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Blutegel und andere „Hausmittel“

<p class="article-intro">Arthrose ist die häufigste Rheumaerkrankung, zugleich auch die am schlechtesten behandelbare. Der Schmerz ist das Hauptsymptom. Kein Wunder, dass Betroffene von Weihrauch bis Chili alles ausprobieren, was die Natur bietet, um Linderung zu erhalten. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>Der Knorpel steht bei der Arthrose zwar im Vordergrund, grunds&auml;tzlich sind aber alle Strukturen des Gelenks betroffen. Sehr bedeutsam f&uuml;r die Pathophysiologie scheinen vor allem die Synovia und der subchondrale Knochen zu sein. Sie bilden zusammen mit dem Knorpel drei Komponenten, die sich gegenseitig beeinflussen. <br />&bdquo;Die Synovitis ist zwar nicht so ausgepr&auml;gt wie bei chronischer Polyarthritis, aber doch vorhanden&ldquo;, sagt Prof. Dr. Klaus Bobacz, Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Innere Medizin III, Wien, der statt Arthrose den Begriff Osteoarthritis bevorzugt. Synovitis scheint auch der Hauptausl&ouml;ser f&uuml;r den Schmerz zu sein. In osteoarthritischer Synovia finden sich vorwiegend Monozyten. Die Aktivierung von Makrophagen f&uuml;hrt haupts&auml;chlich zur Synthese von Matrix-Metalloproteinasen und Zytokinen, erkl&auml;rt Bobacz. Zudem wird das Komplementsystem aktiviert. <br />Der subchondrale Knochen wird in der Fr&uuml;hphase der Osteoarthritis aufgrund von gesteigertem Remodeling d&uuml;nner. Gleichzeitig geht trabekul&auml;rer Knochen verloren. Im sp&auml;teren Stadium wird die subchondrale Platte dicker, der trabekul&auml;re Knochen bleibt d&uuml;nn und por&ouml;s. Kalzifizierter Knorpel r&uuml;ckt in den hyalinen Knorpel vor und hinterl&auml;sst seinen &bdquo;Fu&szlig;abdruck&ldquo; als &bdquo;multiplizierte Tidemark&ldquo; (= Fortschreiten der Mineralisationsfront).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1701_Weblinks_s85.jpg" alt="" width="1453" height="1269" /></p> <h2>Woher kommt der Schmerz?</h2> <p>Der Osteoarthritisschmerz wird als prototypischer nozizeptiver chronischer Schmerz gesehen. &bdquo;Zus&auml;tzlich k&ouml;nnte auch eine neuropathische Komponente vorliegen&ldquo;, sagt Bobacz. Wodurch entsteht nun der Schmerz bei Arthrose? <br />Schmerzrezeptoren finden sich &uuml;berall im Gelenk, au&szlig;er im Knorpel. Eine mechanische Ursache k&ouml;nnte der erh&ouml;hte intraartikul&auml;re Druck sein, der durch die Inflammation entsteht. Durch einen Knorpelschaden steigt auch die mechanische Druckbelastung auf den subchondralen Knochen. Allerdings ist die Korrelation zwischen Gelenksch&auml;den und Schmerzintensit&auml;t meist nicht gegeben. Vieles spricht daf&uuml;r, dass die synoviale Inflammation die bedeutendste Ursache f&uuml;r den osteoarthritischen Schmerz darstellt. &bdquo;In MRT-Studien wurde ein Zusammenhang von Synovitis und Knochenmarks&ouml;dem mit Osteoarthritisschmerz belegt&ldquo;, berichtet Bobacz. <br />Bei lang andauernder Erkrankung kann der Schmerz chronifizieren, Patienten k&ouml;nnen hypersensibel werden. Funktionelle Bildgebungsverfahren am Gehirn konnten zeigen, dass Osteoarthritispatienten eine geringere Perzeptionsschwelle haben und Zeichen der Hyperalgesie aufweisen. Auch ein Schwund der grauen Hirnsubstanz wurde nachgewiesen, der jedoch reversibel ist.</p> <h2>Evidenzbasierte Hausmittel</h2> <p>&Uuml;ber alternative Behandlungsmethoden und deren wissenschaftliche Evidenz referierte Doz. Dr. Valerie Nell-Duxneuner, &auml;rztliche Leiterin des Klinikums Peterhof in Baden. So wurde etwa die Wirkung von Blutegeln auf Gonarthrose in 4 Studien untersucht. Die Metaanalyse zeigte relativ gute Evidenz f&uuml;r kurzfristige Schmerzreduktion sowie kurz- und langfristige positive Effekte auf die Gelenkssteifigkeit.<sup>1</sup> <br />Moderat ist auch die Evidenz f&uuml;r Arnika bei Handarthrose: Ein lokal verabreichtes Gel mit Arnikaextrakt war hinsichtlich Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung etwa gleich wirksam wie Ibuprofen.<sup>2</sup> Weniger gute Ergebnisse liefern Capsicum-Extrakte aus Paprika, Senf, Chili etc.: Eine placebokontrollierte Studie zeigte kaum Verbesserungen von Schmerz oder Gelenkfunktion, jedoch eine deutlich h&ouml;here Nebenwirkungsrate unter Capsicum.<sup>3</sup> <br />Auch Antioxidanzien haben bis jetzt entt&auml;uscht. Laut einer Metaanalyse sind die Vitamine A und C sowie Selen bei Arthritis nicht effektiv; zu Vitamin E sind die Studienergebnisse widerspr&uuml;chlich.<sup>4</sup> Die Studien sind insgesamt methodisch schwach. Zur Wirkung von Resveratrol bei Arthritis gibt es laut Nell-Duxneuner noch gar keine klinischen Studien.<br />Besser sieht es bei Curcumin aus: Hierzu gibt es immerhin 13 randomisierte klinische Studien, in denen der nat&uuml;rliche NF-&kappa;B-Inhibitor versus Placebo bzw. NSAIDs bei Osteoarthritis untersucht wurde &ndash; allerdings in h&ouml;chst unterschiedlichen Dosierungen (180&ndash;2.000mg f&uuml;r 4 Wochen bis 8 Monate). Die Ergebnisse zeigen insgesamt signifikante Verbesserungen hinsichtlich Schmerz, Funktion, Lebensqualit&auml;t und Analgetikabedarf.<sup>5</sup><br />Weihrauch wurde in zwei placebokontrollierten Studien untersucht, in denen sich nach 90 Tagen eine deutliche Schmerzreduktion und Verbesserung der Gelenkfunktion zeigte.<sup>6</sup> &bdquo;Um diesen Effekt zu verifizieren, sind allerdings l&auml;ngere und gr&ouml;&szlig;ere Studien notwendig&ldquo;, so Nell-Duxneuner. Dieselbe Metaanalyse fasste auch 4 placebokontrollierte Studien zu einem Avocado-Soja-Extrakt (ASU) zusammen, dessen Langzeitwirkung aber weniger &uuml;berzeugend war. <br />Bessere Evidenz als alle diese Haus- und Nahrungserg&auml;nzungsmittel zeigen Training, Instruktion zum Gelenkschutz, Gewichtsreduktion und W&auml;rmebehandlung sowie Schienen bei trapeziometakarpaler Arthrose. Diese Therapiemethoden werden deshalb auch vom ACR und von der EULAR empfohlen.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle:<br> Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie & Rehabilitation (ÖGR), 1.–3. Dezember 2016, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Lauche R et al: Clin J Pain 2014; 30(1): 63-72 <strong>2</strong> Widrig R et al: Rheumatol Int 2007; 27(6): 585-91 <strong>3</strong> Cameron M, Chrubasik S: Cochrane Database Syst Rev 2013; 5: CD010538 <strong>4</strong> Canter PH et al: Rheumatology 2007; 46(8): 1223-33 <strong>5</strong> Chin KY: Drug Des Devel Ther 2016; 10: 3029-42 <strong>6</strong> Cameron M, Chrubasik S: Cochrane Database Syst Rev 2014; 5: CD002947</p> </div> </p>
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