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Frauenspezifische Prävention der COPD

<p class="article-intro">In den letzten Jahren sind die Prävalenz, Inzidenz und Mortalität durch Chronic Obstructive Pulmonary Disease (COPD) bei Frauen kontinuierlich gestiegen. Im Jahr 2000 überstieg in den USA die absolute Anzahl der an COPD gestorbenen Frauen die der Männer (Abb. 1).1 Rauchen ist der größte Risikofaktor für die Entwicklung einer COPD. Daher könnte die Zunahme der COPD-Prävalenz durch die weltweit veränderten Lifestyle-Gewohnheiten der Frauen bedingt sein, ferner sind sie zunehmend den gleichen Arbeitsplatzrisiken ausgesetzt.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Frauen sollten bei COPD-typischen Symptomen (Atemnot, Husten, Auswurf) fr&uuml;hzeitig lungenfunktionell untersucht werden.</li> <li>Frauen profitieren mehr von der Nikotinkarenz, haben aber gr&ouml;&szlig;ere Probleme dabei, das Rauchen aufzugeben.</li> <li>Die Komorbidit&auml;t Depression/&Auml;ngstlichkeit tritt bei Frauen h&auml;ufiger auf und bedarf einer zielgerichteten Therapie.</li> </ul> </div> <p>Neben der Zunahme des Tabakkonsums ist unklar, inwieweit unterschiedliche biologische Effekte einen Einfluss auf die Zunahme der COPD-Mortalit&auml;t haben. Die h&ouml;here absolute Mortalit&auml;t durch COPD bei Frauen k&ouml;nnte auch durch den Unterschied der Komorbidit&auml;ten wie Depression und Kachexie bedingt sein.</p> <h2>Geschlechterunterschied in der Diagnose</h2> <p>Chapman konnte 2001 zeigen, dass bei Rauchern mit gleicher Pr&auml;sentation der Symptome Husten und Auswurf die Diagnose COPD bei M&auml;nnern (65 % ) h&auml;ufiger gestellt wurde als bei Frauen (45 % ), obwohl nach spirometrischen Untersuchungen die COPD-Rate bei M&auml;nnern und Frauen ann&auml;hernd gleich war (67 % bei M&auml;nnern vs. 65 % bei Frauen).<sup>2, 3</sup> Wird die Diagnose COPD durch Anamnese und k&ouml;rperliche Untersuchung alleine gestellt, werden Frauen eindeutig unterdiagnostiziert; erfolgt die Diagnose dagegen bei den gleichen Patienten spirometrisch, bestehen keine signifikanten Unterschiede. Dies unterstreicht die besondere Bedeutung der Spirometrie bei der Diagnosestellung der COPD, insbesondere bei Frauen. Die Spirometrie wird in der Diagnostik insgesamt zu wenig eingesetzt<sup>4</sup> und zus&auml;tzlich erhalten Frauen weniger spezialisierte Untersuchungen.<sup>5</sup> Daher ist davon auszugehen, dass Frauen seltener spirometrisch untersucht werden. Gem&auml;&szlig; den Alters-, &bdquo;Pack-year&ldquo;- und Dyspnoe-Score-adjustierten Daten erhalten Frauen weniger h&auml;ufig eine Spirometrie als M&auml;nner. Daraus ist abzuleiten, dass die COPD bei Frauen weniger h&auml;ufig diagnostiziert und somit weniger h&auml;ufig konsequent behandelt wird.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1703_Weblinks_s12_1.jpg" alt="" width="1417" height="889" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1703_Weblinks_s12_2.jpg" alt="" width="2151" height="1558" /></p> <h2>Tabakempfindlichkeit</h2> <p>Auch wenn die Zunahme der COPD-Pr&auml;valenz bei Frauen durch den gesteigerten Tabakkonsum verursacht wird, stellt sich die Frage, ob Frauen ein gr&ouml;&szlig;eres Risiko f&uuml;r durch Rauchen verursachte Lungensch&auml;den haben. Diskutiert werden eine h&ouml;here Empfindlichkeit gegen&uuml;ber Tabak sowie ein dosisabh&auml;ngiger Effekt. Die Atemwege von Frauen haben einen kleineren Durchmesser, sodass bei gleicher Menge Zigarettenrauch eine h&ouml;here Expositionsrate besteht. Ebenso scheinen das Passivrauchen, die Wahl der Zigarettenmarke sowie eine unterschiedliche Inhalationstechnik eine Rolle zu spielen. Ferner werden hormonelle Effekte in der Lungenentwicklung sowie eine h&ouml;here Sensitivit&auml;t der Beta- und Acetylcholin-Rezeptoren und ein unterschiedlicher Zigarettenrauch-Metabolismus diskutiert.<sup>6</sup> Andererseits korrelierte in der British Lung Study das Risiko, eine COPD zu entwickeln, mit der H&ouml;he des Zigarettenkonsums, aber nicht mit dem Geschlecht.<sup>7</sup> Wenn Frauen eine h&ouml;here Empfindlichkeit f&uuml;r Tabakrauchen haben, stellt sich die Frage nach den Ursachen. In Familien mit fr&uuml;h auftretender COPD zeigte sich in der Silverman-Studie eine deutlich h&ouml;here Pr&auml;valenz bei Frauen (71 % ). Bei weiblichen Verwandten ersten Grades fanden sich ferner ein signifikant h&ouml;heres Risiko einer FEV1-Abnahme und ein signifikant besseres Ansprechen auf Bronchodilatation im Vergleich zu den m&auml;nnlichen Verwandten ersten Grades. Dieser Unterschied wurde nur bei aktiven Rauchern und Exrauchern gesehen und impliziert eine m&ouml;gliche genetische Disposition f&uuml;r eine Raucher-assoziierte Lungensch&auml;digung, die genderspezifisch ist.<sup>8</sup></p> <h2>Symptome und Lebensqualit&auml;t</h2> <p>Die pathophysiologischen Ver&auml;nderungen durch die COPD f&uuml;hren bei M&auml;nnern und Frauen zu unterschiedlichen Symptomauspr&auml;gungen und Lebensqualit&auml;tseinschr&auml;nkungen. Frauen berichten h&auml;ufiger von schwerer Luftnot trotz signifikant geringeren Nikotinkonsums. In einer FEV1-gematchten Fallstudie waren die Frauen signifikant j&uuml;nger und hatten seltender eine Raucheranamnese, trotzdem berichteten sie von gr&ouml;&szlig;erer Luftnot, gemessen nach der mMRC-Skala.<sup>9</sup> Bei gleichem Grad der Lungenfunktionseinschr&auml;nkung empfinden Frauen mehr Luftnot und eine gr&ouml;&szlig;ere Einschr&auml;nkung ihres Gesundheitszustandes.<sup>10</sup><br />Die Wahrnehmung von Luftnot hat eine physische, eine affektive und eine kognitive Dimension. Die Wahrnehmung von Luftnot ist nicht nur durch die Lungendysfunktion beeinflusst, sondern ist abh&auml;ngig von emotionalen Faktoren. MRT-Studien zeigen, dass die Aktivierung im lateralen pr&auml;frontalen Kortex durch negative Stimuli bei M&auml;nnern und Frauen unterschiedlich ist.<sup>11, 12</sup> Die unterschiedliche Aktivierung dieser Regionen, die bei der kognitiven Modulation der Emotionen eine gro&szlig;e Rolle spielen, k&ouml;nnte Ursache f&uuml;r die andere Wahrnehmung von Luftnot sein. Frauen entwickeln ein st&auml;rkeres Bewusstsein f&uuml;r somatische Sensationen, wodurch Luftnotsensationen eher detektiert werden.<sup>13</sup> Frauen mit COPD zeigen h&ouml;here Level von &Auml;ngstlichkeit und Depressionen sowie niedrigere Level symptomorientierter Lebensqualit&auml;t. &Auml;ngstlichkeit und Depressionen wiederum f&uuml;hren h&auml;ufig zu Hospitalisation.</p> <h2>Unterschiede in der Biologie und Physiologie</h2> <p>Klinische Studien legen den Verdacht nahe, dass Sexualhormone die Atemwegsfunktion beeinflussen. Die Inzidenzrate f&uuml;r Asthma ist bei M&auml;dchen bis zum Alter von 15 Jahren geringer als bei Jungen. Danach steigt die Inzidenzrate bei Frauen bis zur perimenopausalen Phase an. Eine prospektive Kohortenstudie zeigt, dass eine postmenopausale Hormonsubstitution das Risiko eines neu diagnostizierten Asthmas erh&ouml;ht. Bei neu diagnostizierter COPD besteht kein Unterschied zwischen der Hormonsubstitutionsgruppe und den Hormon-naiven Patientinnen.<sup>14</sup> Sexualhormone scheinen einen Einfluss auf die Atemwegsfunktion beim Asthma zu haben. Der Einfluss bei der Pathogenese der COPD ist weiterhin unklar. Zurzeit gibt es keine prospektiven Daten, die einen Einfluss von &Ouml;strogensubstitution auf die Lungenfunktion bei COPD nachweisen. Im National Emphysema Treatment Trial (NETT) zeigten M&auml;nner h&auml;ufiger eine Reversibilit&auml;t der Atemwegsobstruktion als Frauen. Im Gegensatz dazu konnte in der Lung Health Study dieser geschlechtsspezifische Unterschied nicht nachgewiesen werden. Histologische Untersuchungen der Bronchien von Frauen zeigen eine geringere Rate von hochgradigem Emphysem in der Lungenperipherie und signifikant dickere Atemwege sowie kleinere Lumina. Dies legt den Schluss nahe, dass hinsichtlich Reaktionen auf Zigarettenrauch sowohl bei der Art als auch des Orts der Lungensch&auml;digung differieren. Die Pr&auml;valenz der chronischen Bronchitis scheint bei Frauen h&ouml;her zu sein, w&auml;hrend die Pr&auml;valenz f&uuml;r die Entwicklung eines Emphysems bei M&auml;nnern erh&ouml;ht ist. Die COPD ist eine chronisch-inflammatorische Erkrankung mit progressiver Infiltration von Leukozyten in die Lunge auch nach Rauchentw&ouml;hnung. Das Ansprechen des Immunsystems k&ouml;nnte ein Faktor f&uuml;r die Pr&auml;dominanz des Ph&auml;notyps der chronischen Bronchitis bei Frauen sein.</p> <h2>Therapeutische Implikationen</h2> <p>Frauen profitieren von der Rauchentw&ouml;hnung hinsichtlich der Lungenfunktion deutlich mehr als M&auml;nner, aber nicht bezogen auf die Symptome.<sup>15</sup> Giemen und Auswurf scheinen bei M&auml;nnern unter Nikotinkarenz deutlich reduziert. Diese fehlende Symptomverbesserung k&ouml;nnte eine Erkl&auml;rung daf&uuml;r sein, dass Frauen gr&ouml;&szlig;ere Schwierigkeiten haben, eine lang anhaltende Abstinenz zu erzielen.<sup>16</sup> Im Kurzzeit- wie auch im Langzeit-Follow-up haben Frauen gr&ouml;&szlig;ere Schwierigkeiten, das Rauchen aufzugeben, profitieren allerdings mehr von der Abstinenz.<br />Bei den pharmakologischen Standardtherapien der COPD sind Genderunterschiede nicht belegt, da die durchgef&uuml;hrten Medikamentenstudien den Geschlechtsunterschied nicht ausreichend ber&uuml;cksichtigten. Da immer mehr Frauen an COPD erkranken, m&uuml;ssen k&uuml;nftige Studien auch im Hinblick auf diese Geschlechtsunterschiede gepowert werden. Die EuroSCOPE-Studie konnte bei der Anwendung inhalativer Steroide eine Reduktion von Sputum bei M&auml;nnern, jedoch nicht bei Frauen nachweisen. Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit den Untersuchungen bei Asthma bronchiale, bei dem eine lineare Regressionsanalyse einen gr&ouml;&szlig;eren Steroideffekt bei M&auml;nnern als bei Frauen aufzeigen konnte. Bei Asthmapatienten war die Plasmaalbuterolkonzentration, bei der eine maximale Bronchodilatation beobachtet wurde, bei M&auml;nnern zweimal so hoch wie bei Frauen. Dies l&auml;sst den Schluss zu, dass Frauen eine h&ouml;here Sensitivit&auml;t f&uuml;r Albuterol haben. Vergleichbare Daten f&uuml;r die COPD existieren zurzeit nicht.<br />&Auml;ngstlichkeit und Depressionen sind bei COPD-Patienten mit einer Pr&auml;valenz von 49 % dreimal h&auml;ufiger als in der Normalbev&ouml;lkerung zu finden.<sup>17, 18</sup> Fabiano konnte zeigen, dass die Pr&auml;valenz f&uuml;r &Auml;ngstlichkeit und Depression bei COPD-Patientinnen signifikant erh&ouml;ht ist im Vergleich zu einer altersadjustierten gesunden Kontrollgruppe.<sup>19</sup> Depressive Symptome bei COPD-Patienten treten signifikant h&auml;ufiger bei erh&ouml;htem BMI, erh&ouml;htem mMRC-Index und bei Frauen auf.<sup>18</sup> Insofern ist weibliches Geschlecht bei COPD-Patienten ein Risikofaktor f&uuml;r Depression.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die Pr&auml;valenz der COPD nimmt weltweit bei Frauen zu. Frauen zeigen h&auml;ufiger den Ph&auml;notyp der chronischen Bronchitis. Im Vergleich zu M&auml;nnern klagen Frauen &uuml;ber eine schlechtere Lebensqualit&auml;t und berichten h&auml;ufiger &uuml;ber Luftnot. Frauen mit Symptomen wie Husten, Auswurf und Luftnot sollten eine spirometrische Untersuchung erhalten, um zur Vermeidung der Progression fr&uuml;hzeitig eine angepasste Therapie einzuleiten. Komorbidit&auml;ten wie &Auml;ngstlichkeit und Depressionen sind bei Frauen deutlich ausgepr&auml;gter als bei M&auml;nnern. Ma&szlig;nahmen zur Rauchentw&ouml;hnung zeigen bei Frauen zudem weniger oft Erfolg und sind weniger nachhaltig, obwohl sie von der Rauchentw&ouml;hnung objektiv gesehen mehr profitieren als M&auml;nner. Daher sollten Frauen nachdr&uuml;cklich zur Rauchentw&ouml;hnung angehalten werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Mannino D et al: Chronic obstructive pulmonary disease surveillance: United States, 1971-2000. MMWR Surveill Summ 2002; 51: 1-16 <strong>2</strong> Chapman K et al: Gender bias in the diagnosis of COPD. Chest 2001; 119: 1691-5 <strong>3</strong> Miravitlles M et al: Attitudes toward the diagnosis of chronic obstructive pulmonary disease in primary care. Arch Bronconeumol 2006; 42: 3-8 <strong>4</strong> Franks P et al: Sex, access and excess. Ann Intern Med 1995; 123: 548-50 <strong>5</strong> Kesten S et al: Physician perception and management of COPD. Chest 1993; 104: 254-8 <strong>6</strong> Ben-Zaken Cohen S et al: The growing burden of chronic pulmonary disease and lung cancer in women: examining sex differences in cigarette smoke metabolism. Am J Respir Crit Care Med 2007; 176: 113-20 <strong>7</strong> Gan WQ et al: Female smokers beyond the perimenopausal period are at risk of chronic obstructive pulmonary disease: a systematic review and meta-analysis. Respir Res 2006; 7: 52 <strong>8</strong> Silverman E et al: Gender-related differences in severe early-onset chronic pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 2000; 162: 2152-8 <strong>9</strong> de Torres JP et al: Gender and COPD in patients attending a pulmonary clinic. Chest 2005; 128: 2012-6 <strong>10</strong> de Torres Tajes JP et al: Gender associated differences in determinants of quality of life in patients with COPD: a case series study. Health Qual Life Outcomes 2006; 4: 72 <strong>11</strong> Becklake MR et al: Gender differences in airway behaviour over human life span. Thorax 1999; 54: 1119-38 <strong>12</strong> Paulson PE et al: Gender differences in pain perception and patterns of cerebral activation during noxious heat stimulation in humans. Pain 1998; 76: 223-9 <strong>13</strong> Shields SA, Simon A: Is awareness of bodily change in emotion related to awareness of other bodily processes? J Pers Assess 1991; 57: 96-109 <strong>14</strong> Barr RG et al: Prospective study of postmenopausal hormone use and newly diagnosed asthma and chronic obstructive pulmonary disease. Arch Intern Med 2004; 164: 379-86 <strong>15</strong> Scanlon PD et al: Smoking cessation and lung function in mild-to-moderate chronic obstructive pulmonary disease. The Lung Health Study. Am J Respir Crit Care Med 2000; 161: 381-90 <strong>16</strong> Varkey AB: Chronic obstructive pulmonary disease in women: exploring gender differences. Curr Opin Pulm Med 2004; 10: 98-103 <strong>17</strong> Laurin C et al: Sex differences in the prevalence of psychiatric disorders and psychological distress in patients with COPD. Chest 2007; 132: 148-55 <strong>18</strong> Chavannes NH et al: Associations of depressive symptoms with gender, body mass index and dyspnea in primary care COPD patients. Fam Pract 2005; 22: 604-7 <strong>19</strong> Fabiano DM et al: Anxiety and depression in COPD patients: the roles of gender and disease severity. Respir Med 2006; 100: 1767-74</p> </div> </p>
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