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Nachruf

Persönliche Gedanken zum Ableben der Gesundheitsministerin Dr.in Sabine Oberhauser

<p class="article-intro">Als Frau Dr.<sup>in</sup> Sabine Oberhauser im Februar 2015 die Öffentlichkeit über ihre Krebserkrankung informierte, erklärte sie im selben Atemzug, als Gesundheitsministerin weiterarbeiten zu wollen. Das hat mich heftig irritiert. Wie sollte man diese Ansage verstehen? Als Botschaft an vom gleichen Schicksal Betroffene, nicht so zimperlich zu sein? Als Zeichen dafür, dass ein Bundesministerium auch von einem schwerkranken Menschen neben zeitaufwendiger Therapie zu führen ist? Oder aber war es der verzweifelte Reflex, möglichst wenige Lebensbereiche der bedrohlichen Erkrankung unterzuordnen?</p> <hr /> <p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM Digital_Allgemeinm_1702_Weblinks_droberhauser_web.jpg" alt="" width="820" height="334" /></p> <p>Ich kontaktierte eine von mir hochverehrte Onkologin, von der ich wusste, dass sie dem Wiedereinstieg ihrer Patienten ins Berufsleben geradezu therapeutische Bedeutung beima&szlig;. Sie teilte meine Wahrnehmung, hielt eine Diskussion &uuml;ber diese Problematik f&uuml;r &uuml;berf&auml;llig, den jetzigen Zeitpunkt daf&uuml;r aber aus Gr&uuml;nden des Taktgef&uuml;hls f&uuml;r ungeeignet. <br />Etwas mehr als zehn Tage sp&auml;ter stand die Ministerin neuerlich vor der Presse und lie&szlig; neben politischen Statements auch wissen, dass sie die erste Chemotherapie bereits hinter sich habe. Wieder konnte ich nicht umhin, an meine onkologischen Patienten zu denken. Wie lange sie in Ungewissheit waren, weil ihre Diagnostik ausgelagert wurde, und der Termin f&uuml;r die spezielle Bildgebung trotz pers&ouml;nlicher Bem&uuml;hung des Hausarztes Wochen auf sich warten lie&szlig;. An jene, die in belastender Diagnosegewissheit auf die Einberufung durch die Radioonkologie warteten. An jene, die neben ihrer Krankheit auch von finanziellen N&ouml;ten bedr&auml;ngt wurden. Mein Unbehagen legte sich schlagartig, als die &ouml;ffentlich kranke Ministerin erstmals von Privilegien sprach, die zu haben ihr bewusst sei. Eine F&uuml;lle von Reaktionen und Kommunikation in den sozialen Medien (denen ich fern bin) haben nicht nur Ermutigung, Genesungsw&uuml;nsche und Bewunderung gebracht, sondern auch den Blick gesch&auml;rft f&uuml;r die Patientenkarrieren von onkologisch erkrankten Sozialversicherten. F&uuml;r die hohe Gewerkschaftsfunktion&auml;rin war Solidarit&auml;t kein leeres Wort. Sie verk&ouml;rperte un&uuml;bersehbar ein sozialpolitisch minderbeachtetes, f&uuml;r eine bedrohlich erkrankte Minderheit aber existenzielles Problem. Ich kann nicht an Zufall glauben, dass legistische &Uuml;berlegungen zum Teilkrankenstand nach l&auml;ngerer krankheitsbedingter beruflicher Karenz gerade in den letzten Monaten konkret wurden.</p> <p>Vergleichbar mit dem Gewicht, das ein fl&auml;chendeckendes Dialyseangebot durch den nierenkranken Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky bekam, wurde das Problem des Wiedereinstiegs ins Berufsleben als Teil der Rekonvaleszenz durch Frau Ministerin Oberhauser auf die politische Tagesordnung gesetzt. <br />Das wird die nachhaltigste Folge dieser Ministerschaft sein und f&uuml;r dieses Land und seine B&uuml;rger mehr bedeuten als die gesundheitsb&uuml;rokratischen Spuren, die vergangene Gesundheitsminister gezogen haben. <br />Dem manischen Ausbau der Gesundheitselektronik hat Frau Kollegin Oberhauser &ndash;kaum im Amt &ndash; die Forderung entgegengestellt, dass die Systeme erst einmal funktionieren m&uuml;ssten, dann erst sei die Zeit reif, &uuml;ber Roll-out-Termine zu sprechen. Sie lasse sich nicht von voreilig festgelegten Terminen hetzen. Auch an diese Gelassenheit ist dankbar zu erinnern.</p> <p>Frau Dr.<sup>in</sup> Oberhauser verbarg ihr Leiden nicht. Ein von mir als taktlos empfundenes Interview in den Fernseh-Abendnachrichten zu Beginn 2017 lie&szlig; die &Ouml;ffentlichkeit an ihrer Sprechdyspnoe teilhaben, und wer noch Zweifel an ihrem k&ouml;rperlichen Verfall hatte, verlor diese wenige Wochen sp&auml;ter beim Anblick der Regierungsbank anl&auml;sslich der Angelobung des neuen Bundespr&auml;sidenten. Nach nur f&uuml;nf Monaten von Krankheit unbeeinflusster Amtsf&uuml;hrung und zweij&auml;hrigem mutig und &ouml;ffentlich ausgetragenem Kampf gegen eine &uuml;berm&auml;chtige Krankheit verstarb Frau Bundesministerin Dr.<sup>in</sup> Sabine Oberhauser im 54. Lebensjahr. <br />Noch nie stand der Patient so sehr im Mittelpunkt der Gesundheitspolitik wie in den vergangenen Monaten.</p></p>
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