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ERS 2016

Pulmonal-arterielle Hypertonie: neue Forschung und Therapieempfehlungen

<p class="article-intro">Die pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH) hat sich innerhalb weniger Jahre von einer exotischen Erkrankung zu einem Hauptinteressengebiet der medizinischen Forschung entwickelt. Im Rahmen des ERS 2016 wurden unter anderem neue mechanistische Einsichten in die Pathologie der PAH vorgestellt.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die physiologische Zirkulation in der Lunge zeichnet sich durch geringen Widerstand, niedrigen Druck und moderaten Fluss aus. So k&ouml;nnen betr&auml;chtliche Mengen Blut durch die Lunge flie&szlig;en. Probleme treten auf, wenn sich einer dieser Parameter ung&uuml;nstig ver&auml;ndert. So kann beispielsweise infolge einer An&auml;mie zu viel Blut durch die Lunge gepumpt werden, und Linksherzinsuffizienz erh&ouml;ht den Widerstand nach der Lunge (&bdquo;downstream pressure&ldquo;). Beides kann zu Hypertonie in der Lunge f&uuml;hren. Die typische Ursache der PAH ist jedoch in einer Erh&ouml;hung des Gef&auml;&szlig;widerstandes in der Lunge selbst zu suchen. Daf&uuml;r gibt es wieder eine Reihe m&ouml;glicher Erkl&auml;rungen, wie Prof. Dr. Harm Jan Boogard von der Universit&auml;t Amsterdam ausf&uuml;hrt. Infrage kommen Vasokonstriktion, Remodelling der Arteriolen, erh&ouml;hter ven&ouml;ser Widerstand oder m&ouml;glicherweise auch Verlust von Lungengewebe (Rarefaction). Diese unterschiedlichen Erkl&auml;rungen f&uuml;r die PAH entsprechen der Vielzahl der verschiedenen Formen dieser Erkrankung.</p> <h2>Viele Hypothesen, doch offene Fragen bleiben</h2> <p>Historisch wurde zun&auml;chst Vasokonstriktion als Ursache der PAH angenommen. Dabei ging man, so Boogard, von Befunden aus, die beispielsweise eine Zunahme von PAH durch Sauerstoffmangel in gro&szlig;er H&ouml;he zeigen. Boogard: &bdquo;Im Gegensatz zum gro&szlig;en Kreislauf f&uuml;hrt im Lungenkreislauf Hypoxie zu Vasokonstriktion.&ldquo; Der Mechanismus ist allerdings noch nicht vollst&auml;ndig gekl&auml;rt. Insbesondere ist unklar, wie Hypoxie als Signal verstanden wird. Vermutet wird ein Zusammenhang mit oxidativem Stress. Doch nicht nur Hypoxie bewirkt Vasokonstriktion in den Lungengef&auml;&szlig;en. &Auml;hnliche Effekte wurden unter anderem auch f&uuml;r Serotonin und Endothelin 1 oder Thromboxan A2 beobachtet. Eingeschr&auml;nkte Vasodilatation infolge eingeschr&auml;nkter NO-Produktion oder eines Verlustes der Prostazyklin-Synthase haben &auml;hnliche Effekte.<br /> Boogard: &bdquo;Das erkl&auml;rt aber nicht alles. Wir k&ouml;nnen PAH nicht mit Vasodilatoren heilen. Seit 20 Jahren sehen wir also viel Forschung zum arteriellen Remodelling.&ldquo; Beispielsweise habe man gelernt, dass sich im Rahmen der Erkrankung auch das Endothel ver&auml;ndert, was insofern gut zur Klinik passe, als beispielsweise die Assoziation der PAH mit Bindegewebserkrankungen oder viralen Infektionen gut mit einer Beteiligung der Endothelzellen vereinbar sei. &bdquo;Was wir allerdings nicht verstehen, ist, warum es nicht zu einer physiologischen Reparatur des Endothels kommt, sondern an einem bestimmten Punkt pathologische Ver&auml;nderungen auftreten.&ldquo; Eine Beteiligung des Immunsys&shy;tems d&uuml;rfte hier ausschlaggebend sein. Dennoch bleiben zahlreiche offene Fragen. Diese betreffen beispielsweise die Beteiligung des ven&ouml;sen Systems. Offen ist nicht zuletzt auch die Frage, warum Frauen ein h&ouml;heres Risiko haben, eine PAH zu entwickeln, als M&auml;nner.</p> <h2>Gro&szlig;e H&ouml;he als Risikofaktor f&uuml;r pulmonale Hypertonie</h2> <p>Zahlreiche im Rahmen des ERS 2016 pr&auml;sentierte Arbeiten werfen ein neues Licht auf die Pathophysiologie der PAH. So gilt intensives Interesse dem Zink-Transporter ZIP12. Prof. Dr. Lan Zhao vom Imperial College London weist auf den generell in den H&ouml;henregionen der Welt erh&ouml;hten pulmonalen Blutdruck hin. In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass chronische Hypoxie das Risiko, eine PAH zu entwickeln, erh&ouml;ht. Beim Menschen legen die epidemiologischen Daten jedoch einen ausgepr&auml;gten Zusammenhang mit der Genetik nahe. So liegt der durchschnittliche pulmonale Blutdruck im Lungenkreislauf im 3.600m hoch gelegenen Lhasa bei 15mmHg, in Leadville, Colorado, auf 3.100m hingegen bei 24mmHg (Abb. 1).<sup>1</sup> Auch bei Ratten wurde ein h&ouml;henresistenter Stamm identifiziert. Die bei Nagetieren dahinterliegende Mutation ist mittlerweile bekannt. Sie befindet sich auf Chromosom 17 und betrifft ein Gen, das f&uuml;r den Zink-Transporter ZIP12 kodiert. Die Familie der ZIP-Transporter reguliert die Zink-Hom&ouml;ostase in der Zelle. Die mit H&ouml;henresistenz assoziierte Mutation f&uuml;hrt zu einer Verk&uuml;rzung des Proteins, die eine eingeschr&auml;nkte F&auml;higkeit zum Zink-Transport erwarten l&auml;sst.<br /> Versuche mit Ratten zeigen auch, dass bei Hypoxie ZIP12 hochreguliert wird. Dieser Befund wurde bei Rindern best&auml;tigt, die in gr&ouml;&szlig;eren H&ouml;hen bovinen Lungenhochdruck (&bdquo;brisket disease&ldquo;) entwickeln. In einer Studie an Menschen, die im kirgisischen Hochland leben, konnte ebenfalls eine Hochregulation von ZIP12 nachgewiesen werden. Diese Population bewohnt das Hochland seit rund 1.000 Jahren und kommt damit offenbar nicht gut zurecht. Rund 14 % der Bev&ouml;lkerung zeigen Zeichen von pulmonaler Hypertonie.<sup>2</sup> Mittlerweile ist es auch gelungen, ZIP12-Upregulation in Biopsaten aus den Lungenarterien von Patienten mit idiopathischer PAH zu identifizieren. In einem weiteren Schritt gelang es, zu zeigen, dass Knock-out-M&auml;use keine pulmonale Hypertonie entwickeln, wenn sie unter hypoxischen Bedingungen leben m&uuml;ssen.<sup>3</sup> Damit bieten sich ZIP12 im Speziellen und die intrazellul&auml;ren Zink-Spiegel im Allgemeinen als neue therapeutische Ziele in der Behandlung der PAH an. Prof. Zhao: &bdquo;Das kam alles sehr &uuml;berraschend. Wir w&auml;ren nicht auf die Idee gekommen, Zink mit pulmonaler Hypertonie in Verbindung zu bringen.&ldquo;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1605_Weblinks_seite18.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Der rechte Ventrikel bestimmt die Prognose</h2> <p>Weitere offene Fragen im Zusammenhang mit der PAH betreffen die Insuffizienz des rechten Ventrikels. Diese tritt naheliegenderweise auf, weil der Herzmuskel nicht mehr in der Lage ist, gegen den erh&ouml;hten Widerstand der pulmonalen Strombahn anzupumpen. Hinter dieser oberfl&auml;chlichen Erkl&auml;rung liegen jedoch zahlreiche Unklarheiten. Beispielsweise wei&szlig; man nicht, warum es bei manchen Patienten sehr schnell zum Rechtsherzversagen kommt, bei anderen jedoch deutlich langsamer. Prof. Dr. Roxane Paulin vom Heart and Lung Institute Research Centre in Quebec, Kanada, betont, dass Rechtsherzversagen der wichtigste prognostische Faktor in der PAH ist und buchst&auml;blich &uuml;ber Leben und Tod des Patienten entscheidet. Die Funktion des rechten Ventrikels nimmt auch unter wirksamer und erfolgreicher PAH-Therapie ab. Erschwerend kommt hinzu, dass der rechte Ventrikel aus unbekannten Gr&uuml;nden deutlich schneller dekompensiert als der linke. Die Gruppe von Prof. Paulin studiert die Dekompensation des rechten Ventrikels in einem Rattenmodell. Verst&auml;rkte Inflammation, metabolische Ver&auml;nderungen im Sinne einer abfallenden Glukoseaufnahme und abnehmende Angiogenese wurden als Charakteristika des dekompensierenden Myo&shy;kards identifiziert. Zumindest der Verlust von Mikrogef&auml;&szlig;en wurde auch bereits beim Menschen nachgewiesen. Die zur&uuml;ckgehende Angiogenese konnte mit einer Downregulation der kurzen Non-Coding-RNA, miR-126, in Verbindung gebracht werden. Eine weitere Non-Coding-RNA, miR-208, d&uuml;rfte in Verbindung mit den metabolischen Ver&auml;nderungen stehen. Versuche im Tiermodell legen nahe, dass miR-208 speziell f&uuml;r Ver&auml;nderungen im rechten, nicht jedoch im linken Ventrikel bedeutsam ist.</p> <h2>Empfehlungen f&uuml;r die Diagnose und Therapie: die PAH-Leitlinie</h2> <p>Im Rahmen einer Sitzung zu den wichtigsten ERS-Publikationen des Jahres 2016 wurde erneut auf die aktualisierte Leitlinie zur pulmonalen Hypertonie eingegangen, die zwar bereits im vergangenen Jahr vorgestellt, doch erst 2016 vollst&auml;ndig publiziert wurde. In der Leitlinie wird pulmonale Hypertonie durch einen mittleren Blutdruck in der Pulmonalarterie von mindestens 25mmHg in Ruhe definiert. Die Probleme entstehen einerseits dadurch, dass es keine M&ouml;glichkeit gibt, diesen Druck ohne den invasiven und durchaus mit Risiken verbundenen Einsatz des Herzkatheters zu messen, und andererseits auch dadurch, dass es eine Unzahl von Erkrankungen gibt, die mit Lungenhochdruck in Verbindung stehen k&ouml;nnen. Die von ERS und ESC gemeinsam erstellte Leitlinie definiert f&uuml;nf Formen der pulmonalen Hypertonie: pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH), pulmonale Hypertonie infolge von Herzerkrankungen, pulmonale Hypertonie infolge von Lungenerkrankungen, thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) sowie pulmonale Hypertonie mit anderen Ursachen. Die pr&auml;zise Diagnose ist wichtig, da es nur f&uuml;r die PAH und die CTEPH zugelassene Therapien gibt und diese nicht bei anderen Formen der PH verwendet werden sollen.<br /> Gem&auml;&szlig; Leitlinie sollen grundlegende Untersuchungen an normalen kardiologischen Abteilungen durchgef&uuml;hrt und die Patienten bei begr&uuml;ndetem Verdacht auf PH zur weiterf&uuml;hrenden Diagnostik mit dem Rechtsherzkatheter an ein spezialisiertes Zentrum &uuml;berwiesen werden. Es gilt der Grundsatz: keine Therapie ohne ad&auml;quate Diagnose im spezialisierten Zentrum. Die Echokardiografie eignet sich f&uuml;r ein Screening auf PAH, erlaubt jedoch keine definitive Diagnose, sondern lediglich die Zuordnung zu Risikoklassen, die dann in Kombination mit klinischen Faktoren und nach gr&uuml;ndlicher kardiologischer und pulmologischer Abkl&auml;rung zu einer Zuweisung zum Herzkatheter f&uuml;hren k&ouml;nnen.</p> <h2>Viele zugelassene Substanzen, solide Evidenz</h2> <p>Insgesamt soll das Management von Patienten mit pulmonaler Hypertonie immer in Zusammenarbeit mit spezialisierten Zentren erfolgen. Der Therapiealgorithmus der aktuellen Leitlinie enth&auml;lt eine Reihe neuer Medikamente und definiert genau deren Einsatzbereich und die Qualit&auml;t der zugrunde liegenden Evidenz, zusammengefasst in einem Algorithmus auf Basis des individuellen Risikoprofils des Patienten. Eine potenziell kurative Therapie steht nur bei der CTEPH in Form der pulmonalen Endarterektomie zur Verf&uuml;gung, sofern der Patient f&uuml;r diese schwierige und belastende Operation geeignet ist. F&uuml;r CTEPH-Patienten, die f&uuml;r eine chirurgische Therapie nicht infrage kommen oder auf die chirurgische Therapie nicht ad&auml;quat ansprechen, steht mit dem Guanylatcyclase-Stimulator Riociguat mittlerweile auch eine medikament&ouml;se Option zur Verf&uuml;gung.<br /> Mit einem Vasoreaktivit&auml;tstest soll abgekl&auml;rt werden, ob der Patient f&uuml;r eine Therapie mit hoch dosierten Kalziumkanalblockern geeignet ist &ndash; und damit langfristig eine gute Prognose hat. Das ist leider bei mehr als 90 % der Betroffenen nicht der Fall. F&uuml;r sie stehen mittlerweile zahlreiche Substanzen zur Verf&uuml;gung, die bei niedrigem oder mittlerem Risiko initial als orale Mono- oder Kombinationstherapie eingesetzt werden. Bei Hochrisikopatienten wird bereits initial eine Kombinationstherapie inklusive eines intraven&ouml;sen Prostazyklins empfohlen. Diese Empfehlungen basieren auf der Evidenz aus mittlerweile mehr als 30 randomisierten, kontrollierten Studien in der Indikation PAH.<sup>4</sup> Die Leitlinie steht im Internet zum Download zur Verf&uuml;gung:<br /> <a href="http://erj.ersjournals.com/content/46/4/903#sec-26" target="_blank">http://erj.ersjournals.com/content/46/4/903#sec-26</a><br /> <a href="http://eurheartj.oxfordjournals.org/content/early/2015/08/28/eurheartj.ehv317" target="_blank">http://eurheartj.oxfordjournals.org/content/early/2015/08/28/eurheartj.ehv317</a></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Penaloza D, Arias-Stella J: The heart and pulmonary circulation at high altitudes: healthy highlanders and chronic mountain sickness. Circulation 2007; 115(9): 1132-46 <strong>2</strong>&nbsp;Wilkins MR et al: &alpha;1-A680T variant in GUCY1A3 as a candidate conferring protection from pulmonary hypertension among Kyrgyz highlanders. Circ Cardiovasc Genet 2014; 7(6): 920-9 <strong>3</strong> Zhao L et al: The zinc transporter ZIP12 regulates the pulmonary vascular response to chronic hypoxia. Nature 2015; 524(7565): 356-60 <strong>4</strong>&nbsp;Gali&egrave; N et al: Pulmonary arterial hypertension: from the kingdom of the near-dead to multiple clinical trial meta-analyses. Eur Heart J 2010; 31(17): 2080-6</p> </div> </p>
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