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Wie begegnet man Impfskeptikern?

<p class="article-intro">Gerade in den Wintermonaten, wenn viele Infektionserkrankungen Hochsaison haben, macht sich die schleichende Impfmüdigkeit breiter Bevölkerungsschichten alljährlich auf denkbar unangenehme Weise bemerkbar. Auch für die Impfmedizin gilt, dass nachhaltige Präventionsmaßen zum Wohl der Allgemeinbevölkerung bereits im Kindesalter ansetzen. Im Gespräch erklärt der Pädiater und langjährige Impfreferent der Burgenländischen Ärztekammer, Dr. Peter Arends, Güssing, mit welchen Argumenten Skepsis und Nachlässigkeit gegenüber dem Impfen entkräftet werden können.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM Digital_Allgemeinm_1701_Weblinks_istock-baby-und-mutter.jpg" alt="" width="2121" height="1414" /><br /><sup>&copy;iStock</sup><br /><strong>Herr Dr. Arends, Sie praktizieren seit 1984 als Kinderarzt. Ich habe den subjektiven Eindruck, dass in den 1980er-Jahren Dynamik in einen bis dahin fast monolithisch dastehenden Impfplan gekommen ist, eine Dynamik, die bis heute andauert. Haben diese regelm&auml;&szlig;igen &Auml;nderungen des Impfschemas Unsicherheit und Zweifel mit sich gebracht? <br />P. Arends:</strong> Eine &Auml;nderung des offiziellen Impfplanes verunsichert Eltern nicht, wenn man ihnen den Sinn der &Auml;nderung erkl&auml;rt. In den 1970er-Jahren kursierten h&auml;ufig Epidemien sogenannter &bdquo;Kinderkrankheiten&ldquo;. Hinter dieser verniedlichenden Bezeichnung verbergen sich schwere Krankheitsverl&auml;ufe mit bleibenden neurologischen Sch&auml;den oder Todesfolge. Als Beispiel sei die Poliomyelitis angef&uuml;hrt, die den Namen &bdquo;Kinderl&auml;hmung&ldquo; trug. Diese verharmlosende Benennung einer als schicksalhaft empfundenen Epidemie von Infektionen im Kindesalter trug in sich die Wehrlosigkeit gegen&uuml;ber diesen Infektionskrankheiten. <br />Mit den segensreichen Massenimpfungen gegen eine gro&szlig;e Zahl an Infektionskrankheiten ab Mitte der 1970er-Jahre verminderten sich bzw. verschwanden viele dieser Krankheiten. Weil allerdings mit der n&auml;chsten Generation auch die Erinnerung an diese entsetzlichen Epidemien erlosch, entwickelte sich zunehmend eine Aversion gegen Impfungen, weil sie teilweise Schmerzen oder erh&ouml;hte K&ouml;rpertemperaturen verursachten.</p> <p><strong>Die Erstimpfungen neugeborener Kinder nehmen eine Sonderstellung ein. Der Impfling ist nicht die Person, die eine Vakzination veranlasst. Eine f&uuml;r Kinder&auml;rztinnen und -&auml;rzte allt&auml;gliche Situation: Einer wird behandelt, ein anderer muss damit zufriedengestellt werden. Ist damit nicht das Fundament f&uuml;r Skepsis und Unzufriedenheit gelegt? <br />P. Arends:</strong> Die Verbreitung dieser Skepsis gegen&uuml;ber Impfungen hat ihren Siegeszug durch die Entwicklung moderner Informationsmedien begonnen &ndash; vom Kabel-TV bis zu den neuesten Smartphones. Dabei werden zusehends Informationen via PC oder Handy untereinander ausgetauscht, die einer Weitergabe von Empfindungen, nicht aber Wahrheiten entsprechen und vielfach auch nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin &uuml;berpr&uuml;fbar sind. Es werden lediglich Gef&uuml;hle ausgetauscht und verst&auml;rkt. Die lawinenartige Ausbreitung bewusst falscher Informationen erleben wir ja zurzeit in erschreckender Weise im Hinblick auf die sogenannte &bdquo;Fl&uuml;chtlingskrise&ldquo;.</p> <p><strong>Diese &bdquo;Informationsflut&ldquo; wiegt bei impfskeptischen Eltern besonders schwer. &Uuml;brigens: der &bdquo;Impfpapst&ldquo; Prof. Ingomar Mutz unterscheidet zwischen Impfskeptikern und Impfgegnern, was ich sehr treffend finde. Wie denken Sie dar&uuml;ber? <br />P. Arends:</strong> Trotz dieser Dauerkampagne gegen die Impfungen erreichen wir &Auml;rzte eine hohe Durchimpfungsrate bei den Neugeborenen bis zu den Schulkindern. Das ist zuvorderst ein Beweis, dass die Eltern den Haus- und Kinder&auml;rzten bisher noch mehr Vertrauen schenken. Es gelingt mit viel Arbeit, Impfskeptiker zu &uuml;berzeugen. Auch neue Impfungen wie gegen HPV oder Meningokokken der Gruppe B werden zunehmend angenommen. Bei militanten Impfgegnern ist hingegen Hopfen und Malz verloren. Ich lasse mich dabei nicht in erm&uuml;dende Diskussionen um des Kaisers Bart ein, sondern beruhige sie (und mich) damit, dass die Geimpften auch die Impfablehnenden sch&uuml;tzen. <br />In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an die Zeit vor 30 Jahren, als in zumeist politisch links stehenden Kreisen sogenannte &bdquo;Masernparties&ldquo; gefeiert wurden &hellip;</p> <p><strong>Bieten sich Kompromisse zwischen dem empfohlenen vollen Impfprogramm und einer in unseren Breiten absolut indizierten Minimalvariante an? <br />P. Arends:</strong> Nat&uuml;rlich ist ein Kompromiss im Einzelfall besser, als gar nicht zu impfen. Wenn nach einer Impfung keine unangenehme Nebenwirkung auftritt, sind die Eltern eher bereit, beim n&auml;chsten Mal ein wenig mehr &uuml;ber ihren Schatten zu springen. Sie haben als impfender Arzt dann eher die Eltern auf Ihrer Seite. Es l&auml;uft Ihnen nichts davon: Geduld bringt Fr&uuml;chte.</p> <p><strong>Ich pers&ouml;nlich habe f&uuml;r meine Beratungsgespr&auml;che schon Unterscheidungen getroffen: Tetanus, Polio, Masern/Mumps/R&ouml;teln, Hepatitis B &ndash; absolut indiziert. Krankheiten, gegen die es Impfungen gibt, die man aber auch behandeln kann, Stichwort Pneumokokken, Meningokokken &ndash; keine absolute Indikation. Au&szlig;erdem stehen Impfungen zur Verf&uuml;gung, die das Erkrankungsrisiko verringern, nicht aber aus der Welt schaffen. Da war ich schon kompromissbereit. <br />P. Arends:</strong> Gerade bei Ihren Beispielen wollte ich keinen Kompromiss mittragen. Pneumokokken k&ouml;nnen bei S&auml;uglingen und Kleinkindern nicht &bdquo;nur&ldquo; eine bakterielle Pneumonie verursachen, sondern auch eine bakterielle Meningitis, in gravierenden F&auml;llen stirbt das Kind. <br />Bakterielle Meningitiden ziehen zudem immer, oft bleibende, leichte bis schwere neurologische Komplikationen, wie Epilepsie, erh&ouml;hten infantile Zerebral-Parese (ICP), H&ouml;rsch&auml;den etc., nach sich. Besonders f&uuml;r die Meningokokken gilt: wenige Erkrankungen &ndash; maximal 80 pro Jahr &ndash;, aber im Erkrankungsfall Tod innerhalb von 24 Stunden oder schwere neurologische Folgen. <br />Hier sei auch gleich das Thema &bdquo;Impfsch&auml;den&ldquo; erw&auml;hnt: Jede gr&ouml;&szlig;ere Kinderklinik hat eine Anlaufstelle f&uuml;r diese F&auml;lle. In Graz ist es Prof. Dr. Werner Zenz, an der klinischen Abteilung f&uuml;r allgemeine P&auml;diatrie (E-Mail: werner.zenz@medunigraz.at). An der Kinderklinik Wien arbeitet DDr. Wolfgang Maurer &uuml;ber Impfsch&auml;den (E-Mail: wolfgang.maurer@meduniwien.ac.at). <br />Das Procedere ist dabei folgenderma&szlig;en: Der Haus- oder Kinderarzt meldet das Kind mit den Eltern ad personam an, um ihnen &uuml;ber diese f&uuml;r sie unangenehme Schwelle zu helfen, alle relevanten Unterlagen werden mitgenommen, und es erfolgt ein ausgiebiges Gespr&auml;ch mit ausgiebigem Brief an den &uuml;berweisenden Arzt. <br />Wir sollen die Sorgen um einen Impfschaden jedenfalls nicht als unsinnig abtun.</p> <p><strong>Zurzeit wird die Rolle der Titerbestimmung als Impferfolgsnachweis hinterfragt. Verunsichert das die Kollegenschaft? <br />P. Arends:</strong> Die Titerbestimmung wird sehr selten ins Gespr&auml;ch gebracht. Das ist ein Scheinthema, weil es unerheblich ist, wenn eine Impfung nicht zu dem vorgesehenen Zeitpunkt erfolgt ist. Man kann ja nachimpfen. Ein vollst&auml;ndiger Neubeginn einer Impfung ist meistens nicht notwendig. Doch Angeh&ouml;rige medizinischer und Sanit&auml;tsberufe oder Lehrer, Kindergartenpersonal etc. sollten in etwa die Impfabst&auml;nde einhalten.</p> <p><strong>Unl&auml;ngst h&ouml;rte ich folgenden Konfirmationsspruch: &bdquo;Sei standhaft in Bedr&auml;ngnis&ldquo; &ndash; das k&ouml;nnten wir zum Abschluss auch den Impf&auml;rzten zurufen. Impfen sch&uuml;tzt und impfen n&uuml;tzt dem Einzelnen und der Allgemeinheit. Ihr Bekenntnis soll uns best&auml;rken. Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></p></p>
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