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Prävention von Kreuzbandverletzungen
Jatros
Autor:
Prof. Dr. Patrick Sadoghi
Leitender Arzt, Sektion Knie, Universitätsklinik für Orthopädie und Traumatologie, Graz<br> E-Mail: patrick.sadoghi@medunigraz.at
30
Min. Lesezeit
13.07.2017
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<p class="article-intro">Etwa jede Stunde kommt es in Österreich zu einer Ruptur des vorderen Kreuzbandes (VKB). Dabei können die Rupturen als ernste Knieverletzungen mit schwerwiegenden Folgen einhergehen und zu einer wesentlichen Einschränkung des Aktivitätslevels und der Lebensqualität führen und somit in schweren Verläufen in einer Sportinvalidität enden. Mit einem instabilen Kniegelenk geht ein höheres Risiko für Meniskusläsionen und Knorpelläsionen einher, und die Entwicklung einer Gonarthrose kann beschleunigt werden.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Um Inzidenz und Folgeschäden von Kreuzbandrupturen zu verringern, kommen Maßnahmen der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention zur Anwendung.</li> <li>Wir unterscheiden zwischen intrinsischen Präventionsfaktoren, welche auf den Sportler bezogen sind, und extrinsischen Präventionsfaktoren, welche durch die Umwelt bestimmt werden.</li> <li>Präventionsprogramme beinhalten eine Vielzahl von verschiedenen Trainingsaspekten, die in der Regel aus neuromuskulärem, Balance-, Plyometrie- sowie Beweglichkeits- und Agilitätstraining bestehen.</li> <li>Metaanalysen konnten einen signifikanten klinischen Nutzen von Präventionsprogrammen zeigen, wobei dieser bei Frauen geringer ist als bei Männern.</li> </ul> </div> <p>Eine Arbeit von Di Stefano et al konnte bereits im Jahr 2009 zeigen, dass es jährlich in den USA zu einer Zunahme von 20 % an VKB-Rupturen kommt, weswegen Präventionsmaßnahmen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Eine eigene Metaanalyse von Präventionsprogrammen in Zusammenarbeit mit der Harvard Medical School konnte zeigen, dass damit eine signifikante Reduktion von Kreuzbandrupturen erreicht werden kann.</p> <h2>Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention</h2> <p>Bezugnehmend auf Prävention kann im Allgemeinen zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention unterschieden werden. Die Primärprävention von VKB-Rupturen hat das Ziel, deren Entstehung zu vermeiden, und bildet somit den Großteil der Präventionsprogramme. Durch eine Vielzahl von verschiedenen Trainingsprogrammen, die sich aus mehreren Aspekten zusammensetzen, soll das Entstehen einer VKB-Ruptur gänzlich verhindert werden. Die Sekundärprävention soll das Fortschreiten der Erkrankung verhindern, also durch eine frühzeitige Entdeckung der Pathologie Folgeschäden minimieren. Die Tertiärprävention beinhaltet die Rückfallprophylaxe und die Verringerung der Schwere und Ausweitung des Zustandsbildes. In der Regel handelt es sich dabei um bereits operierte Sportlerinnen und Sportler, die dieselben Übungen durchführen wie in der Primärprävention.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_s18kp.jpg" alt="" width="685" height="974" /></p> <h2>Intrinsische und extrinsische Präventionsfaktoren</h2> <p>Eine genauere Analyse der Primärprävention unterscheidet zwischen intrinsischen Faktoren, welche auf den Menschen bezogen sind, und extrinsischen Faktoren, welche durch äußere Bedingungen und Umwelteinflüsse bestimmt werden. Dabei kann mithilfe von definierten Screeningtests das individuelle Risiko für Sportlerinnen und Sportler bestimmt werden, um bereits vorauszusagen, wie wahrscheinlich ein Ereignis ist. Ein Beispiel ist das LESS (Landing Error Scoring System), wo ein dynamischer Knievalgus beim Bodenkontakt nach einem „Drop Jump“ eingestuft wird. <br /> Wesentliche extrinsische Faktoren, welche die Rate an VKB-Rupturen beeinflussen, sind die Sportschuhe und der Spielbelag, die Wetterbedingungen und der Einsatz von Knieorthesen. So konnte gezeigt werden, dass im American Football die Rate an VKB-Rupturen bei Schuhen mit einer hohen Anzahl an Stollen geringer war. Außerdem kann beispielsweise beim Fußball durch Wässerung der Spielfläche in der Pause das Risiko für eine VKB-Ruptur reduziert werden. Der Einsatz von Knieorthesen zur Prophylaxe hat in der Literatur kontroverse Ergebnisse gezeigt. <br /> Intrinsische Faktoren sind unterteilbar in beeinflussbare und nicht beeinflussbare. Die nicht beeinflussbaren intrinsischen Faktoren stellen vor allem für Frauen einen Nachteil dar und beinhalten die Einnahme von oralen Kontrazeptiva, die Änderung des Hormonstatus im Zyklus, wodurch sich jeweils die Bandlaxizität ändern kann, einen veränderten Q-Winkel, die Weite der interkondylären Notch und die neuromuskuläre Ansteuerung. Bei den beeinflussbaren intrinsischen Faktoren ist es das Ziel, neuromuskuläre Ungleichgewichte im Training auszugleichen, sodass es im Wettkampf und Ernstfall korrekte, automatisierte Abläufe gibt. Dabei gelten als biomechanische Risikofaktoren ein dynamischer Knievalgus, ein tibialer Vorschub, tibiale Rotationsbewegungen, seitliche Oberkörperbewegungen, eine dynamische Fußpronation und ein Ermüdungswiderstand. Als neuromuskuläre Risikofaktoren gelten eine relative Hamstring-Rekrutierung, die Hüftabduktionskraft und die Oberkörperpropriozeption. Vor allem bei Letzteren zeigen Präventionsprogramme den besten Erfolg.</p> <h2>Präventionsprogramme</h2> <p>Wir unterscheiden eine Vielzahl von etablierten Programmen und möchten als die wichtigsten das 1999 etablierte „Sportmetrics“-Programm von Hewett et al, das 2005 entwickelte PEP-Programm (Prevent Injury And Enhance Performance) von Mandelbaum et al sowie das Programm „Die 11+“ im Fußballbereich und diverse Handballpräventionsprogramme von Petersen und Myklebust erwähnen. Gemeinsames Ziel aller Programme ist die sorgfältige und regelmäßige Kontrolle eines korrekten Bewegungsablaufes unter bewusster Vermeidung von Positionen und Stellungen, die Verletzungen nach sich ziehen könnten. Besonderes Augenmerk wird dabei auf einen dynamischen Knievalgus, eine auswärtsrotierte Fußstellung sowie einen zu aufrechten Oberkörper gelegt. Die verwendeten Techniken sind neuromuskuläres Training, Balance- bzw. Gleichgewichtstraining (beispielsweise mit einem Kreisel), Plyometrietraining (eine spezielle Art von Schnellkrafttraining) sowie Beweglichkeit und Agilität. <br /> In einer eigenen Metaanalyse konnten wir zeigen, dass der zusammengefasste Effekt von Präventionsprogrammen eine signifikante Verringerung des Risikos einer VKB-Ruptur bewirkt, wobei die „number needed to treat“ (NNT) in den einzelnen Programmen von 5 bis 187 reicht. Wir konnten außerdem zeigen, dass es eine größere Risikoreduktion bei Sportlern gab als bei Sportlerinnen (85 % vs. 52 % ), was belegt, dass Sportlerinnen nicht nur bei der Inzidenz dieser Verletzungen, sondern auch bei der Prävention derselben im Nachteil sind.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>• Angele P et al: Prävention von vorderen Kreuzbandrupturen. SFA Arthroskopie aktuell 2013; 26. www.sfa-stiftung.org • Jöllenbeck T et al: Prävention von Kreuzbandverletzungen. GOTS-Expertenmeeting 2010: Vorderes Kreuzband; 15-16. www.gots.org • Sadoghi P et al: Effectiveness of anterior cruciate ligament injury prevention training programs. J Bone Joint Surg Am 2012; 94(9): 769-76</p> <p>Autoren: <br /> Patrick Sadoghi,<sup>1</sup> Gerwin Bernhardt,<sup>1</sup> Patrick Vavken,<sup>2</sup> Arvind von Keudell,<sup>3</sup> Gerald Gruber<sup>1</sup><br /> <sup>1</sup> Universitätsklinik für Orthopädie und Traumatologie, Medizinische Universität Graz<br /> <sup>2</sup> Boston Children’s Hospital, Harvard Medical School; AlphaClinic Zürich<br /> <sup>3</sup> Brigham and Women’s Hospital, Harvard Medical School</p>
</div>
</p>
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