Verletzungen beim Yoga

Wenn der Ehrgeiz zu gross ist

<p class="article-intro">Es gibt inzwischen einige Evidenz, dass Yoga positive präventive und therapeutische Wirkungen hat. Doch immer mehr Yogabegeisterte ziehen sich bei den Übungen Zerrungen oder Frakturen zu. Vor allem ältere Menschen sind betroffen, wenn sie ihre körperlichen Fähigkeiten überschätzen. Sportmediziner raten zu individuellem Unterricht und Aufwärmen vor dem Training.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Gem&auml;ss einer Umfrage der Zeitschrift &laquo;20 Minuten&raquo; unter 2890 Teilnehmern praktizieren 36 % der Schweizer regelm&auml;ssig Yoga und 20 % hin und wieder. 27 % betreiben zwar kein Yoga, haben es aber vor.<sup>1</sup> Inzwischen gibt es einige Studien &uuml;ber die positiven Wirkungen von Yoga: Es bessert Depressionen, Angst- und Schlafst&ouml;rungen bei Schwangeren sowie M&uuml;digkeit und Depressionen bei Frauen mit Brustkrebs. Yoga kann chronische Nacken- und R&uuml;ckenschmerzen lindern und wirkt positiv auf Herz-Kreislauf-Parameter bei Patienten mit Vorhofflimmern und bei Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben. Yoga verbessert zudem die Balance und das K&ouml;rpergef&uuml;hl &ndash; das kann insbesondere &auml;ltere Menschen vor St&uuml;rzen sch&uuml;tzen.<sup>2</sup></p> <h2>Trendsport mit Nebenwirkungen</h2> <p>Doch der Trendsport kann auch Nebenwirkungen hervorbringen. Immer mehr Leute verletzen sich in den USA beim Yoga.<sup>2</sup> Das fanden Thomas Swain und Gerald McGwin von der Universit&auml;t in Alabama durch Auswertungen von Daten des nationalen &Uuml;berwachungssystems f&uuml;r Verletzungen heraus. Vor allem Senioren scheint Yoga zu schaffen zu machen: Mehr als achtmal so viele &uuml;ber 65-J&auml;hrige verletzten sich 2014 im Vergleich zu 2001.<br />&laquo;F&uuml;r die Schweiz haben wir hierzu keine objektiven, wissenschaftlich erfassten Zahlen&raquo;, sagt Dr. med. Daniel W&uuml;st, Orthop&auml;de und Sportmediziner in einer Praxis in Z&uuml;rich. &laquo;Aber auch ich sehe regelm&auml;ssig Patienten, die sich beim Yoga verletzt haben.&raquo; Am h&auml;ufigsten w&uuml;rden Frauen &uuml;ber Schmerzen im Knie klagen, die nach l&auml;ngerem Sitzen auf den Fersen mit maximaler Beugung der Kniegelenke aufgetreten sind. Bei diesen stellt W&uuml;st dann oft einen Schaden am Meniskus fest. <br />Dr. med. Alexander Bari&eacute;, Leiter des Bereichs Sportorthop&auml;die und Sporttraumatologie am Universit&auml;tsklinikum Heidelberg, ist ebenfalls des &Ouml;fteren mit Knieschmerzen bei Yogasportlern konfrontiert, und zwar nach Einnahme des Lotussitzes. Die Schmerzen wurden durch &Uuml;berlastung bereits degenerativ vorgesch&auml;digter Menisken verursacht. &laquo;Auch Sehnenirritationen im Bereich der Sitzbeine kommen vor, vor allem wenn die fehlenden k&ouml;rperlichen Voraussetzungen durch den &Uuml;benden missachtet und &uuml;bergangen werden.&raquo; <br />W&uuml;st sieht immer wieder auch Sch&auml;den an B&auml;ndern oder Kapseln am Schultergelenk, wenn die Yogabegeisterten zu heftig gedehnt haben. Einmal habe er sogar bei einer Dame eine Fraktur am Mittelfussknochen diagnostiziert. Der Knochen war wegen st&auml;ndiger &Uuml;berlastung gebrochen.</p> <h2>Verletzungen vermeiden durch individuellen Unterricht</h2> <p>Frakturen durch Yoga kommen zum Gl&uuml;ck selten vor. In der oben erw&auml;hnten US-amerikanischen Studie machten sie nur 4,76 % der Verletzungen aus. Am h&auml;ufigsten (45,03 % ) zerrten sich die Leute B&auml;nder, Kapseln und Muskeln, vor allem an Hals, R&uuml;cken oder Beinen.<br /> &laquo;Prinzipiell kann jedes unserer B&auml;nder, jeder Muskel und jede Gelenkkapsel gezerrt werden&raquo;, erkl&auml;rt W&uuml;st. Das passiert, wenn man das Gewebe &uuml;ber seine eigentliche maximale Dehnungsf&auml;higkeit hinaus dehnt. &laquo;Es kommt dann zu kleinsten Rissen im Gewebe, was eine Blutung und Entz&uuml;ndung ausl&ouml;sen kann, die Schmerzen verursacht.&raquo; Die Zerrungen entstehen, weil die Yogasportler ihre &Uuml;bungen zu ehrgeizig machen, ihre k&ouml;rperlichen F&auml;higkeiten &uuml;bersch&auml;tzen oder nicht richtig angeleitet werden, so Bari&eacute;. Das sind auch die Gr&uuml;nde, warum sich &auml;ltere Yogasportler h&auml;ufiger verletzten. &laquo;Im Alter ist das Gewebe nicht mehr so dehnbar und wird anf&auml;lliger f&uuml;r Verletzungen.&raquo; Macht man dann die &Uuml;bungen so intensiv wie ein junger Mensch, reizt man das vorgesch&auml;digte Gewebe, und es wird gezerrt. Im Alter l&auml;sst zudem die Knochendichte nach und Knochen brechen leichter, was auch die erh&ouml;hte Frakturrate bei den Senioren erkl&auml;rt. &laquo;&Auml;ltere Sportler sind ausserdem oft ziemlich ehrgeizig&raquo;, erz&auml;hlt Bari&eacute;. &laquo;Die Yogagruppen sind h&auml;ufig gemischt, und die Senioren m&ouml;chten unbedingt mit den J&uuml;ngeren mithalten.&raquo; <br />Verletzungen liessen sich vermeiden, wenn die Yogalehrer ihre Sch&uuml;ler individueller anleiten w&uuml;rden, so Bari&eacute;: &laquo;&Auml;ltere Yogainteressierte und solche mit Vorsch&auml;den sollten zun&auml;chst individuell durch einen medizinisch geschulten Trainer angeleitet werden und nicht direkt in einer Gruppe beginnen.&raquo; Ausserdem solle man seine Patienten immer wieder darauf hinweisen, das Aufw&auml;rmen nicht zu vergessen, r&auml;t W&uuml;st: &laquo;Das Gewebe wird mehr durchblutet und die Koordination zwischen Muskeln und Gehirn verbessert &ndash; das kann vor Verletzungen sch&uuml;tzen.&raquo; Die &Uuml;bungen sollten &uuml;ber einen l&auml;ngeren Zeitraum gelernt und gesteigert werden. &laquo;Und niemals sollte der Yogalehrer eine durchgef&uuml;hrte Dehnung mit den H&auml;nden verst&auml;rken. Dann ist eine Zerrung fast schon vorprogrammiert&raquo;, so W&uuml;st.<br />Kaum ein Yogabegeisterter l&auml;sst sich von seinem Lieblingssport abhalten. Umso wichtiger ist es, ihm verst&auml;ndlich zu erkl&auml;ren, was er im Notfall machen kann: Kommt es zu einer Zerrung an Bein oder Arm, soll die sogenannte PECH-Regel angewendet werden: Pausieren, Eis, Compression und Hochlagern. Bei Zerrungen an Schulter, R&uuml;cken oder Nacken kann der Betroffene erst einmal abwarten. Lassen es die Schmerzen zu, soll er in Bewegung bleiben, also seinem normalen Tagesablauf nachgehen, sagt Bari&eacute;. W&auml;rme mittels W&auml;rmekissen entkrampft die Muskulatur. Bei st&auml;rkeren und l&auml;nger anhaltenden Schmerzen sollte sich der Patient beim Hausarzt vorstellen. Wenn aber &laquo;red flags&raquo; dazukommen, dann ist ein umgehender Besuch beim Facharzt anzuraten. Solche Warnzeichen sind Fieber, L&auml;hmungserscheinungen an Blase, Mastdarm oder Beinen, sich stark verschlimmernde R&uuml;ckenschmerzen oder vorbekannte Erkrankungen wie Osteoporose, Krebs oder entz&uuml;ndlich-rheumatische Erkrankungen.</p> <h2>Nicht die Freude am Yoga verderben</h2> <p>Man d&uuml;rfe seinen Patienten aber nicht die Freude am Yoga nehmen, findet Bari&eacute;. &laquo;Im Vergleich zu anderen Sportarten kommt es beim Yoga selten zu Verletzungen, und die Vorteile &uuml;berwiegen bei Weitem das Risiko.&raquo; Yoga werde zunehmend auch in medizinischen Bereichen aufgrund seiner pr&auml;ventiven und therapeutischen Wirkung eingesetzt, z.B. zur Stressreduktion bei neurologischen und psychischen Erkrankungen und bei der Volkskrankheit R&uuml;ckenschmerz. &laquo;Im Leistungssport wird es zur Verbesserung der k&ouml;rperlichen Voraussetzungen und aufgrund seiner positiven psychischen Effekte immer h&auml;ufiger in den Trainingsplan der Athleten aufgenommen&raquo;, berichtet Bari&eacute;. &laquo;Man muss nur den richtigen Yogalehrer suchen. Dann ist Yoga eine gute und ungef&auml;hrliche M&ouml;glichkeit, um die Gesundheit zu verbessern.&raquo;</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> <a href="http://www.20min.ch">www.20min.ch</a> <strong>2</strong> Swain TA, McGwin G: Orthop J Sports Med 2016; 4(11): 2325967116671703</p> </div> </p>
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