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Diagnose Diabetes mellitus

Kein Einfluss auf die Wahl der Lipidtherapie nach Myokardinfarkt

<p class="article-intro">Patienten nach einem akuten Koronarsyndrom (ACS), bei denen gleichzeitig Diabetes mellitus vorliegt, haben ein erhöhtes Risiko für weitere kardiovaskuläre Komplikationen, inklusive des Wiederauftretens eines Myokardinfarkts bzw. eines akuten Koronarsyndroms.<sup>1</sup> Die vorliegenden Leitlinien der ESC/EAS (European Society of Cardiology, European Atherosclerosis Society) zur Behandlung der Dyslipidämie<sup>2</sup> wie auch jene der ESC zum Non-ST-Hebungs-ACS<sup>3</sup> empfehlen bei diesen Patienten einen LDL-Cholesterin-Grenzwert von &lt;70mg/dl. Anhand rezenter internationaler Daten haben wir evaluiert, ob das Vorliegen von Diabetes mellitus die Lipidtherapie nach ACS beeinflusst.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Patienten nach Myokardinfarkt, die gleichzeitig an Diabetes leiden, haben ein relativ st&auml;rker erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r einen Reinfarkt als jene, bei denen keine weiteren Risikofaktoren vorliegen.</li> <li>Der LDL-C-Zielwert liegt bei &lt;70mg/dl, wobei die aktuellen ESC/EAS-Leitlinien (2016) eine mindestens 50 % ige Reduktion des LDL-C bei behandlungsnaiven Patienten bei einem</li> <li>LDL-C-Basiswert zwischen 70 und 135mg/dl empfehlen bzw. auch die Einleitung einer zielwertunab&shy;h&auml;n&shy;gigen medikament&ouml;sen Therapie nach Myokardinfarkt empfehlen.</li> <li>Das erh&ouml;hte Risiko von Patienten mit dokumentiertem Diabetes wurde in der Cholesterintherapie nach Myokardinfarkt insofern nicht ber&uuml;cksichtigt, als die Therapiewahl ident mit der bei Patienten ohne Diabetes war.</li> </ul> </div> <p>DYSIS II<sup>4</sup> ist eine internationale Studie, an der Deutschland, Frankreich, Italien, Russland, Irland, Griechenland und Belgien teilgenommen haben und die dar&uuml;ber hinaus Patienten aus Asien sowie dem Nahen Osten eingeschlossen hat (Abb. 1). Die Patienten waren den Kohorten &bdquo;Akutes Koronarsyndrom (ACS)&ldquo; oder &bdquo;Koronare Herzerkrankung (KHK)&ldquo; zugeordnet. Einschlusskriterien waren entweder Hospitalisierung aufgrund eines ACS und ein vollst&auml;ndiges Lipidprofil innerhalb 24 Stunden nach Hospitalisierung oder &ndash; in der KHK-Kohorte &ndash; eine dokumentierte Herzerkrankung und Lipidtherapie &uuml;ber mindestens drei Monate bzw. keine Lipidtherapie. Die Patienten waren nicht in klinische Studien, die Lipidsenker untersuchten, involviert und sind w&auml;hrend der Hospitalisierung nicht verstorben. Wir haben die Patientencharakteristika inklusive der Komorbidit&auml;ten, Lipidwerte und Therapeutika dokumentiert. Die Patienten wurden durchwegs zwischen 2012 und 2014 eingeschlossen und die Cholesterinzielwerterreichung nach den ESC/EAS Dyslipidemia Guidelines in der Fassung von 2011<sup>5</sup> evaluiert. Dies bedeutet einen LDL-C-Zielwert von &lt;70mg/dl f&uuml;r Koronarpatienten mit oder ohne Begleiterkrankungen. Derselbe Zielwert wird in der vorliegenden ESC-Leitlinie zur kardiovaskul&auml;ren Risikopr&auml;vention 2016 und 2012 wie auch in jener zum Non-ST-Hebungs-ACS empfohlen. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1604_Weblinks_seite19.jpg" alt="" width="418" height="369" /></p> <h2>Patientencharakteristik</h2> <p>Insgesamt wurden 3.876 ACS- und 6.794 KHK-Patienten in die Studie aufgenommen. Von den ACS-Patienten hatten 65,2 % bei Hospitalisierung bereits eine Lipidtherapie, unter den KHK-Patienten waren es 93,8 % . Unsere Analyse zur Differenzierung nach der Begleitdiagnose Diabetes fokussiert auf ACS-Patienten. Innerhalb der lipidtherapierten Patienten litten 41,4 % an Diabetes mellitus, w&auml;hrend mit 22,6 % der Patienten ohne Lipidtherapie die Rate an Diabetespatienten ebenfalls hoch war.</p> <p>In der vorliegenden Analyse zum m&ouml;glichen Einfluss der Diagnose Diabetes auf die Therapie wurden nur Patienten herangezogen, bei denen im CRF ausdr&uuml;cklich die Diagnose angegeben wurde, da ein reines Vorliegen erh&ouml;hter Blutglukose- oder HbA<sub>1c</sub>-Werte keine Aussage auf einen potenziellen Unterschied in der Behandlung zulassen w&uuml;rde.</p> <p>In DYSIS II ACS wurden im Design einer prospektiven Beobachtungsstudie Patienten in der Akutphase und einer Nachbeobachtungszeit von 120 Tagen untersucht. 3.803 Patienten konnten in die vorliegende Auswertung eingeschlossen werden<sup>6</sup> (bei 73 Patienten lagen keine vollst&auml;ndigen Daten zu den Komorbidit&auml;ten vor). Das durchschnittliche Alter lag bei 62,3&plusmn;12,1 Jahren. 76,4 % waren M&auml;nner, 36,9 % litten an Diabetes mellitus (Tab. 1). <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1604_Weblinks_seite20_1.jpg" alt="" width="1117" height="1044" /> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1604_Weblinks_seite20_2.jpg" alt="" width="1023" height="457" /></p> <h2>LDL-Zielwert-Erreichung</h2> <p>Bei Einschluss in die Studie in der Akutphase erreichten 23,8 % jener Patienten mit Diabetes das LDL-Cholesterin-Therapieziel &lt;70mg/dl, allerdings nur 16,0 % der Patienten ohne Diabetes mellitus (p &lt;0,0001). Die mediane Distanz zum LDL-Cholesterin-Zielwert (&bdquo;distance to target&ldquo;) betrug 38mg/dl (16&ndash;66) bei Patienten mit Diabetes und 48mg/dl (24&ndash;77) bei Patienten ohne Diabetes (p &lt;0,0001) (Tab. 2).</p> <p>F&uuml;r etwa 91 % der Patienten lagen 4-Monats-Follow-up-Daten vor, wobei &auml;hnlich wie bei Einschluss Diabetes mellitus bei 37,5 % lag. Insgesamt wurden bei nur 28 % der Post-Infarkt-Patienten die Lipidwerte innerhalb der ersten 4 Monate ermittelt,<sup>7</sup> was bedeutet, dass etwa drei Viertel der Patienten zwar Statine (bei 9 % der Patienten in Kombination mit anderen Lipidsenkern, darunter 5 % Ezetimib) nahmen, aber keine rezenten Laborwerte vorlagen.</p> <p>Unter den Patienten mit Diabetes mellitus, bei denen der LDL-Cholesterin-Wert ermittelt wurde, erreichten 38,8 % den LDL-Cholesterin-Zielwert, w&auml;hrend nur 28,1 % der Patienten ohne Diabetes mellitus diesen erreichten (p &lt;0,001). Somit kann bei beiden Patientengruppen durch Intensivierung der Lipidtherapie eine Verbesserung in der Zielwerterreichung um 12 % bzw. 15 % festgestellt werden. Hinsichtlich der Distanz zum Therapieziel waren beide Gruppen vergleichbar: 21,5mg/dl (9,0&ndash;42,0) f&uuml;r Patienten mit Diabetes und 21,0mg/dl (6,0&ndash;37,0) f&uuml;r jene ohne Diabetes (p=0,16).</p> <p>Tabelle 3 zeigt, dass in der Behandlung von Post-ACS-Patienten mit oder ohne Diabe&shy;tes kein Unterschied gemacht wurde. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1604_Weblinks_seite21.jpg" alt="" width="992" height="474" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Ein gleichzeitig mit dem akuten Koronarsyndrom vorliegender Diabetes mellitus hatte keinen Einfluss auf die gew&auml;hlte Lipidtherapie. Trotz des stark erh&ouml;hten Risikos wurde keine intensivere Lipid&shy;therapie gew&auml;hlt. Sowohl in Hinblick auf die Statindosis als auch auf die Kombination mit Ezetimib (zu beiden Substanzklassen liegen positive Endpunktstudien vor,<sup>8, 9</sup> PCSK9-Inhibitoren waren zum Zeitpunkt der Studie nicht zugelassen) ist eine Intensivierung m&ouml;glich. Die niedrigeren LDL-Cholesterin-Werte und die damit verbundene bessere Zielwerterreichung bei Patienten mit Diabetes sind daher auf das ver&auml;nderte Lipidprofil (kleinere Partikel bei gleicher Anzahl, daher verringerte Masse) zur&uuml;ckzuf&uuml;hren. Die LDL-Cholesterin-Zielwerterreichung war in beiden Gruppen niedrig, wobei sowohl hinsichtlich Statin&shy;dosis als auch Kombinations&shy;therapie (90 % hatten keine lipid&shy;senkende Kombinationstherapie) Verbesserungen m&ouml;glich sind.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Bohula et al: Circulation 2016; 134: 304 <strong>2</strong> Catapano AL et al: 2016 ESC/EAS Guidelines for the Management of Dys&shy;lipidaemias. Eur Heart J 2016. doi:10.1093/eurheartj/ehw272 <strong>3</strong> Hamm CW et al on behalf of Guidelines ESCCfP: ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation: The Task Force for the management of acute coronary syndromes (ACS) in patients presenting without persistent ST-segment elevation of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2011; 32: 2999-3054 <strong>4</strong> Gitt AK et al on behalf of DYSIS II Study Group: Still high prevalence of persistent lipid abnormalities among coronary patients despite chronic statin therapy in 2014: results of DYSIS II ACS and CHD. JACC 2016; 67(13_S): 1933 <strong>5</strong> Catapano AL et al: ESC/EAS Guidelines for the &shy;management of dyslipidaemias: The Task Force for the management of dyslipidaemias of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Atherosclerosis &shy;Society (EAS). Atherosclerosis 2011; 217: 3-46 <strong>6</strong> Lautsch D et al: In patients surviving an ACS event, concomitant &shy;diabetes mellitus does not influence lipid lowering &shy;treatment. Results from the dyslipidemia international study (DYSIS) II ACS. Eur Heart J 2016; ESC 2016: Poster Presentation P830. <strong>7</strong> Lautsch D et al on behalf of DYSIS II Investigators: Does diagnosis of diabetes mellitus among patients surviving an ACS event affect lipid control &shy;measures? Results from the dyslipidemia international study (DYSIS) II ACS. Diabetologia 2015; 58(suppl 1) <strong>8</strong> Cholesterol Treatment Trialists; Baigent C et al: Efficacy and safety of more intensive lowering of LDL cholesterol: a meta-analysis of data from 170,000 participants in 26 randomised trials. Lancet 2010; 376: 1670-8 <strong>9</strong> Cannon CP et al: Ezetimibe added to statin therapy after acute &shy;coronary syndromes. N Engl J Med 2015; 372: 2387-97</p> </div> </p>
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