Zur Zukunft der Handfehlbildungschirurgie in Österreich

<p class="article-intro">Handfehlbildungen zählen zu den seltenen Erkrankungen. Wer in Österreich Kinder mit einer Handfehlbildung behandeln soll, ist derzeit nicht geregelt, und wer dies am besten kann, ist nicht bekannt. Voraussetzung für eine optimale Behandlung ist die Erstellung eines individuellen Konzeptes, um mit so wenigen Eingriffen wie möglich das beste funktionelle Ergebnis zu erzielen. Dafür ist eine hohe Expertise der Behandler notwendig und Betroffene sollten raschen Zugang zu den Abteilungen mit der höchsten Fachkompetenz erhalten. </p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Stiefkind Handfehlbildungschirurgie?</h2> <p>Die H&auml;nde sind f&uuml;r ein Kind das Tor zur Umwelt. Durch sie begreift und kommuniziert es. Handfehlbildungen z&auml;hlen mit einer Inzidenz von 1/2.000 bis 1/10.000 Lebendgeborenen zu seltenen Erkrankungen. Sie k&ouml;nnen als isolierte Fehlbildung einseitig oder beidseitig vorkommen oder im Rahmen einer Mehrfachfehlbildung/eines Syndroms auftreten. Kaum eine Handfehlbildung derselben Entit&auml;t gleicht einer anderen. Manche sind so selten, dass auch die erfahrensten Spezialisten nur kleine Fallzahlen &uuml;berblicken k&ouml;nnen.<br />Dies stellt &ndash; ob die Fehlbildung pr&auml;natal bekannt ist oder nicht &ndash; sowohl die Eltern als auch die behandelnden &Auml;rzte vor eine Vielzahl an Herausforderungen. Es gilt, f&uuml;r jedes Kind einen individuellen Behandlungsplan zu erstellen, der die Gesamtsituation des Kindes und seinen Entwicklungsstand mit einbezieht. Beim Vorliegen von Mehrfachfehlbildungen (kardial, intestinal, zerebral oder an den unteren Extremit&auml;ten) muss ein Gesamtkonzept zur Reihung der Dringlichkeit der notwendigen Eingriffe erstellt werden. Liegt auch eine Entwicklungsverz&ouml;gerung vor, gilt es, andere Ma&szlig;st&auml;be anzulegen als bei einem regul&auml;r entwickelten Kind. Das erfordert eine enge interdisziplin&auml;re Zusammenarbeit von Therapeuten und &Auml;rzten vieler Disziplinen (Neonatologie, Kinderkardiologie, P&auml;diatrie, An&auml;sthesie und Kinderintensivstation, Radiologie, Neurochirurgie, Orthop&auml;die).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s30.jpg" alt="" width="1454" height="1792" /></p> <p><br />Die Einbindung der p&auml;diatrisch geschulten Ergotherapeuten zur Anpassung von Schienen und die Beratung bez&uuml;glich Hilfsmittel (Griffverl&auml;ngerung f&uuml;r das Fahrrad, Schmuckprothesen) sind ebenso selbstverst&auml;ndlich wie die M&ouml;glichkeit, Nahtentfernungen bei Kleinkindern in Narkose durchzuf&uuml;hren. <br />Ziel eines guten Konzeptes ist es, in wenigen Eingriffen das beste funktionelle Ergebnis zu erzielen. Das bedeutet, dass beispielsweise beim Vorliegen einer beidseitigen Handfehlbildung auch eine einzeitige, beidseitige Korrekturoperation in Betracht gezogen werden soll &ndash; oder, wenn alle vier Extremit&auml;ten betroffen sind, zumindest eine Hand und ein Fu&szlig; in einer Narkose korrigiert werden. Dies spart insgesamt Narkosezeit, Bettentage und Zeit, in der ein Kind durch eine Verbandanordnung gehandicapt ist. Es verhindert aber auch, dass ein Kind viele Wochen seiner Kindheit wegen zahlreicher Eingriffe im Krankenhaus verbringen muss und die Eltern Arbeitstage verlieren. <br />Jedes Kind hat nur eine Chance auf die optimale Behandlung. Um eine hohe Qualit&auml;t zu gew&auml;hrleisten, ist die genaue Analyse des Kindes in jeder Entwicklungsphase durch erfahrene &Auml;rzte unabdingbar. Den Besonderheiten des sich entwickelnden Skelettes muss ebenso Rechnung getragen werden wie dem im Wachstum befindlichen Weichteilmantel. Die Operationen sind sehr h&auml;ufig technisch h&ouml;chst anspruchsvoll, da nicht nur die Komplexit&auml;t der Handfunktionen respektiert werden muss, sondern auch darauf geachtet werden soll, dass die durch die Operation gesetzten Narben oder fehlverheilte Knochen im Lauf des Wachstums zu keiner Funktionseinschr&auml;nkung f&uuml;hren. <br />Regelm&auml;&szlig;ige Kontrollen der Kinder bis zum Wachstumsabschluss sind notwendig, um Korrekturen rechtzeitig durchf&uuml;hren zu k&ouml;nnen. Daraus ergibt sich eine langj&auml;hrige Arzt-Patienten-Beziehung. Hilfestellung bei der Schul- und Berufswahl sowie bei der Auswahl einer m&ouml;glichen Sportart oder des passenden Musikinstrumentes soll gegeben werden k&ouml;nnen, um das heranwachsende Kind und seine Familie zu unterst&uuml;tzen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s31.jpg" alt="" width="1454" height="1241" /></p> <h2>Es besteht Handlungsbedarf</h2> <p>Es gibt wenige Kinder mit Handfehlbildungen in &Ouml;sterreich. Um wie viele Patienten es sich genau handelt, wissen wir leider nicht. Die Methoden der Pr&auml;nataldiagnostik schaffen immer fr&uuml;her in der Schwangerschaft die M&ouml;glichkeit, Fehlbildungen oder das Vorliegen eines Syndroms zu erkennen. Anzunehmen ist, dass dadurch auch weniger fehlgebildete Kinder zur Welt kommen. Daten &uuml;ber die Anzahl der aus medizinischer Indikation beendeten Schwangerschaften bei vorliegenden Fehlbildungen gibt es auch nicht, ebenso liegen keine Daten &uuml;ber Fehlbildungen bei Spontanaborten vor. <br />Auch bei lebend geborenen Kindern mit einer Fehlbildung wird diese nicht erfasst oder in ein Fehlbildungsregister eingegeben, lediglich bei Kindern, die im Rahmen von reproduktionsmedizinischen Ma&szlig;nahmen gezeugt worden sind, werden Fehlbildungen grob erfasst. Ein fl&auml;chendeckendes &ouml;sterreichisches Fehlbildungsregister fehlt.</p> <h2>Zukunftskommission Handfehlbildungschirurgie</h2> <p>Die &Ouml;sterreichische Gesellschaft f&uuml;r Handchirurgie hat es sich vor &uuml;ber zwei Jahren im Rahmen der Zukunftskommission Handfehlbildungschirurgie zum Ziel gesetzt, alle Fachrichtungen und Abteilungen einzubinden, die Kinder mit Handfehlbildungen behandeln. Es soll ein &Uuml;berblick geschaffen werden, wie viele Kinder mit welchen Fehlbildungen es verteilt auf &Ouml;sterreich gibt und wie und wo sie behandelt werden. Durch die ermittelten Daten sollen Informationen f&uuml;r Zuweiser und betroffene Eltern bereitgestellt werden k&ouml;nnen, die es erm&ouml;glichen, ein Kind pr&auml;- und postpartal so rasch wie m&ouml;glich an einer kompetenten Einrichtung vorzustellen. Auch die Aus- und Fortbildung f&uuml;r Medizinstudenten und Kollegen der verschiedensten Fachrichtungen sowie Ergotherapeuten soll in diesem hochspezialisierten Gebiet gef&ouml;rdert werden. <br />Die Datenerhebung gestaltet sich schwierig, da die ICD-Codes die einzelnen Fehlbildungen nur mangelhaft repr&auml;sentieren. Keine Fehlbildung gleicht der anderen und sie ist auch nicht immer exakt zu klassifizieren. <br />F&uuml;r die Codierung der Operationen existieren nur zwei Codes: f&uuml;r die Korrektur der einfachen oder die der komplexen Handfehlbildung. Die Codierung erfolgt pro Eingriff, nicht pro Patient. Es liegt also in der Erfahrung des Behandlers, wie h&auml;ufig ein Kind operiert werden muss und wie eine Handfehlbildung und deren Therapie verschl&uuml;sselt werden. Somit kann durch die derzeit m&ouml;gliche Datenerhebung weder auf die Anzahl der Operationen noch auf die Anzahl der betroffenen Kinder ein R&uuml;ckschluss gezogen werden und auch nicht darauf, wie oft ein und derselbe Patient operiert wurde. <br />In Zukunft soll die Behandlung der Kinder auf wenige &Auml;rzte mit h&ouml;chster Fachkompetenz und Erfahrung konzentriert werden. Das entspricht auch der Umsetzung des Nationalen Aktionsplanes zur Behandlung seltener Erkrankungen. Ein verpflichtendes &ouml;sterreichisches Fehlbildungsregister soll Aufschluss &uuml;ber die Entwicklung der Patientenzahlen geben.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; Ladurner J, Voigtl&auml;nder T: National and European concepts for the bundling of expertise for rare diseases. Pediatric Paedolog Austria 2015; 50(S2): 66-73 &bull; Lamb DW, Wynne-Davies R: Inheritance and other possible causes of congenital deformities. In: Buck-Gramcko D (Hg.): Con&shy;genital malformations of the hand and forearm. Churchill Livingstone, 1998, p3-7 &bull; Piza-Katzer H, Mail&auml;nder L, Wenger A: Hand malformation surgery in Austria. Pediatric Paedolog Austria 2016; 51(S2): 59-62 &bull; Piza-Katzer H, Wenger A: Angeborene Fehlbildungen der Hand. In: Towfigh H et al (Hg.): Handchirurgie. Heidelberg: Springer, 2011, S. 470-526 &bull; Voigtl&auml;nder T, Ladurner J: National and European concepts for the bundling of expertise for rare diseases. Pediatric Paedolog Austria 2015; 50(S2): 74-80 &bull; Waldhauser F, Deutsch J, Gobara S: Kompetenzzentren und Versorgungsnetzwerke f&uuml;r Kinder und Jugendliche mit seltenen Erkrankungen. P&auml;diatrie &amp; P&auml;dologie 2015; 50(S2): 25-8</p> </div> </p>
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