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Multiple Sklerose

Mesenchymale Stammzellen bei MS: eine potenzielle Therapieoption für den progredienten Verlauf?

<p class="article-intro">Stammzellen gelten als große Hoffnungsträger der Medizin. Mesenchymale Stammzellen (MSC) werden aktuell in Studien für die Behandlung des progredienten Verlaufs der Multiplen Sklerose vor allem aufgrund ihrer regenerativen Fähigkeiten untersucht. Die Universitätsklinik für Neurologie am Uniklinikum Salzburg ist Vorreiter auf diesem Gebiet und nimmt an einer internationalen Therapiestudie teil.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Neuro_1701_Weblinks_istock-510779294_web.jpg" alt="" width="820" height="284" /></p> <p>Unter einer Stammzellentherapie werden s&auml;mtliche medizinische Therapieverfahren zusammengefasst, bei denen Stammzellen den zentralen Bestandteil der Behandlung darstellen. So kann eine Stammzellentherapie in der &Uuml;bertragung von Stammzellen oder in der Verabreichung von Medikamenten bestehen, die bereits im K&ouml;rper befindliche Stammzellen aktivieren. Stammzellen besitzen die F&auml;higkeit neue K&ouml;rperzellen zu bilden und k&ouml;nnen somit zur Reparatur beitragen. Sie k&ouml;nnen sich in verschiedene Zellen differenzieren und damit zerst&ouml;rte Zellen ersetzen. Weiters k&ouml;nnen Stammzellen die Produktion von Faktoren anregen, die die endogene Regeneration f&ouml;rdern und auch protektiv wirken. Stammzellen k&ouml;nnen letzten Endes auch Entz&uuml;ndungsvorg&auml;nge und Abwehrreaktionen im Gewebe regulieren, es wird auch ein Einfluss auf autoimmune Reaktionen postuliert. Eine bemerkenswerte Eigenschaft von Stammzellen ist, dass sie selbst nach Injektion in das Blutgef&auml;&szlig;system ihren Weg in die gesch&auml;digten Organe finden und damit nicht direkt in den gesch&auml;digten Ort eingebracht werden m&uuml;ssen.</p> <h2>Mesenchymale Stammzellen (MSC)</h2> <p>In den letzten Jahren sind die sogenannten mesenchymalen Stammzellen (MSC) wegen ihrer Wirkung auf das Immunsystem ins Blickfeld der Forschung geraten. MSC sind adulte Stammzellen. Sie stellen die Stammzellen des Bindegewebes dar und k&ouml;nnen aus Knochenmark, Fettgewebe und Haut isoliert werden. Die Behandlung mit MSC hat sich in einer Reihe von vorklinischen Studien in Tiermodellen der MS als sehr wirksam gezeigt. Es wurden sowohl neuroprotektive, regenerative wie auch immunmodulierende Effekte nachgewiesen.</p> <p>Hiervon zu unterscheiden sind die h&auml;matopoetischen Stammzellen (HPS), die schon erfolgreich in der Behandlung von Leuk&auml;mie, Lymphomen und erblich bedingten Blutkrankheiten eingesetzt werden. Auch die HPS werden inzwischen als Therapieoption bei MS in klinischen Studien untersucht, meist f&uuml;r den hochaggressiven Verlauf. Bei den ESC (embryonale Stammzellen) und iPSC (induzierte pluripotente Stammzellen) handelt es sich um weitere Stammzellen.</p> <h2>Mesenchymale Stammzelltherapie bei Multipler Sklerose</h2> <p>Bereits vor mehr als 10 Jahren wurde diskutiert, dass der in den vorklinischen Studien dokumentierte immunmodulierende Einfluss der MSC auch f&uuml;r die MS, und hier bereits im Fr&uuml;hstadium, durch Korrektur der fehlgeleiteten Immunreaktion von Nutzen sein k&ouml;nnte. Ebenso wurde durch die in Tierexperimenten nachgewiesene Unterst&uuml;tzung der Neuroregeneration, Wiederherstellung der besch&auml;digten Myelinschicht (Remyelinisierung) und neuroaxonale Protektion die Behandlung mit MSC als innovativer Ansatz gesehen. Im Jahr 2007 wurde in der wissenschaftlichen Literatur &uuml;ber erste Pilotstudien zu MSC als Therapieoption berichtet. Neben der guten Vertr&auml;glichkeit der intraven&ouml;sen Applikation wurde bei einzelnen Patienten auch ein Effekt auf verschiedene Parameter der Krankheitsaktivit&auml;t nachgewiesen. Die erste gr&ouml;&szlig;ere Fallserie (Phase-IIa-Studie) wurde 2012 von Peter Connick und Mitarbeitern (Cambridge, Gro&szlig;britannien) in der Zeitschrift Lancet Neurology ver&ouml;ffentlicht &ndash; sie behandelten 10 Patienten mit sekund&auml;r chronisch-progredienter MS und Beeintr&auml;chtigungen im visuellen System mit aus dem Knochenmark entnommenen und nach weiterem Ausbau intraven&ouml;s infundierten MSC. In dieser &bdquo;Proof of concept&ldquo;-Studie konnte eine signifikante Verbesserung der Sehleistung, der Latenzen der visuell-evozierten Potenziale und des Durchmessers des Nervus opticus nachgewiesen werden. Eine rezente Studie (Cytotherapy 2016) von Violaine K. Harris (New York) und Kollegen berichtet &uuml;ber sichere intrathekale Applikation von MSC. Hierbei wurden sechs Patienten mit progredienter MS behandelt (4 SPMS, 2 PPMS) und &uuml;ber einen durchschnittlichen Zeitraum von 7,2 Jahren nachbeobachtet. Vier von sechs Patienten wiesen eine Verringerung der klinischen Beeintr&auml;chtigung auf, hierbei vor allem der Blasenfunktion, der Ausdauer und zum Teil auch des EDSS.</p> <h2>Die &bdquo;MEsenchymal StEm Cells for Multiple Sclerosis&ldquo;(MESEMS)-Studie</h2> <p>Bei der MESEMS-Studie handelt sich es um eine weltweite placebokontrollierte und randomisierte Phase-II-Studie mit Cross-over-Design nach 6 Monaten (Abb. 1). Evaluiert wird die Sicherheit der intraven&ouml;sen Gabe von MSC nach 24 Wochen, ein weiterer prim&auml;rer Ko-Endpunkt ist die Anzahl neuer Gadolinium (Gd) aufnehmender L&auml;sionen. Insgesamt nehmen Zentren aus 9 L&auml;ndern (Italien, Spanien, Frankreich, D&auml;nemark, Schweden, Iran, Gro&szlig;britannien, Kanada, &Ouml;sterreich) an dieser akademischen Studie teil. <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Neuro_1701_Weblinks_seite16.jpg" alt="" /></p> <p>Studienleiter ist Prof. Antonio Uccelli von der Universit&auml;t Genua. Die Auswertung der MRT-Befunde erfolgt durch Prof. Massimo Filippi vom Institut San Raffaele in Mailand. Eine Rekrutierung ist f&uuml;r alle 3 klinischen Verlaufsformen m&ouml;glich. Der Studieneinschluss am Uniklinikum Salzburg erfolgt vor allem f&uuml;r die prim&auml;r und die sekund&auml;r chronisch-progrediente MS. Die Einschlusskriterien f&uuml;r die jeweiligen Verlaufsformen sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Weitere Details k&ouml;nnen unter <a href="https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT01854957" target="_blank">https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT01854957</a> abgerufen werden. Die Studie l&auml;uft seit 2013, global konnten bislang 107 Patienten von den 160 geplanten eingeschlossen werden (Stand 9/2016). Das Studienzentrum in Salzburg nimmt seit Fr&uuml;hjahr 2016 teil. Es wurden bereits zwei Patienten mit prim&auml;r chronisch-progredienter MS rekrutiert. Insgesamt ist die Behandlung von f&uuml;nf Patienten bis Sommer 2017 (Rekrutierungsende) geplant. <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Neuro_1701_Weblinks_seite17.jpg" alt="" /></p> <p>In Salzburg handelt es sich um ein Kooperationsprojekt unter dem Dach des Spinal Cord Injury and Tissue Regeneration Center Salzburg (SCI-TReCS). Die Koordination erfolgt durch die Arbeitsgruppe Multiple Sklerose und Autoimmune Neurologie (Leiter: Ltd. OA Assoc. Prof. Dr. Johann Sellner) von der Neurologischen Universit&auml;tsklinik (Leiter: Prim. Univ.-Prof. Dr. Eugen Trinka, FRCP). Weitere Universit&auml;tskliniken (Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin, Neuroradiologie) und Institute der Paracelsus Medizinischen Privatuniversit&auml;t (Molekulare Regenerative Medizin, Experimentelle und Klinische Zelltherapie) sind Teil des interdisziplin&auml;ren Konsortiums und ma&szlig;geblich an der Studie beteiligt.</p> <h2>Ausblick</h2> <p>Die Anwendung von Stammzellen in der Therapie der MS ist mit der berechtigten Hoffnung verbunden, neue Behandlungsm&ouml;glichkeiten bei bisher unzureichend bzw. nicht heilbaren Erkrankungen zu entwickeln. Nun nimmt auch erstmals eine &ouml;sterreichische Klinik an einer Studie zur Stammzelltherapie bei Multipler Sklerose teil. Erst die Analyse einer gr&ouml;&szlig;eren Patientenzahl und unterschiedlicher Krankheitsverl&auml;ufe, wie sie bei der MESEMS-Studie geplant ist, kann &uuml;ber die Sicherheit und den Nutzen dieser innovativen, aber sehr aufwendigen Behandlungsstrategie Auskunft geben.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Autor</p> </div> </p>
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