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Turne bis zur Urne: So bleibt man lange körperlich und geistig fit

<p class="article-intro">Dietrich Grönemeyer, der Bruder des Musikers Herbert Grönemeyer und Professor für Gesundheitswirtschaft an der Steinbeis-Hochschule in Berlin, sagte einmal, am besten für die Gesundheit sei es, bis ins hohe Alter körperlich fit zu bleiben: Turne bis zur Urne! Warum Bewegung so wichtig ist und wie viel man machen muss, erklärte der Sportmediziner Dr. med. Walter O. Frey, Ärztlicher Leiter des Balgrist Move>Med Swiss Olympic Medical Center an der Universitätsklinik Balgrist in Zürich, an einer Ärztefortbildung.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1605_Weblinks_seite25_1.jpg" alt="" width="1066" height="476" /></p> <p>Es gibt sicherlich kaum jemanden, der nicht lange und gesund leben m&ouml;chte. Welche Rolle die Bewegung dabei spielt und wie viel Sport man treiben muss, erkl&auml;rte Dr. med. Walter O. Frey und gab einfache &laquo;Bewegungsrezepte&raquo; &ndash; nicht nur f&uuml;r Patienten, sondern auch f&uuml;r Kollegen. Im Alter nehmen Knochendichte und Muskelmasse ab, wir h&ouml;ren und sehen schlechter, und auch die kognitive Funktion l&auml;sst nach. &laquo;Das geh&ouml;rt zum normalen Alterungsprozess&raquo;, erkl&auml;rte Frey. &laquo;Es ist bis zu einem gewissen Grade normal, wenn &auml;ltere Menschen mal etwas vergessen &ndash; da muss man nicht gleich an eine beginnende Demenz denken.&raquo;<br /> Training verbessert die Kognition, vor allem die exekutiven Funktionen: Das zeigte 2003 eine Metaanalyse aus den USA von 18 Interventionsstudien bei &auml;lteren Menschen.<sup>1</sup> Bei mittlerer Intensit&auml;t und 31 bis 45 Minuten pro Trainingseinheit war der Effekt gr&ouml;sser als bei k&uuml;rzeren oder l&auml;ngeren Einheiten. &laquo;Am besten ist kombiniertes Training, also Kraft und Ausdauer &ndash; und zwar von Kind an&raquo;, sagte Frey. Sei man einmal im Teufelskreis aus mangelnder Bewegung, Krankheit, sich nicht mehr bewegen und noch mehr krank werden gelandet, komme man da kaum mehr heraus. &laquo;Man kann dann so viele Ged&auml;chtnisspiele machen, wie man will, das bringt dann nichts mehr.&raquo;<br /> Nicht alle Faktoren der k&ouml;rperlichen Fitness lassen sich gleich gut trainieren. Die Kraft l&auml;sst im Alter zwar sukzessive nach, aber man kann die Muskelst&auml;rke erh&ouml;hen &ndash; das haben Forscher aus Boston schon in den 1980er-Jahren gezeigt.<sup>2</sup> Zw&ouml;lf untrainierte gesunde Freiwillige zwischen 60 und 72 Jahren nahmen an einem zw&ouml;lfw&ouml;chigen Muskelst&auml;rkungsprogramm teil. Trainiert wurden Extensoren und Flexoren beider Kniegelenke. Das Training fand an drei Tagen in der Woche statt, pro Tag wurden drei Einheiten durchgef&uuml;hrt mit jeweils acht Wiederholungen. Nach zw&ouml;lf Wochen hatte die Kraft von Extensoren und Flexoren um 107,4 % bzw. um 226,7 % zugenommen. In der Computertomografie sah man eine Zunahme der Beinmuskeln und eine Hypertrophie der Muskelfasern. &laquo;Viele denken, im Alter k&ouml;nne man die Muskelkraft nicht mehr steigern&raquo;, sagte Frey. &laquo;Das stimmt aber nicht. Es ist seit Jahrzehnten bekannt, dass mehr mitochondriale Enzyme gebildet werden k&ouml;nnen und auch mehr Kapillaren.&raquo; Ein 70-J&auml;hriger, der Krafttraining macht, hat doppelt so viel Kraft wie ein 30-J&auml;hriger, der nicht trainiert. Man solle nicht stoisch hinnehmen, dass man im Alter unfit werde. &laquo;Man kann sehr viel erreichen, wenn auch nicht in allen Fitnessbereichen.&raquo; Am besten trainieren lassen sich im Alter Kraft und Ausdauer, etwas weniger gut die Beweglichkeit und noch weniger gut Koordination und Schnelligkeit. &laquo;Aber trotzdem ist es hilfreich, wenn man alle f&uuml;nf Faktoren trainiert.&raquo; Der Muskel sei wie ein sekretorisches Organ: Er produziert diverse Interleukine und Proteine und beeinflusst auf vielf&auml;ltige Weise den Stoffwechsel. So steigert er unter anderem Lipolyse, Glukoneogenese und Insulinsekretion und f&ouml;rdert die endotheliale Funktion und die Revaskularisierung.<sup>3</sup><br /> Wie &uuml;berwindet man nun den inneren Schweinehund? Am besten mit dem einfachen Argument: Wer sich bewegt, lebt l&auml;nger. Ende der 1990er-Jahre starteten Wissenschaftler vom Institute for Aerobics Research in Dallas eine Studie, in der sie 10&thinsp;224 M&auml;nner und 3120 Frauen &uuml;ber einen Zeitraum von acht Jahren beobachteten. Die Probanden wurden in f&uuml;nf Fitness-Gruppen mit unterschiedlich viel Bewegung eingeteilt. Die M&auml;nner, die sich am meisten bewegten, hatten ein mehr als dreimal geringeres Sterberisiko als die M&auml;nner, die am wenigsten machten. Bei den Frauen war das Risiko sogar mehr als viermal geringer (Abb. 1).<sup>3</sup> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1605_Weblinks_seite22.jpg" alt="" width="" height="" /> Eine Studie aus Taiwan mit 416&thinsp;175 Teilnehmern zeigte 2011, dass man sein kardiovaskul&auml;res Risiko um 14 % senken kann, wenn man sich pro Tag 15 Minuten moderat bewegt, und bei h&ouml;herer Intensit&auml;t um mehr als das Doppelte (Abb. 2).<sup>5</sup> Je l&auml;nger die Probanden pro Tag trainierten, desto gr&ouml;sser war der Effekt, aber ab mehr als etwa 100 Minuten Bewegung pro Tag war keine weitere Steigerung mehr zu beobachten. Die Blutgef&auml;sse profitieren von der Bewegung: 1500kcal/Woche, die durch Bewegung verbrannt werden, verlangsamen den atherosklerotischen Prozess in den Blutgef&auml;ssen, bei 2200kcal/Woche kommt es zu einer Regression der Intima-/Medial&auml;sionen.<sup>6</sup> &laquo;&Uuml;berwinden Sie den Schweinehund &ndash; bewegen Sie sich drei- bis viermal pro Woche 45 Minuten lang so intensiv, dass Sie dabei noch sprechen k&ouml;nnen&raquo;, so Freys Rezept. Um Muskelkater oder &Uuml;berlastungen zu vermeiden, sollte man langsam beginnen und die Intensit&auml;t sukzessive steigern, die Art der Bewegung abwechseln und nicht zu viel trainieren, also nicht mehr als 3500 Kilokalorien pro Woche. &laquo;Das Wichtigste ist aber: Es soll Spass machen!&raquo;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1605_Weblinks_seite25_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Colcombe S et al: Fitness effects on the cognitive function of older adults: a meta-analytic study. Psychol Sci 2003; 14: 125-30 <strong>2</strong> Frontera WR et al: Strength conditioning in older men: skeletal muscle hypertrophy and improved function. J Appl Physiol 1988; 64: 1038-44 <strong>3</strong> Pedersen BK, Febbraio MA: Muscles, exercise and obesity: skeletal muscle as a secretory organ. Nat Rev Endocrinol 2012; 8: 457-65 <strong>4</strong> Blair SN et al: Physical fitness and all-cause mortality. A prospective study of healthy men and women. JAMA 1989; 262: 2395-2401<strong> 5</strong> Wen CP et al: Minimum amount of physical activity for reduced mortality and extended life expectancy: a prospective cohort study. Lancet 2011; 378: 1244-53 <strong>6</strong> Hambrecht R et al: Various intensities of leisure time physical activity in patients with coronary artery disease: Effects on cardiorespiratory fitness and progression of coronary atherosclerotic lesions. J Am Coll Cardiol 1993; 22: 468-77</p> </div> </p>
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