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Neues in der Diagnose und Therapie von Hirntumoren

<p class="article-intro">Am diesjährigen Kongress der European Association of NeuroOncology wurden neue Daten aus dem Bereich der Diagnose, der Biomarker sowie der Bildgebung und mehrere klinische Studien zur Behandlung von Gliomen präsentiert. Dr. Birgit Surböck vom KaiserFranz-Josef-Spital sprach mit uns über die Auswirkungen auf den klinischen Alltag.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Am EANO-Kongress wurde die neue WHO-Klassifikation von Hirntumoren vorgestellt. K&ouml;nnen Sie bitte f&uuml;r uns die wichtigsten &Auml;nderungen zusammenfassen?</strong> <br /><strong>B. Surb&ouml;ck</strong>: Generell kann man sagen, dass mit der neuen WHO-Klassifikation jetzt bei der Diagnosestellung nicht mehr nur die histopathologischen Ergebnisse im Vordergrund stehen, sondern vermehrt auch molekulargenetische Marker zum Einsatz kommen. Die Einteilung von WHO-Grad I&ndash;IV bleibt weiterhin bestehen, ebenso die Einteilung in astrozyt&auml;re und oligodendrogliale Abstammung. Die Tumoren k&ouml;nnen dann mithilfe diverser Biomarker weiter spezifiziert werden.</p> <p><strong>Welche Biomarker finden hier Anwendung?</strong> <br /><strong>B. Surb&ouml;ck</strong>: Zurzeit sind bereits die Methylierung von MGMT, Mutationen von <em>IDH1</em> und die 1p19q-Kodeletierung in Verwendung. Neu hinzugekommen sind nun Mutationen des <em>ATRX</em>-Gens und des <em>TERT</em>-Gens.<sup>1, 2</sup> Diese Biomarker sollen nicht nur zur Diagnose dienen, sondern k&uuml;nftig auch dabei helfen, eine Prognose zu stellen.</p> <p><strong>Am Kongress wurden einige klinische Studien pr&auml;sentiert. Welche Studien gab es zur Behandlung des Glioblastoms und wie wirken sich diese auf die Therapie aus?</strong><br /><strong>B. Surb&ouml;ck</strong>: Bei der Behandlung von Glioblastomen wird weiterhin in der First-Line-Therapie das Stupp-Schema angewendet, also postoperative Strahlentherapie in Verbindung mit konkomitanter Chemotherapie mit Temozolomid.<sup>3</sup> In den letzten Jahren hat es Versuche gegeben, den Angiogenesehemmer Bevacizumab zuzugeben, in der First-Line-Therapie wird dies aber nicht mehr angewendet. Am EANO-Kongress wurde eine Phase-III-Studie pr&auml;sentiert, bei der im Rezidiv die Behandlung mit Lomustin in Kombination mit oder ohne Bevacizumab getestet wurde. Im Gesamt&uuml;berleben (OS) wurde zwischen beiden Gruppen kein Unterschied gefunden, das progressionsfreie &Uuml;berleben (PFS) konnte jedoch von 1,5 Monaten in der Therapie mit Lomustin alleine auf 4,2 Monate in der Kombinationstherapie verl&auml;ngert werden. Im kombinierten Arm gab es allerdings auch mehr h&auml;matotoxische Nebenwirkungen. Diese k&ouml;nnten durch die l&auml;ngere Therapie im Kombinationsarm im Vergleich zur Therapie mit Lomustin alleine bedingt sein (durchschnittlich 3 Zyklen vs. 1 Zyklus).<sup>4</sup><br /> In einer anderen Studie (EORTC 26062) bei &auml;lteren Patienten (median 73 Jahre) wurde die Kombination aus hypofraktionierter Bestrahlung &ndash; anders als im Stupp-Protokoll mit 40Gy zu 15 Fraktionen &ndash; und adjuvanter Behandlung mit Temozolomid &uuml;ber 12 Zyklen getestet. F&uuml;r die &auml;ltere Patientengruppe war diese Behandlung im Vergleich zur alleinigen Radiatio von Vorteil.<sup>5</sup></p> <p><strong>Welche Ergebnisse wurden bei der Behandlung von niedriggradig malignen Gliomen (LGG) pr&auml;sentiert?<br />B. Surb&ouml;ck</strong>: In der Phase-III-Studie RTOG 9802 wurde eine additive Chemotherapie mit PCV (Procarbazin, Lomustin und Vincristin) zur Strahlentherapie im Vergleich zu alleiniger Strahlentherapie bei LGG getestet. Bei Patienten &uuml;ber 40 Jahre mit zus&auml;tzlichen Risikofaktoren, weil nur eine Biopsie oder eine subtotale Resektion durchgef&uuml;hrt wurde, konnte eine 10-Jahres-PFS-Rate von 51 % in der Kombinationstherapie vs. 21 % im Behandlungsarm mit alleiniger Strahlentherapie erreicht werden.<sup>6</sup> Bei dieser Patientengruppe sollte also zus&auml;tzlich zur Strahlentherapie auch eine Chemotherapie durchgef&uuml;hrt werden.</p> <p><strong>Auf dem Kongress wurden die ersten Ergebnisse der CATNON-Studie vorgestellt. Welche Therapie&auml;nderungen ergeben sich daraus?</strong> <br /><strong>B. Surb&ouml;ck</strong>: Bei den anaplastischen Gliomen WHO-Grad III ohne 1p/19q-Kodeletierung hat Prof. Martin van den Bent aus den Niederlanden die vorl&auml;ufigen Ergebnisse der randomisierten Phase-III-Studie CATNON pr&auml;sentiert. Auch hier zeigt sich beim Vergleich von Strahlentherapie alleine oder in Kombination mit Temozolomid, dass Patienten von der adjuvanten Chemotherapie profitieren. Das PFS konnte im Kombinationsarm um etwa 2 Jahre verl&auml;ngert werden (19 Monate im Strahlentherapiearm vs. 42,8 Monate im Kombinationsarm). Auch die 5-Jahres-&Uuml;berlebensrate war bei der adjuvanten Behandlung mit Chemotherapie mit 56 % h&ouml;her als bei Patienten, die nur Strahlentherapie erhielten (44 % ).<sup>7</sup> Der neue Standard in der Behandlung dieser Patienten ist also Bestrahlung mit anschlie&szlig;ender Temozolomid-Chemotherapie.</p> <p><strong>Beim Glioblastom wird ja die Anwendung von &bdquo;tumor treating fields&ldquo; (TTF) getestet. Welche Neuigkeiten gibt es hier? </strong> <br /><strong>B. Surb&ouml;ck</strong>: Am EANO-Kongress wurden die Ergebnisse der randomisierten Phase-III-Studie EF-14 vorgestellt. Nach erfolgter chirurgischer Entfernung und Radiochemotherapie wurden Patienten entweder mit Temozolomid alleine oder in Kombination mit TTF, also hochfrequenten Wechselstromfeldern, behandelt. Im Kombinationsarm war das Gesamt&uuml;berleben (OS) insgesamt um 4,9 Monate l&auml;nger. Ein Problem bei dieser Therapieform ist allerdings die Compliance der Patienten, denn die Wechselstromfelder werden &uuml;ber einen &bdquo;Elektrodenhelm&ldquo; appliziert, der t&auml;glich 18 Stunden auf dem enthaarten Kopf getragen werden muss.<sup>8</sup></p> <p><strong>Am EANO-Kongress wurde das &ouml;sterreichische Hirntumorregister pr&auml;sentiert, an dem auch Sie beteiligt sind. Was k&ouml;nnen Sie uns &uuml;ber dieses Projekt berichten?</strong> <br /><strong>B. Surb&ouml;ck</strong>: Das &bdquo;Austrian Brain Tumor Registry&ldquo; (ABTR) sammelt seit 2005 Daten von Glioblastompatienten, angefangen bei Erstsymptomen und Erstbildgebung &uuml;ber Biopsien bis hin zur Therapie. Am Kongress wurden nun die Erkenntnisse aus den gesammelten Daten pr&auml;sentiert. Daraus kann man schlie&szlig;en, dass wir uns in &Ouml;sterreich sowohl im Bereich der Diagnostik als auch der &bdquo;State of the Art&ldquo;-Therapie auf internationalem Standard bewegen.<sup>9</sup></p> <p><strong>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros Digital_Neuro_1701_Weblinks_surbock_birgit_wien_foto_wilke.jpg" alt="" width="287" height="369" /><span style="color: #808080;">&copy; Foto Wilke</span></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Roth P: Biomarkers for daily clinical use. EANO 2016, oral presentation <strong>2</strong> Sahm F: Molecular neuropathology of meningioma. EANO 2016, oral presentation <strong>3</strong> Stupp R et al: Radiotherapy plus concomitant and adjuvant temozolomide for glioblastoma. N Engl J Med 2005; 352(10): 987-96 <strong>4</strong> van den Bent M: EORTC 26101 phase III trial explor&shy;ing the combination of bevacizumab and lomustine versus lomustine in patients with first progression of a glioblastoma. EANO 2016, oral presentation <strong>5</strong> Weller M: EORTC Brain Tumor Group: Trial Update. EANO 2016, oral presentation <strong>6</strong> van den Bent M: Clinical trials in anaplastic gliomas. EANO 2016; oral presentation <strong>7</strong> van den Bent M: Results of the interim analysis of the EORTC randomized phase III CATNON trial on concurrent and adjuvant temozolomide in anaplastic glioma without 1p/19q co-deletion, an Intergroup trial. EANO 2016, oral presentation <strong>8</strong> Stupp R: Maintenance therapy with tumor-treating fields plus temozolomide vs temozolomide alone for glioblastoma: a randomized clinical trial. JAMA 2015; 314(23): 2535-43 <strong>9</strong>&nbsp;Oberndorfer S et al: ABTR-SANO-REAL-WORLD pattern of care study on glioblastoma in the Austrian population. EANO 2016, poster presentation</p> </div> </p>
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