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Prävention von Kreuzbandverletzungen

<p class="article-intro">Etwa jede Stunde kommt es in Österreich zu einer Ruptur des vorderen Kreuzbandes (VKB). Dabei können die Rupturen als ernste Knieverletzungen mit schwerwiegenden Folgen einhergehen und zu einer wesentlichen Einschränkung des Aktivitätslevels und der Lebensqualität führen und somit in schweren Verläufen in einer Sportinvalidität enden. Mit einem instabilen Kniegelenk geht ein höheres Risiko für Meniskusläsionen und Knorpelläsionen einher, und die Entwicklung einer Gonarthrose kann beschleunigt werden.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Um Inzidenz und Folgesch&auml;den von Kreuzbandrupturen zu verringern, kommen Ma&szlig;nahmen der Prim&auml;r-, Sekund&auml;r- und Terti&auml;rpr&auml;vention zur Anwendung.</li> <li>Wir unterscheiden zwischen intrinsischen Pr&auml;ventionsfaktoren, welche auf den Sportler bezogen sind, und extrinsischen Pr&auml;ventionsfaktoren, welche durch die Umwelt bestimmt werden.</li> <li>Pr&auml;ventionsprogramme beinhalten eine Vielzahl von verschiedenen Trainingsaspekten, die in der Regel aus neuromuskul&auml;rem, Balance-, Plyometrie- sowie Beweglichkeits- und Agilit&auml;tstraining bestehen.</li> <li>Metaanalysen konnten einen signifikanten klinischen Nutzen von Pr&auml;ventionsprogrammen zeigen, wobei dieser bei Frauen geringer ist als bei M&auml;nnern.</li> </ul> </div> <p>Eine Arbeit von Di Stefano et al konnte bereits im Jahr 2009 zeigen, dass es j&auml;hrlich in den USA zu einer Zunahme von 20 % an VKB-Rupturen kommt, weswegen Pr&auml;ventionsma&szlig;nahmen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Eine eigene Metaanalyse von Pr&auml;ventionsprogrammen in Zusammenarbeit mit der Harvard Medical School konnte zeigen, dass damit eine signifikante Reduktion von Kreuzbandrupturen erreicht werden kann.</p> <h2>Prim&auml;r-, Sekund&auml;r- und Terti&auml;rpr&auml;vention</h2> <p>Bezugnehmend auf Pr&auml;vention kann im Allgemeinen zwischen Prim&auml;r-, Sekund&auml;r- und Terti&auml;rpr&auml;vention unterschieden werden. Die Prim&auml;rpr&auml;vention von VKB-Rupturen hat das Ziel, deren Entstehung zu vermeiden, und bildet somit den Gro&szlig;teil der Pr&auml;ventionsprogramme. Durch eine Vielzahl von verschiedenen Trainingsprogrammen, die sich aus mehreren Aspekten zusammensetzen, soll das Entstehen einer VKB-Ruptur g&auml;nzlich verhindert werden. Die Sekund&auml;rpr&auml;vention soll das Fortschreiten der Erkrankung verhindern, also durch eine fr&uuml;hzeitige Entdeckung der Pathologie Folgesch&auml;den minimieren. Die Terti&auml;rpr&auml;vention beinhaltet die R&uuml;ckfallprophylaxe und die Verringerung der Schwere und Ausweitung des Zustandsbildes. In der Regel handelt es sich dabei um bereits operierte Sportlerinnen und Sportler, die dieselben &Uuml;bungen durchf&uuml;hren wie in der Prim&auml;rpr&auml;vention.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_s18kp.jpg" alt="" width="685" height="974" /></p> <h2>Intrinsische und extrinsische Pr&auml;ventionsfaktoren</h2> <p>Eine genauere Analyse der Prim&auml;rpr&auml;vention unterscheidet zwischen intrinsischen Faktoren, welche auf den Menschen bezogen sind, und extrinsischen Faktoren, welche durch &auml;u&szlig;ere Bedingungen und Umwelteinfl&uuml;sse bestimmt werden. Dabei kann mithilfe von definierten Screeningtests das individuelle Risiko f&uuml;r Sportlerinnen und Sportler bestimmt werden, um bereits vorauszusagen, wie wahrscheinlich ein Ereignis ist. Ein Beispiel ist das LESS (Landing Error Scoring System), wo ein dynamischer Knievalgus beim Bodenkontakt nach einem &bdquo;Drop Jump&ldquo; eingestuft wird. <br /> Wesentliche extrinsische Faktoren, welche die Rate an VKB-Rupturen beeinflussen, sind die Sportschuhe und der Spielbelag, die Wetterbedingungen und der Einsatz von Knieorthesen. So konnte gezeigt werden, dass im American Football die Rate an VKB-Rupturen bei Schuhen mit einer hohen Anzahl an Stollen geringer war. Au&szlig;erdem kann beispielsweise beim Fu&szlig;ball durch W&auml;sserung der Spielfl&auml;che in der Pause das Risiko f&uuml;r eine VKB-Ruptur reduziert werden. Der Einsatz von Knieorthesen zur Prophylaxe hat in der Literatur kontroverse Ergebnisse gezeigt. <br /> Intrinsische Faktoren sind unterteilbar in beeinflussbare und nicht beeinflussbare. Die nicht beeinflussbaren intrinsischen Faktoren stellen vor allem f&uuml;r Frauen einen Nachteil dar und beinhalten die Einnahme von oralen Kontrazeptiva, die &Auml;nderung des Hormonstatus im Zyklus, wodurch sich jeweils die Bandlaxizit&auml;t &auml;ndern kann, einen ver&auml;nderten Q-Winkel, die Weite der interkondyl&auml;ren Notch und die neuromuskul&auml;re Ansteuerung. Bei den beeinflussbaren intrinsischen Faktoren ist es das Ziel, neuromuskul&auml;re Ungleichgewichte im Training auszugleichen, sodass es im Wettkampf und Ernstfall korrekte, automatisierte Abl&auml;ufe gibt. Dabei gelten als biomechanische Risikofaktoren ein dynamischer Knievalgus, ein tibialer Vorschub, tibiale Rotationsbewegungen, seitliche Oberk&ouml;rperbewegungen, eine dynamische Fu&szlig;pronation und ein Erm&uuml;dungswiderstand. Als neuromuskul&auml;re Risikofaktoren gelten eine relative Hamstring-Rekrutierung, die H&uuml;ftabduktionskraft und die Oberk&ouml;rperpropriozeption. Vor allem bei Letzteren zeigen Pr&auml;ventionsprogramme den besten Erfolg.</p> <h2>Pr&auml;ventionsprogramme</h2> <p>Wir unterscheiden eine Vielzahl von etablierten Programmen und m&ouml;chten als die wichtigsten das 1999 etablierte &bdquo;Sportmetrics&ldquo;-Programm von Hewett et al, das 2005 entwickelte PEP-Programm (Prevent Injury And Enhance Performance) von Mandelbaum et al sowie das Programm &bdquo;Die 11+&ldquo; im Fu&szlig;ballbereich und diverse Handballpr&auml;ventionsprogramme von Petersen und Myklebust erw&auml;hnen. Gemeinsames Ziel aller Programme ist die sorgf&auml;ltige und regelm&auml;&szlig;ige Kontrolle eines korrekten Bewegungsablaufes unter bewusster Vermeidung von Positionen und Stellungen, die Verletzungen nach sich ziehen k&ouml;nnten. Besonderes Augenmerk wird dabei auf einen dynamischen Knievalgus, eine ausw&auml;rtsrotierte Fu&szlig;stellung sowie einen zu aufrechten Oberk&ouml;rper gelegt. Die verwendeten Techniken sind neuromuskul&auml;res Training, Balance- bzw. Gleichgewichtstraining (beispielsweise mit einem Kreisel), Plyometrietraining (eine spezielle Art von Schnellkrafttraining) sowie Beweglichkeit und Agilit&auml;t. <br /> In einer eigenen Metaanalyse konnten wir zeigen, dass der zusammengefasste Effekt von Pr&auml;ventionsprogrammen eine signifikante Verringerung des Risikos einer VKB-Ruptur bewirkt, wobei die &bdquo;number needed to treat&ldquo; (NNT) in den einzelnen Programmen von 5 bis 187 reicht. Wir konnten au&szlig;erdem zeigen, dass es eine gr&ouml;&szlig;ere Risikoreduktion bei Sportlern gab als bei Sportlerinnen (85 % vs. 52 % ), was belegt, dass Sportlerinnen nicht nur bei der Inzidenz dieser Verletzungen, sondern auch bei der Pr&auml;vention derselben im Nachteil sind.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; Angele P et al: Pr&auml;vention von vorderen Kreuzbandrupturen. SFA Arthroskopie aktuell 2013; 26. www.sfa-stiftung.org &bull; J&ouml;llenbeck T et al: Pr&auml;vention von Kreuzbandverletzungen. GOTS-Expertenmeeting 2010: Vorderes Kreuzband; 15-16. www.gots.org &bull; Sadoghi P et al: Effectiveness of anterior cruciate ligament injury prevention training programs. J Bone Joint Surg Am 2012; 94(9): 769-76</p> <p>Autoren: <br /> Patrick Sadoghi,<sup>1</sup> Gerwin Bernhardt,<sup>1</sup> Patrick Vavken,<sup>2</sup> Arvind von Keudell,<sup>3</sup> Gerald Gruber<sup>1</sup><br /> <sup>1</sup> Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Orthop&auml;die und Traumatologie, Medizinische Universit&auml;t Graz<br /> <sup>2</sup> Boston Children&rsquo;s Hospital, Harvard Medical School; AlphaClinic Z&uuml;rich<br /> <sup>3</sup> Brigham and Women&rsquo;s Hospital, Harvard Medical School</p> </div> </p>
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