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EASD-Kongress 2016

Kampf gegen Diabetes weltweit

<p class="article-intro">Zum 52<sup>nd</sup> Annual Meeting of the European Association for the Study of Diabetes (EASD) vom 12. bis 16. September 2016 zeigte sich München von seiner sonnigsten Seite. Über 16.000 Teilnehmer aus der ganzen Welt trafen sich auf dem Messegelände der bayerischen Landeshauptstadt, um sich am weltweit größten Diabeteskongress über alle relevanten Themen zu informieren, aktuelle Ergebnisse zu erfahren und – last but not least – um neue Kontakte zu knüpfen und alte Bekannte zu treffen.</p> <p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Diabetes_1605_Weblinks_seite7.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Diabetes hat sich weltweit zu einer Pandemie entwickelt, mit steigender Inzidenz.</li> <li>Diabetes erfordert nach Ansicht der &Auml;rzte und Wissenschaftler eine fach&uuml;bergreifende Behandlung, nicht allein eine Glukosesenkung.</li> <li>Erh&ouml;hter Blutzucker sch&auml;digt die gro&szlig;en und kleinen Gef&auml;&szlig;e, daher treten kardiovaskul&auml;re Erkrankungen, Nierenleiden, Polyneuropathien und Erblindung bei Diabetikern wesentlich h&auml;ufiger auf.</li> <li>Viele Diabetiker leiden unter Depressionen und mentalen St&ouml;rungen, deren Behandlung in der Therapie ber&uuml;cksichtigt werden sollte.</li> <li>Individualisierte Therapie, st&auml;ndige &auml;rztliche Kontrolle und &Auml;nderung des Lifestyles sind f&uuml;r alle Diabetiker obligat.</li> </ul> </div> <p>Die International Diabetes Federation geht davon aus, dass bis 2035 die Zahl der Menschen mit Diabetes von heute 387 Millionen auf 592 Millionen weltweit ansteigt. Grund genug, interessante Entwicklungen, die im Rahmen des EASD besprochen wurden, n&auml;her zu beleuchten.</p> <h2>Zu lange Siesta als Diabetesrisiko?</h2> <p>Menschen, die mittags eine Stunde oder mehr schlafen, haben verglichen mit solchen, die eine k&uuml;rzere Siesta halten, ein um 45 % h&ouml;heres Risiko, an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken. Dies ergab eine Metaanalyse von 21 Studien mit mehr als 300.000 Personen in Asien und verschiedenen westlichen L&auml;ndern.<sup>1</sup> Das Risiko steigt erst ab einer Schlafdauer von 40 Minuten und mehr steil an. Bei einer Schlafdauer bis 30 Minuten zeigt sich sogar eine Tendenz zu einer Abnahme des Risikos. Die Beziehung zwischen der Dauer der Siesta und dem Risiko f&uuml;r einen Typ-2-Diabetes oder ein metabolisches Syndrom entspricht demnach einer J-Kurve. Es gilt jedoch festzuhalten, dass es sich bei dieser Studie um eine reine Beobachtungsstudie handelt und von den Autoren keine Kausalit&auml;t gezeigt wurde. Ein l&auml;ngerer Mittagsschlaf k&ouml;nnte auch nur ein fr&uuml;her Indikator f&uuml;r einen Diabetes oder die Folge von n&auml;chtlichen Schlafst&ouml;rungen sein.</p> <h2>Partnerschaft positiv bei Typ-2-Diabetikern</h2> <p>Eine weitere japanische Studie zeigt, dass eine bestehende Partnerschaft eine Rolle bei Typ-2-Diabetes spielt.<sup>2</sup> 270 Typ-2-Diabetiker, von denen 180 (109 M&auml;nner, 71 Frauen) verheiratet waren, wurden mit 90 alleinstehenden Patienten (46 M&auml;nner, 44 Frauen) verglichen: Die verheirateten Patienten wiesen einen signifikant niedrigeren BMI (24,5 vs. 26,5kg/m<sup>2</sup>), niedrigere HbA<sub>1c</sub>-Werte (7,0 vs. 7,3 % ), eine geringere K&ouml;rperfettmasse (18,9 vs. 23,5kg) und eine niedrigere Rate an metabolischem Syndrom (54 vs. 68 % ) auf. Insgesamt hatten die verheirateten Typ-2-Diabetiker ein um 50 % geringeres Risiko f&uuml;r &Uuml;bergewicht als die alleinstehenden. Bei den verheirateten M&auml;nnern war das Risiko f&uuml;r ein metabolisches Syndrom sogar um 58 % geringer, w&auml;hrend sich bei den Frauen kein Unterschied zwischen Verheirateten und Alleinstehenden zeigte. Fazit: Single zu sein ist bei Typ-2-Diabetikern ein Risikofaktor f&uuml;r &Uuml;bergewicht und speziell bei M&auml;nnern auch f&uuml;r ein metabolisches Syndrom.</p> <h2>Hohe Depressionsrate bei Typ-2-Diabetikern</h2> <p>Auch der emotionale Zustand von Diabetikern fand Beachtung: 10 % der Patienten mit Typ-2-Diabetes leiden unter Depressionen, wobei allerdings gro&szlig;e Unterschiede zwischen den einzelnen L&auml;ndern bestehen. In der INTERPRET-DD-Studie von Cathy Lloyd et al wurden 3.000 Patienten mit Typ-2-Diabetes in 16 L&auml;ndern aus S&uuml;damerika, Asien, Europa und Afrika (ohne USA und UK) hinsichtlich mentaler St&ouml;rungen und klinischer Faktoren untersucht.<sup>3</sup> Insgesamt wurde bei 10,3 % die Diagnose einer schweren Depression gestellt, ebenfalls 10,3 % berichteten von einer fr&uuml;heren schweren Depression und 5,1 % von rezidivierenden Episoden einer schweren Depression. Allerdings variierte die H&auml;ufigkeit zwischen den L&auml;ndern stark: In Uganda, Kenia und Indien war die Quote an diagnostizierten Depressionen am niedrigsten und in Bangladesch mit 29,9 % am h&ouml;chsten. Bei den Patienten mit einer schweren Depression war die Diagnose nur in 0 bis 29 % der F&auml;lle in der Krankenakte vermerkt. Des Weiteren zeigte sich, dass Typ-2-Diabetiker, die in einer Stadt wohnen, signifikant h&auml;ufiger von schweren Depressionen betroffen sind als solche, die auf dem Land wohnen, und Frauen h&auml;ufiger als M&auml;nner (74 vs. 26 % ). Das Alter der Probanden und die Dauer der Diabeteserkrankung spielten hingegen kaum eine Rolle. Die multiple Regressionsanalyse ergab folgende unabh&auml;ngige Risikofaktoren f&uuml;r eine schwere Depression bei Typ-2-Diabetikern: weibliches Geschlecht, niedriger Bildungsstand, kein geregeltes Einkommen und Wohnen in der Stadt; nebst Angina, h&ouml;heren PAID(&bdquo;problem areas in diabetes&ldquo;)-Scores, positiver Familienanamnese f&uuml;r Depression sowie schwerer Depression in der Vorgeschichte. <br />Fazit: In vielen L&auml;ndern wei&szlig; man kaum etwas &uuml;ber Pr&auml;valenz, Korrelationen und Versorgungsm&ouml;glichkeiten hinsichtlich Depressionen bei Patienten mit Typ-2-Diabetes. Eine Ausnahme stellen Gro&szlig;britannien und die USA dar, aus denen mehrere Studien vorliegen. Depressionen werden bei Typ-2-Diabetikern viel zu selten, in manchen L&auml;ndern &uuml;berhaupt nicht erkannt (resp. nicht in der Krankenakte vermerkt). In vielen L&auml;ndern besteht diesbez&uuml;glich viel Nachholbedarf und viel Potenzial f&uuml;r eine bessere Versorgung von Diabetikern.</p> <h2>Polyneuropathie: in zwei Dritteln der F&auml;lle nicht erkannt</h2> <p>Die diabetische Polyneuropathie gilt als schwerwiegende Folgeerkrankung des Diabetes. Wie die von Studienleiter Prof. Dr. Dan Ziegler vom Diabeteszentrum D&uuml;sseldorf vorgestellten Resultate der PROTECT-Studie zeigen, werden selbst schmerzhafte distale sensorische Polyneu&shy;ropathien (DSPN) in zwei Dritteln der F&auml;lle nicht diagnostiziert,<sup>4</sup> dies sowohl bei Diabetikern als auch bei Nichtdiabetikern. Verursacht die DSPN keine Schmerzen, wird die Diagnose noch seltener gestellt. In der noch laufenden PROTECT-Studie wurden bisher Daten von 1.589 Personen mit und ohne Diabetes ausgewertet, die an der nationalen Aufkl&auml;rungsinitiative &bdquo;Diabetes! H&ouml;ren Sie auf Ihre F&uuml;&szlig;e?&ldquo; teilnahmen. Deren Ziel ist die Fr&uuml;herkennung und Pr&auml;vention der diabetischen Neuropathie. Menschen mit Auff&auml;lligkeiten und Beschwerden an den F&uuml;&szlig;en sollten ihren Arzt aufsuchen. Der wiederum sollte gezielt nach Missempfindungen (Kribbeln, Brennen, Taubheit, Schmerzen) fragen und durch &Uuml;berpr&uuml;fung des Ber&uuml;hrungs-, Temperatur- und Vibrationsempfindens die Nervenfunktion untersuchen. Bei 49,3 % der Probanden ohne Diabetes (ND), bei 43,5 % der Patienten mit Typ-1-Diabetes (DM1) und bei 52,9 % derjenigen mit Typ-2-Diabetes (DM2) wurde auf diese Weise eine DSPN diagnostiziert. Von den betroffenen Patienten hatten 66,7 % in der ND-Gruppe, 61,5 % in der DM1- und 61,8 % in der DM2-Gruppe eine schmerzhafte DSPN, die, wie bereits erw&auml;hnt, in zwei Dritteln der F&auml;lle bislang nicht diagnostiziert worden war. <br />Ein weiterer wichtiger Befund ist die Tatsache, dass 30 % der Probanden ohne bekannten Diabetes HbA<sub>1c</sub>-Werte von 5,7&ndash;6,4 % und 4,1 % Werte &ge;6,5 % aufwiesen. Die Diagnose einer peripheren sensorischen Polyneuropathie kann somit auch zur Fr&uuml;herkennung eines latenten oder manifesten Diabetes beitragen. Fragen Sie Ihre Patienten gezielt nach Missempfindungen, pr&uuml;fen Sie die Sensibilit&auml;t und tragen Sie damit zur Fr&uuml;herkennung von Polyneuropathie und Diabetes bei!</p> <h2>Kontinuierliche Blutzuckermessung reduziert Hypoglyk&auml;mierisiko bei Typ-1-Diabetes</h2> <p>Auch wenn die Zahl der Vortr&auml;ge &uuml;ber Diabetes Typ 2 bei Weitem &uuml;berwog, wurde auch &uuml;ber Typ-1-Diabetes referiert. Besonders interessant war die randomisierte Open-label-Cross-over-Studie IN CONTROL.<sup>5</sup> Mittels kontinuierlicher Blutzuckermessung kann das HbA<sub>1c</sub> reduziert werden, ohne dass das Risiko f&uuml;r Hypoglyk&auml;mien steigt. Typ-1-Diabetiker, welche die Warnzeichen von Hypoglyk&auml;mien nicht oder nur ungen&uuml;gend wahrnehmen (&bdquo;impaired awareness of hypoglycaemia&ldquo;, IHA), haben ein 3- bis 6-fach h&ouml;heres Hypoglyk&auml;mie&shy;risiko. Die IN-CONTROL-Studie zeigt nun, dass bei diesen Hochrisikopatienten mit IHA die Rate an Hypoglyk&auml;mien durch die kontinuierliche Blutzuckermessung mit Real-Time-Ger&auml;ten (RT-CGM) effektiv reduziert werden kann. Aber nicht nur dies: Die RT-CGM verbesserte auch die glyk&auml;mische Kontrolle durch Verk&uuml;rzung sowohl der Hypo- als auch der Hyperglyk&auml;miezeiten.</p> <h2>Neues zu SGLT2-Hemmern</h2> <p>In zahlreichen Vortr&auml;gen wurde &uuml;ber SGLT2-Inhibitoren und ihre Wirkung bei Typ-2-Diabetikern berichtet, speziell &uuml;ber Empagliflozin und die EMPA-REG-OUTCOME-Studie, auf die in einem Artikel auf den folgenden Seiten genau einge&shy;gangen wird.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Tomohide Y et al: Daytime napping and the risk of metabolic diseases: dose-response meta-analysis. EASD 2016, Munich: Abstract #816 <strong>2</strong> Kondo Y et al: Living with one&rsquo;s spouse reduces the risks of overweight status and metabolic syndrome among patients with type 2 diabetes: a cross-sectional study. EASD 2016, Munich: Abstract #894 <strong>3</strong> Lloyd CE et al: Diabetes and mental health: the INTERPRET-DD study. EASD 2016, Munich: Abstract #817 <strong>4</strong> Ziegler D et al: Painful polyneuropathy is common but largely undiagnosed in subjects with and without diabetes participating in a nationwide educational initiative (PROTECT Study). EASD 2016, Munich: Abstract #158 <strong>5</strong> van Beers CAJ et al: Real-time continuous glucose monitoring improves time spent in euglycaemia and prevents severe hypoglycaemia in type 1 diabetes mellitus patients with impaired awareness of hypoglycaemia. EASD 2016, Munich: Abstract #191</p> </div> </p>
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