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FOMF 2016

Mehr Platz für Osteoporose!

<p class="article-intro">In den letzten Jahren gab es kaum neue Erkenntnisse zur Therapie der Osteoporose. Zwar wurden kürzlich neue Messmethoden entwickelt, diese sind aber noch nicht in die Routinepraxis umgesetzt. Das grösste Problem sei aber, so Dr. Michael Andor aus Zürich, dass das vorhandene Wissen häufig nicht korrekt in die Praxis umgesetzt werde: sowohl bei Diagnostik als auch bei Therapie und Verlaufskontrolle. Auf dem Forum für Medizinische Fortbildung in Zürich gab Andor einen einprägsamen Überblick über das korrekte Vorgehen. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>Im Westen nichts Neues &ndash; mit dem Romantitel und einem Bild verbrannter, &ouml;der B&auml;ume begann Dr. Michael Andor, Facharzt f&uuml;r Rheumatologie am Prodorso-Zentrum f&uuml;r Wirbels&auml;ulenmedizin und Belegarzt an der Hirslanden-Klinik in Z&uuml;rich, am Forum f&uuml;r Medizinische Fortbildung in Z&uuml;rich seinen Vortrag &uuml;ber Osteoporose. Damit wollte er etwas provokativ darauf hinweisen, dass in den letzten Jahren im Praxisalltag keine fundamentalen &Auml;nderungen der Osteoporosetherapie stattgefunden h&auml;tten. Zwar wurden k&uuml;rzlich neue Messmethoden entwickelt, etwa hochaufl&ouml;sende Computertomografie und die Bestimmung des Trabecular Bone Score, &laquo;aber die sind noch nicht in die Routinepraxis umgesetzt&raquo;, sagte Andor. Das gr&ouml;sste Problem bei Osteoporose sei, dass das vorhandene Wissen h&auml;ufig nicht korrekt in die Praxis einfliesse: &laquo;&Auml;rzte diagnostizieren Osteoporose nicht oder nicht korrekt, sie therapieren nicht, nicht gen&uuml;gend oder zu kurz oder zu lang.&raquo; Ausserdem w&uuml;rde oft die Knochendichte falsch gemessen und die Ergebnisse w&uuml;rden falsch interpretiert. &laquo;Es wird auch zu wenig kontrolliert, ob der Patient die Therapie befolgt, und es werden keine Verlaufskontrollen angeordnet.&raquo; <br />Manche glauben, Osteoporose sei ein normaler Alterungsprozess. &laquo;Es ist aber eine Krankheit&raquo;, so Andor. &laquo;Alzheimer sehen wir ja zum Beispiel auch nicht als normale kognitive Schw&auml;che im Alter.&raquo; Osteoporose bekomme viel zu wenig Raum im Arzt-Patienten-Gespr&auml;ch. Unter den typischen Diagnosen beim Hausarzt steht Osteoporose erst an zehnter Stelle &ndash; nach KHK, Hypercholesterin&auml;mie, Diabetes mit Polyneuropathie, Niereninsuffizienz, Polymyalgie, Polyarthrose, chronischer Lumbago und chronischem zervikalem Syndrom mit Vertigo. &laquo;Schaut ein Hausarzt mit seinem Patienten dessen Probleme an, haben die anderen Diagnosen Priorit&auml;t&raquo;, sagte Andor. &laquo;Dabei interagiert die Krankheit mit vielen der h&auml;ufigen Diagnosen, was zu Komplikationen f&uuml;hren kann.&raquo; So k&ouml;nnen zum Beispiel Polyarthrose, das zervikale Syndrom mit Vertigo und Diabetes mit Polyneuropathie zu St&uuml;rzen und bei einem Patienten mit Osteoporose viel eher zu Frakturen f&uuml;hren als bei jemandem ohne die Knochenkrankheit. Bei der Polymyalgie werden oft Steroide verschrieben, die eine Osteoporose verschlechtern k&ouml;nnen. Anders herum k&ouml;nnen osteoporotische Frakturen die Beschwerden bei einer Lumbago verschlimmern.</p> <div id="rot"> <p>&laquo;Die Patienten sehen oft nicht ein, warum sie Medikamente gegen ihre Osteoporose brauchen. Viele setzen die Therapie einfach ohne R&uuml;cksprache ab.&raquo; - M. Andor,Z&uuml;rich</p> </div> <p><br />Immerhin gebe es viele Kollegen, die eine Knochendichtemessung (DXA) zur Diagnose anordnen, erz&auml;hlt Andor. &laquo;Das erste Problem ist dann aber, dass Fehler bei der Messung gemacht werden &ndash; das kann die Ergebnisse verf&auml;lschen.&raquo; Ist die Wirbels&auml;ule zum Beispiel schr&auml;g positioniert, kann die gemessene Knochendichte bereits ver&auml;ndert sein. Das kann bei einer Kontrolluntersuchung den Anschein erwecken, die Therapie habe nicht gewirkt. Die Wirbels&auml;ule muss mittig und m&ouml;glichst gerade positioniert werden. Was noch zu beachten ist, kann man in einer &Uuml;bersichtsarbeit von Michael Lewiecki und Nancy Lane nachlesen.<sup>1</sup> &laquo;Die DXA ist keine hochpr&auml;zise Messung und h&auml;ngt vom Ger&auml;t ab sowie von der Person, die die Untersuchung durchf&uuml;hrt.&raquo; Doch auch wenn die Untersuchung korrekt durchgef&uuml;hrt wird, lauert der n&auml;chste Fehler: &laquo;Man muss die Messungen richtig interpretieren k&ouml;nnen.&raquo; Hat aber ein Patient zum Beispiel degenerative Ver&auml;nderungen am vierten Lendenwirbelk&ouml;rper, darf man bei der Berechnung nur die Werte von L1 bis L3 verwenden. Sonst k&ouml;nnte es sein, dass bei der Knochendichte ein normaler Wert herauskommt, obwohl der Patient schon eine Osteopenie oder eine Osteoporose hat. <br />Stimmen Untersuchungstechnik und Interpretation der Ergebnisse, werde oft leider nicht oder nicht gen&uuml;gend therapiert, sagt Andor. &laquo;Daf&uuml;r gibt es evidenzbasierte Leitlinien, wo man das detailgenau nachlesen kann, zum Beispiel beim Wissenschaftlichen Dachverband Osteologie, DVO.&raquo;<sup>2</sup> <br />Patienten st&ouml;re eine Osteoporose nicht, sie tue ja nicht weh, erz&auml;hlt Andor. Ausserdem werde die DXA-Untersuchung nur alle zwei Jahre durchgef&uuml;hrt und nicht wie zum Beispiel bei Bluthochdruck oder Diabetes jeden Tag. &laquo;Die Patienten sehen oft nicht ein, warum sie Medikamente gegen ihre Osteoporose brauchen.&raquo; Er sehe immer wieder Patienten, die aufgeh&ouml;rt h&auml;tten, ihre Tabletten zu nehmen. &laquo;Wir m&uuml;ssen uns Zeit nehmen und erkl&auml;ren, warum das wichtig ist: Nehmen Sie die Tabletten nicht ein, verlieren Sie Ihren Knochenschutz und haben ein hohes Risiko f&uuml;r eine Fraktur.&raquo; <br />Therapiert wird nach Risikostratifizierung, zum Beispiel mit dem Online-Risikorechner FRAX&reg;.<sup>3</sup> Indiziert ist eine medikament&ouml;se Behandlung je nach dem errechneten Risiko und dem Alter des Patienten. Zur Verf&uuml;gung stehen Tabletten oder Injektionen (Bisphosphonate, Denosumab, Raloxifen). Eine spezielle Stellung nimmt Teriparatid ein, das man einmal t&auml;glich subkutan applizieren muss. &laquo;Teriparatid ist bisher das einzige Medikament, das den Knochenaufbau stimuliert&raquo;, so Andor. &laquo;Es ist einfach anzuwenden und sehr effizient, aber teuer.&raquo; Der wichtigste k&ouml;rpereigene Stimulator f&uuml;r den Knochenaufbau ist k&ouml;rperliche Bewegung, und auch in dieser Hinsicht sollte man versuchen, eine ehrliche, offene Antwort vom Patienten zu erhalten, damit man ihm die f&uuml;r ihn passende Bewegung raten kann. Kalzium ist ein weiterer Pfeiler der Therapie. &laquo;Lassen Sie sich genau beschreiben, was der Patient isst, und passen Sie daran die Kalziumgabe an. Viele Patienten nehmen bereits gen&uuml;gend Kalzium &uuml;ber nat&uuml;rliche Quellen zu sich.&raquo; Ohne Vitamin D sei Kalzium nutzlos, weshalb es praktisch immer substituiert werden sollte. Der Tagesbedarf liegt bei &ge;800 Einheiten pro Tag. Man sollte auch mit dem Patienten besprechen, wie man mit einfachen Massnahmen sein Sturzrisiko senken k&ouml;nnte, z.B. indem man Stolpersteine wie Bettvorleger beseitigt oder den n&auml;chtlichen Gang zum WC so hindernislos wie m&ouml;glich gestaltet. <br />Oft kommen Patienten nach einem Zahnarztbesuch zu Andor: Ihr Zahnarzt w&uuml;rde sich Gedanken machen wegen einer medikament&ouml;s induzierten Osteonekrose am Kiefer. &laquo;Viele Patienten setzen dann einfach die Medikamente ohne R&uuml;cksprache ab.&raquo; Auch hier helfe, wenn man offen mit den Kollegen rede und den Patienten aufkl&auml;re. &laquo;Auf Bisphosphonate aus Angst vor Osteonekrosen zu verzichten ist so, als w&uuml;rde man bei einem Patienten mit koronarer Herzkrankheit aus Angst vor Hirnblutungen auf ASS verzichten.&raquo; Den Patienten erkl&auml;rt der Rheumatologe, dass es zwar ein Risiko f&uuml;r Osteonekrose g&auml;be, dass sie aber sehr selten vorkomme: in 100.000 Patientenjahren nur in 1 bis 90 F&auml;llen. Sind Zahnimplantate oder Knocheneingriffe am Kiefer notwendig, sollte der Zahnarzt allerdings besonders vorsichtig arbeiten. <br />&laquo;Osteoporose ist gem&auml;ss Weltgesundheitsorganisation eine der zehn wichtigsten und teuersten Krankheiten&raquo; res&uuml;miert Andor. Osteoporose t&ouml;tet, sie vernichtet Lebensqualit&auml;t, ist untertherapiert und die Therapie braucht regelm&auml;ssige Kontrollen wie bei jeder chronischen Erkrankung. &laquo;Diagnose und Therapie sind im Vergleich zu anderen Krankheiten einfach und evidenzbasiert. Wir sollten das, was wir wissen, konsequent in die Praxis umsetzen.&raquo;</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Lewiecki EM, Lane NE: Common mistakes in the clinical use of bone mineral density testing. Nat Clin Pract Rheumatol 2008; 4(12): 667-74 <strong>2</strong> <a href="http://www.dv-osteologie.org/dvo_leitlinien/osteoporose-leitlinie-2014" target="_blank">http://www.dv-osteologie.org/dvo_leitlinien/osteoporose-leitlinie-2014</a> <strong>3</strong> <a href="http://www.shef.ac.uk/FRAX/tool.jsp?locationValue=9" target="_blank">http://www.shef.ac.uk/FRAX/tool.jsp?locationValue=9</a></p> </div> </p>
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