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Per Internet Schmerzen lindern

<p class="article-intro">Eine Studie aus Australien zeigt, dass sich mit einer internetbasierten Therapie Schmerzen im Knie und die Funktionalität bessern lassen. Experten sind jedoch kritisch: Telemedizin kann bei Gonarthrose eine sinnvolle begleitende Massnahme sein, aber kein vollständiger Ersatz für persönliche Betreuung.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Ferntherapie per Computer oder Mobiltelefon hat sich bei einigen Krankheiten schon etabliert. Patienten senden zum Beispiel ihr Elektrokardiogramm an den Arzt zur Diagnose, ihre Blutzuckerwerte oder ein Foto von einer auff&auml;lligen Stelle auf der Haut. Der Arzt diagnostiziert Vorhofflimmern, empfiehlt mehr Insulin oder l&auml;sst die Stelle vom Hautarzt abkl&auml;ren &ndash; von Telemedizin kann der Patient enorm profitieren. Jetzt haben Forscher von der Universit&auml;t in Melbourne eine internetbasierte Therapie auch bei Gonarthrose getestet.<sup>1</sup> Ihr Fazit: Die Strategie kann Schmerzen lindern und die Funktion verbessern; der Effekt h&auml;lt 9 Monate an. &laquo;Offenbar scheint das zu funktionieren&raquo;, sagt Dr. med. Daniel W&uuml;st, Facharzt FMH f&uuml;r Orthop&auml;dische Chirurgie in Z&uuml;rich. &laquo;Ich w&uuml;rde das aber nur anbieten, wenn jemand keine M&ouml;glichkeit hat, in meine Praxis zu kommen oder wenn jemand aus dem Ausland sich bei mir eine Zweitmeinung einholen m&ouml;chte.&raquo;<br />Die australische Arbeitsgruppe um Kim L. Bennell hatte 148 Patienten im Alter von 50 oder &auml;lter mit chronischen Knieschmerzen im Rahmen einer randomisierten kontrollierten Studie untersucht. Alle Teilnehmer erhielten online Informationen, welche k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t sie aus&uuml;ben sollten, wie sie mit Schmerzen umgehen k&ouml;nnen, wie sie sich ern&auml;hren sollten und welche Medikamente und komplement&auml;re Massnahmen es gibt. Die Interventionsgruppe erhielt zus&auml;tzlich zwei Behandlungskomponenten: Die eine bestand aus einem internetbasierten interaktiven Trainingsprogramm (PainCoach), mit dem die Patienten lernten, mit Schmerzen besser klarzukommen. 8 Module von jeweils 35&ndash;45 Minuten Dauer sollten die Probanden einmal pro Woche abarbeiten. Sie lernten unter anderem, sich zu entspannen, zwischen Aktivit&auml;t und Ruhe abzuwechseln, negative Gedanken umzuwandeln, Probleme zu l&ouml;sen oder sich Aktivit&auml;ten vorzunehmen, die ihnen Freude machten. Automatische E-Mails erinnerten die Teilnehmer, ihre &laquo;Hausaufgaben&raquo; zu machen. Die zweite Therapiekomponente der Interventionsgruppe bestand aus 7 Skype-Sitzungen mit Physiotherapeuten w&auml;hrend 12 Wochen. An diese Therapeuten konnten sich die Teilnehmer auch zwischendurch mit Fragen wenden. Ein pers&ouml;nlicher Physiotherapeut verordnete per Skype Dehnungs&uuml;bungen f&uuml;r die Beine, die der Proband dreimal pro Woche zu Hause machen sollte. Die Teilnehmer erhielten Anleitungen, Videodemonstrationen und Ger&auml;te wie Widerstandsb&auml;nder oder Gewichtsmanschetten f&uuml;r das Fussgelenk. <br />Wie stark die Schmerzen beim Laufen waren, ermittelten die Autoren mit einer 11-Punkte-Skala, die Funktionalit&auml;t bestimmten sie anhand eines speziellen Osteoarthritis-Index. Bei den Internetpatienten hatten sich nach 3 Monaten Schmerzen und Funktion mehr gebessert als bei den Kontrollpatienten (medianer Unterschied bei den Schmerzen: 1,6 Einheiten; medianer Unterschied bei der Funktion: 9,3 Einheiten). Der Effekt hielt auch noch nach 9 Monaten an. Auch bez&uuml;glich anderer Kriterien wie isolierter Knieschmerz, Lebensqualit&auml;t, Selbstwirksamkeit, Schmerzkatastrophisierung und -bew&auml;ltigung ging es den Internetpatienten besser, w&auml;hrend dies bei den Kontrollpatienten nur beim Knieschmerz nach 3 und 9 Monaten sowie bei der Selbstwirksamkeit nach 9 Monaten der Fall war. Eine Internettherapie, so das Fazit von Kim Bennell und ihren Kollegen, bringe Patienten mit Knieschmerzen einen &laquo;erheblichen Benefit&raquo;. <br />Orthop&auml;de W&uuml;st ist jedoch kritisch. &laquo;Bei zehn Prozent der Patienten erfolgte nach neun Monaten keine Nachkontrolle &ndash; das ist schlecht f&uuml;r eine wissenschaftliche Studie. Vielleicht ging es diesen Patienten genauso wie den Kontrollpatienten und es bestand gar kein so grosser Unterschied zwischen den beiden Gruppen.&raquo; F&uuml;r die Schweiz habe eine Internettherapie bei Gonarthrose keine grosse Relevanz. &laquo;Sinnvoll kann das in Australien sein, wo Patienten weit weg vom Physiotherapeuten wohnen&raquo;, sagt er. &laquo;Aber hierzulande hat fast jeder Mensch rasch Zugang zu einem Physiotherapeuten.&raquo; &Uuml;bungen bei Kniearthrose seien einfacher zu instruieren und der Patient leichter zu motivieren, wenn der Physiotherapeut pers&ouml;nlich mit ihm spreche und gemeinsam mit ihm &uuml;be. Bestimmte Patienten k&ouml;nnten aber m&ouml;glicherweise doch von der Internettherapie profitieren, meint W&uuml;st, n&auml;mlich diejenigen, die es unangenehm oder l&auml;stig finden, zur Physiotherapie zu gehen. Eine Form von Telemedizin betreibt aber auch W&uuml;st selbst, indem er Fragen der Patienten per Telefon oder E-Mail beantwortet. &laquo;Das sind aber meistens konkrete Fragen und keine Instruktionen f&uuml;r Bewegungs&uuml;bungen&raquo;, erz&auml;hlt er. &laquo;Die &Uuml;bungen macht man besser pers&ouml;nlich mit dem Physiotherapeuten.&raquo;</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Bennell KL et al: Effectiveness of an internet-delivered exercise and pain-coping skills training intervention for persons with chronic knee pain. Ann Intern Med 2017; 166(7): 453-62</p> </div> </p>
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