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ERS 2016

Nanopartikel: Gefahr durch kleinste Teilchen

<p class="article-intro">Dieselabgase enthalten kleinste Partikel in großer Menge. Die gesundheitlichen Folgen werden zunehmend verstanden. Allerdings werden wir diesen Partikeln nicht nur durch Abgase ausgesetzt. Nanoteilchen werden auch gezielt produziert und finden reichlich industrielle Anwendung.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Der Londoner Smog des Jahres 1952 wurde mit Tausenden Todesf&auml;llen in Verbindung gebracht und f&uuml;hrte zu entschlossenen politischen Ma&szlig;nahmen zur Verbesserung der Luftqualit&auml;t, insbesondere zu einem Verbot von Kohle als Heizmaterial. Die umweltpolitischen Herausforderungen des Jahres 2016 sehen zumindest in Europa anders aus. W&auml;hrend die relativ gro&szlig;en Ru&szlig;partikel aus der Verbrennung von Kohle kaum noch eine Rolle spielen, bereiten den Experten sehr viel kleinere Teilchen Sorgen: Nanopartikel mit weniger als 100nm &empty;, was in etwa der Gr&ouml;&szlig;e eines durchschnittlichen Virus entspricht. Aufgrund ihrer Gr&ouml;&szlig;e weisen sie besondere thermische, magnetische, elektrische und optische Eigenschaften auf. Mit abnehmender Gr&ouml;&szlig;e verschiebt sich das Verh&auml;ltnis von Volumen zu Oberfl&auml;che. Durch die relativ gr&ouml;&szlig;ere Oberfl&auml;che werden die Partikel reaktiver. Nano&shy;partikel sind in Dieselabgasen reichlich vorhanden. In der Lunge durchdringen Nanopartikel leicht die Gas-Blut-Barriere. Sie gelangen sowohl &uuml;ber die Blutbahn als auch &uuml;ber die Lymphe in den gesamten Organismus inklusive Gehirn, werden &uuml;ber die Niere ausgeschieden und sind im Urin nachweisbar.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1605_Weblinks_seite26.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Verschlechterung der Lungenfunktion durch Abgase</h2> <p>Dass sich Autoabgase in den in Europa auftretenden Konzentrationen unmittelbar auf die Gesundheit auswirken k&ouml;nnen, wurde bereits vor zehn Jahren in der &bdquo;Oxford Street&ldquo;-Studie gezeigt. Testpersonen mit Asthma bronchiale entwickelten asymptomatische, aber signifikante Einschr&auml;nkungen der Lungenfunktion (FEV<sub>1</sub>, FVC), wenn sie der Londoner Innenstadtluft in der Oxford Street ausgesetzt wurden.<sup>1</sup> Prof. Dr. Junfeng Zhang von der Duke University in Durham, North Carolina, Seniorautor der Studie, berichtet nun von einer noch unpublizierten Oxford Street Study II, die den Feldversuch mit COPD-Patienten und gesunden Kontrollen wiederholte. Zus&auml;tzlich wurden dabei kardiovaskul&auml;re Risikoparameter bestimmt. Die Oxford Street Study II fand, so Prof. Zhang, &auml;hnliche Ergebnisse wie die Oxford Street Study I und konnte zus&auml;tzlich eine Steigerung des kardiovaskul&auml;ren Risikos (gemessen als arterielle Steifigkeit) sowohl bei den COPD-Patienten als auch bei den Kontrollpersonen nachweisen.<br /> <br /> Die toxischen Wirkungen dieser Partikel r&uuml;hren nicht zuletzt von dem Umstand her, dass sie den Organismus kaum mehr verlassen. Bei Exposition durch die Atemluft werden, so Prof. Dr. Flemming R. Cassee von der Universit&auml;t Utrecht in den Niederlanden, die sehr gro&szlig;en und die sehr kleinen Partikel kaum wieder ausgeatmet. Teilchen mit einem Durchmesser von um die 10nm gelangen fast zu 100 % in die unteren Atemwege und verbleiben auch dort. Sie werden entweder phagozytiert oder durch die alveol&auml;ren Epithelzellen in den Organismus aufgenommen. In Experimenten mit Nano-Goldpartikeln wurde demonstriert, dass sich die Teilchen im gesamten Organismus verteilen und sehr langsam ausgeschieden werden. Im Urin der Probanden war 3 Monate nach der Exposition noch immer Gold nachweisbar. Das hat messbare gesundheitliche Folgen, wie nicht nur die &bdquo;Oxford Street&ldquo;-Studien, sondern mittlerweile auch zahlreiche experimentelle Arbeiten zeigen. Beispielsweise konnten nach einer 2-st&uuml;ndigen Exposition gegen&uuml;ber Dieselabgasen eine Abnahme der Reaktivit&auml;t des Gef&auml;&szlig;endothels und in der Folge eine Erh&ouml;hung des Blutdrucks nachgewiesen werden.<sup>2</sup> Auch eine erh&ouml;hte Neigung zur Thrombosebildung wurde in Experimenten durch Abgasbelastung induziert. Diese Effekte blieben jedoch aus, wenn die Abgase durch einen Partikelfilter gefiltert wurden.<sup>3</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1605_Weblinks_seite28.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Was Nanopartikel mit der Lunge machen</h2> <p>Doch Nanopartikel sind nicht nur in Dieselabgasen enthalten. Sie werden als sph&auml;rische Teilchen, als Fasern (Nanofibers) oder als Nanotubes auch gezielt produziert und technologisch eingesetzt. In die Umwelt freigesetzt werden sie dabei durchaus bewusst. Nanopartikel kommen in den unterschiedlichsten Technologien zum Einsatz, etwa in Biosensoren oder f&uuml;r den Transport von Medikamenten im Organismus. Die Anwendungen reichen vom Kontrastmittel f&uuml;r Ultraschalluntersuchungen &uuml;ber Kosmetikprodukte bis hin zur Bekleidungsindustrie. Als Material kommen Kohlenstoff, Metalle, Metalloxide oder Kunststoffe infrage. Die noch kleineren Quantenpunkte (&bdquo;quantum dots&ldquo;) werden aus Halbleitermaterial hergestellt. Besonders verbreitet sind die antibakteriell wirksamen Silber-Nanopartikel, die beispielsweise bei der Herstellung von Bekleidung Verwendung finden. Dazu Prof. Dr. Terry Tetley vom University College London: &bdquo;Aufgrund des breiten Einsatzes dieser Materialien gibt es sehr ernste Bef&uuml;rchtungen, dass die Exposition w&auml;hrend der Produktion, w&auml;hrend der Verwendung und nach der Entsorgung gesundheitliche Folgen hat.&ldquo; Einige Nanomaterialien zeigen etwa auff&auml;llige strukturelle &Auml;hnlichkeiten mit Asbest. Ihren Weg durch die Lunge bahnen sich die kleinen Teilchen &uuml;ber komplexe Transportmechanismen. Dabei interagieren sie mit dem Feuchtigkeitsfilm des alveol&auml;ren Epithels.<br /> <br /> In In-vitro-Studien zeigte die Gruppe von Prof. Tetley, dass Silber-Nanodr&auml;hte sowohl mit k&uuml;nstlichem Surfactant als auch mit Maus-Surfactant oder Dipalmitoylphosphatidylcholin (DPPC) reagieren.<sup>4</sup> Surfactant und Phospholipide binden an die Silberpartikel. Dies hat einen protektiven Effekt auf die alveol&auml;ren Epithelzellen vom Typ I, nicht aber auf jene vom Typ II. Diese sind der Toxizit&auml;t der Silberpartikel auch in Gegenwart von Surfactant ausgesetzt.<sup>5</sup> Es bestehe, so Prof. Tetley, Grund zur Sorge, dass diese Sch&auml;digung die Immunabwehr in der Lunge schw&auml;chen k&ouml;nnte. Nanopartikel k&ouml;nnen sowohl &uuml;ber aktive als auch passive Mechanismen ins Zytoplasma der Epithelzellen gelangen, wobei sich die Lunge teilweise &uuml;ber protektive Mechanismen sch&uuml;tzt. Surfactant scheint die Aufnahme der Partikel in die Zellen zu erschweren. Generell d&uuml;rften f&uuml;r die alveol&auml;ren Epithelzellen &ndash; im Gegensatz zu den Makrophagen &ndash; die kleinsten Partikel gef&auml;hrlicher sein als die gr&ouml;&szlig;eren; sie bewirken unter anderem eine st&auml;rkere Freisetzung von Interleukin (IL) 8.<sup>6</sup> Epithelzellen vom Typ I erlauben den Partikeln auch das Eindringen in den Organismus durch das Epithel. Hier wird auch eine Ursache der prothrombotischen Wirkung von Nanopartikeln vermutet: Sie bewirken die Hochregulation von Gewebefaktor und Plasminogenaktivator bei gleichzeitiger Downregulation des Plasminogenaktivator-Inhibitors.<br /> <br /> Hinzu kommt das Ph&auml;nomen der &bdquo;frustrierten Phagozytose&ldquo;. Makrophagen versuchen, Nanotubes zu phagozytieren. Sind diese jedoch zu lang, &uuml;berleben die Immunzellen den Versuch der Phagozytose nicht.<sup>7</sup> Dieses Ph&auml;nomen ist von Asbestfasern bekannt und wird mit der Entstehung von Mesotheliomen in Verbindung gebracht. L&auml;ngere Karbon-Nanotubes verhalten sich diesbez&uuml;glich wie Asbest. Sie verursachen bei den Makrophagen im Vergleich zu k&uuml;rzeren Fasern auch mehr oxidativen Stress sowie verst&auml;rkte Aussch&uuml;ttung von Zytokinen und bewirken &uuml;ber mehrere Tage eine Downregulation der Phagozytose.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> McCreanor J et al: Respiratory effects of exposure to diesel traffic in persons with asthma. N Engl J Med 2007; 357(23): 2348-58 <strong>2</strong> Mills NL et al: Combustion-derived nano&shy;particulate induces the adverse vascular effects of diesel exhaust inhalation. Eur Heart J 2011; 32(21): 2660-71 <strong>3&nbsp;</strong>Lucking AJ et al: Particle traps prevent adverse vascular and prothrombotic effects of diesel engine exhaust inhalation in men. Circulation 2011; 123(16): 1721-8 <strong>4</strong> Theo&shy;dorou IG et al: Static and dynamic microscopy of the chemical stability and aggregation state of silver nanowires in components of murine pulmonary surfactant. Environ Sci Technol 2015; 49(13): 8048-50 <strong>5</strong> Sweeney S et al: Silver nanowire interactions with primary human alveolar type-II epithelial cell secretions: contrasting bioreactivity with human alveolar type-I and type-II epithelial cells. Nano&shy;scale 2015; 7(23): 10398-409 <strong>6</strong> Sweeney S et al: Multi-walled carbon nanotube length as a critical determinant of bioreactivity with primary human pulmonary alveolar cells. Carbon N Y 2014; 78: 26-37 <strong>7</strong> Sweeney S et al: Functional consequences for primary human alveolar macrophages following treatment with long, but not short, multiwalled carbon nanotubes. Int J Nanomedicine 2015; 10: 3115-29</p> </div> </p>
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