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Bewegung und Rheuma

Mythen müssen aus den Köpfen

<p class="article-intro">Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis steht das Thema Bewegung und Sport immer kontroversiell zu den Schmerzen und Einschränkungen des Bewegungsapparates. Wie viel und wie oft soll sich ein Patient mit rheumatischer Gelenkserkrankung bewegen, um nicht eine weitere Destruktion oder einen Schub der Gelenksentzündung zu provozieren? Rheumapatienten werden oft angehalten, ihre Gelenke nicht übermäßig zu beanspruchen. Regelmäßige Bewegung ist jedoch die Grundlage und eines der wichtigsten Behandlungsprinzipien bei rheumatischen Gelenkserkrankungen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Bewegung bedeutet Lebensqualit&auml;t. Die Frage ist, ob diese Weisheit auch auf Rheumapatienten zutrifft. Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis betreffen meist den St&uuml;tz- und Bewegungsapparat, somit wird Patienten oft geraten, ihre Gelenke zu schonen. Junge Patienten, die schon seit fr&uuml;hester Kindheit im Rahmen einer juvenilen rheumatoiden Arthritis an rezidivierenden Gelenkschmerzen und -schwellungen leiden, werden sehr fr&uuml;h darauf konditioniert, ihre Gelenke nicht zu sehr zu beanspruchen, und m&uuml;ssen in vielen F&auml;llen auf sportliche Aktivit&auml;ten verzichten. Die Entbehrung sportlicher Unternehmungen gibt diesen Jugendlichen auch einen anderen Stellenwert im sozialen Umfeld und ist die Grundlage f&uuml;r Muskelatrophien, Muskelverk&uuml;rzungen und schlussendlich Gelenkskontrakturen. Aber auch bei Patienten, bei denen sich die Erkrankung erst im Erwachsenenalter manifestiert, kommt es oft sehr schnell zum R&uuml;ckzug von sportlichen Aktivit&auml;ten und gelenksbeanspruchenden Freizeitgestaltungen, wie z.B. Wandern.</p> <p>Durch die positive Entwicklung der Medikation mit DMARDs und Biologika hat sich das Beschwerdebild der meisten Rheumapatienten sehr gewandelt. Rezidivierende Krankheitssch&uuml;be mit Gelenkserg&uuml;ssen und Schmerzen des gesamten Bewegungsapparates k&ouml;nnen damit unterbunden werden. Bei manchen Patienten f&uuml;hren sie sogar zur Remission der Erkrankung. Jedoch auch Patienten, die auf diese medikament&ouml;sen Therapien gut ansprechen, trauen sich oft nicht, zu ihren sportlichen Aktivit&auml;ten zur&uuml;ckzukehren oder mit neuen zu beginnen.<br />Nach wie vor kursieren Ger&uuml;chte und Mythen, wie: &bdquo;Rheumapatienten m&uuml;ssen sich schonen und d&uuml;rfen sich m&ouml;glichst nicht bewegen!&ldquo; Dies ist jedoch ein Irrglaube. Es kann zwar zu Bewegungseinschr&auml;nkungen kommen, sodass der Sport nicht mehr so wie gewohnt ausge&uuml;bt werden kann. Hier sollte jedoch durch &Auml;nderungen der Bewegungsabl&auml;ufe versucht werden, die M&ouml;glichkeiten zur Sportaus&uuml;bung weiter zu erhalten. Selbst wenn rein sportliches Training nicht mehr m&ouml;glich sein sollte, sollte Bewegung weiter in Form von Krankengymnastik oder weiterer physiotherapeutischer Therapie erfolgen, um dem Teufelskreis von Schmerzen und Muskelverspannungen zu entkommen. Unter anderem werden durch regelm&auml;&szlig;ige Sportaus&uuml;bung und Bewegung Begleiterkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z.B. Herzkranzgef&auml;&szlig;verengung, Bluthochdruck, Venenleiden), Stoffwechselerkrankungen (z.B. Fettstoffwechselst&ouml;rungen, &Uuml;bergewicht, Diabetes), Lungenerkrankungen (z.B. Asthma, chronische Bronchitis) und neurologisch-psychiatrische Erkrankungen (z.B. Depression, Psychose, Demenz) g&uuml;nstig beeinflusst. Aus diesen Gr&uuml;nden ist es wichtig, Rheumapatienten die Angst vor der Bewegung zu nehmen und M&ouml;glichkeiten f&uuml;r k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t zu bieten.<br />Studien haben gezeigt, dass die Muskelkraft bei Rheumapatienten &ndash; aufgrund der Immobilit&auml;t bei inflammierten Gelenken und k&ouml;rperlicher Inaktivit&auml;t &ndash; um 30&ndash;75 % reduziert ist, ebenso liegen die Ergebnisse bei Fitnesstests 20&ndash;30 % unter den Normalwerten. Nachweislich f&uuml;hrt die reduzierte Aktivit&auml;t in 50&ndash;60 % zu einer h&ouml;heren Mortalit&auml;t aufgrund von kardiovaskul&auml;ren Erkrankungen.</p> <h2>Wo sollen die Therapie und der Weg hin zur Bewegung ansetzen?</h2> <p>Zun&auml;chst m&uuml;ssen entz&uuml;ndliche und nicht entz&uuml;ndliche Schmerzen sowie Muskelverspannungen durch physikalische Therapie (K&auml;lte, W&auml;rme, Massage), systemisch mit Medikamenten (NSAR, Opioide, Kortison und Basistherapeutika: DMARDs, Biologika) und/oder lokal mit Infiltrationen (Lokalan&auml;sthetika und Kortison) behandelt werden. Bei einem sehr eingeschr&auml;nkten Bewegungsumfang einzelner Gelenke kann durch eine vorgesetzte Krankengymnastik versucht werden, eine verbesserte Mobilit&auml;t zu erzielen.<br />Nach gr&uuml;ndlicher Erhebung des Gelenksstatus sollten Patient und Therapeut zusammen die optimalen Bewegungsmuster eruieren, um eine adaptierte Sportart, ein adaptiertes Training oder adaptierte Bewegungsabl&auml;ufe festzulegen. Dieses Programm sollte in den ersten Einheiten entsprechend begleitet werden, um sicherzustellen, dass das erarbeitete Projekt entsprechend umgesetzt werden kann und auch den erhofften Fortschritt bringt. Wichtig f&uuml;r den Trainingserfolg ist die Festlegung der Ziele und in welche Richtung &ndash; sei es Ausdauertraining und/oder Krafttraining &ndash; die Bewegung f&uuml;hren soll.</p> <h2>Welche Sportarten und Bewegungsabl&auml;ufe sind bei rheumatoider Arthritis anzuraten?</h2> <p>Im Prinzip gibt es keine Sportart, die nicht durchgef&uuml;hrt werden sollte, sofern sie auf den Krankheits- und Funktionsstatus der Gelenke in der Aus&uuml;bung abgestimmt ist. In erster Linie werden aber Low-Impact-Sportarten empfohlen, mit einer Trainingsfrequenz im aeroben Bereich bis zu 60 Minuten t&auml;glich und bis zu 5-mal w&ouml;chentlich. Im Ausdauerbereich sind Nordic Walken, Radfahren, Schwimmen und Laufen g&uuml;nstige M&ouml;glichkeiten. Zur Kr&auml;ftigung der Muskulatur sind, abgesehen von gezieltem Krafttraining, auch Gymnastik, Yoga, Tai-Chi oder Pilates-&Uuml;bungen g&uuml;nstige Alternativen. Letztere haben auch den Vorteil, dass die Bewegungsabl&auml;ufe zus&auml;tzlich zu einer Dehnung der Muskelgruppen f&uuml;hren. Da das Krafttraining nicht nur zum Aufbau der Muskulatur und Abbau von Verspannungen dient, sondern auch zur F&ouml;rderung des Knochenstoffwechsels beitr&auml;gt, w&auml;re es wichtig, dass auch Rheumapatienten mit fortgeschrittenen Funktionseinschr&auml;nkungen die M&ouml;glichkeit zum Muskeltraining geboten wird. In diesen F&auml;llen w&uuml;rden sich isometrisches Krafttraining und Aquagymnastik anbieten.<br />Nicht zu empfehlen sind High-Impact-Sportarten mit Stop-and-go-Bewegungsabl&auml;ufen wie Squash, Tennis oder Fu&szlig;ball sowie auch Kontaktsportarten, wie diverse Kampfsportarten, Rugby oder Football.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1703_Weblinks_s59.jpg" alt="" width="1454" height="1303" /></p> <h2>Gibt es Kontraindikationen f&uuml;r Sport und Bewegung?</h2> <p>Starke Gelenksdeformationen und -destruktionen stellen zwar eine gewisse Kontraindikation f&uuml;r Sport dar, dennoch sollte eine gezielte Krankengymnastik die M&ouml;glichkeit zur Bewegung offenhalten. &Auml;hnlich verh&auml;lt es sich bei vertikalen oder horizontalen C1/2-HWS-Instabilit&auml;ten. Im akuten Krankheitsschub hingegen sollten schmerzlindernde physikalische und medikament&ouml;se Ma&szlig;nahmen im Vordergrund stehen, von einer Bewegungstherapie sollte Abstand genommen werden. Als weitere Kontraindikationen sind s&auml;mtliche Arten von Entz&uuml;ndungszust&auml;nden, wie Perikarditis oder Pleuritis, anzusehen.</p> <h2>Warum ist es auch f&uuml;r Rheumapatienten essenziell, Bewegung zu forcieren?</h2> <p>F&uuml;r den Bewegungsapparat bedeuten Bewegung und Sport nicht nur eine Verbesserung der Fitness und damit verbunden eine Steigerung der k&ouml;rperlichen Aktivit&auml;t. Der Gewinn an Muskelkraft entlastet auch die Gelenke und Bandans&auml;tze speziell im Bereich des Rumpfes und der Wirbels&auml;ule. Dadurch kann nicht nur eine Verbesserung des K&ouml;rpergef&uuml;hls, sondern auch eine Reduktion der Schmerzen erreicht werden. Studien haben gezeigt, dass k&ouml;rperliches Training zu keiner Verschlechterung des radiologischen Gelenksstatus f&uuml;hrt und speziell Krafttraining dem Knochenabbau und der Demineralisierung entgegenwirkt. <br />Bei Rheumapatienten sind Bewegung und Sport nicht nur essenziell f&uuml;r den Bewegungsapparat, sondern auch f&uuml;r das allgemeine Befinden und den gesamten Organismus. Regelm&auml;&szlig;ige Bewegung f&uuml;hrt zur Endorphinaussch&uuml;ttung und damit zu Stressabbau und Reduktion von Depressionen, wodurch wiederum die Schmerzschwelle erh&ouml;ht wird. Ebenso verbessert sich der Fettstoffwechsel und damit verlangsamen sich die atherosklerotischen Prozesse in Gef&auml;&szlig;en. Richtig angelegtes Training kann auch eine Senkung des Blutdrucks bewirken und damit im Gesamten eine Reduktion der kardiovaskul&auml;ren Mortalit&auml;t. Speziell bei gezielt immunsupprimierten Patienten kann durch die Bewegung das restliche Immunsystem gesteigert und die Krankheitsaktivit&auml;t positiv beeinflusst werden.<br />Abgesehen von wenigen Kontraindikationen haben Bewegung und Sport nach Studienlage durchwegs einen positiven Effekt auf den Krankheitsverlauf von Rheumapatienten. Mythen, die das Gegenteil behaupten, m&uuml;ssen aus den K&ouml;pfen der Patienten, &Auml;rzte und Therapeuten entfernt werden und durch Aufkl&auml;rung und Information &uuml;ber M&ouml;glichkeiten und Benefits sowie durch F&ouml;rderung der Motivation der Patienten, etwas f&uuml;r sich und ihren K&ouml;rper zu tun, ersetzt werden.<br />Der Inhalt dieses Artikels war Thema eines Vortrags bei der Sport&auml;rztewoche, 4.&ndash;9. Dezember 2016, Kaprun.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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