© seb_ra iStockphoto

72. Jahresversammlung der SGU (7.–9. September, Interlaken)

Information und Austausch

<p class="article-intro">Neben Vorträgen zu aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen bot die diesjährige Tagung der Schweizerischen Gesellschaft für Urologie (SGU) den Teilnehmern wieder eine Gelegenheit, Erfahrungen und Meinungen auszutauschen. Besonders junge Mediziner schätzen die Möglichkeiten, ihre Arbeiten vorzustellen und Kontakte zu knüpfen oder zu pflegen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Uro_1602_Weblinks_seite6.jpg" alt="" width="1384" height="1081" /></p> <p>Die Teilnehmer der 72. Jahresversammlung der SGU erwartete ein vielf&auml;ltiges Programm. Aktuelle Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung wurden ebenso pr&auml;sentiert wie die State-of-the-Art-Therapien unterschiedlicher urologischer Krankheiten. In einer Videositzung wurden unter anderem roboterassistierte Eingriffe anschaulich vorgestellt. Vor allem die Posterdiskussionen boten dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine gute M&ouml;glichkeit, ihre Arbeiten einem gr&ouml;sseren Publikum zu pr&auml;sentieren und sie zu diskutieren.</p> <h2>State of the Art beim CRPC</h2> <p>Besonderes Interesse fanden auch die State-of-the-Art-Referate zu Krankheiten des &auml;usseren Genitales und zu urologischen Tumoren. So gab Prof. Kurt Miller, Berlin, einen &Uuml;berblick &uuml;ber die medikament&ouml;se Therapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (CRPC).<sup>1</sup> Nach der Definition der EAU-Leitlinie zum Prostatakarzinom liegt eine Kastrationsresistenz vor, wenn ein Serumtestosteron-Spiegel von unter 50ng/dl (1,7nmol/l) gemessen wird und zus&auml;tzlich entweder eine biochemische oder eine radiologische Progression nachweisbar ist.<sup>2</sup> Miller ging auf die TERRAIN-Studie ein, in der Enzalutamid mit Bicalutamid beim fr&uuml;hen (nicht oder nur mild symptomatischen) CRPC verglichen wurde. Insgesamt nahmen 375 Patienten an der Studie teil, bei denen es unter der Antiandrogen-Therapie zur Progression gekommen war. Sie wurden in zwei Gruppen randomisiert und erhielten zus&auml;tzlich zur Antiandrogen-Behandlung entweder Enzalutamid oder Bicalutamid. Bei den Patienten in der Enzalutamid-Gruppe war das progressionsfreie &Uuml;berleben (PFS) signifikant l&auml;nger als bei Patienten der Bicalutamid-Gruppe (15,7 Monate vs. 5,8 Monate; p &lt;0,0001; Abb. 1).<sup>3</sup> <br />Beim metastasierten CRPC, das nicht mit Chemotherapie vorbehandelt wurde, sollte bei einer Progression schon fr&uuml;h Abirateron gegeben werden, so Miller. Dies h&auml;tten die Resultate der COU-AA-302-Studie ergeben, sagte er. Darin wurde Abirateronacetat (AA) plus Prednisolon mit Prednison plus Placebo verglichen. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von bis zu 49,2 Monaten verl&auml;ngerte AA das Gesamt&uuml;berleben signifikant (34,7 Monate vs. 30,3 Monate; p=0,0033; Abb. 2).<sup>4</sup> Doch auch die Chemotherapie habe ihren Stellenwert, vor allem bei symptomatischen Patienten und/oder viszeralen Metastasen, betonte Miller.<sup>2</sup> So reduziere Docetaxel Schmerzen um etwa ein Drittel. Bei Patienten, die mit Abirateron vorbehandelt wurden, wirkt Docetaxel nicht schlechter als bei nicht vorbehandelten Patienten.<sup>4</sup> Bei M&auml;nnern mit CRPC, symptomatischen Knochenmetastasen, aber ohne viszerale Metastasen kann in der Second-Line-Behandlung auch Radium-223 eingesetzt werden.<sup>5</sup> Die Erfahrungen damit seien aber gemischt, sagte Miller. Schliesslich ging er noch auf die FIRSTANA-Studie ein. Sie untersuchte, ob Cabazitaxel 20mg/m&sup2; (C20) oder 25mg/m&sup2; (C25) der Standardtherapie mit Docetaxel 75mg/m&sup2; (D75) bei Patienten mit metastasiertem CRPC &uuml;berlegen sind. Dies konnte jedoch nicht gezeigt werden.<sup>6</sup> Millers Fazit lautete daher: Beim CRPC sollten Abirateron und Enzalutamid fr&uuml;h gegeben werden. Radium-223, Docetaxel und Cabazitaxel k&ouml;nnen in Betracht gezogen werden. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Uro_1602_Weblinks_seite7_1.jpg" alt="" width="731" height="553" /> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Uro_1602_Weblinks_seite7_2.jpg" alt="" width="731" height="529" /></p> <h2>Immer wieder ein Thema: Testosteronsubstitution</h2> <p>Prof. Anton Ponholzer, Wien, befasste sich in seinem Vortrag mit aktuellen Empfehlungen zur Testosterontherapie.<sup>7</sup> Mit zunehmendem Alter l&auml;sst die Testosteronproduktion allm&auml;hlich nach. Von einem Hypogonadismus spricht man bei Werten von unter 12,1nmol/l (Serumtes&shy;tosteron) bzw. 234pmol/l (freies Testosteron).<sup>8</sup> Dabei nimmt das freie Testosteron st&auml;rker ab als das Gesamttestosteron. Die Ver&auml;nderungen sind bei &uuml;bergewichtigen M&auml;nnern ausgepr&auml;gter als bei normalgewichtigen. Dies sei jedoch erst dann wirklich relevant, wenn der Testosteronmangel zu Beschwerden f&uuml;hre, die die Gesundheit und die Lebensqualit&auml;t der Betroffenen beeintr&auml;chtigen, so Ponholzer. F&uuml;r die meisten Menschen sei Tes&shy;tosteron gleichbe&shy;&shy;deutend mit M&auml;nnlichkeit, sagte er. Doch das Hormon habe vielf&auml;ltige Wirkungen und ein Mangel k&ouml;nne unterschiedliche Symptome verursachen. Zum Beispiel gehe mit niedrigen Testosteronwerten ein erh&ouml;htes kardiovaskul&auml;res Risiko einher, betonte Ponholzer. Neben einer nachlassenden Libido und einer erektilen Dysfunktion litten betroffene M&auml;nner zudem unter anderem an Stimmungsschwankungen, Schlafst&ouml;rungen, mangelnder Ausdauer und schwindender Muskelkraft. <br />Eine Therapie ist laut Ponholzer gerechtfertigt, wenn der Testosteronmangel zu Beschwerden f&uuml;hrt. Man solle aber in einem ausf&uuml;hrlichen Gespr&auml;ch mit dem Patienten den Nutzen abw&auml;gen und herausfinden, warum er diese Therapie w&uuml;nscht. Denn man d&uuml;rfe nicht vergessen, dass viele &auml;ltere Patienten an weiteren Krankheiten leiden und/oder &uuml;bergewichtig sind. Deshalb sei es sinnvoll, mit ihnen auch &uuml;ber die Behandlung der anderen Krankheiten und eine Lebensstil&auml;nderung zu sprechen. <br />F&uuml;r die Substitution wird derzeit am h&auml;ufigsten Testosteronundecanoat eingesetzt, da seine Wirksamkeit und Sicherheit durch Studien gut belegt ist.<sup>8</sup> Es kann oral, transdermal oder alle drei Monate als Injektion verabreicht werden. In Form von Tabletten oder transdermal als Pflas&shy;ter bzw. Gel ist das Mittel gut steuerbar, was bei der Injektion nicht der Fall ist. Allerdings schwankt bei oraler Einnahme die Wirkung je nach der Nahrungszusammensetzung. Bei transdermalen Anwendungen, besonders beim Gel, kann es durch Hautkontakt zur ungewollten &Uuml;bertragung der Substanz auf andere Personen kommen. Kontraindiziert ist eine Testosteronsubstitution bei M&auml;nnern mit Prostata- oder Mammakarzinom, bei gutartigen Prostatahyperplasien, Unfruchtbarkeit, h&auml;matologischen St&ouml;rungen, schweren Herzkrankheiten sowie obstruktiver Schlafapnoe.<sup>8</sup> Es gebe keine Hinweise, dass die Hormongabe beim gesunden Mann Prostatakrebs ausl&ouml;se, betonte Ponholzer. Zur Substitution nach einer vollst&auml;ndigen Prostatektomie existierten nur wenige Studien, diese sei aber nach derzeitigen Erkenntnissen erlaubt.</p> <h2>ED richtig behandeln</h2> <p>Die erektile Dysfunktion (ED) war das Thema von Prof. Andrea Salonia, Mailand. Er wies ausdr&uuml;cklich darauf hin, dass eine ED weniger eine Krankheit als vielmehr ein Warnzeichen sei, etwa f&uuml;r kardiovaskul&auml;re Krankheiten. Daher m&uuml;ssen betroffene M&auml;nner gr&uuml;ndlich klinisch untersucht werden.<sup>9</sup> H&auml;ufig treten Erektionsst&ouml;rungen auch als Folge einer Prostatakrebstherapie auf. Prostataverletzungen und psychische Belastungen k&ouml;nnen ebenfalls zu einer ED f&uuml;hren. <br />F&uuml;r die Behandlung stehen verschiedene Methoden zur Verf&uuml;gung. Dazu geh&ouml;ren stets die Therapie eventueller Grundkrankheiten und ein gesunder Lebensstil.<sup>9</sup> Medikament&ouml;s sind PDE5-Inhibitoren Mittel der Wahl. Die derzeit auf dem Markt befindlichen Pr&auml;parate wirken laut Salonia alle gleich gut. Unterschiede gebe es lediglich bei der Zeit bis zum Eintritt der Wirkung und der Wirkungsdauer. Als Zweitlinientherapie sind intrakavern&ouml;se Injektionen mit vasoaktiven Substanzen wie Alprostadil m&ouml;glich. Als letzter Ausweg, wenn andere Therapien nicht zum Erfolg f&uuml;hren, bietet sich eine Penisprothese an. Neuerdings wird eine Stosswellenbehandlung (low-intensity extracorporal shock wave therapy) untersucht. Allerdings sei es noch zu fr&uuml;h, um Empfehlungen auszusprechen, da es noch zu wenige Daten zu dem Verfahren gebe, sagte Salonia. In seiner Zusammenfassung hob er nochmals hervor, dass die ED die Lebensqualit&auml;t der Betroffenen erheblich einschr&auml;nkt, sie aber eher ein Symptom als eine Krankheit ist und vor allem als Warnsignal f&uuml;r kardiovaskul&auml;re St&ouml;rungen angesehen werden sollte.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Miller K: State-of-the-Art-Lecture: Medikament&ouml;se Therapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms &ndash; was kann und soll der Urologe wissen und machen? 72. Jahresversammlung der SGU, 7.&ndash;9. September, Interlaken <strong>2</strong> Heidenreich A (Chair) et al: Guidelines on prostate cancer. European Association of Urology 2012; <a href="http://uroweb.org/guideline/prostate-cancer" target="_blank">http://uroweb.org/guideline/prostate-cancer</a> <strong>3</strong> Shore ND et al: Efficacy and safety of enzalutamide versus bicalutamide for patients with metastatic prostate cancer (TERRAIN): a randomised, double-blind, phase 2 study. Lancet Oncol 2016; 17: 153-63 <strong>4</strong> Ryan CJ et al: Abiraterone acetate plus prednisone versus placebo plus prednisone in chemotherapy-naive men with metastatic castration-resistant prostate cancer (COU-AA-302): final overall survival analysis of a randomised, double-blind, placebo-controlled phase 3 study. Lancet Oncol 2015; 16: 152-60 <strong>5</strong> Parker C et al: Alpha emitter radium-223 and survival in metastatic prostate cancer. N Engl J Med 2013; 369: 213-23 <strong>6</strong> Sartor AO et al: Cabazitaxel vs docetaxel in chemotherapy-naive (CN) patients with metastatic castration-resistant prostate cancer (mCRPC): a three-arm phase III study (FIRSTANA). J Clin Oncol 2016; 34: suppl; abstr 5006 <strong>7</strong> Ponholzer A: State-of-the-Art-Lecture: Testosteron: Therapie aktuell. 72. Jahresversammlung der SGU, 7.&ndash;9. September, Interlaken <strong>8</strong> Dohle GR (Chair) et al: Guidelines on male hypogonadism. European Association of Urology 2015; <a href="http://uroweb.org/guideline/male-hypogonadism" target="_blank">http://uroweb.org/guideline/male-hypogonadism</a> <strong>9</strong> Hatzimouratidis K (Chair) et al: Guidelines on male sexual dysfunction: erectile dysfunction and premature ejaculation. European Association of Urology 2014; <a href="http://uroweb.org/guideline/male-sexual-dysfunction" target="_blank">http://uroweb.org/guideline/male-sexual-dysfunction</a></p> </div> </p>
Back to top