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Heilen statt amputieren

Das diabetische Fußsyndrom – mögliche Wege aus dem Desaster

<p class="article-intro">Das diabetische Fußsyndrom (DFS) ist eine der am schwersten wiegenden und kostenintensivsten Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus. Es ist die Hauptursache für Hospitalisierung. Allerdings könnte durch geeignete Prophylaxe und rechtzeitig eingeleitete adäquate Therapie die Hälfte aller diabetisch bedingten Amputationen verhindert werden. </p> <hr /> <p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_DAM_Allgemeinm_1608_Weblinks_seite14.jpg" alt="" width="659" height="676" /></p> <p>Die Zahl der Diabetiker steigt stetig und somit auch die Zahl derer, die an Sp&auml;tsch&auml;den wie dem DFS erkranken. Hauptprobleme dabei: fehlender Leidensdruck und mangelnde Aufkl&auml;rung. Dadurch sind der Entstehung bedrohlicher, aber meist vermeidbarer Folgeerkrankungen keine Grenzen gesetzt. Das Resultat sind steigende Behandlungskosten und damit verbunden eine enorme gesundheits&ouml;konomische Belastung, ganz zu schweigen vom pers&ouml;nlichen Leid der Betroffenen. Diese verstehen oft erst bei Einlieferung ins Krankenhaus oder der drohenden Amputation, worum es geht. Die Prophylaxe hat deshalb einen extrem hohen Stellenwert.</p> <h2>Ursachen des DFS</h2> <p>Die Ursachen des DFS sind die diabetische Polyneuropathie (PNP) und die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK). Ausl&ouml;ser sind meist Bagatellverletzungen und Druckstellen durch falsches Schuhwerk und am Ende steht oft die Amputation, die in vielen F&auml;llen vermeidbar w&auml;re. Bereits 1989 wurde bei einem Treffen der Weltgesundheitsorganisation (damals WGO) und der International Diabetes Federation (IDF) in San Vincente von den Regierungen unter anderem gefordert, die Zahl der Gliedamputationen aufgrund diabetischer Gangr&auml;n um die H&auml;lfte zu reduzieren. Leider ist dies bis heute nicht einmal im Ansatz gelungen, obwohl es durchaus m&ouml;glich und realistisch w&auml;re.</p> <p>Motorische Neuropathie ver&auml;ndert die Biomechanik, f&uuml;hrt zur Deformierung und Druckmaximierung plantar im Fu&szlig;ballenbereich und zur Ausbildung von Druckulzera &ndash; den sogenannten Mala perforantes. Weiters kommt es zu einem Verlust der Schwei&szlig;sekretion und dadurch bedingt zu trocken schuppender Haut, Bildung von Hyperkeratosen und durch den Ausfall der sympathischen Nervenfasern zur Vasodilatation, dadurch wiederum zur Hyperperfusion &ndash; die F&uuml;&szlig;e sind typischerweise warm, rosig, oft hyperpigmentiert und trocken.</p> <p>Sensible Neuropathie ist verantwortlich f&uuml;r Par- und Hyp&shy;&auml;sthesien, die Patienten haben entweder ein vermindertes bis gar kein Schmerzempfinden oder Ruheschmerzen in allen Qualit&auml;ten. Ersteres ist f&uuml;r die Patienten wenig belastend, jedoch gef&auml;hrlich, Zweiteres &auml;u&szlig;erst unangenehm bis nahezu unertr&auml;glich. Gef&auml;hrlich ist das verminderte Schmerzempfinden deshalb, weil die Warnfunktion der Schmerzsymptomatik ausf&auml;llt und z.B. zu enges Schuhwerk, zu hei&szlig;es Wasser oder Fremdk&ouml;rper wie kleine Steinchen im Schuh Verletzungen, die von Patienten unbemerkt bleiben, verursachen k&ouml;nnen. Aufgrund von verz&ouml;gerter Wundheilung durch Diabetes, erh&ouml;hter Infektionsgefahr, mangelnder Aufkl&auml;rung und mangelhafter Ausbildung der &Auml;rzte auf dem Gebiet von chronischen Wunden und DFS f&uuml;hrt dies leider allzu oft zur Amputation &ndash; in den meisten F&auml;llen absolut unn&ouml;tig. Weitere Folgen sind Wundheilungsst&ouml;rungen an der Amputationsstelle (Abb. 1), Nachamputation &ndash; die sogenannte Salamitaktik &ndash;, oft folgen der soziale Absturz, Depressionen und die Patienten werden zu Pflegef&auml;llen.</p> <p>Bei zus&auml;tzlichem Vorliegen einer pAVK bleiben die typischen Claudicatiobeschwerden aus, da aufgrund der Neuropathie das Schmerzempfinden deutlich reduziert oder gar nicht mehr vorhanden ist, deshalb wird die Diagnose pAVK viel zu sp&auml;t gestellt und eine Revaskularisierung ist oft nicht mehr oder nur erschwert durchf&uuml;hrbar &ndash; die Amputation bleibt als einzige M&ouml;glichkeit &uuml;brig. Deshalb muss fr&uuml;hzeitig daran gedacht werden, Gef&auml;&szlig;screenings durchzuf&uuml;hren und einen Gef&auml;&szlig;status zu erheben.</p> <p>Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund der mangelnden Durchblutung auch das Infektionsrisiko erh&ouml;ht und die Immunabwehr deutlich reduziert ist.</p> <p>Leider werden manche L&auml;sionen und Ulzera nur als H&uuml;hnerauge oder Hornhaut abgetan und es wird nicht erkannt, um welch schwerwiegendes Problem es sich tats&auml;chlich handelt. Rasches und vor allem richtiges Handeln ist von &auml;u&szlig;erster Wichtigkeit, um aus einer Bagatelle keinen Super-GAU werden zu lassen.</p> <h2>Therapieoptionen</h2> <p>Zu Beginn der Behandlung steht die richtige Einsch&auml;tzung der Wundsituation (Blutzucker, Durchblutung, Neuropathie, Infektion, Ausma&szlig;, Wundbeschaffenheit, Druck, Knochenbeteiligung &ndash; Osteomyelitis, sonstige Ursache?).</p> <p>Ganz wichtig ist aus meiner Sicht auch ein Blick &uuml;ber den Wundrand hinaus. Man darf nie die Ursachen au&szlig;er Acht lassen. Dazu kommen noch die Psyche der Patienten und ihr soziales Umfeld, die gerade im Bereich der chronischen Erkrankungen wesentliche Faktoren sind. Das hei&szlig;t, man sollte auch die Lebenspartner miteinbeziehen und die Therapie muss mit dem (Berufs-)Alltag vereinbar sein. Sonst fehlt die notwendige Compliance und ein Therapieerfolg bleibt aus. F&uuml;r eine erfolgreiche Therapie ist auch die entsprechende Kooperation des Patienten n&ouml;tig.</p> <p>F&uuml;r jeden Patienten muss ein individuelles Therapiekonzept erstellt werden: ein Wundbehandlungskonzept, das den Erfordernissen des jeweiligen Patienten angepasst ist. Ziel ist, die Mobilit&auml;t und Lebensqualit&auml;t der Pa&shy;tienten zu erhalten, Infektionen und Komplikationen zu verhindern und so die Heildauer zu verk&uuml;rzen und Kosten zu senken. Wesentlich ist eine ganzheitliche Behandlung bestehend aus der Behandlung der Grundkrankheiten, erg&auml;nzenden Therapien und der lokalen Wundtherapie.</p> <h2>Behandlung der Grundkrankheiten</h2> <p>Prim&auml;r sollte die Blutzuckereinstellung optimiert werden. Bei Vorliegen einer pAVK ist eine Gef&auml;&szlig;revaskularisierung durchzuf&uuml;hren. Dies kann entweder konservativ (Gehtraining, h&auml;morheologische Ma&szlig;nahmen mit vasoaktiven Substanzen, Antikoagulation) erfolgen oder interventionell bzw. gef&auml;&szlig;chirurgisch (PTA, Dilatation, pedale Byp&auml;sse, Profundaplastik). Der Blutdruck sollte genau eingestellt und der Fettstoffwechsel optimiert werden. Eine Gewichtsreduktion sowie eine Lifestyleumstellung (am besten mit einer Detox-Kur nach F. X. Mayr) sind ebenso w&uuml;nschenswert wie Nikotinkarenz. Enorm wichtig ist die Infektionskontrolle. Bei einer Infektion ist eine systemische Antibiotikatherapie nach Antibiogramm einzuleiten. (Niemals lokale Antibiotika anwenden! Diese schaffen nur Resistenzen und das Keimspektrum ist gering.) Bei Osteomyelitis (Abb. 2) sind der Einsatz von knocheng&auml;ngigen Antibiotika und eine Behandlung &uuml;ber mehrere Wochen bis Monate angezeigt. Die Behandlung sollte immer in Kombination mit Probiotika durchgef&uuml;hrt werden. Wenn m&ouml;glich ist der beteiligte Knochen zu entfernen. Eine Druckentlastung der betroffenen Bereiche durch Kr&uuml;cken, Rollstuhl, langfristig die Versorgung mit einem orthop&auml;dischem Ma&szlig;schuh ist anzustreben. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_DAM_Allgemeinm_1608_Weblinks_seite16.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Erg&auml;nzende Therapien</h2> <ul> <li>Patientenschulung und Lifestyle&auml;nderung</li> <li>Beseitigung vorliegender &Ouml;deme durch Lymphdrainage. Diese ist fast immer von Vorteil, da aufgrund des Gewebedefektes und der meist bestehenden Fehlern&auml;hrung auch das Lymphsystem &bdquo;out of order&ldquo; ist. Kontraindiziert ist sie jedoch bei akuten Infektionen, Herzinsuffizienz und Karzinomen.</li> <li>Beseitigung von Ern&auml;hrungsdefiziten durch Nahrungserg&auml;nzungsmittel (Aminos&auml;uren, Zink und Selen, Vitamine, Spurenelemente etc.)</li> <li>Thromboseprophylaxe bei immobilen Patienten</li> <li>Nach M&ouml;glichkeit erg&auml;nzend Low-Level-Lasertherapie, H&auml;molaser, Ozontherapie etc.</li> </ul> <h2>Lokale Wundtherapie</h2> <p>Neben der Behandlung von Grundkrankheiten unter Einbeziehung aller verursachenden Faktoren ist die lokale Wundtherapie eine wesentliche Ma&szlig;nahme im Kampf gegen das DFS. Wundbel&auml;ge st&ouml;ren die Mikrozirkulation nachhaltig und k&ouml;nnen sie zum v&ouml;lligen Erliegen bringen, es kommt an der Wundoberfl&auml;che und am Wundrand zum Untergang von intaktem Gewebe. Es hat keinen Sinn, auf abgestorbenes Gewebe Wundauflagen zu geben. Nach einem ausgiebigen D&eacute;bridement (Entfernen aller avitalen Gewebeanteile, Schaffung eines sauberen Wundgrundes) muss eine ad&auml;quate, phasengerechte Wundversorgung nach den Richtlinien des modernen Wundmanagements durchgef&uuml;hrt werden (Abb. 3).</p> <p>Feuchte Wundbehandlung durch Wundkonditionierung mit interaktiven Wundverb&auml;nden ist angebracht. Der gewebeschonende, atraumatische Verbandwechsel ist f&uuml;r einen optimalen Heilungsverlauf von grundlegender Bedeutung. Verbandswechsel sollten in der Regel, sofern keine massive Infektion vorliegt, 2- bis 3-mal pro Woche erfolgen. Die Wunde braucht auch &bdquo;Wundruhe&ldquo; zur Heilung. Meine Message: Mit den entsprechenden Verb&auml;nden richtig umzugehen muss wirklich gelernt sein und erfordert auch ein gewisses Ma&szlig; an Erfahrung! Der Verband alleine ist nie ausreichend als Therapie zur Behandlung einer chronischen Wunde, man kann aber mit falschen Verb&auml;nden bzw. der nicht ad&auml;quaten Anwendung von Verbandsmaterial viel Schaden anrichten!</p> <h2>Res&uuml;mee</h2> <p>Pro Jahr werden &ouml;sterreichweit 2.400 (!) Amputationen bei Diabetikern durchgef&uuml;hrt (laut &Ouml;DG 7/2007). Dementsprechend muss die Pr&auml;vention einen extrem hohen Stellenwert haben! Beim diabetischen Fu&szlig;syndrom w&auml;re mit Geduld und dem richtigen Know-how unter Mitarbeit des Patienten ein Gro&szlig;teil der Amputationen zu verhindern, bei gleichzeitiger Einsparung von Kosten. Dies erfordert ein individuell erstelltes Therapieregime mit Blick &uuml;ber den Wundrand hinaus unter Einbeziehung aller ausl&ouml;senden und verursachenden Faktoren, auch unter Ber&uuml;cksichtigung des sozialen Umfeldes. Oberstes Ziel sollte die Erhaltung der Mobilit&auml;t und Lebensqualit&auml;t unserer Patienten so lange wie m&ouml;glich sein.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>Literatur bei der Verfasserin<br /><br /></p> </div> </p>
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