphorie rund um die PSMA-gerichtete Diagnose und Therapie muss die Behandlung mit <sup>177</sup>Lu-PSMA-617 vorsichtig abgewogen werden. Zurzeit existiert weder ein von der Swissmedic zugelassenes Produkt noch gibt es die erforderlichen randomisierten prospektiven Studien, welche einen signifikanten Vorteil f&uuml;r das &Uuml;berleben der Patienten zeigen. Deshalb ist <sup>177</sup>Lu-PSMA-617 in der Schweiz auch noch nicht zugelassen.<br /> Vielversprechende Resultate wurden jedoch bei einer bereits beachtlichen Anzahl von Patienten im benachbarten Ausland erzielt. Diese Ergebnisse und die exzellente Anreicherung des <sup>68</sup>Ga-PSMA-11-PET in Prostatakarzinommetastasen wecken auch bei Patienten in der Schweiz grosse Hoffnungen. Dabei gilt es jedoch zu ber&uuml;cksichtigen, dass die bisher gewonnenen Daten auf retrospektiven Analysen beruhen und in oft sehr heterogenen Patientengruppen erhoben wurden. Eine erste Metaanalyse dieser Daten mit insgesamt 369 Patienten zeigte einen PSA-Wert-Abfall bei 68 % der Patienten.<sup>14</sup> Dass dieser PSA-Wert-Abfall auch einen Einfluss auf das &Uuml;berleben hat, konnte bei 52 Patienten gezeigt werden, wobei das mediane &Uuml;berleben bei Patienten mit PSA-Wert-Abfall unter <sup>177</sup>Lu-PSMA-617-Therapie bei 17 Monaten lag, verglichen mit 8,3 Monaten bei Patienten ohne PSA-Wert-Abfall.<sup>15</sup> Zudem ist es wichtig festzuhalten, dass die Therapien im Allgemeinen sehr gut vertragen werden, wie die ersten retrospektiven Daten einer Multicenterstudie zeigten: Grad-3- bis -4-H&auml;matotoxizit&auml;t trat bei nur 12 % der Patienten auf, wobei Speicheldr&uuml;sen und Nieren die Dosis-limitierenden Organe sind.<sup>16</sup> Daher muss auch hier die sorgf&auml;ltige individuelle Evaluation jedes Patientenfalls in einem interdisziplin&auml;ren Tumor-Board erfolgen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Eiber M et al: Evaluation of hybrid 68Ga-PSMA ligand PET/CT in 248 patients with biochemical recurrence after radical prostatectomy. J Nucl Med 2015; 56(5): 668-74 <strong>2</strong>&nbsp;Maurer T et al: Current use of PSMA-PET in prostate cancer management. Nat Rev Urol 2016; 13(4): 226-35 <strong>3</strong> Gabriel L et al: Expression von Prostata-spezifischem Membran-Antigen (PSMA) bei Mammakarzinom und Mammakarzinommetastasen. Senologie &ndash; Zeitschrift f&uuml;r Mammadiagnostik und -therapie 2016; 13: A28 <strong>4</strong> Pyka T et al: 68Ga-PSMA-11-HBED-CC PET for differential diagnosis of suggestive lung lesions in patients with prostate cancer. J Nucl Med 2016; 57(3): 367-71 <strong>5</strong> Ross JS et al: Correlation of primary tumor prostate-specific membrane antigen expression with disease recurrence in prostate cancer. Clin Cancer Res 2003; 9(17): 6357-62 <strong>6</strong> Fendler WP et al: 68Ga-PSMA-11 PET/CT: Joint EANM and SNMMI procedure guideline for prostate cancer imaging: version 1.0. Eur J Nucl Med Mol Imaging 2017; 44: 1014-24 <strong>7</strong> Giovacchini G et al: Predictive factors of [(11)C]choline PET/CT in patients with biochemical failure after radical prostatectomy. Eur J Nucl Med Mol Imaging 2010; 37(2): 301-9 <strong>8</strong> van Leeuwen PJ et al: (68)Ga-PSMA-11 has a high detection rate of prostate cancer recurrence outside the prostatic fossa in patients being considered for salvage radiation treatment. BJU Int 2016; 117(5): 732-9 <strong>9</strong> Bluemel C et al: Impact of 68Ga-PSMA-11 PET/CT on salvage radiotherapy planning in patients with prostate cancer and persisting PSA values or biochemical relapse after prostatectomy. EJNMMI Res 2016; 6(1): 78 <strong>10</strong> Henkenberens C et al: (68)Ga-PSMA-11 ligand PET/CT-based radiotherapy in locally recurrent and recurrent oligometastatic prostate cancer: early efficacy after primary therapy. Strahlenther Onkol 2016; 192: 431-9 <strong>11</strong> Verburg FA et al: Extent of disease in recurrent prostate cancer determined by [(68)Ga]PSMA-HBED-CC PET/CT in relation to PSA levels, PSA doubling time and Gleason score. Eur J Nucl Med Mol Imaging 2016; 43(3): 397-403 <strong>12</strong>&nbsp;Maurer T et al: Diagnostic efficacy of (68)Gallium-PSMA positron emission tomography compared to conventional imaging for lymph node staging of 130 consecutive patients with intermediate to high risk prostate cancer. J Urol 2016; 195(5): 1436-43 <strong>13</strong> Eiber M et al: Simul&shy;taneous 68Ga-PSMA-11 HBED-CC PET/MRI improves the localization of primary prostate cancer. Eur Urol 2016; 70(5): 829-36 <strong>14</strong> Calopedos RJS et al: Lutetium-177-labelled anti-prostate-specific membrane antigen antibody and ligands for the treatment of metastatic castrate-resistant prostate cancer: a systematic review and meta-analysis. Prostate Cancer Prostatic Dis 2017; doi: 10.1038/pcan.2017.23 [Epub ahead of print] <strong>15</strong> Ahmadzadehfar H et al: Overall survival and response pattern of castration-resistant metastatic prostate cancer to multiple cycles of radioligand therapy using [177Lu]Lu-PSMA-617. Eur J Nucl Med Mol Imaging 2017: doi: 10.1007/s00259-017-3716-2 [Epub ahead of print] <strong>16</strong> Rahbar K et al: German multicenter study investigating 177Lu-PSMA-617 radioligand therapy in advanced prostate cancer patients. J Nucl Med 2017; 58(1): 85-90</p> </div> </p>
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