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Neue Substanzen erobern die Therapielandschaft
Jatros
Autor:
Mag. Dr. Anita Schreiberhuber
30
Min. Lesezeit
08.06.2017
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<p class="article-intro">Am diesjährigen ECCO-Kongress wurden einige Substanzen präsentiert, die entweder rezent zugelassen worden sind, wie Ustekinumab bei Morbus Crohn (MC), oder für die in Phase-III-Studien die Ergebnisse aus Phase-II-Studien weiter untermauert werden konnten. Insgesamt ist zu konstatieren, dass auch bei Patienten, bei denen eine vorangegangene Behandlung mit TNF-α-Inhibitoren versagt hat, beeindruckende Ergebnisse erzielt werden können.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Tofacitinib</h2> <p>Tofacitinib (Tofa) ist ein oraler JAK-Inhibitor, für den mittlerweile sowohl bei MC als auch bei Colitis ulcerosa (CU) Ergebnisse aus Phase-III-Studien vorliegen. In den Induktionsstudien OCTAVE 1 und 2 bei Patienten mit moderater bis schwerer CU wurde eine signifikante Überlegenheit von Tofa hinsichtlich des Erreichens einer Remission und einer Mukosaheilung gegenüber Placebo nachgewiesen.<sup>1</sup> Am diesjährigen ECCO-Kongress präsentierte Assoc. Prof. Julián Panés, University ­Hospital Clínic de Barcelona, die Ergebnisse der 52-wöchigen Maintenancestudie OCTAVE Sustain. In dieser Studie wurde Tofa (5 bzw. 10mg, 2x täglich [BID]) vs. Placebo bei Patienten untersucht, die in den OCTAVE-Induktionsstudien ein Ansprechen gezeigt hatten. Der primäre Endpunkt (EP), der Nachweis einer klinischen Remission (CR) in Woche 52, wurde unter beiden Dosierungen der Prüfsubstanz in signifikant höherem Ausmaß verzeichnet als unter Placebo (34,3 bzw. 40,6 vs. 11,1 % ; p<0,001). Analog dazu war der Anteil an Patienten, bei denen in Woche 52 eine Mukosaheilung (wesentlicher ­sekundärer EP) vorlag, in beiden Tofa-Armen größer (37,4 bzw. 45,7 vs. 13,1 % ; p<0,001) und auch die Rate an anhal­tender steroidfreier Remission war zu ­beiden Messzeitpunkten (Woche 24 und 52) höher (35,4 bzw. 47,3 vs. 5,1 % ; p<0,001).</p> <p>Insgesamt wurden keine neuen Nebenwirkungen (AE) dokumentiert. Die Rate an Infektionen war unter Tofa höher als unter Placebo, schwerwiegende AE wurden jedoch in allen drei Gruppen in vergleichbarem Ausmaß beobachtet. Das Auftreten von Herpes zoster dürfte dosisabhängig sein und betraf in der 5mg-Gruppe 3 und in der 10mg-Gruppe 10 Patienten.</p> <p>In einer anderen Session stellte Panés die Ergebnisse zur Untersuchung der Langzeitgabe von Tofa bei MC vor. Für diese 48 Wochen dauernde offene Studie konnten Patienten rekrutiert werden, die die Phase-­IIb-Maintenancestudie (NCT01393899) entweder abgeschlossen oder aufgrund von Therapieversagen abgebrochen hatten.</p> <p>Patienten, die sich bei Studienbeginn nicht in Remission befanden, wurden automatisch der Gruppe mit 10mg-Dosierung BID zugeordnet. Dementsprechend befanden sich in diesem Prüfarm mehr Patienten mit einem höheren CDAI-Score und höheren CRP- und FCP(fäkales Calprotec­tin)-Spiegeln bei Studieneinschluss. Die Rate an Studienabbrechern war unter der 10mg-Dosierung höher (27 vs. 6 Patienten), was nicht zuletzt auf das teils insuffiziente Ansprechen in diesem Patientenkollektiv zurückzuführen ist. Dennoch wurde in dieser Gruppe in Woche 48 eine CR-Rate von immerhin 55,6 % verzeichnet. Das entsprechende Ergebnis betrug in der Gruppe unter 5mg BID 87,9 % (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Infekt_1702_Weblinks_s7.jpg" alt="" width="1417" height="958" /></p> <h2>Etrolizumab – rasche Besserung von Symptomen und Biomarkerwerten</h2> <p>Bei Etrolizumab (Etro) handelt es sich um einen humanisierten monoklonalen Antikörper, der auf selektive Weise an die β7-Untereinheit der heterodimeren Integrine α4β7 und αEβ7 bindet.</p> <p>Die ermutigenden Ergebnisse der Phase-II-Studie EUCALYPTUS<sup>2</sup> mit CU-Patienten, bei denen die konventionelle Therapie versagt hatte, gaben Anlass zur weiteren Prüfung dieser subkutan zu applizierenden Substanz. Die präliminären Ergebnisse der Phase-III-Studie HICKORY wurden am ECCO-Kongress von Prof. Dr. Laurent Peyrin-Biroulet, Université de Lorraine, Vandoevre-lès-Nancy, Frankreich, präsentiert: In HICKORY wird Etro an Patienten mit moderater bis schwerer CU (klinischer Mayo-Score [MCS]: 6–12) und einem vorangegangen TNF-Versagen in zwei Kohorten untersucht: In Kohorte 1 (n=130 Patienten) erfolgt in der Induktionsphase die Verabreichung im offenen Design (105mg alle 4 Wochen [q4w]). Die Patienten in Kohorte 2 werden zu Baseline in einer 4:1-Ratio in den Etro- (105mg q4w) bzw. Placebo-Arm randomisiert. Alle Patienten aus Kohorte 1 und 2, die am Ende der 14-wöchigen Induktionsphase eine Response aufweisen, werden zur Fortsetzung 1:1 zur Etro-Therapie bzw. zum Erhalt von Placebo im Rahmen der 52-wöchigen Maintenancephase randomisiert. Relevant ist, dass bei Studieneinschluss 48 % der Patienten einen MCS ≥10 und immerhin 80 % einen endoskopischen Mayo-Subscore von 3 aufwiesen. 45 % waren sogar mit 2 TNFα-Inhibitoren vorbehandelt.</p> <p>In der offenen Kohorte wurde nach 14 Wochen eine Evaluierung hinsichtlich der von den Patienten angegebenen Symptom­scores (Stuhlfrequenz [SF], rektale Blutun­gen [RB]) und der inflammatorischen Biomarker durchgeführt: Aus den Ergebnissen geht hervor, dass unter Etro eine rasche Abnahme der SF- und ein noch steilerer Abfall der RB-Scores erzielt wurden. Die von den Patienten angegebene Sym­ptomverbesserung war unabhängig vom Erkrankungsausmaß und auch unabhängig von der Anzahl der vorangegangenen Anti-TNF-Therapien. „Bei einem Drittel der Patienten wurde bereits in Woche 3 eine SF- und RB-Remission festgestellt, und die Zahl nahm bis zu Woche 14 kontinuierlich zu“, berichtete Peyrin-Biroulet, der diese Ergebnisse als beeindruckend beurteilte. Die FCP-Spiegel nahmen in der gesamten Kohorte um 58 % ab; allerdings fiel die Reduktion bei Patienten, die keine Remission erreicht hatten, deutlich geringer aus (–41 % ) als bei Patienten mit Vorliegen einer SF- bzw. RB-Remission (–84 % bzw. –70 % ). Analog dazu fielen auch die CRP-Werte im Gesamtkollektiv um 46 % und bei Vorliegen einer SF- bzw. RB-Remission um 71 % bzw. 60 % .</p> <p>In die placebokontrollierte Induktionskohorte von HICKORY werden jedoch immer noch Patienten eingeschlossen und die finalen Studienergebnisse werden mit Spannung erwartet.</p> <h2>IL-23- und IL-12-Pathway am Beispiel von Ustekinumab</h2> <p>Bereits in den 1990er-Jahren wurde herausgefunden, dass Interleukin(IL)-12 eine relevante Rolle in der Pathogenese von zahlreichen immunmediierten Erkrankungen spielt, was die Entwicklung von zielgerichteten Substanzen vorangetrieben hat. Ustekinumab (Uste) ist einer der ersten Antikörper, die spezifisch an die Untereinheit p40 von IL-12 binden. Interessant ist jedoch, dass auch IL-23 diese Untereinheit enthält, sodass Uste auch modulierend auf IL-23 einwirkt. Inzwischen ist belegt, dass IL-12/23p40 eine Schlüsselrolle bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Psoriasis und CED spielt.<sup>3</sup></p> <p>Bereits in einer Subgruppenanalyse einer Phase-II-Studie wurde speziell bei jenen MC-Patienten, die Non-Responder auf Infliximab waren, ein besonders gutes Ansprechen gezeigt (43 % bzw. 53 % in Woche 8).<sup>4</sup> Die Effektivität nach TNF-Versagen wurde in der Dosisfindungsstudie CERTIFI (1, 3 bzw. 6mg/kg Körpergewicht i.v. vs. Placebo i.v.) bestätigt. Die Raten an klinischer Response in Woche 6 (primärer EP) betrugen 36,6 bzw. 34,1 bzw. 39,7 % vs. 23,5 % in der Placebogruppe (p=0,0005 bei Vergleich mit der 6mg-Gruppe). Im Anschluss wurden Patienten mit dem Nachweis einer Response erneut zum Erhalt von Uste s.c. (90mg in den Wochen 8 und 16) bzw. Placebo randomisiert. Die Erhaltungstherapie mit Uste führte zu CR-Raten von 41,7 vs. 27,4 % (p=0,003) und Responseraten von 69,4 vs. 42,5 % (p<0,001) in Woche 22, wobei die Kurven per Messung ab Woche 12 im Prüfarm kontinuierlich aufrecht blieben, unter Placebo jedoch rasch abfielen.<sup>5</sup></p> <p>Die Ergebnisse des Phase-III-Programms UNITI<sup>6</sup> (UNITI-1 und -2, gefolgt von der Maintenancestudie IM-UNITI) führte schließlich zur Zulassung von Uste in der Indikation MC für Patienten, die auf eine konventionelle Therapie oder einen der TNFα-Antagonisten unzureichend angesprochen haben oder für eine Anti-TNF-Therapie nicht infrage kommen.<sup>7</sup></p> <h2>Neue Substanzen in klinischer Entwicklung</h2> <p>Gegenwärtig gibt es Bestrebungen, auch nachgeschaltete Moleküle im IL-12- und IL-23-Pathway zu blockieren. So geben Ergebnisse einer Phase-II-Studie zur Inhibition von p19, der zweiten Untereinheit von IL-23, Anlass zur Hoffnung, dass der Antikörper Risankizumab erfolgreich Einzug in die Klinik finden könnte: Risankizumab führte in der 600mg-Dosierung zu einer CR-Rate von 36,6 % . Dabei muss betont werden, dass 94 % der Patienten TNF-vorbehandelt waren und von diesen bis zu 59 % <2 TNF-Inhibitoren erhalten hatten. Erwähnenswert ist auch, dass unter Risankizumab weniger schwerwiegende AE aufgetreten sind als im Placeboarm.<sup>8</sup></p> <p>Quelle:</p> <p>12. Kongress der European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO), 15.–18. Februar 2017, Barcelona</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Sandborn WJ et al: Eldelumab [anti-IP-10] induction therapy for ulcerative colitis: a randomised, placebo-controlled, phase 2b study. J Crohns Colitis 2016; 10: 418-28 <strong>2</strong> Vermeire S et al: Etrolizumab as induction therapy for ulcerative colitis: a randomised, controlled, phase 2 trial. Lancet 2014; 384; 309-18 <strong>3</strong> Benson JM et al: Therapeutic targeting of the ­IL-12/23 pathways: generation and characterization of ­ustekinumab. Nature Biotechnol 2011; 29: 615-24 <strong>4</strong> Sandborn WJ et al; Ustekinumab Crohn's Disease Study Group: A randomized trial of Ustekinumab, a human interleukin-12/23 monoclonal antibody, in patients with moderate-­to-severe Crohn's disease. Gastroenterology 2008; 135: 1130-41 <strong>5</strong> Sandborn WJ et al; CERTIFI Study Group: Ustekinumab induction and maintenance therapy in refractory Crohn's disease. N Engl J Med 2012; 367: 1519-28 <strong>6</strong> Feagan B et al; UNITI–IM-UNITI Study Group: Ustekinumab as induction and maintenance therapy for crohn’s disease. N Engl J Med 2016; 375: 1946-60 <strong>7</strong> Fachinformation Ustekinumab, Stand: November 2016 <strong>8</strong> Feagan BG et al: DDW 2016; ­Abstract #768</p>
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